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Samstag, 4. Juli 2020 | 8 Uhr

Annika

Guten Morgen ihr Lieben,

heute ist internationaler „Alice-im-Wunderland-Tag“. Seid ihr auch mit den Geschichten rund um Alice, die Grinsekatze und den verrückten Hutmacher aufgewachsen? So fantasievoll und verzaubernd sie jedoch auch sein mögen - der Autor und Erfinder der Wunderland-Welt, Lewis Carroll, ist nicht unumstritten. Weshalb das so ist, erfahrt ihr heute im “Dies & Das”. Außerdem an dieser Stelle: Ein Hinweis auf eine Petition gegen das umstrittene Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG).

Die Rubrik 360° ist heute gleich doppelt bestückt: Neben dem zweiten Teil des Interviews, das Felix mit dem norwegischen Singer-Songwriter Jonas Alaska führte, erhaltet ihr einen Einblick in einen vielleicht etwas außergewöhnlichen Brief von Annika.

Viel Spaß beim Schmökern wünschen euch Annika

und das gesamte Team von angstfrei.news!

Ihr habt Lob, Kritik oder Anregungen für uns? Schreibt uns Euer Feedback.

Die gute Nachricht des Tages

Remdesivir in Europa zugelassen
Wie die EU-Kommission mitteilte, wird der Wirkstoff Remdesivir unter Auflagen zur Behandlung von schweren Fällen von Covid-19 zugelassen. Die Entscheidung wurde in einem Schnellverfahren getroffen. Die Kommission folgte damit einer Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA. Vorgesehen sei die Behandlung für Patienten ab 12 Jahren, die unter einer Lungenentzündung leiden und auf die Beatmung mit Sauerstoff angewiesen sind. Die Therapie ist für eine Dauer von fünf bis zehn Tagen ausgelegt und erfolgt intravenös. Eine internationale Studie ergab bereits, dass das Medikament die Krankheitsdauer um vier Tage verkürzen kann. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) teilte mit, dass sich Deutschland bereits einen Vorrat an dem Wirkstoff angelegt habe und der Bedarf für die kommenden Wochen abgesichert sei.
SPIEGEL | → Redaktionsnetzwerk Deutschland | → Tagesschau

Die Nachrichtenlage

Betrieb in Fleischfabrik „Tönnies“ pausiert weiter
Der Betrieb in der Fleischfabrik der Firma Tönnies im Kreis Gütersloh pausiert zunächst noch bis zum 17.07.2020. Dies teilte die Stadt Rheda-Wiedenbrück nach einer Zusammenkunft mit mehreren Vertreter*innen des Kreises Gütersloh und des Landes Nordrhein-Westfalen mit. Die ursprüngliche Schließungsverfügung war in der Nacht zum Freitag ausgelaufen. Tönnies könne allerdings auf Antrag einzelne Schließungen oder Betretungsverbote im Vorfeld aufheben lassen, wenn die Firma ein geeignetes Konzept zum Gesundheits- und Arbeitsschutz vorlege, teilt die Stadt Rheda-Wiedenbrück mit. Am Montag soll über ein erstes von Tönnies vorgelegtes Konzept abgestimmt werden.
Süddeutsche Zeitung | dpa

RKI: Gesunkene Auslastung der Notaufnahmen
Die Anzahl der Patient*innen in deutschen Notaufnahmen sei seit Beginn der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie im März 2020 um bis zu 40% gesunken, teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) mit. Auch wenn die Zahlen bis Mitte Juni 2020 wieder angestiegen seien, lägen sie immer noch bis zu 10% unter dem Wert vor der Pandemie. Das RKI erklärte diese Werte mit der Schaffung von Corona-Ambulanzen außerhalb von Notaufnahmen, die die Patient*innen stattdessen besucht hätten. Es weist außerdem erneut ausdrücklich darauf hin, beim Verdacht einer schweren Erkrankung den Rettungsdienst oder die Notaufnahmen in Anspruch zu nehmen. Ärzten zufolge liege das Risiko für eine Infektion mit dem Coronavirus innerhalb einer medizinischen Einrichtung nicht über dem gewöhnlichen Alltagsrisiko.

