Immer wieder werde ich im Rahmen meiner Arbeit gefragt, ob es einen Zusammenhang zwischen Hochsensibilität und Ängsten gibt und meine Antwort ist ein ganz klares: „Ja!“. Mir selbst war lange nicht bewusst, dass ich zu den Menschen gehöre, die hochsensibel sind. Erst auf dem Weg aus meiner Angststörung wurde mir dies vor einigen Jahren klar und erklärte für mich persönlich rückblickend so vieles. Besonders im Hinblick auf die Jahre meines Lebens, die 24/7 von Angst und Panik bestimmt waren. Deshalb ist es mir so wichtig, offen und mehr darüber zu sprechen. Wir brauchen diese Aufklärung, um ein neues Bewusstsein zu schaffen. Ich für meinen Teil bin mir absolut sicher, dass es mit meiner Angststörung niemals so weit hätte kommen müssen, wenn ich um meine Hochsensibilität gewusst hätte.
Doch was ist Hochsensibilität überhaupt?
Man geht davon aus, dass ca. 20% der Bevölkerung hochsensibel sind (Einige Quellen sprechen von 10 – 20%, andere von bis zu 30%). Es wird vermutet, dass hochsensible Personen (HSP) mit einem genetischen Merkmal geboren werden, das als sensorische Verarbeitungsempfindlichkeit bezeichnet wird. Es gibt noch keine offiziellen Diagnoseverfahren dafür, deshalb sind diese Vermutungen in Bezug auf die Vererbung / Genetik von Medizinern noch nicht offiziell bestätigt, aber epigenetisch naheliegend. (Quelle: hochsensibilitaet-netzwerk.com) An vielen Universitäten wird derzeit näher zu Hochsensibilität geforscht.
Die Auswirkungen von Hochsensibilität im Alltag
Bei den normalsensitiven Menschen sorgen bestimmte Filter dafür, dass die Menge an Eindrücken, die sie registrieren, die interne Festplatte nicht überlastet.
Bei HSP ist es, als wären diese Filter nicht aktiv, sie haben eine sehr viel intensivere Reizwahrnehmung und -verarbeitung. Sie reagieren sehr stark auf Reize, wie beispielsweise Gerüche, grelles Licht, laute Geräusche und Stimmungen von anderen Menschen und kommen logischerweise auch früher an ihre Belastungsgrenzen. Der Alltag, das Leben in einer Gesellschaft, die nicht auf diese Bedürfnisse ausgerichtet ist, ist für sie deshalb eine tägliche Herausforderung. Sie haben dadurch oft einen chronisch erhöhten Stresspegel, ihr System schüttet häufiger Stresshormone aus.
Hochsensibilität und Stress
Diese intensivere Form der Reizaufnahme und -verarbeitung, die für hochsensible Menschen „normal“ ist, erleben normalsensitive Menschen übrigens ebenfalls durch die Veränderung des Stresspegels bei Angst. Dann sorgt nämlich unser System durch entsprechende Hormonausschüttung dafür, dass wir sehr viel mehr (potentielle Gefahren) wahrnehmen können als im Normalzustand. Es ist, als würden für diesen Zweck einige Filter deaktiviert. Macht ja auch Sinn, wenn wir uns das mal am Beispiel einer lebensbedrohlichen Situation durch den berühmten Säbelzahntiger vorstellen: Unsere Wahrnehmung verändert sich zu unserem Schutz! Denn die körperlichen Veränderungen, die durch die Hormonausschüttung angezettelt werden, sorgen dafür, dass unser Körper für einen Kampf oder eine Flucht bereit wäre. Unser Sehsinn fokussiert die Gefahr, unser Hörsinn bemerkt kleinste Geräusche/Bewegungen, der Herzschlag verändert sich, unsere Muskeln werden anders durchblutet, wir haben eine andere Körperspannung usw.
Stress und Angst sind also eng miteinander verknüpft. Dieser evolutionstechnisch festgelegte Ablauf folgt der sogenannten Angstkurve und wie gesagt aufgrund von Hormonausschüttung. Wenn unser System also eine Situation bewertet und intern zu dem Schluss kommt – ob begründet oder nicht – dass Gefahr im Verzug ist, startet dieser vollautomatische Ablauf.
Weil hochsensible Personen grundsätzlich viel mehr Reize aufsaugen und diese dann verarbeiten müssen, alle Situationen und Informationen bis ins kleinste Detail durchdenken und immer versuchen auf alles*, aber besonders auf einen eventuellen Worst-Case, bestmöglich vorbereitet zu sein („Was ist wenn…?“), findet häufiger eine entsprechende Stresshormonausschüttung statt. Die logische Konsequenz: sie sind viel anfälliger für Ängste.