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Stigmatisierung | 12. Dez. 2020

Anne

Liebe Leserinnen und Leser,

wir Menschen sortieren gerne unsere Umgebung, denken in Kategorien. Es dient der Vereinfachung und ist naturgemäß. Niemand kann sich davon frei sprechen. Flapsig gesagt, wir denken in Schubladen. Doch niemand möchte gerne in eine solche gesteckt werden und häufig passt diese im Einzelfall nicht. Stigmatisierung findet so in vielen verschiedenen Bereichen des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens statt. Wir wollen uns in dieser Ausgabe genau dem widmen: Stigmatisierung psychischer Erkrankungen und insbesondere der Angst.

Doch wie können wir ihr entgegen treten? Indem wir darüber sprechen und schreiben. Indem wir das, was in unserem Inneren vor sich geht, nach außen tragen und sichtbar machen und darüber schreiben wir immer wieder in unserer Rubrik “von Mensch zu Mensch”, so auch in dieser Ausgabe.

So führt uns Laura wissenschaftlich an das Thema heran, aber legt uns auch ihre ganz persönliche Situation dar. Auch Tina hat schon selbst Stigmatisierung erfahren und teilt diese mit uns. Und plädiert für einen sanftmütigen Blick hinter die Kulissen jedes einzelnen, den wir eventuell vorschnell in eine Schublade stecken. Doch das wir lernfähig sind, dass wir lernen können, wann wir selbst vorschnell urteilen und dies ändern können, das zeigt uns Annika auf sehr persönliche Art und Weise. Aber lest selbst.

Und da es mit großen Schritten Richtung Weihnachten geht, gibt es im Schwarzbrot eine Weihnachtsstrategie und außerdem eine weihnachtliche gute Nachricht.

Damit wünschen wir euch einen schöne dritte Adventswoche.

Anne und das Team von angstfrei.news

Ganz wichtig: Was meint ihr zum neuen Konzept und zu dieser Ausgabe? Bitte gebt uns ein kurzes Feedback - das wäre hilfreich und sehr nett.

Übrigens nehmen wir unser Motto ernst: Angst hat eine Stimme - Deine. Wir sind ein Team von Freiwilligen und schreiben über unsere Angst-, Lebens- und Alltagserfahrungen, ohne ein Richtig oder Falsch, oft mit Verstand und immer mit Herz. Wir freuen uns über dich in unserem Team. Trau dich einfach und schreib uns eine Mail an angstfrei.news@gmail.com, oder über Instagram.

Die gute Nachricht der Woche

Sonderregelungen für Weihnachtsmann und Co.

Die Europäische Union hat Sonderregelungen für den Weihnachtsmann, Christkind und Co. beschlossen. Laut der Corona-Arbeitsgruppe der EU-Staaten gelten die derzeitigen Reise- und Kontaktbeschränkungen nicht für “Weihnachts - und Wintergeschenkeüberbringer”. Diese wichtige Berufsgruppe darf ohne verpflichtende Quarantäne Reisen innerhalb der EU-Länder unternehmen. Somit ist, vor allem für Kinder, das bevorstehende Weihnachtsfest gesichert. Diese Sonderregelung gilt ausschließlich für Weihnachtsmann, Santa Claus, Père Noël, Christkind und weiteren symbolischen Geschenkeüberbringer, nicht aber für als solche verkleidete Personen.

Echo (dpa)

Schwarzbrot: Eine Weihnachtsstrategie

Tim

In dieser Rubrik möchten wir etwas tiefer in die Nachrichtenlage der Woche einsteigen. Mal eher hintergründig, mal eher serviceorientiert recherchieren wir für euch selbst, statt wie im darunter folgenden Nachrichtenblock Nachrichten auszuwählen und in eine angstfreie Sprache zu übersetzen. Wir hoffen, es mundet euch.

Diese Woche beschäftigen wir uns mit risikobewusstem Verhalten zum Weihnachtsfest. Worauf sollte man verzichten? Wie kann man das Risiko verringern, wenn man auf die Begegnung nicht verzichten will? Was hat mutmaßlich keinen Einfluss auf das Risiko, eine Infektion zu bekommen oder weiterzugeben?

Disclaimer: Dieser Text sammelt Hinweise und Strategien basierend auf wissenschaftlichen Arbeiten und daraus folgenden Überlegungen. Er ist keine ärztliche Beratung. Eine Infektion mit SARS-CoV-2 kann auch mit den folgenden Handlungsempfehlungen nicht ausgeschlossen werden. Sie sollen lediglich eine Orientierung für risikobewusstes Verhalten im Rahmen der Pandemie und den besonderen sozialen Umständen des Weihnachtsfestes geben.

Small is beautiful

Bitte feiern Sie Weihnachten ausschließlich in und mit Ihrem Haushalt. So tragen maßgeblich dazu bei, die Verbreitung von COVID-19 zu begrenzen. Besuchen Sie keine Verwandten, laden Sie keine Freunde zu sich ein. Kaufen Sie Lebensmittel für das gesamte Weihnachtsfest in einem Einkauf – ein täglicher Supermarktbesuch erhöht Ihr Infektionsrisiko. Meiden Sie größere Menschenmassen, halten Sie Abstand, tragen Sie in der Öffentlichkeit eine Mund-Nasen-Bedeckung. Das ist der bestmögliche Schutz für Sie und Ihre Mitmenschen.

Trotz der physischen Distanz müssen Sie nicht auf sozialen Austausch mit Ihren Lieben verzichten: Per Videochat lässt es sich auch gemeinsam auf der Couch sitzen. Mittels Video- oder Audiobotschaften können Gedichte oder Lieder vorgetragen werden. Ein Gesellschaftsspieleabend kann über diverse Spieleportale organisiert werden. Geschenke können vor der Haustür abgestellt werden.

Natürlich ist das nicht die Art wie wir Weihnachten kennen, aber mit vielen kleinen und großen kreativen Ideen lässt sich ein risikoarmes Weihnachten begehen, wo Wärme, Herzlichkeit und Besinnlichkeit nicht zu kurz kommen müssen. Bei weniger umsichtigen Feiern besteht ein höheres Risiko, dass man mit einigen Menschen Weihnachten 2021 gar nicht mehr feiern kann, weil sie verstorben sind.

