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Montag, 23. März 2020 | 08 Uhr

Wolfgang


Einen wunderschönen guten Morgen in die große Runde,

der Autor dieser Zeilen sitzt in Medellín, Kolumbien, und wünscht euch einen guten Start in die erste Frühlingswoche. Die Coronavirus-Nachrichten prasseln mittlerweile wie ein Dauerfeuer auf uns ein. Es wird schwerer, das Wichtigste auszuwählen, zu einem kompakten Digest zu verdichten und sich in keinen Zahlenorgien zu verzetteln. Woran wir uns beim Start in diese Woche erinnern mögen ist die Mission dieses Portals. Euch vor allem Mut zu machen, mit Kraft und Courage durch diese Zeiten zu gehen, eure Ängste als eine positive Quelle anzuerkennen, die irrationalen und die rationalen in eine stabile Balance zu bringen. Das soll der Schwerpunkt dieser angstfrei.news-Ausgabe sein, auch mit Blick aus dem Globalen Süden auf den Rest der Welt.

Gerade als ich das schreibe, ertönt von draußen ein lautes Klatschen und Pfeifen, Bravorufe ertönen, Lichter in der ganzen Stadt gehen an und aus. Medellín und das ganze Land ist seit Freitagabend in totaler Quarantäne und jeden Abend um 20 Uhr treten die Bewohnerinnen und Bewohner auf ihre Balkone, machen sich gegenseitig Mut und honorieren Krankenschwestern, Ärzte und die vielen anderen Kräfte, die sich um die Coronakranken kümmern sowie die Eindämmung der Pandemie. Ich trete kurz auf unseren Balkon und klatsche mit, meine Frau schlägt zwei Holzlöffel aufeinander. Das ist solidarisch, macht MUT, kurbelt die Glückshormone an.

Danke, Italien, dass du uns in diesen schwierigen Zeiten und selber in schwierigsten Zeiten  dieses wunderschöne Ritual geschenkt hast! 

Glücklicherweise haben wir in Medellín bisher nur 25 Erkrankte. Drei davon, hörten wir gerade in den Nachrichten, sind nach zehn Tagen wieder als genesen aus dem Spital entlassen worden. Ganz Kolumbien mit seinen 50 Millionen Einwohnern zählt 231 Erkrankte. Das ist im Vergleich mit anderen Ländern nicht so alarmierend, dennoch hat die Regierung letzte Woche die Reißleine gezogen. Totale Quarantäne bis in die Nachosterwoche, insgesamt über drei Wochen. Gerade haben wir erst 48 Stunden hinter uns und ich, wir alle fühlen uns als Teil eines großen Versuchs. Wird die Corona-Wende klappen? Hält die Bevölkerung durch? Was passiert in den über COVID-19 politisch stark polarisierten USA? Gelingt Europa die Einbremsung? Kommen aus Asien weiter positive Signale der Besserung? 

Heute morgen am Sonntag erschien Medellíns Tageszeitung „El Colombiano“ mit einem weißen Titelblatt, darauf in großen grünen Lettern: „Wir sind alle für uns alle verantwortlich“ (#TodosSomosResponsablesDeTodos). Jawohl, Solidarität wird Groß geschrieben und hält die Stadt zusammen. Schließlich hat sie in den 1980ern Pablo Escobar getrotzt und sich in den Nuller-Jahren zur „Weltkapitale der Innovation“ gemausert. Kolumbien hat schon viele Krisen gemeistert, nach 50 Jahren Bürgerkrieg mit der FARC Frieden geschlossen, geht jetzt mit Verve eine neue Herausforderung an. Wie hat Präsident Duque heute im Fernsehen gesagt, wo er ab 20 Uhr jeden Abend mit Experten diskutiert über weitere Maßnahmen im Krieg gegen das Virus: „Wir werden die ganze Welt mit positiven Gefühlen infizieren!“ 

Respekt, gut gebrüllt, Señor Presidente: Lindert Ängste, macht Mut, sogar Laune.

Wir verbessern die Seite weiterhin laufend und freuen uns über Ideen, Anmerkungen und auch Wünsche im Feedbackformular

Euer Team von angstfrei.news

Starten wir den Tag mit gleich fünf guten Nachrichten:  


Merkel macht Eindruck
Unsere Bundeskanzlerin ist international gut angekommen mit ihrem Appell „Es ist ernst.“ Im Netz findet sich viel Lob für sie, unter anderem von dem renommierten australischen Wissenschaftsjournalisten Wilson da Silva bei Facebook. Auch dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern die Mortalitätsrate niedrig halten kann, bringt unserem Land Respekt ein. Weiter so!

England holt auf
„Bleibt zu Hause!“, schärfen die britischen Ordnungs- und Gesundheitsbehörden ihren Bürgerinnen und Bürgern endlich ein. Wie BBC World News gerade berichtete, hatten viele Engländer bisher die Sicherheitsmaßnahmen missachtet. Auf die Einhaltung wird jetzt verstärkt geachtet. Das brachte auch Premier Boris Johnson vor der Presse zum Ausdruck. Die Pubs sollen geschlossen werden.

