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Montag, 4. Mai 2020 | 8 Uhr

Wolfgang
Markus

Einen schönen guten Morgen, liebe angstfrei-Gemeinde

wir hoffen, Ihr seid gut aus den Federn und sicher in die Spur für die zweite Maiwoche gekommen. Wie die wärmende Maisonne blitzt weitere Entspannung durch die Corona-Wolken, wenngleich die Ö(ffnungs)-Frage weiterhin kontrovers debattiert wird. Dabei gibt es, wie immer im Leben, keine Entweder-Oder-Option, keine einzige dogmatische Wahrheit, sondern stets ein Sowohl-Als-Auch, in dem wir alle Akteure sind. Diese Vielfalt, im Gefühl von Selbstverantwortung sowie Mut dazu zu machen, das haben wir auch in dieser Ausgabe angestrebt.

Wolfgang und Markus und das ganze Team von angstfrei.news wünschen eine aufklärende Lektüre!

Wie immer freuen wir uns über Ideen, Anmerkungen und auch Wünsche im Feedbackformular.

Die gute Nachricht des Tages

Mehr Basteln—Lesen—Stricken: Ein Hoch auf die Muße!
Was haben wir nicht immer geschimpft auf den Stress. Seine Gefährten sind Angst, Depression, Burnout. Jetzt gibt es kleine Wende. Weltweite Statistiken zeigen außer den Infektionskurven auch andere, zum Teil steile Kurven: dass Menschen in all der Unsicherheit über Erkrankung und Zukunft sehr wohl zu entspannen wissen. Bekannt: Die Renner der neuen Freizeitbeschäftigung sind Netflix und TV, Online und Computerspiele – aber auch Traditionelles. Menschen fertigen Kollagen an, widmen sich wieder mehr Brett- und Kartenspielen, lesen, zeichnen, basteln, legen Puzzles, üben sich in der Kunst des Schönschreibens, Strickens, Häkelns (Zunahme z.B. in Ungarn bis zu 70 Prozent). Wenn sportliche Übungen in den vier Wänden sogar um mehrere 100 Prozent angestiegen sind, dann sind hierin auch enthalten: Yoga und Meditation. Über die schwierige Kunst der Entspannung gibt es viele Anleitungen und Romane – auch nach dem Motto: Was machen wir heute? Nichts. Vielleicht ein guter Vorsatz für die Nach-Corona-Zeit: ein Tag pro Woche: Muße und Faulheit? Nachhilfe erteilt, mußevoll lesend genossen, „Oblomov“: der größte Faulpelz der Literaturgeschichte.
→ Statista

Update: Wichtige Entwicklungen seit gestern Abend

“Virus macht keinen Urlaub“ – und wir?
Bei Bürgerinnen und Bürgern verdrängt die Sehnsucht nach Normalität zusehends die Furcht vor Ansteckung. Und die Industrie warnt, lauter werdend, vorm wirtschaftlichen Harikiri. Gleichwohl in Japan die „zweite Corona-Welle“ rollt, so die internationale Kommentierung. Und auch Österreich eine Steigerung von Infektionen als Antwort auf seine Politik der Öffnung nicht ausschließen mag. Und Deutschland? Es öffnet sich vorsichtig, freut sich über geringere Infektionszahlen als ursprünglich angenommen, die meisten Geschäfte sind wieder betretbar, Kindergärten füllen sich. Viele fragen sich, was passiert mit unserem Sommerurlaub 2020? Dazu sagte Innenminister Horst Seehofer der Presse: „Solange das Virus keinen Urlaub macht, müssen auch wir uns mit unseren Reiseplänen beschränken.“ Auch Außenminister Heiko Maas hält sich bedeckt mit Prognosen und verweist auf die AA-Reisewarnung: Für alle „nicht notwendigen, touristischen Reisen in das Ausland“ gilt sie bis „mindestens“ 14. Juni.
→ Welt

Rekord: Vertrauen in Wissenschaftler bei über 70 Prozent
„Muss es doch loswerden: Ich habe in 26 Jahren mit Wissenschaft noch nie jmd. erlebt, der es so wie Herr Drosten geschafft hätte, Wissenschaft auf höchstem Niveau nachvollziehbar zu vermitteln, inkl. immenser wissensch. und gesellschaftl. Unsicherheiten, unter höchstem polit. Druck“: Tweet von Axel Bojanowksi, Chefreporter Welt. Reiner Korbmann, Ex- Chefredakteur „Bild der Wissenschaft“ ergänzt: „Stimme nach 47 Jahren mit Wissenschaft voll zu. Laut ‚Wissenschaft im Dialog‘ ist das Vertrauen der Bevölkerung in Wissenschaftler in Corona-Zeiten von ca. 50 auf über 70% gestiegen. Nicht zuletzt sein Verdienst.“
→ Bojanowski