Draußen bleiben

Sie möchten trotz des höheren Risikos Menschen außerhalb Ihres Haushalts von Angesicht zu Angesicht sehen? Das ist ein sehr verständlicher Wunsch. Treffen Sie ihre Freunde aus der Nachbarschaft doch am Besten draußen, mit Maske und Abstand. Verzichten Sie auf weite Reisen in andere Städte.

Wenn Sie unbedingt die 500 Kilometer entfernt wohnende Verwandtschaft besuchen möchte: Nutzen Sie ausnahmsweise lieber ein Auto statt öffentlicher Verkehrsmittel. Wenn Sie kein eigenes Auto besitzen, prüfen Sie ob Sie sich eines ausleihen können. SARS-CoV-2 scheint auf Oberflächen nicht lange vermehrungsfähig zu bleiben. Vor einem „infizierten Innenraum“ geht eine geringe Gefahr aus. Sollte eine Autofahrt nicht möglich sein, scheint auch die Fahrt mit der Bahn ein geringes Risiko mit sich zu bringen. Tragen Sie auch hier eine Maske, halten Sie Abstand zu anderen Fahrgästen, nutzen Sie wenig ausgelastete Züge.

Übernachten Sie nach Möglichkeit nicht bei Ihren Verwandten im Haus. In vielen Bundesländern können Hotels und Herbergen für das Weihnachtsfest öffnen. Treffen Sie Ihre Verwandten draußen bei geselligen Weihnachtsspaziergängen – mit Maske und Abstand. Verzichten Sie möglichst auf Körperkontakt. Doch wenn Sie das sehr natürliche Bedürfnis nach einer Umarmung haben - schließlich ist es psychisch auch schädlich darauf vollständig zu verzichten - umarmen Sie einander so, wie die New York Times es mit einer Virologin erarbeitet hat (möglichst viel Abstand zwischen den Köpfen).

Mindestens fünf Tage strikte Quarantäne

Sie möchten gern in Omas guter Stube Weihnachten feiern und dafür ein gewisses Risiko auf sich nehmen? Mit diesem Wunsch sind Sie nicht allein. Um das Risiko einer Infektion für die Familie deutlich zu verringern, empfiehlt Charité-Virologe Christian Drosten eine mindestens fünftägige Vorquarantäne - besser wären acht Tage. Hintergrund ist, dass einerseits die meisten Menschen nach zwei bis drei Tagen (manche aber auch erst nach 10-14 Tagen) erste Symptome einer Infektion zeigen - und dann natürlich nicht ihre Familie besuchen. Die meisten Menschen stecken andere vor ihrem Symptombeginn an. Andererseits sinkt mit Ende der ersten Infektionswoche die Viruslast stark - so dass das Risiko andere anzustecken bei einem asymptotischen Verlauf geringer wird. In der zweiten Woche nach Infektion sind nur noch sehr sehr wenige Menschen ansteckend.

Wenn Sie bei einer Familie zum Weihnachtsfest zu Besuch sind, dann bleiben Sie dort. Vermeiden Sie viele unterschiedliche Kontakte. Die Familie Ihres Partners oder Ihrer Partnerin können Sie dann ja zu Ostern besuchen - es wird sicher noch genug Pandemie da sein, damit auch im Frühjahr Schutzmaßnahmen nötig sind.

Neben der Quarantäne reduzieren auch die allgemeinen Hygieneregeln die Ansteckungen im Familienkreis:

  • regelmäßiges Händewaschen mit Seife (mind. 20 Sekunden)
  • Einhalten der Husten- und Nies-Etikette
  • regelmäßiges Lüften der Räume
  • Abstand halten
  • gegebenenfalls Masken tragen

Wie sich die einzelnen Aspekte auf das Risiko einer Ansteckung auswirken, wenn eine hochinfektiöse Person im Raum ist, haben Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Chemie modelliert. Online kann so jede*r sein Risiko anhand der bei sich zu Hause gegebenen Bedingungen abschätzen. Auf das besonders problematische Singen sollte in Innenräumen verzichtet werden.

PCR- oder Antigen-Test

Natürlich könnte man grundsätzlich auch versuchen einen PCR-Test zu bekommen. Dieser macht eine bestehende Infektion unwahrscheinlich - schließt sie aber auch nicht vollkommen aus. Hier ergeben sich mehrere Probleme: Der PCR-Test gibt nur eine Momentaufnahme - schon auf dem Weg nach Hause könnte man sich wieder anstecken. Er muss von medizinischem Personal durchgeführt werden, das begrenzt die Verfügbarkeit stark. Er dauert mindestens 24h und nimmt eventuell dringenden Fällen Kapazitäten weg. Insgesamt scheint es nur wenig praktikabel, nützlich und ethisch vertretbar seine Hausärztin für einen PCR-Test zu bedrängen. Zumal die Testkriterien des RKI sowieso nur symptomatische Testungen vorsehen.

Alternativ steht hier noch der Antigen-Test zur Wahl: Er prüft weniger das Vorhandensein von Viren als vielmehr die aktuelle Viruslast und damit die Infektiosität. Selbstverständlich hat der Antigen-Test zahlreiche Limitationen - er ist weniger sensitiv und weniger spezifisch als eine PCR. Auch er gibt nur eine Momentaufnahme. Aber er liefert in 15 bis 30 Minuten ein Ergebnis, dass eine Entscheidungshilfe sein kann: Lieber spazieren oder ins Wohnzimmer mit den Großeltern setzen? Auch der Antigen-Test muss eigentlich von medizinischem Personal durchgeführt werden. Aber eine Studie mit 600 Lehrer*innen in Hessen hat gezeigt, dass auch medizinische Laien den Test nach einer Einweisung verlässlich durchführen können.

Auch Antigen-Tests sind nur beschränkt verfügbar, sie benötigen aber kein Labor. Im Vergleich zu PCRs sind Antigen-Tests also praktikabler - auch wenn sie in diesem Weihnachten definitiv nicht von der gesamten Bevölkerung genutzt werden können. Gekauft werden können Antigen-Tests mit Arztausweis oder einem ärztlichen Rezept in Apotheken. Sie kosten zwischen zehn bis 25 Euro pro Tests. Von Online-Angeboten ist eher abzuraten, weil deren Qualität meist unklar ist.