Trump geht in Offensive
Auch US-Präsident Donald Trump bewegt sich. Von Öffentlichkeit und Medien war er kritisiert worden, dass er eine schnelle Reaktion auf das sich in den USA rasch verbreitende Virus verschleppt hatte und damit womöglich seine Chancen auf eine Wiederwahl im Herbst gefährdet. CNN „Breaking News“ strahlten am Sonntagabend eine Pressekonferenz aus, bei der Trump medizinische Geräte für New York, Washington und Los Angeles versprach. Repräsentantenhaus und Senat verhandeln derweil ein Milliardenhilfspaket für Wirtschaft und die wachsenden Zahlen von Arbeitslosen. Das soll auch die Turbulenzen an den Börsen auffangen. 

China lebt auf
Bei Yahoo und anderen Netzwerken war zu sehen, dass der Frühling auch in China eingezogen ist, die Chinesen wieder ins Freie strömen und das Aufblühen der Natur genießen. Das lässt hoffen, dass nicht zuletzt durch Quarantäne und Isolation die Infektionskurve abflacht. 

Finanzspritze für unsere Kreativlinge
Last but not least: Die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten GVL greift freiberuflichen Künstlern finanziell unter die Arme: 250 Euro für den Ausfall eines Konzerts oder einer Produktion. Weitere Maßnahmen sind im Gespräch

Update: Was ist sonst noch los 

  • Olympia wackelt
    Japan merkt man auch bei der Coronakrise seine Samuraigeschichte an. In der Abwehr des Virus hat es sich als sehr kämpferisch hervorgetan. Kaum sank die Kurve ein wenig, sollten die Schulen schon wieder geöffnet werden. Und von der Olympiade im Sommer wollte man sich noch nicht verabschieden und hatte sich Bedenkzeit ausbedungen. Jetzt äußerte der Premier Zweifel und gleichzeitig kam aus Kanada eine herbe Absage: Das Land wird keine Athleten zur Sommerolympiade schicken. Die deutschen Ruderer sind bereits seit 10 Tagen im Trockendock. Auch der Deutschlandachter rudert nur noch auf dem Ergometer. 
  •  RTL Quarantäne WG
    Ausgangsbeschränkungen, Sperrstunden und Kontaktverbote bringen die TV-Macher auf Touren. RTL kommt heute ab 20.15 täglich mit „Quarantäne WG“. Günter Jauch, Thomas Gottschalk und Oliver Pocher erproben, mit welchem Sinn und Unsinn man sich in den eigenen vier Wänden die Zeit vertreiben kann. Die Sendung erfolgt über eine gemeinsame Video-Konferenz. Gäste werden per Video-Stream zugeschaltet.
  • Bestens informiert
    TV-Shows sind das eine, optimale Information das andere. Zur Pandemie hat sich eine Info-Demie gesellt. Alle Experten sind sich einig. Sie fördert die Angst, ist vielleicht noch gefährlicher als das Virus selbst. Hier das Github Link, das die Einwohner-Interessens-Gemeinschaft EIG des Münchner Olympiadorfs empfiehlt. Alle relevanten Infos und Anlaufstellen, robust und aktuell, in übersichtlichen Kurven und anderen hilfreichen grafischen Darstellungen: Wir alle, jede und jeder Einzelne, trägt zum vernünftigen Corona-Management bei.
  • Lachen fürs Immunsystem
    Wie wichtig die Stärkung des Immunsystems für die erfolgreiche Virusabwehr ist, mit sorgfältiger Ernährung und viel Bewegung, darauf haben wir bereits in diesem Blog verwiesen. Heute, aus der kolumbianischen Perspektive, wollen wir ein paar Witze in dieses Update fließen lassen. Damit und mit viel Lachen und Humor haben die Einwohner dieses Landes allen Krisen bisher ein Schnippchen geschlagen. Und auch in Deutschland verstehen wir: Lachen ist die beste Medizin.
    Als Hommage an alle Klopapierhersteller halten wir morgen um 17 Uhr alle unseren Hintern aus dem Fenster.
    Dies ist das erste Mal, dass wir unser Land retten können, im Bett liegend und in die Glotze guckend: Vermasseln wir diese Chance nicht!
    Laut Weltgesundheitsorganisation machen Hitze und alkoholhaltige (Desinfektions-)Mittel dem Virus den Garaus. Super, dann durchstehe ich die Krise doch am besten besoffen am (Karibik-)Strand.

  • Neue Bühne für Künstler
    Mit Lachen durch die Krise: Das sagen auch zwei Wissenschaftler aus Barcelona, die den Clown geben und die schwere Kost der Forschung mit Witz und Humor auf die Bühne bringen, dadurch verdaulich machen. Jetzt dürfen Helena und Oriol nicht mehr auftreten. Die Krise macht erfinderisch, schreiben sie auf Facebook und laden zu ihrem neuen Format ein: die „Clowntifics“ auf youtube. Auch wenn man Spanisch nicht versteht, köstlich!

