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Freitag, 3. Juli 2020 | 8 Uhr

Anne
Felix

Einen guten Freitagmorgen wünschen wir euch!

Freitag, das ist nicht nur der Start ins Wochenende, sondern für mich, Felix, als Musikfan, auch immer New Music Friday, also der Tag, an dem die meiste neue Musik erscheint. Passend dazu ist unsere Ausgabe eine sehr musikalische geworden. Mit einem Konzerttipp, einem langen Musiker-Interview und Song-Vorschlägen.

Aber natürlich gibt es nicht nur Musik, sondern wie immer auch einen Überblick über die Nachrichtenlage, persönliche Geschichten und Emotionen, dies und das und weitere Ideen.

Wir hoffen, es ist etwas für euch dabei! Einen schönen Tag wünschen euch Anne, Felix und das ganze Team von angstfrei.news

Ihr habt Lob, Kritik oder Anregungen (z.B. zum Tipp des Tages oder den neuen Kategorien) für uns? Schreibt uns Euer Feedback.

Die gute Nachricht des Tages

Spendenbereitschaft gestiegen
Laut Marktforschungsinstitut GfK ist in dem Zeitraum Februar bis Mai 2020 die Spendenbereitschaft der Deutschen unerwarteter Weise gestiegen. So kamen in der ersten Jahreshälfte rund 31 Millionen Euro mehr an Spenden zusammen als im ersten Halbjahr 2019. "Angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten, die die Coronakrise für viele Menschen mit sich bringt, hätte man durchaus erwarten können, dass es einen Spendeneinbruch gibt", sagt Max Mälzer, Geschäftsführer des Deutschen Spendenrats, laut ARD- Bericht.

Hilfsorganisationen rechneten sogar mit bis zu 90% weniger Spenden. Umso erfreulicher, dass diese Erwartungen nicht erfüllt wurden. Wälzer wies außerdem darauf hin, dass in der Umfrage des GfK die Spenden an den lokalen Einzelhandel und die Gastronomie nicht erfasst wurden. Viele Privatpersonen hatten mit kleinen Zuwendungen versucht kleine lokale Händler und Gaststätten in der Zeit des Lockdowns und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Ungewissheit zu unterstützen.
Tagesschau

Die Nachrichtenlage

EU verhandelt mit Remdesivir-Hersteller
Wie gestern ein EU-Kommissionssprecher mitteilte, verhandelt die EU mit dem Arzneimittelhersteller Gilad Science, um eine ausreichende Menge von Remdesivir zu reservieren. Remdesivir gilt als eines der Mittel, die bei schweren Verläufen einer Coronainfektion wirksam sind und soll schon bald in der EU zugelassen werden. Die USA haben sich bereits die Produktionsmengen der nächsten Monate gesichert, wie wir gestern berichteten. Auch Deutschland hat bereits Vorräte des Arzneimittels angelegt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Nachtragshaushalt verabschiedet
Der Bundestag verabschiedete gestern den zweiten Nachtragshaushalt für dieses Jahr. Dies war nötig um das geplante Konjunkturpaket und vor allem fehlende Steuereinnahmen durch die Senkung der Mehrwertsteuer zu finanzieren. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) betonte, dass dies nicht zulasten des Sozialstaates gehe, sondern dieser ausgebaut werde. Grüne und Linke kritisieren jedoch, dass das Konjunkturpaket gerade für sozial Schwache zu wenig Unterstützung biete und auch, dass der Klimaschutz darin zu wenig Beachtung finde. FDP-Fraktionsvize Christian Dürr hält den Nachtragshaushalt für verfassungswidrig.
Merkur

Zunahme von häuslicher Gewalt
Wie schon zu Beginn des Lockdows befürchtet ist tatsächlich ein Anstieg von häuslicher Gewalt zu verzeichnen. Im März und April war die Zahl der Hilfesuchenden zwar rückläufig, dies ist jedoch darauf zurückzuführen, dass die Betroffenen zu dieser Zeit kaum Gelegenheit hatten sich bei den entsprechenden Stellen zu melden. Mit den Lockerungen stieg dann auch die Zahl der Hilfesuchenden an. So waren es in Berlin bei der Gewaltschutzambulanz 30% mehr als im selben Zeitraum des vergangenen Jahres. Auf das erste Halbjahr 2020 gerechnet waren es 8% mehr als im Vorjahr. Vor allem die Zahl der betroffenen Kinder stieg.
Welt

