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Montag, 28. September 2020 | 8 Uhr

Wolfgang

Liebe angstfrei-Leserinnen und angstfrei-Leser,

Tusch! Wir heißen Euch herzlichst willkommen zur letzten Septemberwoche. Für mich ein kleines Jubiläum mit meiner 30. Edition. In meinen Recherchen habe ich Corona-COVID-19 und Ängste auf größere Hauptstränge wie Politik und Wissenschaft herunter zu brechen versucht. Dabei sind häufig die vielen Widersprüche bei der Suche nach Strategien und Antworten aufgebrochen. Wahrheit ist dornig, zeigt sich auch am heutigen Montag, an dem wir Kunst und Kultur unter die Lupe nehmen, den roten Faden dieser Ausgabe.

Einen Wochenstart mit viel inspirativem Schwung für die kommenden Tage wünschen Wolfgang und das gesamte angstfrei.news-Team!

Übrigens nehmen wir unser Motto ernst: Angst hat eine Stimme - Deine
Wir sind ein Team von Freiwilligen und schreiben über unsere Angst-, Lebens- und Alltagserfahrungen, ohne ein Richtig oder Falsch, oft mit Verstand und immer mit Herz. Wir freuen uns über dich in unserem Team. Trau dich einfach und schreib uns eine Mail an angstfrei.news@gmail.com.

Im Rahmen des Mental Health Month 2020 mit dem Titel #krisenkraft haben wir einige unserer Lieblingstexte eingelesen und veröffentlichen sie während des Monats online. Hört doch mal rein, es lohnt sich!
→ Zum Podcast

Die gute Nachricht des Tages

Kunst: Systemrelevant

Auch in den nervigen Coronazeiten küssen uns die Musen. Jetzt vielleicht sogar noch heftiger als in „Normalzeiten“. Kunst und Kultur schenken uns Kraft und Vision, in Ausnahmezeiten nicht unterzugehen und uns wiederaufzurichten. So wird Politik schon immer stark, von talentierten Akteuren zunehmend mehr, von Schauspielerei inspiriert (siehe Söders „Winter is coming“). Auch die einst trocken-faktische Wissenschaft kommt ohne Darstellungskunst und Dramatik, Komödie und Kabarett nicht mehr aus. Der Arzt Eckart von Hirschhausen nimmt durch Lachen Menschen die Angst vor Organspenden. Corona-Compliance (Maske, Distanz, Hygiene) ließe sich mit Humor zweifellos enorm steigern. Wer probiert’s?

Die Doppelrolle von Theater und Politik, Politik und Theater treibt seit langem Schauspieler und den politisch Engagierten Ulrich Matthes um. In der Goebbelsrolle schrieb er sich im „Der Untergang“ in die Filmgeschichte ein. Hitlers rechte Schlachter-Hand war Schauspieler, der die Bereitschaft zu Terror, Krieg, Holocaust erschauspielerte. Das Spektrum von Politik und Theater, Theater und Politik hat eine enorme Bandbreite. Kunst ist darin ein messerscharf geschliffenes doppelseitiges Schwert.

Wer dem ursprünglichen angstfrei-Motto „Hört auf zu googeln – das machen wir für Euch“ folgt und nach „Kunst und Corona“ sucht, stößt auf eine ganze Aurora von Treffern. Der bedauerliche Fortfall von öffentlichen Kunst- und Kulturveranstaltungen hat eine Vielfalt von neuen und anderen Events stimuliert, Kreativität mit frischen Impulsen für den gesamten Kunst- und Kulturbetrieb hervorgebracht. Die Abwendung vom Normalen hat den Tisch des künstlerisch Machbaren neu gedeckt, ist dem Berliner Tagesspiegel zu entnehmen. Museen und Bühnen entdecken eine neue virtuelle Schöpferkraft, so SWR2. In der Tagesschau hinterlegt Theatermacher Corny Littmann: "Kunst ist lebensnotwendig, systemrelevant. Das ist mir zu kurz gekommen in dieser ganzen Diskussion um Lufthansa und Kitas. Kunst gehört zum Leben und ohne Kunst ist das Leben sehr arm."