  • Aus der Zitierfibel
    Gut ausgepegelte Ängste sind eine Balance aus Emotion, im oberen Fall Schmunzeln und Lachen, sowie Ratio und Verstand. Deshalb wollen wir an dieser Stelle wieder ein wenig ernster werden und auf drei Angst-Zitate verweisen:

Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst

Franklin D. Roosevelt

Ohne Angst gibt es keinen Mut

Christopher Paolini

Mach das, was dir Angst macht, und du besiegst deine Angst

Ralph Waldo Emerson

Corona in Zahlen
In Deutschland sind 18.610 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 22.3.2020, 00:00 Uhr RKI*), das sind 1.948 Personen mehr als am Tag zuvor. 


Warum, diese Zahlen? Wie sind sie zu deuten? Und warum gibt es hier nicht mehr davon? Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz. *Derzeit unterscheiden sich die Zahlen des RKI, auf die wir uns berufen von anderen Zahlen, die öffentlich zugänglich sind. Dazu erklärt das RKI: “Durch die Dateneingabe und Datenübermittlung entsteht von dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Falls bis zur Veröffentlichung durch das RKI ein Zeitverzug, sodass es Abweichungen hinsichtlich der Fallzahlen zu anderen Quellen geben kann. Am aktuellen Wochenende wurden nicht aus allen Ämtern Daten übermittelt, sodass der hier berichtete Anstieg der Fallzahlen nicht dem tatsächlichen Anstieg der Fallzahlen entspricht. Die Daten werden am Montag nachübermittelt und ab Dienstag [10 Uhr] auch in dieser Statistik verfügbar sein.”

Gesundheitsticker: 97.340 99.014 Menschen sind weltweit wieder genesen (Stand 7 Uhr). Das sind 1674 mehr als gestern Abend.

Tipp des Tages: Das Virus als Chance

Der Zukunftsforscher Matthias Horx sieht in der Pandemie eine Chance für eine bessere, nachhaltigere und glücklichere Zukunft – sechs markante Punkte:

  • Das Virus bringt eine neue Kultur der Entschleunigung hervor: „Menschen, die vor lauter Hektik nie zur Ruhe kamen ... machten plötzlich ausgiebige Spaziergänge (ein Wort, das vorher eher ein Fremdwort war).“ Bücher lesen werde zum Kult.
  • Die human-soziale Intelligenz obsiegt gegenüber der hochgelobten künstlichen Intelligenz: „Vor der Krise schien Technologie das Allheilmittel, Träger aller Utopien. Kein Mensch - oder nur noch wenige Hartgesottene - glauben heute noch an die große digitale Erlösung.“ Der große Technik-Hype sei vorbei.
  • Entgegen allen düsteren Vorhersagen macht die Wirtschaft nicht schlapp: „Obwohl es einen ‚schwarzen April‘ gab ... kam es nie zum Nullpunkt.“ Ortsnahe Produktionen blühen, Netzwerke lokalisieren sich, das so lange geschmähte Handwerk boomt wieder.
  • Die Angststarre verwandelt sich in Coping und Tatendrang: Adrenalin wird vom Dopamin ersetzt, „die Welt ‚endet‘, aber in der Erfahrung, dass wir immer noch da sind, entsteht eine Art Neu-Sein im Inneren“ – eine Art Häutung oder Verpuppung.
  • Die Wissenschaft erlebt einen gehörigen Aufschwung: Nicht nur Virologen und Epidemiologen, auch "‘futuristische‘" Philosophen, Soziologen, Psychologen, Anthropologen ... bekamen wieder Stimme und Gewicht“.
  • Das Coronavirus ist ein Evolutionsbeschleuniger und verursacht einen Phasensprung in den sozio-ökonomischen Systemen der Welt: Nicht nur „musizierende Italiener auf den Balkonen [mittlerweile fast überall auf der Welt], sondern Satellitenbilder, die viele Regionen der Welt frei von Smog zeigen. „2020 wird der CO2-Ausstoß der Menschheit zum ersten Mal fallen. Diese Tatsache wird etwas mit uns machen.“

Dies und Das

Sechs Grad—Sechs Leute

Eine „6 Degrees“ Kampagne hat der US-amerikanische Schauspieler, Musiker, Philanthrop Kevin Bacon ins Leben gerufen. In #IStayHomeFor ruft er dazu auf, 6 Personen zu nennen, für deren Wohlergehen man daheim bleibt, etwa für die Großeltern – eine Aktion, die soziale Distanz populärer machen soll.

In eigener Sache
Der Auftakt zu angstfrei.news war am letzten Mittwoch Nicholas‘ „Livestream gegen die Angst“. Der wurde nicht nur von 40 000 Menschen verfolgt, sondern fand in den Medien auch einen breiten Niederschlag. Das ist gute Werbung für unsere angstfrei Aktion – DANKE Nicholas!

Damit verabschiedet Wolfgang sich von euch für heute morgen und wünscht euch einen gedeihlichen Tag! Ideen, Anmerkungen, Wünsche? Gerne hören wir über das Feedbackformular von euch.

(Und: hört auf zu Googlen – das machen wir für Euch.)

Quellen
Wilson da Silva | Corona in Zahlen (RKI) | Statista | Gesundheitsticker | BBC News | CNN News | Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten | Github | Youtube | Horx | Kevin Bacon