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Donnerstag, 23. Juli 2020 | 8 Uhr Sommerzeit

Tim
Markus

Ein wunderbaren guten Morgen, verehrte Leser*innen,

ich bin mit einer christliche Tradition aufgewachsen und glaube auch noch heute an Gott. Ich bete regelmäßig und eines der häufigsten Gebete, die ich an Gott richte, ist folgendes:

“Der Herr gib mir den Mut die Dinge zu ändern, die ich ändern kann, die Gelassenheit, die Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann, und die Weisheit, dass eine vom anderen zu unterscheiden.”

Das von dem US-amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr verfasstes Gebet funktioniert sicher nicht nur für Christ*innen, sondern auch ohne die Anrufung einer Allmacht. Insbesondere die Gelassenheit bereitet mir häufig Probleme - auch in der Pandemie. Deshalb möchten wir Euch heute den Text von Anne vom 6. April zum Thema Akzeptanz empfehlen. Denn sicher ist die Akzeptanz der aktuellen Herausforderung durch COVID19 ein wichtiger Baustein um gut durch diese Pandemie zu kommen.

Gabi’s Text vom 9. April wendet sich hingegen einem Gewinn in der aktuellen Situation zu - der Entschleunigung. Während der Ausgangsbeschränkungen entstehen plötzlich Freiräume, um Dinge in den Fokus zu nehmen für die vielleicht vorher keine Zeit war. Das was wirklich wichtig ist. Also nehmt Euch vielleicht heute mal fünf Minuten, um euch auf euch zu besinnen. Vielleicht erkennt Ihr ja sogar die ein oder andere positive Entwicklung die Ihr in den letzten Monaten gemacht habt.

In jedem Fall wünschen wir euch einen entschleunigten wie auch gelassenen Tag

Euer Tim, Markus und das ganze Team von angstfrei.news.

Ihr habt Lob, Kritik oder Anregungen für uns? Schreibt uns gerne Euer Feedback.

Akzeptanz

von Anne

Wir müssen, wohl oder übel lernen die derzeitige Situation zu akzeptieren. Sie wird uns noch ein wenig länger begleiten, diese Pandemie. Doch die Unwissenheit, wie genau es nach Ostern weitergeht und wie Corona unser bekanntes Leben verändern wird, macht dies schwierig. Wie so oft ist es leichter gesagt, als umgesetzt, da wir alle, zumindest gefühlt, Teil eine Experiments sind. Mir hat dieses Video von Mai Thi Nguyen-Kim sehr geholfen, die Hintergründe zu verstehen.

Ich frage mich, wie ich diese Akzeptanz erlernen kann. Bitte möglichst schnell wenns geht, ich bin dieser Tage etwas ungeduldig! Schreibe ich und lausche in die Stille der Stadt. Zu Anfang war dies das Seltsamste. Ich wohne in Köln, hier ist es immer laut, voll und wuselig. Jetzt ist es so ruhig, wie ich es nur vom Neujahrsmorgen kenne. Doch man gewöhnt sich dran. Ich fange an es zu genießen.

Bei dem herrlichen Wetter waren gestern viele Menschen in den Parks spazieren, ich auch. Und dennoch war es ganz ruhig dort. Alle gingen achtsam und hielten Abstand. Mir scheint, als zwinge uns dieses Abstandhalten dazu, viel bewusster im Moment zu sein, bewusster seine Mitmenschen wahrzunehmen. Es macht ein Hetzen unmöglich. An deren Stelle rückt Ruhe und Freundlichkeit. Eine Freundlichkeit die, so schien es mir, von Herzen kommt und nicht aufgesetzt ist. Vielleicht bin ich, sind wir, in Sachen Akzeptanz doch schon einen Schritt weiter.

Auch der Tanz durch den Supermarkt fällt leichter, wo es doch schwieriger ist, Abstand zu halten. Und kommt man doch mal aus dem Takt, vergisst die Schrittfolge, wer darf zuerst zur Butter? So ergeben sich immer wieder nette, freundliche Momente und Gespräche.

Und so merke ich im Laufe dieses Textes, der einen anderen Weg eingeschlagen hat, als ursprünglich gedacht. Ich habe mehr Akzeptanz und Geduld erlernt in den letzten Tagen, als mir bewusst war.

Ich hoffe Euch geht es ähnlich.

Entschleunigung oder was sonst noch wichtig ist

von Gabi

Schon letzte Woche habe ich an dieser Stelle geschrieben, wie sehr mir die Corona-Krise zugesetzt hat und immer noch zusetzt. Aber während ich traurig bin und zum Beispiel die leise dahin plätschernden Stunden in der öffentlichen Bibliothek vermisse, erklären mir andere jetzt, wie glücklich sie sind über das, was sie geschenkt bekommen haben. Entschleunigung scheint in diesem Zusammenhang das Wort der Stunde (oder am Ende vielleicht sogar das Wort des Jahres) zu sein. "Wie schön, dass wir in der Familie jetzt so viel Zeit füreinander haben", "Nicht dauernd auf Achse sein, von einem Event zum anderen, das tut doch richtig gut", "Wenn die vielen privaten Termine wegfallen, hat man endlich einmal Muße für sich" Ich konnte sie schon nicht mehr hören, diese Sprüche…. war sauer auf mich und auch auf die anderen, die mir mit ihrem positiv Denken ein schlechtes Gewissen machten: Warum kann ich nicht so empfinden? Was ist nur falsch mit mir? Ich habe viel darüber nachgedacht, bis mir klar geworden ist: Weder bin ich verkehrt noch sind es die anderen!

Bei all den Einschränkungen, mit denen wir im Alltag momentan konfrontiert sind, wird doch nur eines ganz besonders deutlich: Was uns wirklich wichtig ist im Leben. Die (erzwungenen) Veränderungen zeigen uns durch das, was wir im Moment vermissen oder jetzt plötzlich so unverhofft genießen, was wir tatsächlich brauchen. Wir sehen dadurch natürlich auch, was wir schon vor Corona richtig gemacht haben oder was wir danach vielleicht verändern sollten. Wer es jetzt zum Beispiel genießt, so besonders viel Zeit für sich und/oder die Familie zu haben, der sollte sich vielleicht auch nach Corona ab und zu eine kleine Auszeit gönnen. Und wer merkt, dass er sich in der Vergangenheit den Freizeitstress selbst gemacht hat, der darf mich nach dem Lockdown gerne einmal zum Schmökern und Träumen in die Bücherei begleiten und dort das genüssliche Nichtstun erleben.

Denn eines weiß ich jetzt: Das mit dem Entschleunigen ist mir - zumindest in der Freizeit - schon vor Corona recht gut gelungen. Allerdings brauche ich den Wechsel von Zeit mit mir allein und Momenten mit anderen. Ich genieße es, in einem Roman zu versinken, aber dass neben mir auch andere Leser in Geschichten eintauchen, macht das Erlebnis umso schöner. Und ja: Ich kann ganz wunderbar einen Sonntagnachmittag auf dem Balkon in der Sonne verträumen, aber am Montag das Lachen und Reden mit einer Kollegin - das brauche ich eben auch.

Deshalb ist mein persönlicher Vorsatz für danach: Ich werde in meiner Freizeit ganz bestimmt so entschleunigt weiterleben wie schon davor, aber ich möchte all die kleinen und großen Alltagskontakte künftig bewusster wahrnehmen und dankbarer dafür sein!