→ Tagesspiegel | → SWR2 | → Tagesschau

Nachrichten Update

Warm anziehen, Leute! “Winter is coming“
Mit seiner Corona-Politik ist Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zu einem politischen Schwergewicht herangewachsen. Dafür zieht er alle Kreativregister, sehr sublim. Auf dem CSU Parteitag unterstützte eine Teetasse seine nimmermüde werdenden Warnungen vor steigenden Infektionszahlen und einer zweiten Welle. Der auch witterungsmäßig eingesetzte Herbst eröffnet den Blick auf eine Co-Infektion von COVID-19 und Herbstgrippe. „Winter is coming“ warnte eine Aufschrift auf Söders Tasse.
→ GMX

Zweite Angstwelle oder „Menschen Verantwortung zurückgeben“?
Während Virologe Christian Drosten warnt, „die Pandemie geht jetzt erst richtig los“ und die Bundeskanzlerin „die Zügel anziehen“ will, wägt der Journalist Garbor Steingart ab. Er entdeckt in der deutschen Politik viel Angstmache und sammelt dazu Stimmen aus Wissenschaft und Kunst:

„Ich trage eine Maske, verhalte mich korrekt – trotzdem möchte ich kritisieren. Die Kritik als solche ist die Hefe der Demokratie“: Ulrike Guérot, Politikwissenschaftlerin

„Wir brauchen möglichst früh Licht am Ende des Tunnels. Das heißt, wir müssen Kriterien haben, nach denen wir in Zukunft damit umgehen“: Julian Nida-Rümelin, Philosoph

„Wir müssen aufhören, Angst zu machen. Irgendwann müssen wir den Menschen ihre Verantwortung zurückgeben“: Jan Josef Liefers, Schauspieler

→ The Pioneer

Kein Lockdown!
Portugal sucht dritten Weg zwischen Freiwilligkeit und Zwang.
→ Welt

Meilensteine
200.000 COVID-19 Tote in USA. Wahlkämpfer und „Fake News“- Erfinder Trump beschreibt sich als erfolgreichen Corona-Matador. Er hätte 2,5 Millionen Tote verhindert.
→ Reuters

Qualmen – die nächste Front
An Folgen von Tabakkonsum sind laut 2019 Bundesdrogenbericht 121.000 Deutsche gestorben (an COVID-19 lt. Bundesregierung 9.457/Stand 27.09.20 – weit weniger als ein Zehntel). Die Corona-Pandemie hat für die Weltgesundheitsorganisation WHO neue Chancen im Anti-Tabak-Kampf eröffnet. Mehr Raucher*innen seien um ihre Gesundheit besorgt und wollen dem Übel entsagen.
→ Handelsblatt

Corona-Learnings: Glokales politisches Weltsystem
COVID-19, eingebundene Ungewissheiten und Ängste, das Hin und Her politischer Entscheidungen haben die Politikverdrossenheit eher in die Höhe getrieben. Dazu hat sich die Innovationsberaterin Stefanie Kuhnhen zu Wort gemeldet. Sie vermisst positive politische Visionen, die Populisten, Polarisierer, Säbelrassler erstickten. Die Unternehmerin empfiehlt ein neues integriertes globales Machtsystem, das nationalstaatliche Alleingänge (wie etwa in der COVID-19-Impffrage) ins Aus schickt. Alternative sei ein Netz von globalen und lokalen politischen Instanzen, das glokale Machtsystem.
→ Der 8. Tag

Post-Corona-Perspektive
Tele-Medizin, KI-assistierte Medikamentenentwicklung, E-Sport – Digitalisierung ohne Ende.
→ Xing

Corona in Zahlen
In Deutschland sind 3.773.875 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 03.08.2021 00:00 Uhr, Quelle: RKI), das sind 1.766 Personen mehr als am Tag zuvor.