Bei Husten: Größerer Sicherheitsabstand!
Wissenschaftler der Florida Atlantic University (FAU) haben mit Dummie-Puppen menschliches Husten simuliert. Dabei maßen sie, wie weit virus-haltige Aerosole in die Umwelt geschleudert werden. Ergebnis: bis zu vier Metern. Das heißt, die empfohlenen zwei Meter reichen nicht bei Husten und Niesen.
→ FAU

„Für Haustiere keine Gefahr“
Haustiere sind in diesen Tagen der Isolation vieler Menschen beste Gefährten. Jetzt sind in vereinzelten Fällen in Teilen der Welt Infektionen bekannt geworden, u.a. von Katzen im vom Coronavirus schwer betroffenen New York. Laut Experten ist dies aber zunächst kein Grund zur Sorge. „Dieser Nachweis überrascht nicht und liefert uns auch keine neuen Kenntnisse oder Empfehlungen“, sagt Achim Gruber, Leiter des Instituts für Tierpathologie an der FU Berlin – auch in übereinstimmenden Einschätzungen aus England mit seinen vielen Haustierliebhabern. Weder Katzenhalter noch Hundebesitzer müssten sich größere Sorgen um das Coronavirus machen, so die einhellige Meinung. Im Umgang mit den Tieren empfehle sich allerdings häufiges Händewaschen. Beim Gassi-Gehen ist das Einhalten von Distanz auch zu anderen Tieren ratsam, danach das Reinigen der Pfoten und eventuell des Fells.
→ FR
→ BBC
→ OIE

Gesundheits-Check beim Checkin?
Zweidrittel der Weltflugzeugflotte für Passagierbeförderung steht auf dem Boden. Jetzt im Mai soll der Flugverkehr langsam wieder auf Touren kommen. Auf welche Veränderungen müssen wir uns beim Fliegen gefasst machen? Der Risikoforscher Ortwin Renn sieht den globalen Flugverkehr als eine wesentliche Gefahr für die Ausbreitung von Seuchen. So kam das Corona-19 Virus aus China nach Italien und in die USA, aus Spanien nach Lateinamerika, wie Virus-Tracking und Spurensuche ergaben. Damit die unter der Pandemie schwer leidende Reise- und Flugbranche schnell wieder auf die Beine kommt, werden derzeit – vorläufig noch intern – neue Sicherheitsstandards für Fluggäste erörtert, etwa neben dem Sicherheitscheck auch einen Gesundheitscheck.
→ Time
→ IASS

“Der alte Adam bleibt derselbe“ oder „small is beautiful“
Bei der Corona-Folgen-Abschätzung sind sich Schwarz und Grün nicht einig. Cicero, das Magazin für politische Kultur mit konservativer Maserung, glaubt nicht an eine heraufziehende neue Wirtschafts- und Weltordnung. Das grundlegende Wirtschaftsprinzip „Von nichts kommt nichts“ sei immun gegen jeden das Virus. Einen neuen Menschen werde es nicht geben: „Der alte Adam bleibt nach Corona derselbe.“ Der Durchschnittsbürger lege Wert darauf, dass sein Einsatz und seine Arbeit sich materiell für ihn auszahlen. Bei politischen Entscheidungen denke er zuerst an die Auswirkungen für sich und seine Familien, verhält sich eher solidarisch gegenüber Personen die ihm nahestehen – der Schluss: Er „wird nach Corona kein anderer sein als noch zu Beginn des Jahres 2020“. Anders die grüne Umweltbewegung, deren publizistisches Sprachrohr u.a. der oekom Verlag ist. Für das Lehen „nach Corona“ bewirbt er elf Bücher für die Wende in die „Postwachstumsgesellschaft“, darunter Ernst F. Schumachers vor 40 Jahren erschienenen Klassiker „small is beautiful“.
→ Cicero
→ Oekom

Corona in Zahlen
In Deutschland sind 162.496 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 03.05.2020 00:00 Uhr, Quelle: RKI), das sind 793 Personen mehr als am Tag zuvor.

Warum diese Zahlen? Wir zitieren hier die offiziellen Zahlen des RKI, diese werden einmal täglich – immer um Mitternacht – veröffentlicht und um 10 Uhr morgens online bereitgestellt. Das bedeutet für unsere Webseite, dass ihr immer Abends aktuelle Zahlen bei uns abrufen könnt. Und warum gibt es hier nicht mehr davon? Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz.

