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Montag, 23. März 2020 | 20 Uhr

Wolfgang
Markus

Liebe Leser, schön dass Ihr an diesem Abend wieder dabei seid!

Langsam gewöhne ich mich an die neue Situation. Die letzte Woche bin ich noch oft mit dem Gefühl aufgewacht, dass die Eindrücke des Vortags wohl nur die letzten Reste eines schlechten Traums gewesen sein können, bis sich nach wenigen Augenblicken die Gewissheit eingestellt hat: Diese Welt hat sich verändert. Ein Radausflug gestern Abend kam mir seltsam unwirklich vor, denn die Gemeinde außerhalb Münchens, in der ich wohne, wirkte wie ausgestorben. Hin und wieder hatten sich Bewohner auf Seitenstraßen verlaufen, der Rest suchte offenbar Schutz in den Wohnungen. Und heute konnte ich staunend beobachten, wie über das Wochenende in den Supermärkten Plexiglasscheiben zwischen den Verkäufern und der Kundschaft hochgezogen wurden. In anderen Geschäften wird nur noch mit Mundschutz bedient.

All das kann und darf einem Angst machen, macht mir Angst. Nicht weil mich die Situation überrrascht, die ich schon seit Mitte Januar besorgt beobachte. Sondern weil das, was ich seit dieser Zeit erst aus China und dann aus anderen Ländern nur mittelbar über Medien verfolgt habe, nun wirklich bei bei uns angekommen ist.

Ich finde diese Maßnahmen richtig und absolut notwendig, aber sie verlangen uns viel ab - sie trennen uns voneinander an der Stelle, wo wir als soziale Wesen aufgrund unser menschlichen Entwicklung auf Gemeinschaft angewiesen sind. Ich glaube, es ist nicht gesund, diese Gefühle zu unterdrücken oder einfach wegzuschieben. Genauso wichtig ist für mich aber mir klar zu machen, dass dies bestimmt nicht das Ende der Welt ist, dass auch diese Situation viele Chancen für uns alle hat und uns auf anderen Wegen vor allem wieder näher aneinander führen wird. Im Virtuellen und auch in der Realität. So sind mir heute als Radfahrer die Spaziergänger zwar ausgewichen, aber ganz oft habe ich dazu ein Lächeln bekommen. Dieses Lächeln wünsche ich auch Euch!'

Euer Markus und das Team von angstfrei.news

Wir würden freuen uns, wenn Ihr mit uns teilt, was Euch momentan besonders belastet oder beengt. Und natürlich, welchen Weg ihr gefunden habt, um ein gutes Verhältnis zu Eurer Angst zu bekommen. Nehmt dazu einfach Kontakt über unser Fedbackformular mit uns auf, wo Ihr natürlich auch weiterhin Anmerkungen und auch Wünsche hinterlassen könnt.

Die guten Nachrichten des Tages

RKI vorsichtig optimistisch
Das Robert Koch-Institut hat sich vorsichtig optimistisch gezeigt, dass sich der Anstieg der Coronavirus-Zahlen in Deutschland leicht abschwächt. "Wir sehen den Trend, dass die exponentielle Wachstumskurve sich etwas abflacht", so RKI-Chef Wieler. Auch Wissenschaftler der Universitäten in Regensburg und Mainz bestätigen, dass sich die Zuwachsrate der Infektionsfälle verlangsamt. Nach dem 14. März seien im Schnitt täglich 21 Prozent neue Fälle hinzugekommen, zuvor seien es 27 Prozent gewesen, heißt es in einer Modellrechnung der Wissenschaftler Tobias Hartl, Klaus Wälde und Enzo Weber. (Quelle: BR24)

Solidarität ist das einzige Heilmittel!
In einer Ansprache an die Unternehmer des zentralamerikanischen Landes El Salvador hat Präsident Nayib Bukele Verzicht von den Reichen gefordert: „Auch wenn ihr durch die Corona-Krise 20 Prozent verliert, bleiben euch noch 80 Prozent.“ Händler und Geschäfte warnte er vor Wucherpreisen. Für drei Monate setzte er die Zahlung aller Rechnungen, Mieten, Kreditrückzahlungen aus. „Die Situation ist für alle Menschen einzigartig und alle sind ratlos“, sagte der Präsident. Der Tod eines 37-jährigen spanischen Polizisten zeige, dass keiner immun sei. „Lasst uns alle ein wenig opfern“, schloss Bukele: „Das einzige Heilmittel ist Solidarität!“
→ Facebook Video

Eine Freundin betreibt ein kleines Reisebüro in München. Bei unserem Telefonat am Samstag Abend erzählte sie mir, dass Sie erfolgreich alle 20 Kunden, die sich auf Urlaubsreisen befanden, auf Heimflüge umbuchen konnte. Betroffen waren Gäste auf Mauritius. Madagaskar. Seychellen. Bali. Philippinen. Teils waren dann die bereits umgebuchten Heimflüge von den inländischen Airlines wieder gestrichen. Mit großem Einsatz und ständigem Telefonkontakt konnte sie die Panik der Kunden in der Ferne in Grenzen halten. Gestern ist ihr letzter Kunde aus Madagaskar in Paris gelandet. Mit dem Auto konnte er dann zurück nach München fahren.