Einer Mitteilung des Statistischen Bundesamtes zufolge habe sich die Anzahl der Sterbefälle nach einem zwischenzeitlichen Anstieg im April 2020 wieder normalisiert. Seit Anfang Mai 2020 lägen die Zahlen nun „wieder im Bereich des Durchschnitts der Vorjahre oder etwas darunter”, so das Statistische Bundesamt. Berücksichtigt worden seien Werte bis zum 07.06.2020.
Zeit Online | →Redaktionsnetzwerk Deutschland | → n-tv

Haustiere: Meldepflicht für nachgewiesene Coronainfektionen
Haustiere, die sich nachweislich mit dem Coronavirus infiziert haben, müssen zukünftig behördlich gemeldet werden. Dadurch soll die Infektion von Haustieren besser erforscht werden. Der Bundesrat stimmte einer entsprechenden Verordnung gestern zu. Die Meldung solle demnach durch Tierärzte übernommen werden und bei den zuständigen Veterinärämtern eingehen. Allerdings besteht unverändert keine Pflicht, mit Haustieren, bei denen der Verdacht einer Infektion besteht, den Tierarzt aufzusuchen. Die Kosten für vom Veterinäramt angeordnete Corona-Tests werden übernommen, freiwillige Tests zahlen die Halter*innen.
Berliner Zeitung

Demonstration gegen Verbot von Sexarbeit
Vor dem Bundesrat fand gestern eine Demonstration von Sexarbeiter*innen statt, die die erneute Öffnung von Bordellen forderten. Mitte März wurde Sexarbeit im Rahmen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie untersagt. In einer Stellungnahme des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V. verweist dieser auf die bereits bewilligten Lockerungen aus anderen körpernahen Dienstleistungsbranchen und äußert Unverständnis darüber, weshalb diese nicht auch für Sexarbeit beschlossen werden. Die Teilnehmer*innen der Demonstrationen argumentierten, dass die Branche durch das Verbot in die Illegalität getrieben werde. Unter anderem in Österreich ist Sexarbeit mittlerweile wieder zugelassen. Innerhalb Deutschlands prüfen vereinzelte Bundesländer momentan mögliche Lockerungen.
Berliner Kurier | → Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V.

Bundesregierung: Kohleausstieg bis spätestens 2038
Bundestag und Bundesrat bewilligten gestern ein Gesetz, in dem der stufenweise Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung beschrieben wird. Für die davon besonders stark betroffenen Regionen (Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg) sind finanzielle Unterstützungen durch den Bund in Höhe von 40 Milliarden Euro vorgesehen, um den Umbau der Wirtschaft und den Ausbau der Infrastruktur zu fördern. Aus Seiten Bündnis 90/Die Grünen und der Partei Die Linke wurde das Gesetz scharf kritisiert. Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock bemängelte, dass der Ausstieg viel zu spät komme und die Bundesregierung von dem Konzept der Kohlekommission an entscheidenden Stellen abgewichen sei. Sie verwies darauf, dass der Kohleausstieg bereits bis zum Jahr 2030 möglich und notwendig sei. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) widersprach dieser Einschätzung und teilte mit: „Wir sind jetzt das erste Industrieland, das gleichzeitig aus Kohle und Atom aussteigt - und das auch nicht erst 2038, sondern jetzt“. Der erste Block solle noch in diesem Jahr abgeschaltet werden, die acht umweltschädlichsten Kraftwerke innerhalb der nächsten zwei Jahre. „Das ist wirklich etwas besonderes, das ist vor allen Dingen ein guter Tag für den Klimaschutz“, so Schulze weiter.
Zeit Online | dpa

Corona in Zahlen
In Deutschland sind 195.674 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 03.07.2020 00:00 Uhr, Quelle: RKI), das sind 446 Personen mehr als am Tag zuvor.

