Mittwoch, 25. März | 8 Uhr
Einen schönen guten Morgen!
Heute starten Katharina und Nicholas mit Euch in den Tag.
Wir haben als allererstes nochmal in Eure Rückmeldungen geschaut - vielen lieben Dank für die Worte, Ideen und Rückmeldungen. Thematisch konnten wir schon einiges unterbringen, an einigen Themen arbeiten wir noch - wir setzen alles um, was wir mit guten Quellen oder Expert*innen abdecken können. Also gerne weiter her mit Euren Vorschlägen und Gedanken.
Wir verbessern die Seite weiterhin laufend und freuen uns über Ideen, Anmerkungen und auch Wünsche im Feedbackformular.
Euer Team von angstfrei.news
Die gute Nachricht des Tages:
Hamburger Tafel kann nach Aufruf wieder öffnen
Unsere heutige gute Nachricht beginnt mit Bauchschmerzen: Wie soll man zuhause bleiben, wenn man keines hat? "Ärzte der Welt" und rund 40 weitere Organisationen haben sich in einem Offenen Brief besorgt über medizinische Versorgungslücken gezeigt. In den letzten Tagen beschäftigen sich immer mehr Medien mit der Sorge um obdachlose Mitmenschen während der Pandemie. Nicht nur ist die grundsätzliche Gesundheitssituation schwierig, es fehlen auch ganz alltägliche Anlaufstellen: Hilfsangebote wie Suppenküchen oder Sozialstellen bleiben wegen aktueller Einschränkungen geschlossen, weniger Menschen auf der Straße bedeuten weniger Spenden.
Aber: Das Problembewusstsein wächst. Und das ist die gute Nachricht: Gestern verkündete die Hamburger Tafel, dass sie nach einem Spendenaufruf dank Freiwilligen wieder für Bedürftige öffnen kann. Die Betreiber*innen sehen das als ein gutes Zeichen: Menschen wollen helfen. Das zeigen auch Kurzberichte von Hilfsangeboten in Form von Essenspaketen durch Bürgerinnen und Bürgern oder privaten Hilfsinitiativen. Auch die Politik startet Hilfsangebote: Vor einigen Tagen konnte man lesen, dass London Obdachlose in Hotels unterbringt. In Spanien wurden Feldbetten bereitgestellt, auch in Italien gibt es neue Notunterkünfte. Frankreich richtet Schlafplätze in Turnhallen ein und öffnet Winterunterkünfte länger als sonst. Gestern vermeldete die Stadt Halle 180 neue Schlafplätze im Haus der Wohnhilfe.
Was bleibt ist die Forderung nach einem umfassenden Rettungsschirm für Obdachlose. Vielleicht erreichen wir das gemeinsam? Eine Möglichkeit ist, die Petition vom Verein Hamburger Gabenzaun e.V. zu unterzeichnen (hier lang).
Update: Wichtige Entwicklungen seit gestern Abend
Wirtschaftsweisen erwarten schnellen Aufschwung nach Coronakrise
Die Sparpolitik der Bundesregierung und die gute wirtschaftliche Verfassung unseres Landes machen umfassende Wirtschaftshilfen möglich (wir berichteten darüber). Trotzdem ist damit zu rechnen, dass die Wirtschaft einen Dämpfer erlebt. Darüber wie dieser aussieht, kann man derzeit nur spekulieren. Expertinnen und Experten wie zum Beispiel die so genannten Wirtschaftsweisen zeigen sich aber durchaus positiv, so ihr Vorsitzender, Lars Feld:
"Die ganz pessimistischen Szenarien, die in zweistellige Bereiche [gemeint ist der Rückgang der Wirtschaftsleistung in %] gehen, schließen wir gegenwärtig im Sachverständigenrat aus. Wir gehen nicht davon aus, dass wir eine so schwierige Lage bekommen werden." Als das wahrscheinlichste Szenario sieht Feld das sogenannte V-Szenario: Auf einen steilen Einbruch der Wirtschaft folgt eine steile Erholung. So wie nach der Finanzkrise: Schon 2010 wuchs die deutsche Wirtschaft wieder um mehr als vier Prozent. Damit dies erneut gelingen könne, seien nach der Corona-Krise "Initialzündungen" des Staates für die Wirtschaft nötig, betonte Feld. Das umfangreiche Rettungspaket der Bundesregierung sei "sehr begrüßenswert".
Wirtschaftsminister Altmeier sicherte weitere Hilsangebote für Wirtschaft und Gesellschaft zu.
Wolfgang Schäuble sieht Chance in der Krise
Im Interview mit den Tagesthemen hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zu Solidarität aufgerufen. Die Corona-Krise sei eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, sagte er. "Alle müssen mitmachen." Die große Mehrzahl der Bevölkerung verstehe die Notwendigkeit der Einschränkungen. Es gebe "ganz neue Formen von spontaner Solidarität und Hilfsbereitschaft". Krisen könnten auch Chancen sein, sagte Schäuble. Vielleicht führe "diese große Prüfung für uns alle" auch dazu, "dass später einmal die Historiker sagen werden, das war ein Wendepunkt, der dazu beigetragen hat, dass wir in dieser manchmal atemlos erscheinenden Hektik auch wieder ein bisschen mehr Menschlichkeit haben, dass der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft wächst." (weitestgehend zitiert vom Tagesschau Liveblog).