Nothilfenummer für Betroffene:

  • Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 08000/ 116 016
  • Hilfstelefon Gewalt gegen Männer: 0800/1239900
  • Telefonhotline Kinderschutzbund: 030/ 61 00 66

Gutscheine für coronabedingte Reiseabsagen
Reiseveranstalter dürfen ihren Kunden als Entschädigung für aufgrund von Corona abgesagte Pauschalreisen Gutscheine anbieten. Dies entschied gestern der Bundestag. Verpflichtend ist dies jedoch nicht. Kunden können weiterhin auf eine finanzielle Rückerstattung bestehen. Die Gutscheine werden vom Staat, bei einer Insolvenz des Reiseveranstalters, abgesichert, um so auch die Kunden vor Verlusten zu schützen.
Deutschlandfunk

Reisewarnung Türkei bleibt bestehen
Bei einem Treffen des Außenminister Heiko Maas und seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu ging es unter anderem um die bestehende Reisewarnung. Maas machte klar, dass Deutschland sich an die Reise-Empfehlungen der EU halte. Er wies jedoch darauf hin, dass diese die Empfehlungen alle zwei Wochen überprüfe und wahrscheinlich zukünftig ein größerer Fokus auf den regionalen Zahlen liegen werde.
Tagesschau

Corona in Zahlen
In Deutschland sind 195.228 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 02.07.2020 00:00 Uhr, Quelle: RKI), das sind 503 Personen mehr als am Tag zuvor.

Warum diese Zahlen? Wir zitieren hier die offiziellen Zahlen des RKI, diese werden einmal täglich – immer um Mitternacht – vom RKI aktualisiert und um 10 Uhr morgens online veröffentlicht. Und warum gibt es hier nicht mehr davon? Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz.

Gesundheitsticker: 6.127.407 Menschen sind weltweit wieder genesen, das sind 215.175 Personen mehr als gestern Früh. Davon 180.300 in Deutschland (Stand: 02.07.2020 22:18 Uhr, Quelle: Worldometers).

Tipp des Tages

Die langsame Rückkehr der Live-Musik… und eine besondere Annäherung an die Angst

von Felix

Dass Konzerte in der Corona-Krise nicht stattfinden konnten, war nicht nur für mich als Konzert-Fan mit dem Verlust eines wichtigen Lebenselixiers verbunden, sondern auch ein harter Schlag für Veranstaltende, Clubs und Musiker*innen. Da konnten auch die oft veranstalteten Livestreams nicht wirklich drüber hinwegtrösten.

Großveranstaltungen bleiben weiterhin verboten, doch in vielen großen und kleinen Städten finden nun, nachdem zunächst bei Autokonzerten gerade bekanntere Künstler*innen im eher charmelosen Rahmen die Möglichkeit hatten aufzutreten, vermehrt wieder kleine Konzerte statt. Meist draußen, selbstverständlich mit Hygienekonzepten und Sicherheitsabständen ist es nun wieder möglich, Live-Musik zu erleben. Auch wenn das Festivalgefühl vielleicht ein bisschen getrübt ist, überwiegt doch meist die Freude und das Verständnis für die neuen Bedingungen. Und Live-Musik bleibt Live-Musik, auch mit Mundschutz und fester Platzwahl. Teils wurden eigens neue Veranstaltungsorte geschaffen, teils verlegen Clubs ihren Betrieb einfach mal nach draußen. Auch größere Konzerte sind ganz ohne Auto so teils mit Hygienekonzept möglich.

Schaut doch mal in euren Städten nach, was es für Angebote gibt, auch kleinere Städte richten oft ein Corona-konformes Kulturprogramm aus.

Wer noch nicht in der Stimmung für Live-Konzerte ist, dem kann ich nur einen persönlichen Lieblingsmusiker ans Herz legen. Der 31- jährige norwegische Singer-Songwriter Jonas Alaska war in Liverpool an der Academy of Music und macht schon seit über zehn Jahren Musik. Sich selbst beschreibt er wie folgt: „Ich bin ein Singer-Songwriter bin und liebe Bob Dylan, Nirvana und die Beatles. Textlich ist es meist dunkel, aber mit ein paar Happy Ends.“

In der Tat hat Jonas auch traurige Lieder geschrieben. So ist sein bisher erfolgreichstes Lied “If Only As A Ghost“ von der zweiten gleichnamigen Platte. Das Lied ist ein sehr trauriges, aber auch unglaublich berührender Abgesang an einen verstorbenen Bruder. Gesungen ist das Lied aus der Perspektive von Jonas‘ Vater, der mit Mitte zwanzig seinen Bruder verlor.