Gesundheitsticker: 1.156.982 Menschen sind weltweit wieder genesen, das sind 11.951 Personen mehr als gestern Abend. Davon 132.700 in Deutschland (Stand: 04.05.2020 05:49 Uhr, Quelle: Worldometers).

Tipps des Tages

Viren finden, bevor sie uns finden
Während das politische Gefecht zwischen Washington und Peking über Ursachen und Verantwortung für die Corona-Pandemie anhält, sucht der „Scientific American“ auf wissenschaftlichen Wegen nach neuer Erkenntnis. Er begleitete Chinas Top Virologin Shi Zhengli auf der Suche nach tödlichen SARS Viren in Wälder, Höhlen, Labors. Es gebe da draußen noch viel mehr Viren, sagt sie, und „wir müssen sie finden, bevor sie uns finden“.
→ Scientific American

„Erlöse mich aus meiner Angst“
Vor Heiligenfiguren haben wir in den letzten Wochen oft andächtig stehenbleibende und betende Menschen gesehen. Auch mit bisher geschlossenen Gotteshäusern hat Religion für viele, besonders Ältere, eine in Krisen unbestreitbar Resilienz-fördernde Wirkung. Der Glaube an Gott und das Gebet erleichtert, bekämpft Ängste, hat einen therapeutischen Effekt. Was ist die Wissenschaft dahinter? Wie wirkt buddhistische Meditation auf Corona- und andere Ängste? Das versucht die aktuelle Ausgabe des Wochenmagazins „Publik Forum“ der deutschen Protestanten mit dem Titel „Erlöse mich aus meiner Angst“ zu klären. Denn auch Wissenschaft und Religion sind kein Entweder-Oder (s. heutige Einleitung), sondern ein Sowohl-Als-Auch. Hinterließ uns doch kein Geringerer als Albert Einstein folgenden Satz: „Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft blind.“
→ Publik Forum

Gesichtsmaske und Mimik
Dirk Eilert ist Experte für Mimik und Körpersprache. Woher kriegen wir soziale Rückkopplung, wenn mit den gesetzlich vorgeschriebenen Masken mindestens die Hälfte des Gesichts verdeckt ist? „Wir sollten damit beginnen, auf die kleinen, feinen Signale zu achten. Wir haben ja zum Glück noch ganz viel Mimik im oberen Gesicht“, empfiehlt er.
→ Eilert Akademie

Von Mensch zu Mensch

Lass laufen!

Von Wolfgang

Ich bin bedrückt. Mein Volkshochschulkurs „Schreib dein Leben auf“ fällt aus – Coronaopfer. Online, als Ersatz, wäre machbar gewesen. Ging leider nicht. Vor Jahren hatte ich mit einem ähnlichen Schreibformat bei der Münchner Angstselbsthilfe MASH experimentiert. Für „Schreib deine Angst auf“ hatten wir einen Schreib-Coach engagiert, Jürgen vom Scheidt. Der Schriftsteller hatte viel zu sagen, das Wichtigste: Einfach losschreiben, ohne nachdenken – „lass laufen!“, riet er gegen allfällige Schreibblockaden. Auch wenn der Anfang holperig ist. Irgendwann kommt jeder Schreiber in den Flow. Sein Tipp: „Den Anfang einfach wegstreichen.“

Das hat funktioniert, bei uns allen. Eine Best of-Probe unser Mini-Romane fand sich in der Deutschen Angstzeitschrift daz. Die Gruppe machte als Laien-Theater weiter und zog mit Angst-Sketchen durch die Münchner Kleinkunstszene. A runde Sach.

Die Technik eignet sich auch für wissenschaftliche Texte. Warum sind die meisten vor Komplexität so unfassbar unlesbar? Weil Autor*innen zu sehr an Zitaten und Quellen kleben, statt auf ihnen basiert frei zu formulieren. Mit der „Lass-Laufen-Methode“ habe ich Kurse gegen Schreibängste an der Münchner Uni moderiert. Sie funktionierte bei Student*innen, die seit zwei Jahren eine Semesterarbeit vor sich herschoben.