Bitte überlegen Sie sich dringend mit Ihrer Familie, welche Risiken Sie zu Weihnachten eingehen möchten und wie Sie das Ansteckungsrisiko möglichst gering halten können - und dennoch Ihre sozialen und psychologischen Bedürfnisse erfüllen. Es sind viele kleine Entscheidungen und Handlungen, die das Gesamtrisiko ausmachen. Der obige Text bietet hierfür zahlreiche wissenschaftsbasierte Werkzeuge, die Sie als verständiger Mensch nutzen können. Bitte gehen Sie mit der Entscheidung, wie Sie Weihnachten verbringen möchten, nicht leichtfertig um.

Die gute Nachricht bleibt, dass wir einiges darüber wissen, wie wir die Verbreitung vermindern können und so Tod und Spätfolgen verhindern. Deshalb immer: Maske auf, Hände waschen, Abstand halten, physische Kontakte reduzieren, Warn-App nutzen, solidarisch bleiben.

Dieser Artikel ist Teil der losen Reihe von Basisinformationen zur COVID-19-Pandemie. Es folgen Beiträge zu Kontakt Beschränkungen, der Corona-App und weitere Themen. Gern könnt ihr uns Feedback geben, welche Themen euch besonders interessieren.

Nachrichten

angstfrei.news ist gestartet als ein Projekt, das unaufgeregt die Neuigkeiten des Tages - jetzt der Woche - zusammenfasst. Ihr habt uns bestärkt, dass dieser Service wichtig ist, daher bleiben wir ihm treu für all jene, denen die Flut an Nachrichten zu viel wird. Deswegen fassen wir hier für euch die wichtigsten Entwicklungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie in der vergangenen Woche zusammen.

Neue Corona-Maßnahmen in verschiedenen Bundesländern
Viele Bundesländer verschärfen ihre Corona-Maßnahmen. Trotz der derzeit geltenden Regeln zur Pandemiebekämfung steigen die Infektionszahlen weiter an, deshalb beschließen viele Landesregierungen neue Maßnahmen.

In Sachsen schließen ab Montag (14.12.) wieder die Schulen, Kindergärten und der Einzelhandel. Nur Geschäfte des täglichen Bedarfs, wie Lebensmittelläden und Apotheken, bleiben geöffnet. Die geltenden Kontaktbeschränkungen von fünf Personen aus einem Haushalt, werden über die Weihnachtsfeiertage gelockert. Dann dürfen sich bis zu 10 Personen aus einer Familie treffen. Einen anderen Weg schlägt Bayern ein: Hier wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Das bedeutet eine allgemeine Ausgangsbeschränkung. Für eine Schließung von Schulen und Geschäften fordert Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, genau wie Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, ein bundesweit einheitliches Vorgehen. Auch Berlins Bürgermeister Michael Müller will weitere Beschränkungen umsetzen. Die geplanten Lockerungen für die Weihnachtsfeiertage hat er bereits zurückgenommen.

Voraussichtlich Sonntag wird es ein weiteres Treffen von Bund und Ländern geben, um ein einheitliches Vorgehen zu besprechen.

Am 8.12. hatte sich bereits die nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina für eine Verstärkung der Maßnahmen ab Montag den 14.12. ausgesprochen. Die Wissenschaftler*innen weisen darauf hin, dass eine kurze Verschärfung der Maßnahmen auch wirtschaftlich sinnvoll sei.
Tagesschau - Maßnahmen der Bundesländer
Tagesschau - Leopoldina
Tagesschau - Generaldebatte Bundestag

Kostenlose FFP2-Masken für Risikogruppen und Menschen über 60
Risikogruppen und Menschen über 60 Jahre erhalten ab dem 15. Dezember kostenlose FFP2-Masken. Laut Bundesregierung (9.12.) können pro Person drei FFP2-Atemschutzmasken bis zum 31. Dezember in Apotheken abgeholt werden. Insgesamt betrifft das rund 27 Millionen Bürger*innen. Anfang 2021 erhalten die berechtigten Personen von ihren Krankenkassen zwei Coupons für je sechs weitere FFP2-Masken. Für diese fällt dann ein geringer Eigenbetrag an. Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sei der Schutz von vulnerablen Gruppen weiterhin das oberste Ziel. Spahn rief weiterhin zur Vorsicht auf, da FFP2-Masken das Risiko einer Infektion lediglich mindern und nicht ausschließen.
Deutschlandfunk.de
Tagesschau.de
Zeit.de

BaWü: Landesverfassungsschutz beobachtet “Querdenken”-Bewegung
Baden-Württemberg lässt die Querdenken-Bewegung vom Verfassungsschutz beobachten. Laut Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) radikalisiert sich die Bewegung gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zunehmend. Sie werde von den „Reichsbürgern“ und der rechtsradikalen Szene unterwandert.

Mitglieder der Querdenken-Bewegung dürfen nun mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausgespäht werden. Baden-Württemberg ist damit das erste Bundesland, dass die Bewegung als Beobachtungsobjekt einstuft. Das Bundesamt für Verfassungsschutz prüft ebenfalls eine Beobachtung der Querdenker, vor allem in Hinblick auf eine für Silvester geplante Großdemo in Berlin.
Spiegel
Spiegel (mit Fragen und Antworten)
Tagesschau (Vernetzung mit Reichsbürgern)
Frankfurter Rundschau

BioNtech-Pfizer-Impfstoff wird auch in Kanada zugelassen
Kanada erteilt die Notfallzulassung für den BioNtech-Pfizer-Impfstoff gegen COVID-19. Das teilte die kanadische Gesundheitsbehörde vergangenen Mittwoch (9.12.) mit, die auch schon Millionen Dosen des Vakzins angefordert hat. Noch vor Jahresende können die Impfungen der Bewohner*innen Kanadas beginnen.