Immer wieder ein wichtiges Thema in Jonas‘ Musik ist auch das Gefühl der Angst. 2017 hat er sogar ein Konzeptalbum zu diesem Gefühl herausgebracht. Auf „Fear is a demon“ singt Jonas von der Angst in all ihren Facetten. Doch trotz all der schwierigen und tiefen Emotionen gibt es in Jonas‘ Musik immer auch leichtfüßige Momente, lakonische Brüche und ein Auge für das kleine Glück. Im Titeltrack des im September erscheinende Album „Roof Came Down“, das von der Krise beschreibt, die Jonas vor der Geburt seines ersten Kindes hatte, wird etwas erst einmal angsteinflößendes schlussendlich als Chance spürbar.

I saw the roof came down/ I thought I was gonna die/ I saw the roof came down and I could see the sky“.

Im 360° befindet sich ein Interview, das ich mit Jonas geführt habe. Da reden wir auch über einige seiner Songs. Diese finden sich unter anderem in der folgenden Playlist.
Spotify

360° - Im Gespräch

Felix im Gespräch mit Jonas Alaska

Wie oben bereits erwähnt hatte ich das Glück, den norwegischen Singer-Songwriter Jonas Alaska für Angstfrei News interviewen zu dürfen. Ich hatte bei den Gesprächen über das Thema Angst sofort an Jonas und seine Musik gedacht, hatte aber nicht geglaubt, dass er wirklich zusagen würde, da er vor allem in seiner Heimat ziemlich bekannt ist.

Zu Beginn des Gesprächs hatte ich selbst ziemlich Angst, aber es hat mir schlussendlich großen Spaß gemacht, mit ihm über seine Ängste und seine Musik generell zu sprechen. (Da habe ich ihm sogar verziehen, dass er mein absolutes musikalisches Idol Conor Oberst geschmäht hat.)

Hallo Jonas, danke, dass du dir Zeit genommen hast.

Gerne. Entschuldigung für die Verspätung. Es ist nur unglaublich heiß in Oslo, deshalb sind wir mit meinem Sohn zu einem kleinen Pool gefahren, und das war ein ziemlicher Trubel.

Achso, okay, verständlich …

Aber ja, ihr seid also „angstfrei“ (auf Deutsch, lacht)

Ja, richtig! Wie war deine Isolation?

Für mich persönlich war es wirklich gut. Es unterscheidet sich sowieso nicht so sehr von meinem normalen Leben. Ich arbeite ja sowieso meist von zu Hause, aber ich habe das Gefühl, dass ich während Corona ein viel besserer Vater war, weil ich nicht ausgehen und Shows spielen musste. Ich sollte eigentlich auf Tour gehen, aber ich musste sie absagen und da war ich eigentlich wirklich froh, dass sie abgesagt wurde, damit ich zu Hause bleiben konnte … für mich war es ein Geschenk …

Für dich war es also eher ein glücklicher Zufall?

Natürlich ist es beängstigend und es ist eine dramatische Sache, aber in Bezug auf mein persönliches Leben war es eine gute Sache.

Du hast ein Lied namens „Talking Swine Flu Blues“, in dem du über die verschiedenen Grippewellen singen, die wir durchgemacht haben. Die Schweinegrippe und die Vogelgrippe, und du sagst, dass du, wenn es zur nächsten kommt, oder eigentlich erwähnst du das Eintreffen einer Schlangengrippe, dass du dich dann mit Matt Damon auf den Mars absetzt. Warum scheinst du jetzt noch in Norwegen zu sein?

Ich bin immer noch hier, aber ich habe Elon Musk gerade eine E-Mail geschickt, damit er mich vielleicht mitnimmt, obwohl es ja eher eine Fledermausgrippe als eine Schlangengrippe war.