Herrn Wagner mit einer guten Nachricht aus Westfalen

Transformations Online-Kolloquium
Immer mehr Lehrveranstaltungen und Konferenzen finden online statt. Heute kündigte das renommierte Institut für partizipatives Gestalten IPG an, einer der großen Future Think Tanks in Deutschland: „Krise, Transformation und ein kleines bisschen Corona“. Mittwoch, 25. März, 1930h, für alle kostenlos, online auf Zoom oder Facebook:
→ facebook.com/jaschrohr

Update: Was ist sonst noch los

  • Olympia wackelt
    Japan merkt man auch bei der Coronakrise seine Samuraigeschichte an. In der Abwehr des Virus hat es sich als sehr kämpferisch hervorgetan. Kaum sank die Kurve ein wenig, sollten die Schulen schon wieder geöffnet werden. Und von der Olympiade im Sommer wollte man sich noch nicht verabschieden und hatte sich Bedenkzeit ausbedungen. Jetzt äußerte der Premier Zweifel und gleichzeitig kam aus Kanada eine herbe Absage: Das Land wird keine Athleten zur Sommerolympiade schicken. Die deutschen Ruderer sind bereits seit 10 Tagen im Trockendock. Auch der Deutschlandachter rudert nur noch auf dem Ergometer.
  • Bleibt. Einfach. Zu. Hause.
    Es gibt viele gute Gründe, jetzt zu Hause zu bleiben. Zeit Online hat acht Prominente gefragt, was sie mit der neu gewonnenen Zeit machen. Daraus ist ein beindruckendes Video über die Chancen der Entschleunigung entstanden.
    → Zeit Online
  • Social Distancing
    Soziale Distanzierung und ihre Wirkung "zündend" in 18 Sekunden erklärt
    →Youtube Video
  • Corona in Zahlen +
    In Deutschland sind 22.672 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 23.3.2020, 00:00 Uhr RKI*), das sind 4.062 Personen mehr als gestern. Warum, diese Zahlen? Wie sind sie zu deuten? Und warum gibt es hier nicht mehr davon? Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz. *Derzeit unterscheiden sich die Zahlen des RKI, auf die wir uns berufen von anderen Zahlen, die öffentlich zugänglich sind. Dazu erklärt das RKI: “Durch die Dateneingabe und Datenübermittlung entsteht von dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Falls bis zur Veröffentlichung durch das RKI ein Zeitverzug, sodass es Abweichungen hinsichtlich der Fallzahlen zu anderen Quellen geben kann. Am aktuellen Wochenende wurden nicht aus allen Ämtern Daten übermittelt, sodass der hier berichtete Anstieg der Fallzahlen nicht dem tatsächlichen Anstieg der Fallzahlen entspricht. Die Daten werden am Montag nachübermittelt und ab Dienstag [10 Uhr] auch in dieser Statistik verfügbar sein.”
  • Gesundheitsticker
    99.041 Menschen sind weltweit wieder genesen (Stand 19:08 Uhr). Das sind 1701 mehr als heute Morgen.

Unser Weitblick zum Abend: Historische Kontexte

In dieser Rubik werden wir versuchen, die aktuelle Pandemie in historischen Kontexten begreifen zu lernen. Das öffnet unseren Blick dafür, dass wir in diesen Tagen keineswegs eine einmalige Situation erleben, sondern dass sich die Menschheit in periodisch wiederkehrenden Zeiträumen mit Epidemien und Pandemien konfrontiert sah. Das und der Umgang damit hat ihr immer wieder zu gewaltigen Sprüngen nach vorne verholfen. Medizinisch, wissenschaftlich, philosophisch, human. Wer in diesen Tagen von Isolation oder Quarantäne betroffen ist, möge sich daran erinnern – und daraus vielleicht auch Inspiration schöpfen –, dass das Aussteigen aus dem Hamsterrad und Abstand zum Alltag zu großen neuen Leistungen verhelfen kann.