Warum diese Zahlen? Wir zitieren hier die offiziellen Zahlen des RKI, diese werden einmal täglich – immer um Mitternacht – vom RKI aktualisiert und um 10 Uhr morgens online veröffentlicht. Und warum gibt es hier nicht mehr davon? Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz.

Gesundheitsticker: 6.232.245 Menschen sind weltweit wieder genesen, das sind 104.838 Personen mehr als gestern Früh. Davon 181.000 in Deutschland (Stand: 03.07.2020 22:29 Uhr, Quelle: Worldometers).

Tipp des Tages

Briefe schreiben

Eine wichtige Methode, um Dinge zu verarbeiten und mich besser reflektieren zu können, ist für mich das Schreiben. Damit meine ich gar nicht nur das klassische Tagebuch, das hier an dieser Stelle auch schon vorgestellt wurde. Manchmal, wenn mir irgendetwas unter den Nägeln brennt, schreibe ich Briefe.

Ganz klassisch. Oder auch nicht? Nicht ganz - ich schicke meine Briefe nämlich nicht ab. Ich schreibe an imaginäre oder reale Personen, um mir Dinge im wahrsten Sinne des Wortes „von der Seele“ zu schreiben. Dann schließe ich die Datei (ich schreibe meistens am Computer) und speichere sie in einem speziell dafür angelegten Ordner ab.

Von Zeit zu Zeit öffne ich den ein oder anderen Brief noch mal, um mich zurück zu erinnern oder noch einmal einige meiner Gedankengänge zu lesen. Andere Briefe verbleiben für immer verschlossen im Ordner auf meinem Computer. Was auch immer ich jedoch aufgeschrieben habe und was auch immer mir unter den Nägeln brannte - durch das Schreiben ist es raus aus meinen Gedanken und raus aus meinem System.

Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie das Ganze aussieht? Im heutigen „Prolog zu Morgen“ möchte ich euch ein Beispiel dafür geben. Und vielleicht fühlt ihr euch dadurch ja auch inspiriert, mal wieder einen Brief zu schreiben. Viel Spaß dabei!

360° - Prolog zu Morgen

Mein liebes Kind

von Annika

Eigentlich müsste ich in der Überschrift ein „potenziell“ einfügen. Ich weiß nämlich noch gar nicht, ob es dich wirklich irgendwann geben wird. Die Frage, ob es eine gute Idee wäre, dich in diese Welt hinein zu bringen, stelle ich mir nicht erst seit Kurzem. Aber in den letzten Wochen, in denen ich einmal mehr das Gefühl habe, in einer verrückten Welt und einer verschobenen Gesellschaft zu leben, ist sie wieder vermehrt in mir aufgekommen. Ich habe Angst. Angst davor, dir irgendwann nicht das geben zu können, was du verdienst. Angst, dir nicht das vermitteln zu können, was ich als wichtig für dich und dein Leben erachte. Angst, dir keine Welt zu hinterlassen, in der du gut leben kannst.

Ich habe aber auch so viele Wünsche, die ich dir gern mit auf deinen Weg geben möchte. Und von manch anderen Dingen hoffe ich, dass sie dir für immer fremd sein werden.

Wenn es dich irgendwann geben wird, möchte ich, dass es dir gelingt, unvoreingenommen auf andere Menschen zugehen zu können. Ich möchte nicht, dass du mit dem Spiel „Wer hat Angst vor’m schwarzen Mann?“ aufwächst, so wie ich es getan habe. Ich selbst habe als Kind nie verstanden, worum es dabei eigentlich geht und mir vorgestellt, mit dem „schwarzen Mann“ sei eine dunkel gekleidete Person gemeint. Die Doppeldeutigkeit, die dahinter steckt, habe ich erst viel später verstanden. Ich wünsche dir, dass du das nie realisieren musst, weil es dieses Spiel in deiner Welt nicht (mehr) gibt. Weil Hautfarben dich - und die Menschen um dich herum - nicht interessieren.