Deshalb war ich mir auch nicht ganz sicher. Du wusstest ja schon von angstfrei.news Bescheid. Die Seite wurde ursprünglich zusammen mit der deutschen Angsthilfe eingerichtet, um Menschen während Corona einen Überblick über die ja manchmal ziemlich beunruhigenden Entwicklungen in einem positiven Setting zu bieten. Mittlerweile gibt es neue Kategorien und in einer haben wir die Möglichkeit, mit Gästen Gespräche über das Thema Angst zu führen und dann dachte ich, ich kenne da so ein großartiges Album namens „Fear Is A Demon“, das von …

Es ist so cool, dass du das Album kennst …

Und es ist fast ein Konzeptalbum über Angst, oder? Kannst du uns etwas darüber erzählen?

Als ich alle Songs geschrieben hatte, wurde mir klar, dass das Wort Angst in allen Songs vorkam. Es war eine sehr angstvolle Zeit in meinem Leben und als ich in Deutschland tourte, hat in einem Gespräch jemand diesen Satz gesagt, „Fear is a demon“. Vielleicht ist es ein bisschen klischeehaft, aber es ist auch ein sehr mächtiger Satz. Ich denke, es ist ursprünglich aus der Bibel. Ich glaube im Buch Johannes schreibt er irgendwann, Angst sei ein Dämon.

Und denkst du in Anbetracht deines Lebens, dass dieser Dämon Namens Angst im Laufe der Jahre seine Form geändert hat? Und ist er immer noch bei dir?

Oh ja, absolut … ich meine, er ist immer noch hier, aber er ändert sich. Aber ich glaube, ich war seit meiner Kindheit immer ein ängstlicher Mensch und das, obwohl ich immer viele Freunde hatte und immer mit Skateboarding und so aktiv war. Allerdings habe ich mich wohl ein bisschen besser kennengelernt und gemerkt, welche Art von Dingen mich triggern und wovon ich mich fernhalten sollte. Das erinnert mich eine andere Sache, über die ich nachgedacht habe. Es geht um dein drittes Album „Younger“, das sich hauptsächlich mit der Jugend und deiner Zeit in der Schule befasst.

Als ich ein Interview mit dir sah, fand ich, dass das, was du über deine Jugend erzählt hast, du bist in einer kleinen Stadt in Norwegen aufgewachsen sehr positiv und eher ruhig klang. Aber dann gibt es immer noch so viel Angst und Besorgnis auf dieser Platte, oder? Bist du einfach besser als andere Leute darüber zu reden? Oder wie findet die Angst immer ihren Weg in deine Musik?

Ja, das kann schon sein, dass ich besser darüber reden kann… aber ich habe es irgendwie satt, die ganzen Songs über mich, weil ich es nicht schaffe, dass sie nicht wieder zu dieser Angst zurückkommen, die immer ein Thema ist. Bei „Fear Is A Demon““ habe ich mich da ja wirklich komplett reingehängt und all die Gefühle zugelassen. Das neue Album, das ich aufgenommen habe, geht da noch weiter, und handelt davon, wie ich Vater wurde und da erst einmal eine ziemliche Krise hatte, aber es ist auch ein Licht am Ende des Tunnels. Aber jetzt habe ich es ein wenig satt. Wenn ich einen Song schreibe, passiert das normalerweise ziemlich spontan und wenn du sehr ängstlich bist oder diese nachdenkliche Art von Person, ist das das erste, was reinkommt, also dreht sich in allen Texten alles nur um dunkle Scheiße … (lacht)

Ich habe aber das Gefühl, dass es immer noch viel Humor und zumindest eine leichte Positivität in deinen Texten gibt, also ist es ja nicht nur deprimierend.

Das freut mich zu hören…

Auf jeden Fall und das ist es auch, was ich mag und was ich in zwei der neuen Songs gesehen habe. "I Don’t Wanna Die" und "Roof Came Down". Beim Titel "I Don’t Wanna Die" war meine erste Assoziation, dass es um die Angst vor dem Sterben geht. Aber dann geht es tatsächlich darum, alle positiven Dinge zu finden, auch, wenn es immer etwas gibt, worüber man sich Sorgen machen könnte.