Das Genie Newton, geboren aus der Quarantäne

Er war ein gebrechlicher junger Mann und Student des Trinity College, als in den 1660er Jahren in England die Pest ausbrach. Sie war 1347 über Schiffe aus dem Mittleren Osten nach Europa eingeschleppt worden und sollte 25 Millionen Menschen, ein Drittel von Europas Bevölkerung dahinraffen. Besonders betroffen war das damals bereits eine halbe Million Menschen zählende London. Kein Mensch wusste damals etwas über Mikroorganismen, Bakterien, Viren und Übertragungswege, in diesem Fall durch die Ratten und die in ihnen nistenden Flöhe. Das brachte die moderne Naturwissenschaft erst zwei Jahrhunderte später hervor, gleichwohl die Menschen bei aller Unwissenheit wie auch Aberglauben instinktiv richtig reagierten. Sie mieden Sozialkontakte, schlossen sich zuhause ein, Lehranstalten und Universitäten schickten ihre Schüler und Studenten nach Hause, so wie auch heute in der Coronavirus Pandemie.

Der junge Newton verzog sich auf den Landsitz seiner Familie in Woolsthorpe nördlich von Cambridge und hing dort seinen wissenschaftlich umstürzlerischen Ideen nach. In der Einsamkeit des Landlebens erlebte der damals erst 22-Jährige 1665 sein“annus mirabilis“, sein Wunderjahr. In den nächsten zwei Jahren entdeckte und erforschte er Zusammenhänge, die die Physik und Mathematik revolutionierten. Damit erschuf der das moderne Zeitalter der Wissenschaften, eröffnete das Zeitalter der Aufklärung und des kritischen Verstanden und ist damit der Vater unserer modernen Zivilisation.

Newton hatte eine unstillbare Neugier, setzte in Selbstversuchen oftmals sein Leben auf Spiel – alles um seine Lust am Wissen und Mehr-Wissen-Wollen zu befrieden. Er entdeckte das weiße Licht, die Lichtbrechung und schuf das Prisma; er entwickelte die Differenzialrechnung (praktisch zeitgleich mit Leibniz, aber unabhängig von ihm), ohne der das moderne Ingenieurswesen undenkbar wäre; mit seiner Gravitationstheorie erklärte er den Kosmos und warum der Mond uns nicht aufs Haupt stürzt. Letzteres, weil er in der Abgeschiedenheit seiner Pestquarantäne unter einem Baum saß, von dem ein Apfel fiel, der ihm anders als der Mythos will nicht auf den Kopf gefallen war, wie Historiker versichern.

Dank der Vernunft der Engländer, den Quarantänemaßnahmen und selbstgewählter Isolation verzog sich die Pest ab und 1667 kehrte Newton nach Cambridge zurück. Zwei Jahre später wurde er zum Professor ernannt und war bis 1703 der Präsident der ehrwürdigen „Royal Society“, Vatikan und Papst der Wissenschaften der beginnenden Neuzeit. Newton ging als Universalgenie in die Historie ein und gab sich vielen anderen Forschungen hin, u.a. der Alchemie, Vorfahre der modernen Chemie, und der Theologie, die er mit Traktaten und Streitschriften bereicherte.

Er war ein streitbarer und in den Augen vieler seiner Wissenschaftskollegen ein höchst unbequemer Zeitgenosse, der sich von keinem die Butter vom Brot nehmen ließ, nicht mal von seinem eigenen König – eine Eigenschaft, mit der der Neu-Denker seine Erkenntnisse gegen viele Widerstände durchsetzte und die der zarte Jüngling während seiner zweijährigen Quarantänezeit in Woolsthorpe entwickelte .

Verfasst in Anlehnung an „El Colombiano“, Sonntagsbeilage „Generacíon“, 22. März 2020: „Los días de Newton en una cuarentena“

Dies und Das

Wie ein Arschloch das Universum erfand
Für alle, die mit der derzeitigen Situation unzufrieden sind, eine Lesetipp für lange Abend. Wobei wir damit nicht andeuten wollen, Newton sei an allem Schuld 😉 Lesenswert, wissenschaftlich bereichernd, einfach köstlich!
→ Florian Freistetter: Newton. Wie ein Arschloch das Universum erfand

Yoga gegen Ängste
Sport entspannt auf vielfältige Weise und ist eine sehr wirksame Methode gegen Ängste. Wer sich nicht allein vor die Tür bewegen möchte oder kann, für den ist ein Online Yoga Kurs vielleicht das richtige Mittel seine Anspannung auf ganz natürliche Weise abzubauen. Einen Überblick über verschiedene Angebote findet ihr hier:
→ Die besten Yoga Kurse im Internet

Damit wünschen Euch Wolfgang und Markus einen schönen Abend!

(Und: hört auf zu Googlen – das machen wir für Euch.)

Quellen
BR24 | Bundesgesundheitsministerium | Corona in Zahlen (RKI)| Gesundheitsticker