Ich wünsche dir, dass du mit offenen Augen durch diese Welt gehen kannst. Ich wünsche dir, dass du Dinge kritisch hinterfragst, die du nicht verstehst. Dass du nicht still bleibst, wenn du Ungerechtigkeiten erlebst. Ich wünsche dir, dass deine Meinung gehört wird und du dir Gehör verschaffen kannst, wenn jemand versucht, es dir zu nehmen. Sag „lass mich bitte ausreden“ und entschuldige dich nicht dafür.

Ich wünsche dir, dass du niemals an dir zweifeln musst, weil du keinem klassischen Rollenbild entsprichst. Ich wünsche dir Kraft und Mut, falls du gegen diese Bilder ankämpfen musst - aber noch viel mehr wünsche ich dir, dass du in einer Welt aufwächst, in der du diese Kraft und diesen Mut nicht benötigst. Ich wünsche dir, dass du dich traust, offen deine Grenzen aufzuzeigen und sie durchzusetzen. Ich wünsche dir, dass du nicht verstummst, wenn sie übergangen werden. Ich selbst war viel zu lange still.

Ich wünsche dir, dass du verinnerlichst, was Respekt bedeutet - und dass du ihn sowohl einfordern kannst, als auch anderen Menschen entgegen bringst.

Ich wünsche dir, dass du nicht mit dem Glaubenssatz aufwächst, bestimmte Verhaltensweisen wären aufgrund einer Geschlechterzuordnung legitim. Ich habe als weibliches Kind früh gelernt, Angst vor Männern haben zu müssen. Dass es jederzeit möglich sei, dass mir ein Mann auf dem Heimweg nachts auflauert. Ich habe gelernt, wie ich meinen Schlüssel in der Hand halten muss, um mich damit am Besten verteidigen zu können. Ich habe gelernt, dass es normal ist, dass Männer meine Grenzen überschreiten - einfach, weil sie Männer sind und sich „naturgemäß“ nicht anders verhalten können. Ich habe gelernt zu sagen „weil ich einen Freund habe“, als ich hätte sagen sollen „weil ich es nicht will“. Ich habe gelernt, dass es meine Aufgabe ist, meine Grenzen zu verteidigen. Dass es meine Schuld war, wenn sie nicht eingehalten wurden.

Dass das keineswegs ein normales Verhalten ist, sondern es eine Vielzahl an Männern gibt, die sensibel, liebevoll und respektvoll handeln, habe ich erst viel später gelernt. Ich wünsche dir, dass du in deinem Leben als Frau* nicht Jahre brauchst, um diese Erfahrung zu machen. Ich wünsche dir, dass du dich als Mann* niemals vor anderen Menschen dafür rechtfertigen musst, respektvoll und achtsam zu handeln.

Bitte verachte dich nie für das, was du bist. Verachte nicht das Geräusch deines Lachens, deine Sommersprossen oder deine Oberschenkel, weil sie vielleicht nicht dem Bild entsprechen, das dir von der Gesellschaft als „normal“ verkauft wird. Du bist richtig so. Du bist deinen Platz auf dieser Welt vollkommen wert. Versuch bitte nie, so klein, dünn und leise wie möglich zu sein, um bloß nicht aufzufallen. Bitte sei laut. Sei unbequem.

Ich wünsche dir, dass du in einer Welt aufwachsen kannst, in der dein Lebenslauf nicht von der Farbe deiner Haut oder deinen Geschlechtsmerkmalen bestimmt wird. Und falls diese Welt noch nicht so weit sein sollte, wünsche ich dir Engagement, Motivation, Kraft und Mut, um dich dafür einzusetzen.