Seit der Antrag am 9. Oktober einging, haben Forscher*innen den Impfstoff „gründlich und unabhängig“ getestet und für sicher und qualitativ hochwertig befunden. Auch die US-Zulassungsbehörde FDA hat den Impfstoff veröffentlichten Studien zufolge als sehr wirkungsvoll und sicher eingestuft und möchte auf eine Zulassung hinarbeiten.

In Großbritannien starteten die Impfungen mit dem Vakzin bereits vergangenen Dienstag (8.12.). Kanada ist nach Großbritannien und Bahrain das dritte Land, das eine Notfallzulassung des Impfstoffs für Massenimpfungen erteilt hat.
Tagesschau: Kanada
Tagesschau: USA
Stern: USA
Tagesschau: Großbritannien

Spendenaufruf der Vereinten Nationen
Auf Grund der Corona-Pandemie könnte sich die Zahl der Menschen, die akut vor dem Verhungern stehen, weltweit verdoppeln. Der Chef des World Food Programmes (WFP), David Beasley, appelliert deswegen an die Reichsten der Welt, die gemeinsam ein Nettovermögen von etwa zehn Billionen US-Dollar besitzen. "Mindestens aber brauche ich zwölf Milliarden, um Hungerkatastrophen zu verhindern", sagte Beasley gegenüber der Wochenzeitung "Zeit". Mit Blick auf das verfügbare Vermögen betonte er, bei diesen Zahlen müsse niemand hungern. Deswegen startete er nun einen ungewöhnlich deutlichen Spendenaufruf mit den Worten: "Ich meine: Come on! Milliardäre, zeigt der Welt, dass sie euch nicht egal ist!"
Tagesschau

USA: Keine Beruhigung der Pandemie
Die Infektionszahlen steigen in den USA weiter stark an. In der vergangenen Wochen wurden erneut Rekordwerte in bestätigten Neuinfektionen, Patient*innen in Krankenhäusern und täglichen Verstorbenen verzeichnet. Verschiedene Wissenschaftler*innen verweisen auf eine Verbindung zwischen den hohen Infektionszahlen und Thanksgiving. Die angespannte Infektionslage wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt aus. Im Oktober verzeichnete der Arbeitsmarkt 6,65 Millionen unbesetzte Stellen. Auf Grund der angespannten Situation steigt auch die Zahl der Amerikaner*innen, die an der Armutsgrenze leben. Laut der gemeinnützigen Organisation "Feeding America" habe die Zahl der Bedürftigen in den letzten neun Monaten um etwa 50 Prozent zugenommen.

Unterdessen werden weitere wirtschaftliche Hilfen in Washington diskutiert. Ein Streitpunkt ist die erneute Verlängerung des Arbeitslosengeldes. Eine parteiübergreifende Arbeitsgruppe hatte sich auf eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes um 300 Dollar für weitere 16 Wochen geeinigt. Die Zustimmung von Präsident Trump steht jedoch noch aus. Auch weitere Hilfen für die Bundesstaaten stehen noch aus. In der Konsequenz überlegen einige Städte nun den öffentlichen Nahverkehr einzuschränken. Eine schnelle Einigung über Größe, Zeitpunkt und Schwerpunkte eines neuen Hilfspaketes ist laut Medienberichten derzeit unwahrscheinlich.
Tagesschau (Corona-Folgen) ZEIT (Wirtschaftshilfen) SPIEGEL (Thanksgiving)

UEFA Champions League: Paris und Başakşehir Istanbul vereint gegen Rassismus
Die Herrenfußballer von Paris Saint-Germain und Başakşehir Istanbul setzen ein gemeinsames Zeichen gegen Rassismus. Nach einer rassistischen Bemerkung eines Schiedsrichters zu Beginn der Dienstagabendpartie verließen beide Mannschaften geschlossen das Spielfeld des Pariser Prinzenparks. Mit einem neuen Schiedsrichtergespann wurde das Spiel am Mittwochabend fortgesetzt. Dabei trugen alle Fußballer und Schiedsrichter Aufwärmshirts mit der Aufschrift ,,No To Racism‘‘. Vor Wiederanpfiff knieten alle Beteiligten mit ausgestreckter Faust um den Mittelkreis. Die Geste gilt als Anti-Rassismus-Zeichen und war zuletzt bei mehreren Sportevents zu sehen. Der anschließende 5:1 Erfolg des französischen Meisters geriet dabei fast ins Hintertreffen.
SPIEGEL

Corona in Zahlen
In Deutschland sind 3.773.875 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 03.08.2021 00:00 Uhr, Quelle: RKI), das sind 1.766 Personen mehr als am Tag zuvor.

Warum diese Zahlen? Wir zitieren hier die offiziellen Zahlen des RKI, diese werden einmal täglich – immer um Mitternacht – vom RKI aktualisiert und um 10 Uhr morgens online veröffentlicht. Und warum gibt es hier nicht mehr davon? Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz.

Gesundheitsticker: 180.561.655 Menschen sind weltweit wieder genesen, das sind 456.134 Personen mehr als gestern Früh. Davon 3.659.900 in Deutschland (Stand: 04.08.2021 05:27 Uhr, Quelle: Worldometers).

Von Mensch zu Mensch

Der Begriff “Stigmatisierung” klingt kalt, wissenschaftlich, ja fast distanziert. Dabei hat er so wahnsinnig viel mit Menschen, ihren Geschichten und Schicksalen zu tun. Einen kleinen Einblick haben wir Euch diese Woche in unseren Mensch-zu-Mensch-Texten zusammengestellt.

Den Auftakt macht Laura. Sie spannt eine Brücke zwischen der Wissenschaft, den Bildern in unseren Köpfen und der Realität. Heraus kommt nicht nur ein nahbarer Text, sondern auch eine wichtige, lesenswerte Botschaft.

Horrorfilmszenario
Laura

Oft hört man diesen Begriff in verschiedenen Zusammenhängen, doch was bedeutet Stigmatisierung eigentlich? Eine Definition von Goffmann (2014) beschreibt Stigmatisierung als das Zuschreiben, zumeist negativer Eigenschaften, von Individuen oder einer Gruppe auf einen anderen Menschen, aufgrund seiner Zugehörigkeit einer sozialen Gruppe, die als abweichend von der Norm, auffällig oder beeinträchtigend empfunden wird.