→ Das Ganze Interview
Schüler fordern Einheitsabi |Keine Prüfungen in Schleswig-Holtstein
Gestern hat Schleswig-Holtstein die Abiturprüfungen ausgesetzt, auch Hamburg überlegt, wie mit dem Abitur 2020 umzugehen ist und fordert eine einheitliche Lösung. In Hessen haben die Prüfungen bereits begonnen.
Die Lösung für die sich Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) einsetzt, hat dank einer Petition größere Aufmerksamkeit bekommen: Keine Prüfungen, sondern eine Durchschnittsnote über einen zuvor ausgewählten Zeitraum der letzten zwei Jahre. Wer seine Note verbessern möchte, soll die Möglichkeit bekommen, eine mündliche Prüfung in einem der ausgewählten Abifächer abzulegen, das fordern Schülerinnen und Schüler aus Hamburg.
Die Initiatorinnen und Initiatoren finden, jetzt ein Abitur zu absolvieren sei aus drei Gründen nicht sinnvoll: Gesundheitlich, da der Weg zur Schule Infektionsrisiken birgt, psychologisch, da viele Schülerinnen und Schüler sich sorgen und daher kaum fokussieren können und Gesellschaftlich, da die jungen Menschen derzeit in Familie und sozialem Leben einen anderen wichtigen Beitrag leisten. Expertinnen und Experten sind sich noch nicht einig, was sie von diesem Vorschlag halten. Dass sie sich damit beschäftigen müssen ist wahrscheinlich: fast 100.000 Menschen haben die Petition bereits unterschrieben.
→ Petition auf change.org | NDR (Hamburg überdenkt Prüfungen)
Hackerton weltweit | Projekte auf Youtube anschauen
Über 40.000 Menschen fokussierten ihre Kreativität und ihr Know-How beim Hackathon der Bundesregierung #wirvsvirus. Die Ergebnisse der über 1.500 Projekte können nun auf youtube (unter dem suchwort “WirVsVirus”) angesehen werden. Die Bundesregierung ist schon jetzt begeistert: “Es gab Vorschläge und konkrete Arbeitsgruppen aus vielen Themenbereichen, unter anderem zur "Verbesserung des Managements von Krankenhausressourcen" oder zur "digitalen Erfassung und Übermittlung von Neuinfektionen", aber auch solche Challenges wie "die Verteilung von Lebensmitteln und Hilfe bei der Ernte" sowie Projekte zur "Psychischen Gesundheit in Zeiten von Isolation". Derzeit sei man damit beschäftigt, Projekte für die Förderung auszuwählen.
Indes habe es großes Interesse anderer Länder gegeben, einen Hackerthon nach Vorbild von #WirVsVirus umzusetzen: “Am Wochenende haben sich bereits sieben weitere Länder gemeldet, die in den kommenden zwei Wochen einen Hackathon unter dem Titel #WirvsVirus bzw. #WevsVirus organisieren werden. Geplant sind ähnliche Aktionen in Indien, Schweiz, Belgien, Kanada, Argentinien, Kolumbien und Brasilien.”
→ Bundesregierung
Corona in Zahlen
In Deutschland sind 27.436 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 24.3.2020, 00:00 Uhr RKI*), das sind 4764 Personen mehr als am Tag zuvor.
Warum, diese Zahlen? Wir zitieren hier die offiziellen Zahlen des RKI, diese werden einmal täglich – immer um Mitternacht – veröffentlicht und um 10 Uhr morgens online bereitgestellt. Das bedeutet für unsere Webseite, dass ihr immer Abends aktuelle Zahlen bei uns abrufen könnt. Und warum gibt es hier nicht mehr davon? Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz.
Gesundheitsticker: 109.145 Menschen sind weltweit wieder genesen. Davon 3.290 in Deutschland (Stand 7:38 Uhr). Das sind weltweit 2.061 mehr als gestern Abend.
Tipp des Tages
Wo nun die Meisten zu unfreiwilligen Couch-Potatoes werden, soll das Angebot stimmen: Die Süddeutsche Zeitung hat für euch ein paar kulturelle Highlights für die Woche zusammengetragen: So lädt beispielsweise Viloinist Daniel Hope zu spontanen Gesprächen und Konzerten (u.a. mit Max Raabe, Anna Thalbach und Heike Makatsch) im Youtube-Channel von Arte, Dieter Falk lässt euch bei den Online-Chorproben für sein Musical Bethlehem zusehen und lädt zum mitsingen ein (die Noten gibt’s auf singenzuhause.de) und das Rolling Stone-Magazine heißt regelmäßig Weltstars in seinem Stream willkommen.