Ich wünsche dir eine Welt, in der du sowohl den Sommer, als auch den Winter kennenlernen darfst. Eine Welt, in der du dir keine Sorgen darüber machen musst, ob auch deine Kinder noch in ihr leben können.

Hör bitte nie auf, zu träumen. Verzweifle nicht, wenn du deinem Kind irgendwann vielleicht dieselben Wünsche mit auf den Weg geben musst, weil es bis dahin noch keine Kehrtwendung gab.

Jede neue Generation hat die Chance, etwas besser zu machen. Jeder einzelne Mensch, der an die Möglichkeit von Veränderung glaubt, kann auch etwas verändern. Und in meinem Umfeld erlebe ich eine Vielzahl an Menschen, die sich für eine gleichberechtigte Welt und gegen Diskriminierung engagieren. Ich sehe junge Menschen, die sich dagegen auflehnen, die Fehler ihrer vorherigen Generationen zu wiederholen. Das alles gibt mir Mut.

Vielleicht ist auch genau das der Grund dafür, weshalb ich meine Angst möglicherweise irgendwann überwinde und mich dafür entscheide, dass du mein Leben und diese Welt bereichern wirst. Und bis dahin arbeiten wir hier auf der Welt weiter darauf hin, dass so mancher meiner Wünsche dann nicht mehr notwendig sein wird.

daz - die angst zeitschrift

360° - Im Gespräch

Felix hat letzte Woche mit dem norwegischen Singer-Songwriter Jonas Alaska gesprochen, der 2017 mit „Fear Is A Demon“ ein Konzeptalbum zum Thema Angst veröffentlicht hat.

Den ersten Teil des Interviews konntet ihr, zusammen mit einem Musiktipp zu Jonas‘ Musik, schon sich in der gestrigen Ausgabe lesen.

Heute gibt es Teil 2:

Ist es in Ordnung, wenn ich dich mehr zu einem bestimmten Song frage?

Ja, klar.

…also es gibt dieses Lied von dir, "I Can’t See The Smoke From Here"

Oh ja, das ist auf dem Live-Album.

Ja, genau, das ist sehr interessant, weil es von einer Haltung handelt, die wir, denke ich, alle kennen. Soweit ich weiß, geht es darum, sich von globalen Problemen zu distanzieren, weil sie so weit außerhalb der Reichweite zu liegen scheinen. Auch wenn man denkt, dass man handeln oder sich engagieren sollte. Was ich mich gefragt habe ist, es ist etwas, was ich gut von mir kenne, was wahrscheinlich auch viele unserer Leser*innen kennen. War es von dir aus eher eine Kritik daran, also an Menschen, die sich so verhalten, oder fühlte es sich selbst für dich so an?

Das bin ich! Es ist dieses Gefühl, das jeder hat, diese Hilflosigkeit, ich meine, in diesem Lied war ich besonders beeinflusst von der großen Flüchtlingskrise, in der unglaublich viele Menschen ertranken, aber es kann auch in Bezug auf anderes wie die globale Erwärmung gesehen werden.

Jeder kann es einfach sehen, so wie jeden Tag so viele Arten sterben, es ist einfach schrecklich und alle sind sich einig, dass es schrecklich ist, aber sie können es nicht wirklich aufhalten.

Es ist wie eine Maschine, ich denke eben nicht, dass es nur böse eiskalte Typen in Anzügen an der Spitze sind, es scheint eher eine hoffnungslose Art von Maschine zu sein, die nicht zu stoppen ist. Also ja, das war ein Lied über diese Hoffnungslosigkeit und auch über den Versuch, sich davon zu lösen, weil ich es von hier nicht wirklich sehen und fühlen kann.

Aber dann, wie der letzte Vers zeigt, kann man das nicht für immer tun, wenn in den letzten Jahren tatsächlich immer mehr Leute hierher geflohen sind, wenn Leichen an den Stränden in Griechenland angespült werden, kommt es sehr nahe, dass man die schrecklichen Tragödien sehen kann. Es gibt also auch so etwas wie eine Moral in dem Stück.