Stigmatisierung kann in verschiedenen Bereichen, wie im Arbeitsbereich, Bildung oder auch Gesundheitswesen auftreten und kann die Entwicklung von Depressivität, Ängsten und einen geringeren Selbstwert begünstigen.

In der Sozialpsychologie gibt es die Theorie der sozialen Identität nach Taifel (1982), in der unter anderem Vorurteile, Stigmatisierung und Diskriminierung gegenüber der Outgroup zu den Konzepten zählen, mit welchen man versucht, diese Outgroup abzuwerten und sich somit von dieser abzugrenzen. Menschen haben im Grunde eine gewisse Angst zu dieser stigmatisierten Gruppe zu zählen und werten sie deshalb ab, um somit auch die Ingroup, der sie zugehören, aufzuwerten.

Als ich das Thema der Woche erfuhr, erinnerte ich mich gleich an meine Bachelorarbeit zurück, in der es um eine Studie ging, die den Einfluss der sexuellen Orientierung auf einen Flirtversuch untersuchte. Hierbei spielt die Stigmatisierung homosexueller Menschen eine bedeutende Rolle. Dieses Forschungsthema liegt mir persönlich sehr am Herzen. Homosexuelle Menschen zählen zu einer gesellschaftlichen Minderheit, die mit Stigmatisierung, Vorurteilen und Diskriminierung zu kämpfen hat. Die Zugehörigkeit zu einer gewissen sozialen Gruppe ist ein wichtiger Aspekt für das Verhalten von Personen. Wie eingangs bereits erwähnt, werden Menschen, aufgrund dieser Gruppenzugehörigkeit, Eigenschaften zugeschrieben, welche im Falle einer Minderheit meist negativ konnotiert sind, um sich so von ihnen abzugrenzen.

Vereinfacht ausgedrückt meint Stigmatisierung also das Zuschreiben eines Merkmals auf eine Person, welches von der Gesellschaft als negativ bewertet wird und sich somit auch negativ auf den Menschen auswirkt, dem dies zugeschrieben wird.

Während meines bisherigem Psychologiestudiums habe ich bereits einige Praktika in verschiedenen psychiatrischen Einrichtungen geleistet. Die Reaktion von außenstehenden Menschen war nicht selten, dass sie annahmen, in einer Psychiatrie sähe es aus, wie in einem schlechten Horrorfilm, in dem Neonleuchtröhren an der Decke flimmerten, in dem alles weiß gefliest ist und die Wände mit Matratzen ausgelegt und mit Blut beschmiert seien. In dem man dumpfe Schreie aus den Zimmer höre und in denen Patienten apathisch, wie Zombies mit weißen Nachthemden und zerzausten Frisuren durch die Flure geistern. Einige fragten mich, ob diese Menschen dort nicht komisch seien und ich keine Angst habe und sie sich selbst niemals trauen würden, eine Psychiatrie zu betreten.

Seit diesem Sommer arbeite ich neben dem Studium im psychosozialen Dienst und betreue Menschen mit meist psychischen Erkrankungen. Auch hierzu werden einem wilde Fragen gestellt, wenn ich erzähle, dass ich auch zu den Menschen mit denen ich arbeite nachhause gehe oder gar in die Stadt. Die Leute können nicht verstehen, wie Menschen mit psychischen Erkrankungen, die vielleicht einst sogar in einer psychiatrischen Einrichtung waren, oder sich Hilfe für den Alltag durch den psychosozialen Dienst suchen, ungefährlich sind und frei rumlaufen dürfen.

Wieso ich das erzähle ist, weil hier ganz deutlich wird, wie das Bild psychischer Erkrankungen in den Köpfen der meisten Menschen verankert ist. Denken sie an psychische Erkrankung, dann sehen sie zumeist das Bild eines verrückten, durchgeknallten, apathischen Psychopathen der sabbernd auf der Couch des Psychoanalytikers liegt und von seinem Ödipuskomplex berichtet. An einer psychischen Störung erkrankt zu sein, gilt leider in der Gesellschaft häufig als Stigma. Betroffene leiden unter Ausgrenzung bis hin zu Diskriminierung, aufgrund einer Erkrankung, die allein das Leben meist schon erschwert.

Durch diese allgemeine Stigmatisierung ist es nicht selten so, dass Menschen, die von psychischen Erkrankungen betroffen sind, sich selbst stigmatisieren und sich hierfür schämen. Sie werten sich selbst ab und haben Angst, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies trägt dazu bei, dass Menschen nicht offen über ihre Erkrankung sprechen und sich oft keine professionelle Hilfe suchen. Das kann oft ein dramatisches Ende nehmen, was vielleicht hätte verhindert werden können.

Man ist doch nicht verrückt, man braucht doch keine Therapie, die Kindheit war doch einwandfrei. Sätze die sich viele Menschen einreden und von denen man glaubt einzig und allein das sei ein Anlass eine Therapeutin aufzusuchen. Es ist nicht nur so, dass Stigmatisierung zur sozialen Ausgrenzung führt, auch ist es leider so, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen das Arbeitsleben in vielen Bereichen schwer gemacht wird. Ein offener Umgang und Aufklärung könnte hier bereits für ein Umdenken sorgen.

Ein weiteres Beispiel: studiert man Psychologie und leidet eventuell selbst unter einer psychischen Erkrankung, traut man sich häufig nicht dies offen anzusprechen. Eine Paradoxie, wenn man bedenkt dass die meisten Psychologiestudierenden einmal Psychotherapeutinnen werden wollen und die Menschen dazu bewegen eine Therapie zu machen. „Dann studierst du also nur Psychologie um dich selbst zu heilen?“ „Die Psychologen haben doch alle selbst einen an der Klatsche.“ „Wenn du psychisch krank bist, wie willst du dann später einmal anderen Menschen helfen?“ Fragen, die Menschen einem stellen und Gedanken die einem durch den Kopf gehen, die einen daran hindern, offen und ehrlich mit seiner Erkrankung umzugehen.