Ja, das stimmt. Ich bin echt beeindruckt, du hast dir das Lied wirklich angehört. Ja, absolut! Es geht um die wenigen Tage im Jahr, an denen du das Gefühl hast, dass alles einfach ist, alles schön ist und man wirklich mal das Gefühl hat, sich keine Sorgen machen zu müssen, dass das Leben vielleicht doch einfach ist. Meistens sind meine Tage nicht so, dazu gibt es zu viele negative Gefühle wie eben die Angst. Also musste ich diese Chance nutzen und ein Lied darüber schreiben, wie es ist, das Leben mal wirklich genießen zu können. Genau richtig!

Danke dir! Denkst du mit Blick auf Dein neues Lied auch, dass du bessere Strategien gefunden hast, um das Positive im Leben um dich herum im Laufe der Zeit zu sehen?

Ich denke, Vater zu werden war ein großer Wendepunkt für mich. Es ist einfach gut, dass man darauf seinen ganzen Fokus legen muss. Weißt du, es hilft dir irgendwie, wenn du so tief in ein kleines Kind verliebt bist, sich dann nicht immer wieder in den gleichen Gedankenspiralen zu verlieren, dafür fehlt dann auch einfach die Zeit. Aber auch älter zu werden und einfach ein bisschen müde darüber zu werden, könnte ein Teil davon sein. Ich habe das Gefühl, dass ich hoffentlich gerade aus einer dunklen Phase herauskomme.

Das sind doch tolle Neuigkeiten. Hast du nach der Aufnahme dieses Albums neue Songs geschrieben?

Ja, ich habe mir zum ersten Mal ein kleines Zimmer gemietet, irgendetwas zwischen einem Studio und einem Büro und mich da dann hingesetzt. Ich habe immer nur von zu Hause aus geschrieben, aber das ist nicht so einfach, wenn du ein Kind hast. Also hab ich mich im Januar hingesetzt mit dem Ziel ein neues Album und neue Songs zu schreiben… Und da hatte ich wieder das Gefühl meine Gedankenmuster so satt zu haben. Ich war einfach noch so tief da drinnen, dass ich nichts schreiben konnte.

Ich hatte keine Lust, etwas von mir selbst zu schreiben, und dann hörte ich Billie Eilish. Ich habe sie ausgecheckt, weil ich gesehen habe, wie viele Grammys sie gewonnen hat. Und ich dachte: „Ich bin es leid, so bitter zu sein und wie so ein alter "die Beatles waren so viel besser als alles"-Typ zu leben“, also habe ich mich mit ihr beschäftigt und zum ersten Mal seit langer Zeit dachte ich wirklich, dass die Nummer eins der Charts eigentlich ziemlich cool ist.

Das hat mich dazu inspiriert, Songs für andere Leute zu schreiben, ohne den Hintergedanken, sie selbst aufführen zu wollen, also habe ich zehn oder zwölf Songs mit diesem Fokus geschrieben, der wirklich befreiend war. Es hat sich ein bisschen so angefühlt wie als ich angefangen habe, Songs zu schreiben, und jetzt möchte ich doch all diese Songs selbst spielen, die ich eigentlich für andere Leute geschrieben habe.

Das war also ein guter Weg, um Hindernisse in Bezug auf meine Kreativität zu beseitigen. Du hast in deiner Musik ziemlich oft entweder über das Leben anderer Leute gesprochen oder aus ihrer Perspektive gesungen. Ist es für dich einfach, ihre Emotionen nachzuempfinden. Wie fühlt es sich an, so tief in die Emotionen anderer Leute einzutauchen? Ich denke zum Beispiel an die deines Vaters in "If Only As A Ghost" oder auf eine ganz andere Art und Weise in dem Lied über ... ich weiß jetzt leider nicht, wie der Name deines Skaterhelden ausgesprochen wird?

Joey Poirez…

Ja, genau, das ist eine ganz andere Geschichte, aber der Fokus ist immer noch auf jemand anderen gerichtet. Wie fühlt es sich an, die Perspektive zu wechseln?