“No more nice solutions no more right or wrong there are kids in institutions whispering all night long”

Das gehört auch dazu. aber ich spiele dieses Lied nicht mehr so ​​oft. Ich habe das Gefühl, dass ich das Lied so ein bisschen für mich abgehakt habe, es fühlte sich einfach so an, als wäre es ein bisschen zu gehetzt entstanden, als war es eine gute Idee, aber ich habe mir dafür nicht genug Zeit gelassen.

Gab es irgendeine besondere Stelle, die du jetzt anders schreiben würdest?

Wenn ich nur wüsste. Ich würde schon gerne versuchen, es umzuschreiben, weil mir das Bild des nicht mehr zu sehenden Rauchs gefällt, aber ich denke, es hätte spezifischer sein können. Da sind ein paar zu inhaltsleere Zeilen drin, eher so zur Füllung, aber ich bin nicht wirklich gut darin, mich nochmal an Songs zu setzen und sie zu reparieren, was wirklich schwierig ist.

Obwohl ich das bei „Roof Came Down" gemacht habe.

Ich habe den Refrain einen Monat später geschrieben, das war das erste Mal, dass ich das geschafft habe.

Ich habe diese inhaltsleeren Zeilen nicht bemerkt, vielleicht bist du da strenger mit dir selbst als die Hörer*innen.

Ja, wahrscheinlich.

Noch eine andere Frage: Es gibt zwei Themen, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie ziemlich oft in deinen Songs vorkommen. Eines davon ist nur zweimal da, aber ziemlich prominent, das Bild des Rücksitzes und das andere wäre das große Thema Schule. Was bringt dich immer wieder an diese Orte zurück?

Als bei Rücksitzen weiß ich es nicht genau. Ich erinnere mich nur daran, dass mir gesagt wurde, dass ich als Kind oft sehr ruhig auf dem Rücksitz saß und meine Eltern dachten, ich wäre traurig, was aber nicht so war.

Für mich ist es einfach ein Ort, an dem ich gut nachdenken konnte, wie ich es in dem Song sage. Ich habe es immer gemocht, nun liebe ich es Auto zu fahren, bin aber immer noch gerne Mitfahrer. Es ist ein guter Ort, um Songs zu schreiben, und es ist ein guter Ort, um eine klarere Sicht auf die Dinge zu bekommen.

Und in Bezug auf die Schule ist es so, dass die Schulzeit, besonders an der Schule, an die im Alter von 10 bis 15 Jahren gegangen bin, eine wirklich gute Zeit in meinem Leben war. Ich glaube, ich habe deshalb gute Assoziationen mit der Schule. Es ist auch einfach ein inspirierendes Thema, weißt du, wenn Kinder in der Pubertät für Jahre in einem Klassenzimmer eingepfercht werden.

Es ist eine seltsame Sache. Auch der schwedische Film "Fucking Åmål" hat mich sehr inspiriert. Kennst du den? Er heißt auf Englisch "Show Me Love" und auf Schwedisch "Fucking Åmål". Das heißt, das ist das A mit dem Kreis drauf. Es ist bei weitem mein Lieblingsfilm, der sich mit zwei lesbischen Mädchen in der High School und dem damit verbundenen Drama befasst und war auch meine Hauptinspiration für "Younger".

Danke schon mal, jetzt habe ich doch noch Frage: Jetzt in Zeiten von Corona, hast du irgendwelche Pläne für die Veröffentlichung des Albums im September?

Ja, ich sollte im September und Oktober eine Tour in Norwegen machen, aber es ist nicht sicher, ob es passieren wird. Ich meine, wenn es nicht passiert, werden wir wahrscheinlich etwas online machen. Aber ich weiß es noch nicht. Ich denke, zuerst veröffentlichen wir im August eine weitere Single und dann werden wir sehen.