Unser persönliches Highlight: Der Autor Saša Stanišić (Herkunft, Wie der Soldat das Grammofon repariert, …) liest jeden Abend 30 bis 45 Minuten auf seinem Twitch-Channel. Ihr findet alle Links im Artikel der SZ.
Von Mensch zu Mensch
Das Grundgesetz in Corona-Zeiten
Mitdenken erlaubt | FAQ der Gesellschaft für Freiheitsrechte
Gestern hat mich eine Diskussion auf den Sozialen Netzwerken sehr beschäftigt, die meine Freundinnen und ich über die Ausgangsbeschränkungen geführt haben. Es begann mit einem Posting von der linksprogressiven Webseite “Neues Deutschland”:
“Wir reden also bei einer Ausgangssperre nicht über eine Kleinigkeit, sondern den größtmöglich denkbaren Grundrechtseingriff gegenüber einer gesamten Bevölkerung. [...] Mit der Ausgangssperre droht eine Weichenstellung vorgenommen zu werden, die in eine autoritäre Gesellschaft münden kann.”
Andere Freundinnen wehrten sich und meinten, wir wären ja frei gewesen, uns anständig zu benehmen: “Würde sich die die Mehrheit der Bevölkerung denn mal konsequent an momentane Richtlinien halten wie z.B. zuhause bleiben, wenn es möglich ist, würde so eine Ausgangssperre nicht notwendig sein, aber nein, Menschen versammeln sich im Park oder feiern rücksichtslos irgendwelche Coronaparties. Da wundert es mich, ehrlich gesagt, wenig, dass Ausgangssperren ausgerufen werden.”
Nach einiger Diskussion einigte man sich dann auf diese Ansicht: “Es ist wichtig, das kritisch zu betrachten. [...] um nicht selber in ein doppelbödiges Argumentationsverhalten zu gelangen, wo "aus Prinzip" scheinbar gegen "aus (Grund)rechtlicher Sicht" aufgewogen werden. Das hilft der Entwicklung nicht. Kritische Reflexion hingegen schon. Erstes gesellschaftliches Ziel ist es, Menschenleben zu schützen, dazu gehört, Arbeitnehmerinnen zu schützen, [...] dazu gehört aber auch, wie wir ein gesellschaftliches Verhalten hinbekommen, in dem die Pandemie kontrollierbar wird.”
Richtig berührt hat mich schließlich das Fazit einer Freundin. Sie schreibt: Ich glaube es kommt da auch einfach auf den Prozess an (wie werden solche Sperren verhängt, gab es eine Beteiligung der Parlamente) und die Haltung, sowas auch zu kommunizieren und die Verantwortung dafür zu übernehmen. [...] Ich bin ganz bei N.N., dass es da einen sehr kritischen und verantwortungsvollen Umgang braucht. Und kann bei deinem Post liebe N.N. sehr mitfühlen. Diese Rechte wurden hart erkämpft und sind das Herzstück unserer Demokratie. Ist auch irgendwie bestärkend zu merken, dass wir was dabei empfinden, wenn sie in einer Krisensituation so stark beschnitten werden.”
Wir laden Euch ein, Euch ebenfalls zu informieren und Euch eine Meinung zu bilden. Zum Beispiel bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte oder mit Hilfe des Verfassungsblogs.
(Damit grüßt Katharina ihre wundervollen und klugen Menschen.)
Dies und Das
Corona nervt! Aber wusstet ihr, dass das Wort - Latein für “Kranz” - neben einer weltweiten Pandemie auch Namensgeber für viele andere, gar nicht mal so furchtbare Dinge ist? So könntet ihr euch beispielsweise vorstellen, Zigarre rauchend und Bier trinkend in einem Toyota aus dem Jahre 1957 zu sitzen und über Asterix-Schurken zu fachsimpeln. (Auf diesem Wege: Mach’s gut, Uderzo! - Danke für so viel Kindheit!)
All das irgendwo in Kalifornien. Dazu läuft ein Song der Minutemen im Radio und gleich drauf “Rhythm of the night” von, öchöm - ja richtig: Corona. Außerdem bezeichnet es noch eine Gruppe Jugendlicher, die etwas unternehmen, ist der Name eines Gedichts von Paul Celan, ein Königreich in “Rapunzel”, eine Heilige - und, und, und…
Was wir daraus lernen? Vielleicht ist nicht alles immer gleich so schrecklich, wie es sich anfühlt.
Tschö mit Ö sagen für heute Katharina und Nicholas. Bleibt oder werdet bitte alle gesund! Wir sehen uns heute Abend um 20:00 Uhr.
Ideen, Anmerkungen, Wünsche? Gerne hören wir über das Feedbackformular von euch.
(Und: hört auf zu googeln – das machen wir für Euch.)
Quellen Tagesschau (Wirtschaft) | → Tagesschau (Obdachlosigkeit) | NDR (Tafeln öffnen wieder) | Wir sind Halle (Wohnungshilfe) | ZDF (HIlfsangebote international) | Deutschlandfunk (Hilfsangebote weitestgehend geschlossen) | Corona in Zahlen (RKI) | Gesundheitsticker