Nun, in "If Only As A Ghost" geht es um meinen Vater. Das, was damals passiert ist, war immer so ein dunkler Schatten auf unserer Familie, also hat sich das Thema sehr natürlich angefühlt. Ich war zu der Zeit, als ich dieses Lied schrieb, ungefähr so ​​alt wie mein Vater war, als sein Bruder starb. Da wurde mir erst so richtig klar, wie tragisch das tatsächlich war. Ich habe oft nicht so viel darüber nachgedacht, er war nur ein Bild an der Wand, weißt du, aber ich stehe meinen Eltern und meiner Familie sehr nahe, also wollte ich das so sagen, ich wollte darüber sprechen. Aber ja, ich mag das irgendwie die Perspektive zu wechseln. und bei Leuten wie Joey Poirez, da ist es so, dass ich mich einfach total gerne ins Leben interessanter Menschen reinhängt. Ich habe zwei Wochen damit verbracht, einfach alles über ihn im Internet zu suchen, um zu sehen, ob einer der Stars, die mit ihm groß geworden sind, über ihn gesprochen hat, da bin ich dann ziemlich besessen. Ich denke, ich mache das irgendwie mit vielen Dingen, man könnte also sagen, dass ich da so einen Drang habe mich in andere Positionen zu versetzen.

Das war jetzt eher ein spontaner Gedanke, aber hilft es dir auch auf persönliche Weise, zum Beispiel, um mit deinen Emotionen umzugehen?

Ich denke, das ist auch ein Teil meiner Angst, weil ich denke, ich kann mich ziemlich lebendig in die Lage anderer Leute versetzen. Da hatte ich es schon mal, dass ich Dinge durcheinander gebracht habe und dann nicht mehr wusste, ob ich sie persönlich getan habe oder ob ich das nur von irgendjemandem gehört habe. Deshalb war es ein Teil meiner Angst, die Vergangenheit zu verdrehen, das war auch eine Belastung für mich, ich hatte manchmal Angst, etwas getan zu haben, das mir nicht mehr bewusst ist. Aber ich denke, das ist es auch, was mich wirklich antreibt, Musik zu machen, wie bei Bob Dylan, dem ich mich mal völlig hingegeben habe. Ich habe ein paar Jahre lang sogar versucht, er zu sein.

Der Name Bob Dylan führt mich gerade zu einer anderen Frage. Ich habe gesehen, dass du oft mit anderen Musikern verglichen wurdest, wie du meintest meistens mit älteren Künstlern, ich habe Bob Dylan gelesen ich habe Simon und Garfunkel gesehen oder oft Elliott Smith, ganz unterschiedliche Künstler, aber alle eher aus anderen Zeiten. Ist es etwas Positives für dich oder fühlt es sich eher wie ein negatives Label an?

Während meinem Debütalbum und dem Album danach wurde ich in Norwegen so oft mit Bob Dylan in Verbindung gebracht. Ich wurde so oft mit ihm verglichen und das war ziemlich krass, ich meine, wie kann man mich mit dem Shakespeare unserer Zeit vergleichen? Also habe ich eine Weile versucht, mich ein bisschen davon zu distanzieren, weil ich das Gefühl hatte, dass Leute, die Dylan mochten, Schwierigkeiten hatten, mich zu mögen, weil sie mich im Vergleich zu ihm gesehen habe. Aber ich meine, er ist der Grund, warum ich angefangen habe, Musik zu schreiben. Jedes Mal, wenn jetzt sein Name auftaucht, wenn jemand über mich spricht, bin ich auch geschmeichelt, ich meine, ich denke die ganze Zeit an ihn: „Wie würde er dieses oder jenes sagen oder tun?“, denke über seine Mentalität nach. Als er den Nobelpreis gewann, bekam ich ungefähr 20 Textnachrichten, in denen mir gratuliert wurde, als wäre er mein Onkel oder so.

Mit Elliott Smith - ich habe ihn nie wirklich gehört, aber als viele Leute anfingen, mich mit ihm zu vergleichen, habe ich mir seine Musik genauer angeschaut und zuerst mochte ich es nicht, ich glaube, ich war da etwas prätentiös. Aber dann habe ich einen Dokumentarfilm über ihn gesehen und fing an, ihn wirklich zu mögen und ich kann mittlerweile erkennen, dass vieles was er gemacht hat definitiv eine Ähnlichkeit mit meinem Stil hat, gerade auch der Gesangsstil. Aber ich meine, er war ein richtiges Genie. Aber als ich das erste Mal auf dem Øya-Festival in Oslo gespielt habe, das ist das größte Festival hier in Norwegen, stand auf dem Programm „Wenn du Conor Oberst und The Tallest Man On Earth magst, wirst du Jonas Alaska lieben“ und für mich waren das gleich zwei Schläge ins Gesicht.