Mein Hauptplan ist es, mit meinem Jungen abzuhängen, angeln zu gehen und Billie Eilish-Rip-Off-Songs zu schreiben…

Das hört sich gut an und ich freue mich sehr auf dieses Album. Also kam mir nur eine weitere Frage in den Sinn, die wahrscheinlich eine gute Startfrage für das Interview gewesen wäre. Wie würdest du deine Musik für jemanden beschreiben, der dich nicht kennt? Ich hoffe, jeder kennt dich hier, aber man kann sich ja nie sicher sein.

Wahrscheinlich eher nicht. Wir haben eine gute Zielgruppe. Ich meine, das ist die schwierigste Frage für jeden Musiker. Ich möchte jetzt auch nicht nur schreiben, dass du an Bob Dylan erinnerst. Normalerweise sage ich, dass ich Singer-Songwriter bin und dass ich Bob Dylan, Nirvana und die Beatles liebe. Textlich ist es meist dunkel, aber mit ein paar Happy Ends.

Das ist eine perfekte Zusammenfassung. Ich habe noch eine Frage als Fan deiner Musik … wie wird die Richtung oder der Musikstil deines nächsten Albums sein?

Nun, ich denke, ich werde etwas ausprobieren, das sich nach 2020 anhört, weil ich das noch nie gemacht habe! Für das kommende Album habe ich mich für einen Sound wie im Jahre 1974 entschieden. Aber ich mag diesen Sound wirklich. Ich mag es, wie sehr sich all diese drei neuen Singles voneinander unterscheiden, obwohl sie alle auf akustischen Instrumenten basieren.

Ja, es wurde live und auf Band aufgenommen, weil ich versuchen wollte, es so zu machen, wie sie es damals gemacht haben, denn alle Alben, die ich liebe, stammen aus den 60ern und 70ern, also musste ich das für mich selbst mal versuchen. Ich habe das Gefühl, dass ich schon einige Sounds ausprobiert habe. Aber dieses Mal möchte ich es einfacher machen, vielleicht auch ein bisschen kitschig, einfacher und lyrisch nicht so sehr über mich selbst. Ich versuche, ein bisschen mehr Liebeslieder und ähnliches zu schreiben, einfach, um aus diesem Muster herauszukommen, über das wir gesprochen haben. Ich weiß nicht, ob das für meine Karriere eine Superkatastrophe sein könnte, aber es ist mir egal!

Dann freue ich mich darauf, auch wenn es wahrscheinlich etwas sein wird, an das ich mich erst gewöhnen muss. Ich denke, es wird es dir gefallen.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast auf jeden Fall. Vielen Dank und alles Gute für deine Zukunft und die kommenden Monate, dein kommendes Album und sogar für das Album danach, über das wir auch gesprochen haben!

Vielen Dank, es war wirklich schön, mit dir zu sprechen. Bleib gesund.

Danke, du auch!

Abschließend als Tipp für euch der Soundtrack zum Gespräch:

Dazu kommen ganz viele tolle Lieder über Schule, das Jungsein (vor allem auf dem Album “Younger”, 2015) und natürlich über die Angst, wie auf dem grandiosen Album “Fear Is A Demon”.

Dies & Das

Von der Selbst- zur Fremdbestimmung
Am vergangenen Donnerstag wurde das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG) von der Union und SPD beschlossen. Das Gesetz ist stark umstritten; bereits seit Monaten protestierten Menschen, die auf eine Beatmung angewiesen sind, sowie Menschen mit Behinderung, deren Betreuer und Interessenvertretungen gegen die Einführung. Der Grund: Sie befürchten, dass Personen, die auf eine Beatmung angewiesen sind, künftig nicht mehr frei darüber entscheiden dürfen, ob sie diese in ihrer Häuslichkeit oder einer Pflegeeinrichtung in Anspruch nehmen. Der Gesetzesentwurf wurde zwar Anfang der Woche nochmals abgeändert, Kritiker*innen bemängeln jedoch weiterhin, dass seitens der Krankenkassen über den Kopf der Betroffenen hinweg über die Unterbringungsform entschieden werden kann. Der Verein ALS-mobil e.V. hat daher zu einer Petition aufgerufen, um die Einführung des Gesetzes zu stoppen.
Deutsches Ärzteblatt | → zur Petition (change.org)