Ein Irrglaube, dass Psychologinnen bzw. Psychotherapeutinnen niemals an einer psychischen Störung erkranken könnten. Geht man davon aus, dass eine Onkologin niemals Krebs bekommt oder Krebs hatte? Macht sie vielleicht genau diese Tatsache zu einer emphatischeren Ärztin, weil sie das Leid ihrer Patientinnen besser nachvollziehen kann? Zumindest macht sie dies nicht zu einer Schlechteren. Psychische Erkrankung bedeutet nicht gleich wahnhaft durch die Gegend zu laufen, Stimmen zu hören und keine Kontrolle mehr über seine Gedanken zu haben. Es gibt viele Störungen und es ist wichtig hier eine gewisse Aufklärungsarbeit auf allen Ebenen der Gesellschaft zu schaffen.

Es ist keine Schande, seine Erkrankung offen zu kommunizieren und sich Hilfe zu suchen um mit seiner Erkrankung umgehen und leben zu lernen. Als ich das erste mal offen über meine Angsterkrankung schrieb, bekam ich einige Nachrichten, auch von Kommilitoninnen, die mich wirklich gerührt haben und mir gezeigt haben, dass das offen sprechen genau das Richtige ist und nicht nur mir, sondern auch anderen Menschen gut tut.

Es gilt das Stigma psychischer Erkrankungen zu verändern und psychische Erkrankungen gleich zu sehen mit einer organischen Erkrankung, über die doch die meisten Menschen, selbst bei feierlichen Anlässen, so gerne sprechen. Erzählt zum Beispiel Tante Hilda zum Geburtstag ihren Gästen von den Gallensteinen die der Chefarzt der Klinik entfernte und der kleine Tom wie er sich beim Turnen den Arm gebrochen hat, so sollte man doch auch an Weihnachten seinen liebsten Menschen erzählen können , dass man eine Depressive Episode erleidet, eine Angststörung hat oder unter Zwängen leidet und sich hier therapeutische Hilfe gesucht hat, und dafür genauso wenig verurteilt werden, wie Tom der sich den Arm gebrochen hat.

Stigmata und Urteile gehen schnell Hand in Hand. Warum ist das so? Vielleicht weil wir schlicht mit Bildern in unseren Köpfen groß werden oder einfach schlechte Erfahrungen machen. Dass Erfahrungen uns aber auch toleranter und weitsichtiger machen, beweist die beeindruckende Geschichte von Tina, ihrem 8-Monate alten Sohn und der gemeinsamen ersten Wohnung.

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Tina

Stigmatisierung und Diskriminierung gehen Hand in Hand. Stigmatisierung ist breit gefächert. Oftmals durch Intoleranz und Verständnislosigkeit. Es gibt viele Menschen, die nicht der Norm entsprechen. Doch was eigentlich versteht man unter dem Begriff „Norm“? Was ist denn die Norm? Und wer bestimmt die Normen? Vor allem aber, was sagt die Norm über einen Menschen aus? Denn in erster Linie sieht man nur das äußere Erscheinungsbild. Und das sagt noch lange nichts über den Charakter jedes einzelnen aus. Leider ist die Menschheit derart mit Vorurteilen behaftet, dass jeder, der nicht in die gesellschaftlichen Richtlinien passt, als Außenseiter gilt. Kaum jemand gibt sich Mühe, hinter die Fassade einer Person zu schauen. Dabei lohnt es sich oft, zweimal hinzusehen.

Vor Jahren habe ich mir angewöhnt, dass ich erst einmal hinter die Kulisse schaue, bevor ich mir das Recht herausnehme, einen Menschen zu beurteilen, statt nach Äußerlichkeiten zu bewerten. Auch meinem Sohn habe ich das früh vermittelt und lebe es ihm bis heute vor. Ich habe einen Leitsatz verinnerlicht, der ein fester Bestandteil in meinem Handeln geworden ist. “Wenn ein Mensch nicht deinen äußerlichen Vorstellungen entspricht, so kann sich ein Diamant dahinter verbergen.“

Es macht mich sprachlos wie viele Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, sexuellen Orientierung, Tätowierungen, psychischen oder körperlichen Krankheiten oder Religion stigmatisiert werden. Und das sind nur einige Beispiele. Diese soziale Ausgrenzung darf und sollte es in unserer heutigen Zeit nicht mehr geben. Wir sind mit unserer Wissenschaft so weit fortgeschritten, aber mit Sanftmut Andersdenkende zu akzeptieren, scheint eine schier unlösbare Aufgabe darzustellen. Warum glauben viele, dass ihr Lebensstil, die Lebensvorstellung von allen anderen zu sein hat?

Ich kann mich noch gut an meine erste eigene Wohnung erinnern. Ich war 25 Jahre und mein Sohn war 8 Monate. Bis dato wohnten wir noch bei meinen Eltern. Ich freute mich riesig auf die eigenen vier Wände.

Wären da nicht diese voreingenommenen Nachbarn gewesen. Ein Ehepaar, das aus einer anderen Kultur stammt und für die eine alleinerziehende Frau eine Schande darstellte. Ihre Vorstellung von Moral ließen sie mich Tag für Tag spüren. Sie schütteten literweise Wasser in den Kinderwagen der im Treppenhaus stand. Spuckten im vorbeigehen an meine Wohnungstür samt Fußmatte. Und wenn sie mich sahen beschimpften sie mich mit übelsten Beleidigungen.

Sie drückten mir ein Stigma auf, weil meine Lebensweise nicht mit ihrer Glaubenswelt übereinstimmte. Mir jedoch war ihr Herkunftsland und ihr Glaube völlig irrelevant. Doch für dieses Ehepaar war ich ohne Trauschein nichts wert. In dieser Situation fiel es mir extrem schwer, meiner loyalen Einstellung treu zu bleiben. Durch die seelischen Verletzungen, die mir diese Familie zugefügt hatte, war die Versuchung jedoch enorm hoch, dieses Ehepaar hinsichtlich ihren Glaubens ebenfalls zu stigmatisieren. Doch was hätte es mir genützt? Vergeltung war schon immer ein falscher Weg.