Das alles wollte ich in meinen VHS Kurs einbringen. Vielleicht klappt’s mit dem Herbstkurs. Dabei will ich auch aus Doris Dörries Buch „Leben. Schreiben. Atmen“ schöpfen. Sie steht morgens auf, macht sich einen Kaffee und setzt sich sofort ans Schreiben, im Pyjama. Immer handschriftlich. Mach ich auch, mit meinem Pelikan Füller, aus dessen Goldfeder silbergraue Tinte fließt. Es ist jetzt 6 Uhr 45, es flutscht!

Dörris unterfüttert ihre „Einladung zum Schreiben“ mit kleinen, wunderbar lesbaren Geschichten. „Wir sind alle Geschichtenerzähler“, ermuntert sie uns. Warum? Weil unser Gehirn nie ruht, „in einem endlosen inneren Monolog“ wir uns selber ständig Geschichten erzählen. Wie wahr – hören wir doch mal in uns hinein!

„Wenn man schreibt, schreibt man immer über sich selbst“, weiß die Autorin. Schreiben sei autobiografisch, „schmerzhaft, therapeutisch, narzisstisch, befreiend, tieftraurig, beflügelnd …“. Schreibend erforsche ich die Welt, schreibt Dörris über ihre Schreiblust. „Wenn man Wort für Wort, Satz für Satz über die Welt schreibt, in der man sich befindet“, bekommt man „eine Ahnung von sich selbst“.

Mit anderen Worten: Ich schreibe, also bin ich – aber woher kommen die Inhalte?

Aus den in unseren Gehirnen gespeicherten Bildern und Tönen von Menschen, Orten, Tieren, Gefühlen, sagt Dörris. Die machten jeden von uns einzigartig. Wenn wir in den „verzweigten Stollen der eigenen Erinnerung graben, kratzen, schürfen“, finden wir Gold. Schreiben, fasst sie zusammen, ist: „Die Welt einatmen“ und gibt ein Lehrbeispiel, wie sich anhand eines gefundenen Einkaufszettels Geschichten erfinden lassen.

Mit all diesen Tipps hätte ich gerne meine Kurs-Teilnehmenden inspiriert. Vielleicht inspiriert es euch. Juchhe, dann wäre der Kurs gerettet!

daz - die angst zeitschrift

Dies und Das

Anders gedreht
Beliebt bei nonkonformen Freigeistern. Die Nachdenkseiten suchen stets nach neuen, anderen Aspekten in der Nachrichtenflut, abseits des medialen Hauptstroms. Auch bei Corona.
→ Nachdenkseiten

Wiener Schmäh
Der österreichische Kabarettist Raphael Bonelli berichtet aus seinem Homeoffice, wie und warum sich „unsere Gesellschaft gerade in ein Irrenhaus entwickelt“ – zum kringelig Lachen!
→ YouTube

Sarg-Delikt
Die Corona-Zeit gebiert skurille Fälle. In der entlegenen Pazifikregion Kolumbiens wollten die Gesundheitsbehörden einen Corona-Toten wegen Ansteckungsgefahr nicht herausgeben. Die Angehörigen rissen den Sarg mit dem Leichnam darin an sich und rannten davon, verfolgt von der Polizei.
→ las2orillas

Good Job
Gänsehaut jagt Alicia Keys ihren Fans mit ihrem neuen Song „Good Job“ über die Körper. Eindringlich besingt die 15-fache Grammy-Gewinnerin die unbesungenen Held*innen der Pandemie, neben medizinischem Personal all die Reinigungskräfte und Warenauslieferer, oft prekär Beschäftigte, die während Isolation und Quarantäne die Infrastruktur in den Städten aufrechterhalten.
→ YouTube

Wie wir sehen, bemühen sich Wissenschaft, Politik, Gesellschaft, Kultur um Antworten auf Corona. Mit „Vorhang zu und alle Fragen offen“ beschloss Deutschlands Literaturpapst Marcel Reich Ranicki seine Sendungen. Wir wären glücklich, Euch zumindest einen breiten Schlitz geöffnet zu haben, mit Blick auf Entwicklungen und Hintergründe, die für mehr Durchblick und Sicherheit sorgen – herzlichst Euer Wolfgang und Markus.

(Und: hört auf zu googeln – das machen wir für Euch.)

Ideen, Anmerkungen, Wünsche? Gerne hören wir über das Feedbackformular von Euch. Ihr wollt unsere Arbeit unterstützen: Spenden und Fördermitgliedschaft bei der Deutschen Angst-Hilfe e.V.

Quellen
Corona in Zahlen (RKI) | Gesundheitsticker | Über die Landesregierung NRW sind wir außerdem an den dpa-Nachrichten-Ticker angebunden, den wir immer als Quelle verwenden, wenn wir (dpa) schreiben