Von der Realität zur Fiktion
Alice, der verrückte Hutmacher, die Grinsekatze, Dideldumm und Dideldei - kaum eine Kindheit, in der die Geschichten aus dem Wunderland nicht vorkamen. Der Schöpfer dieser Geschichten, Lewis Carroll, steht jedoch mittlerweile in der Kritik - unter anderem werden ihm pädophile Neigungen vorgeworfen. Bewiesen werden konnten die Vorwürfe gegen ihn allerdings bislang nicht. Der Argentinier Guillermo Martínez wurde von den Theorien rund um Carroll nun zu seinem Kriminalroman „Der Fall Alice im Wunderland“ inspiriert. Er erzählt eine fiktive Geschichte rund um den „Alice-im-Wunderland“-Autor und die Anschuldigungen gegen ihn, in der auf einmal niemand aus dessen Umfeld noch als unschuldig gilt. Im Podcast von Deutschlandfunk Kultur hört ihr mehr dazu.
Deutschlandfunk Kultur

Vom Klischee zur Diversität
Die "Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein“ hat eine Checkliste entwickelt, in der sich Filmemacher*innen mit der Thematik Diversität in ihren Filmen beschäftigen müssen, wenn sie eine finanzielle Förderung beantragen wollen. Neben der Betrachtung der einzelnen Filmrollen wird dabei auch erfragt, ob in der Handlung Themen wie Geschlechterrollen, sexuelle Identität, Leben mit Behinderung oder Migration stattfinden. Außerdem soll der Fokus der Filmemacher*innen auf eine diverse Zusammenstellung des Filmteams gelegt werden. Ziel der Checkliste sei nach Angaben der „Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein“ keine Verpflichtung zur Diversität in den Filmen, sondern eine Sensibilisierung der Filmemacher*innen für die damit verbundenen Thematiken.
Deutschlandfunk Nova

Unabhängig von den Anschuldigungen gegen den Alice-im-Wunderland-Schöpfer, Lewis Carroll, möchte ich mich heute mit einem Zitat aus den Geschichten rund um Alice von euch verabschieden, das mich schon sehr lange durch mein Leben begleitet. Es handelt sich dabei um einen Ausschnitt aus einem Gespräch zwischen Alice und dem verrückten Hutmacher:

Mad Hatter: „Have I gone mad?“

Alice: „I’m afraid so. You’re entirely bonkers. But I’ll tell you a secret: All the best people are.“ (aus Lewis Carroll’s: „Alice’s Adventures in Wonderland“)

Deutsch: Verrückter Hutmacher: „Bin ich etwa verrückt geworden?“)Alice: „Ich fürchte, ja. Du bist total durchgeknallt. Aber soll ich dir ein Geheimnis verraten? Das macht die Besten aus.“)

In diesem Sinne: Genießt euer Wochenende, macht das, was euch gut tut und habt euch lieb!

Eure Annika

und das ganze Team von angstfrei.news

Gerne hören wir über das Feedbackformular von euch. Ihr wollt unsere Arbeit unterstützen: Spenden und Fördermitgliedschaft bei der Deutschen Angst-Hilfe e.V.

Quellen
Corona in Zahlen (RKI) | Gesundheitsticker | Über die Landesregierung NRW sind wir außerdem an den dpa-Nachrichten-Ticker angebunden, den wir immer als Quelle verwenden, wenn wir (dpa) schreiben.