Schließlich sind wir nach einigen Jahren ausgezogen weil die Wohnsituation unzumutbar wurde. Ungeachtet dessen besitze ich trotz einiger menschlichen Enttäuschungen die Toleranz, Menschen zu akzeptieren, wie sie sind. Und zugegeben, es fällt nicht immer leicht, großzügig und vorurteilslos jeder Person entgegenzutreten. Zuweilen fällt es sogar äußerst schwer, sich von seiner Sichtweise zu lösen, um sich in Andere hineinzuversetzen. Denn nicht jeder erscheint auf Anhieb sympathisch. Oftmals eilt ein Lernprozess voraus, um andere Menschen unvoreingenommen zu betrachten.

Die Tragfähigkeit der Toleranz erweitert sich mit jeder Lebenserfahrung. Ganz gleich ob es sich um eine positive oder negative Erfahrung handelt.

Deshalb urteile nicht zu voreilig und nimm dir Zeit für Hinterfragungen, bevor du anderen ein Stigma aufsetzt.

Tina hat mit uns geteilt, wie ihre eigene Erfahrung als Betroffene von Stigmata sie geprägt hat. Wie wichtig es ist, über diese Erfahrungen zu sprechen, erzählt uns abschließend Annika. Dabei wird deutlich, wie schnell jeder von uns eigene Lesarten auf andere Menschen übertragen kann. Die Lösung ist einfach wie schwierig: Wir müssen dranbleiben und vor allem dranbleiben wollen.*

Von inneren Tornados - oder: Wenn das Stigma uns einholt
Annika

Als ich eine Person (die mir heute sehr nahe steht) kennengelernt habe, war diese zunächst sehr zurückhaltend. Aber sie war mir sympathisch und ich hatte das Gefühl, dass sie mich auch mochte. Also legte ich mich ins Zeug - und lief gegen Wände. Immer und immer wieder. Egal, was ich versuchte - irgendwie hielt sie mich dauerhaft auf Abstand. Oberflächlich verstanden wir uns super, aber sobald die Gespräche tiefer wurden, blockte sie ab. Mehrere Treffen lang hielt ich die Anwesenheit eines Elefanten im Raum noch aus, dann sprach ich diesen direkt an. Doch mein Versuch eines klärenden Gesprächs schlug fehl. Die Person, die mir gegenüber saß und der ich so gern näher wäre, wurde nur noch distanzierter.

Antworten auf meine vielen Fragen bekam ich an diesem Abend nicht. Danach beschloss ich, aufzugeben. Ich fühlte mich zurück gewiesen und gekränkt. Und vor allen Dingen verstand ich das grundlegende Problem nicht. Was könnte ein Mensch denn schon so Furchtbares in sich tragen, das er um jeden Preis versucht, vor anderen Personen geheim zu halten?

Am nächsten Tag bekam ich einen Anruf. „Ich glaube, ich muss dir etwas über mich erzählen. Möchtest du vorbeikommen?“ Ja. Natürlich wollte ich. Und während ich mich auf den Weg machte, bastelte mir meine Fantasie schon einen bunten Mix aus schlimmen Dingen zusammen, die ich nun erfahren könnte.

„Ich habe Depressionen. Eine Verhaltenstherapie habe ich schon gemacht, aber das hat mir nicht geholfen“. Und mein erster Gedanke: Das war alles? Daraus hast du so ein Geheimnis gemacht? Dagegen kann man doch etwas unternehmen, das ist doch nicht schlimm! Ich war so erleichtert darüber, dass vor mir kein Serienmörder saß (eine der vielen Ideen meiner Fantasie), dass eine Vielzahl an Therapie- und Behandlungsvorschlägen nur so aus mir heraussprudelte.

Damit war ich verdammt unsensibel und übergriffig. Heute kann ich das sehen - damals dachte ich aber, dass ich mit meinem Vorgehen helfen würde. Und was noch viel schlimmer war - ich hatte ein spezielles Bild von Depressionen im Kopf: Menschen, die wochenlang nicht aufstehen, sich nicht duschen und nicht essen können. So sah die Person vor mir allerdings überhaupt nicht aus. Sie studierte, bewältigte ihren Alltag ohne spürbare Auffälligkeiten und vernachlässigte auch ihre Körperhygiene nicht. Ich sagte mir, dass sie demnach ja auch nicht so stark betroffen wäre und es ein Leichtes darstelle, den Depressionen den Kampf anzusagen.

Dass ich mit diesen Gedanken selbst stigmatisierte und sich Depressionen in tausend verschiedenen Formen äußern, habe ich erst viel später gelernt. Zuletzt aus eigener Erfahrung. Mittlerweile weiß ich, dass Depressionen nur in den seltensten Fällen von außen erkannt werden. Dass im Inneren trotzdem Tornados wüten können. Dass es auch mit Depressionen möglich ist, einen nach außen hin völlig unauffälligen Alltag zu bewältigen. Dass sie deshalb nicht „leichter“ oder „schwächer“ sein müssen. Und vor allem, dass es eine wahnsinnige Kraft kostet, gegen sie anzukämpfen - egal, ob sie von außen sichtbar sind oder nicht.

Mittlerweile ärgere ich mich über das Stigma, das Depressionen umgibt. Ich bin genervt von Menschen, die genauso denken, wie ich es getan habe. Das ist vielleicht unfair, aber diese Gefühle lassen sich nun einmal nicht einfach so steuern.

Auf: „Ach, du und Depressionen? Das sieht man dir ja gar nicht an!“ würde ich am Liebsten schlagfertig antworten „Ja, die Aufschrift auf meiner Stirn ist mit der Zeit verblasst, müsste ich mal wieder nach malen“. Aber ich bin nicht schlagfertig. Ich sage stattdessen so etwas wie: „Ich habe gelernt, Fassaden aufzubauen“ und wenn möglich, drehe ich mich dann gern um und gehe. Laufe ich vor den Diskussionen, den Gesprächen davon? Vielleicht. Manchmal. Ich würde so gern viel mehr gegen Stigmata ankämpfen, Vorurteile abbauen. Aber meistens fehlt mir dazu einfach die Kraft. Weil ich sie für meine eigenen Kämpfe und inneren Tornados benötige.