Warum?

Weil ich Bright Eyes und The Tallest Man On Earth einfach nicht wirklich mag.

Sie sind zwei meiner Lieblingssongwriter, für mich wäre es also ein großes Kompliment gewesen.

Ich weiß, ich habe so viele Diskussionen mit Leuten darüber geführt und ich weiß, dass ich da vielleicht oberflächlich bin, aber es gibt etwas an den konstruierten Stimmen, was ich nicht echt finde…

Ja, ich verstehe das in beiden Fällen. Obwohl ich sie mag, verstehe ich, warum du es so siehst.

Danke dir! Du bist der erste, mit dem ich mich darüber gestritten habe und der mir da tatsächlich etwas zurückgegeben hat.

Besonders bei The Tallest Man On Earth. Ich habe die Livestreams gesehen, die er während Corona gemacht hat und ich hatte das Gefühl, dass seine Stimme je nach Song völlig anders klingt, als wäre das nur ein Effekt, den er auf seine Stimme setzt, um sich diesem bestimmten Song oder dieser Stimmung anzupassen.

Nun, einige Leute können das, ich meine, David Bowie hat das getan und es war brillant und Dylan hat das getan und es war brillant! Aber als sie das taten, kamen sie selbst noch durch, da hatte ich das Gefühl, sie singen es jetzt so, weil es einfach gar nicht anders geht. Aber bei manchen anderen Künstlern ärgere ich mich, weil ich zum Beispiel denke, "Warum versuchst du so zu klingen, als wärst du aus Island?" Das finde ich nur nervig, obwohl ich das Gefühl habe, dass eigentlich alles mich nervt, ich mag nichts wirklich.

Den zweiten Teil des Interviews mit Jonas Alaska könnt ihr in einer der nächsten Ausgaben von angstfrei.news lesen.

daz - die angst zeitschrift

Dies & Das

Brahms und Prokofjew
Wie wir ja schon im Tipp des Tages berichteten, finden allmählich unter Hygiene- und Abstandsregelungen wieder Konzerte statt. So auch ab dem 1.9. wieder in der Hamburger Elbphilharmonie. Zum Auftakt gibt es in sieben Konzerten die vier Sinfonien Brahms zu hören. Einen Kontrast dazu bietet das moderne Violinkonzert von Sergej Prokofjew. Eine spannende Mischung, die den Gästen für eine gute Stunde geboten wird.
NDR

Kultur ist ein öffentlicher Wert
Auf DLF-Kultur betont Theologe und Publizist Martin Lätzel den Wert der Kultur für uns einzelne und unsere Gesellschaft. Ihr Stellenwert liegt darin begründet, dass wir uns, so Lätzen „über die Kultur als Gesellschaft selbst bewusst werden.“ Er nennt Kultur einen „ Public Value“- einen öffentlichen Wert, dessen dauerhafte Finanzierung gewährleistet sein muss.
Deutschlandfunk Kultur

Baufirma verliert gegen Feldhamster
Ein leitender Mitarbeiter einer österreichischen Baufirma wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil durch Arbeiten an einem Straßenbau Eingänge zu Hamsterbauten zerstört wurden, nicht aber der Bau selbst. Diese Bauten standen zum Zeitpunkt der Arbeiten jedoch leer und wurden von den Feldhamstern nicht genutzt. Der EuGH sprach sich jedoch aufgrund der EU-Artenschutzrichtlinien für den Feldhamster aus.
Tagesschau

Mit diesem Wissen, dass auch dann und wann mal das Kleine über das scheinbar Große und Mächtigere siegt entlassen wir euch in den heutgen Tag. Habt ein schönes Wochenende mit dem vielleicht ein oder anderen Sommersonnenstrahl und einem passenden Soundtrack!

Alles Gute von Anne, Felix und vom ganzen Team von angstfrei.news

Gerne hören wir über das Feedbackformular von euch. Ihr wollt unsere Arbeit unterstützen: Spenden und Fördermitgliedschaft bei der Deutschen Angst-Hilfe e.V.

Quellen
Corona in Zahlen (RKI) | Gesundheitsticker | Über die Landesregierung NRW sind wir außerdem an den dpa-Nachrichten-Ticker angebunden, den wir immer als Quelle verwenden, wenn wir (dpa) schreiben.