Und ich glaube, genau darin liegt ein Problem: Es ist einfach, Stigmata und Vorurteile gegenüber Personen zu entwickeln, die aufgrund einer Erkrankung, persönlichen Erfahrungen oder anderen individuellen Umständen ihre gesamte Kraft aufbringen müssen, um zu überleben. Um den Tag zu überstehen. Denn dann fehlt die Kraft für die Kämpfe nach außen - gegen Vorurteile, gegen Stigmata. Das Stigma erhält keinen Gegenwind und kann sich problemlos weiter verbreiten. Bis wir irgendwann gezwungen werden, es zu hinterfragen.

Nun wünsche ich nicht jedem Menschen eine psychische Belastung oder eine schlimme Erfahrung, um eigene Vorurteile näher zu betrachten und im besten Falle abzubauen. Aber ich wünsche mir mehr Offenheit. Offenheit für persönliche und individuelle Geschichten. Offenheit, um nicht von einer Erzählung auf alle anderen Personen zu schließen. Interesse an Schicksalen.

Dabei nehme ich mich nicht aus. Ich lebe mit genauso vielen internalisierten Stigmata und Vorurteilen, wie jeder andere Mensch auch. Deshalb möchte ich auch bei mir selbst anfangen und sie immer wieder auf die Probe stellen. Das ist nicht einfach, es ist ein Prozess. Aber vielleicht wäre es ein Anfang für eine offenere und tolerantere Gesellschaft. Wie sagte Martin Luther King noch mal? „I have a dream…“.

Tipps der Woche

Aktiv gegen Stigma
Der Verein „Aktiv gegen Stigma“ setzt sich für die soziale Integration von Menschen mit psychischen Erkrankungen ein und engagiert sich damit aktiv gegen Stigmatisierung.

Deshalb unterstützt der Verein Aktivitäten, die psychisch erkrankten Menschen auf den Weg zurück in die Gesellschaft helfen. Ziel ist es, die Begegnung zwischen psychisch erkrankten und gesunden Menschen zu fördern und über psychische Erkrankungen sowie deren Folgen aufzuklären.
Zur Vereinsseite

“Bullshit-Bingo” Depressionen
Viele Krankheiten sind mit Vorurteilen verbunden. Stereotype und falsche Annahmen können dann das Verhalten gegenüber den Erkrankten bestimmen. Ausgrenzung oder Diskriminierung ist die Folge. Doch warum stigmatisieren Menschen überhaupt? Und was bedeutet es für Betroffene und Angehörige? Die Stiftung Gesundheitswissen setzt sich mit Stigmatisierung am Beispiel Depression auseinander – und das auch humorvoll mit einer genialen Grafik zum “Bullshit-Bingo” Depressionen (mit Sprüchen wie “Auch so eine Modekrankheit”). Mit Tipps und Anlaufstellen für Betroffene und Angehörige.
Stiftung Gesundheitswissen

Irre
Mit Stigmatisierungen aufräumen möchte auch Psychiater und Autor Manfred Lütz, unter anderem durch sein Buch “ IRRE- wir behandeln die Falschen”. Im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur plädiert er dafür, über psychische Erkrankungen zu sprechen. Auch, oder vor allem im direkten Umfeld. Nur Bücher darüber lesen reicht nicht, ein direkter Erfahrungsaustausch ist wesentlich wichtiger. Wer dennoch in sein Buch reinhören möchte kann dies hier.
Deutschlandfunk Kultur

Film und Fernsehen
Auch in den Medien, in Film und Fernsehen werden Menschen mit psychischen Erkrankungen häufig sehr stereotyp dargestellt und Betroffene finden sich kaum in den Figuren wieder. Diese Darstellung nährt bestehende Stigmata und diese verfestigen sich im Denken. Doch auch in der Filmbranche gibt es ein Umdenken. Mit Vergnügen hat sich umgeschaut und elf Filme, Serien, Dokumentationen zusammen gesucht, die helfen, den Blickwinkel zu verändern und die Thematik besser zu verstehen.
Übersicht über die Filme

Auch “erfolgreich” kann ein Stigma sein - oder?
Mit Stigmata verbinden wir eigentlich vor allem Negatives. Aber wir haben eine Unzahl anderer Bilder in unseren Köpfen, mit denen wir vorverurteilen oder auto-vervollständigen. Manchmal wird uns das erst rückblickend klar. Autorin Elizabeth Gilbert ging es so, nachdem sie ihren Bestseller “Eat, Pray, Love.” geschrieben hatte. Plötzlich war sie überall die erfolgreiche Autorin und fragte sich: Welches Bild muss ich eigentlich nun erfüllen? In einem inspirierenden TedTalk reflektiert sie ihren Erfolg im Lichte der Person, die sie schon immer war und kommt zu einem spannenden Tipp, wie wir mit der Rollenverwirrung umgehen können.
TedTalk

Dies und Das

Workaholic?
Die Zeit der Pandemie genutzt hat Taylor Swift. Sie brachte am Freitag (11.12.) ein neues Album auf den Markt, völlig ohne Ankündigung und PR. Und dies ist schon ihr zweites Album, welches sie in dieser Zeit fertig gestellt hat. “Evermore” tritt in die Fußstapfen des Vorgängeralbums “Folklor”, wartet mit zahlreichen Kooperationskünstlern auf und macht einmal mehr deutlich, Taylor Swift ist nicht nur leichte Pop Musik.
Deutschlandfunk Kultur
Deezer- Evermore

Tschüss Mr. Tagesschau
Wie oft hat Jan Hofer uns schon die Neuigkeiten des Tages zusammengefasst? Oft, sehr oft. Denn seit 36 Jahren moderiert er die Tagesschau auf der ARD. Nun wird er am 14.12. aufhören. Zuvor gewährt er einen persönlichen Ein- und Rückblick auf das Leben als Mr. Tagesschau.
Weser Kurier

"Großer Geist,
bewahre mich davor,
über einen Menschen zu urteilen,
ehe ich nicht eine Meile
in seinen Mokassins
gegangen bin."
Indianische Weisheit

Damit wünschen wir Euch eine entspannte Woche.

Euer angstfrei.news Team

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