Warum diese Zahlen? Wir zitieren hier die offiziellen Zahlen des RKI, diese werden einmal täglich – immer um Mitternacht – vom RKI aktualisiert und um 10 Uhr morgens online veröffentlicht. Und warum gibt es hier nicht mehr davon? Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz.

Gesundheitsticker: 180.561.655 Menschen sind weltweit wieder genesen, das sind 456.134 Personen mehr als gestern Früh. Davon 3.659.900 in Deutschland (Stand: 04.08.2021 05:27 Uhr, Quelle: Worldometers).

Tipps des Tages

Sklavinnen
„Sklavenhaltergesellschaft“ nannte Karl Marx die alten Griechen geringschätzig. Die bereits von den kulturellen Schöpfern des Abendlandes erfundene Dampfmaschine blieb Spielzeug. Kein Bedarf: Sklaven erledigten alle körperliche Arbeit. Nach heutigen Maßstäben gehörten auch Frauen zur Sklavenkaste. Der Altphilologe Carlos Garcia Gual zitiert in einer neuen Studie Aristoteles: „Die Unterwerfung der Frau unter den Mann liegt begründet in ihrer eigenen Natur.“ Frauen waren keine öffentlichen Wesen und fristeten ihre Leben hinter verschlossenen Türen, insbesondere während der Klassik, der demokratischen Polis. Die großen starken Heldinnen Antigone, Penelope, Casandra verdanken ihre Jahrtausende überlebenden Denkmäler den Künstlern der griechischen Vorklassik. Später, im klassischen Theater, blieb Frauen allenfalls die Rolle von Spaßmacherinnen. Etwa als Umstürzlerinnen, die sich der Regierung bemächtigen und Frieden machen. Die kriegerisch hartgesottenen Griechenmänner kringelten sich vor Lachen. Während Corona-Quarantänen und Lockdown 2020 fühlten sich viele Frauen auf die alten Rollenmuster zurückgeworfen – mit Jahrtausende alten Wurzeln in unserer Kultur.
→ Casa del libro

Zen oder die Kunst der Fensterscheibenreparatur
„Zen and the Art of Motorcycle Maintenance“ war ein Kultbuch im letzten Jahrhundert. Es vergilbte auf meinem Nachkasten. Unangerührt. Auch ungelesen glaube ich es nun zu verstehen. Warum so kompliziert mit Schräubchen und Scheibchen, wenn man zur Erleuchtung viel einfacher gelangen kann? Das nächste Fenster, das Euch kaputt geht – setzt es selber ein. Hab ich letzte Woche erstmals selbst gemacht, beim Finca-Ramadama. Toll! Warum? Zunächst einmal braucht‘s einen vorsichtigen Umgang mit der Glasscheibe. Das ist intuitiv, fast meditativ. Dann Einpassen. Und schmirgeln, wenn die Scheibe nicht passt. Auch das sehr bedächtig. Du kommst richtig runter und Goethe huscht durch den Kopf mit seiner Eloge auf den Moment: „Verweile doch, du bist so schön.“
→ Wiki

360° | Von Mensch zu Mensch

VERTIGO-20

von Wolfgang

Mein Uralt-Thema: Ohnmacht. Es begann vor 43 Jahren, hier in Kolumbien. Bei einem Gaststättenbesuch plötzliche Schwäche, Angst vorm Sterben. Später sich wiederholend, mit Panik.

Jahrzehnte habe ich mich daran abgearbeitet. Als mich der Dreh Kreislaufschwäche-Ohnmacht-Angst immer mehr beherrschte, sagte ich: Stopp!

Ich beschloss, alles Erdenkliche dagegen zu unternehmen. Mit Seelen-Docs und Pillen habe ich‘s nicht, also schrieb ich mich bei der Münchner Angstselbsthilfe ein, besuchte die Gesprächskreise, wurde Gruppenleiter, am Ende sogar Angsttheaterregisseur, schrieb und moderierte zwei Jahrzehnte lang über alle Aspekte der Angst.

Der Entschluss, fast faustisch, mich Angst auszusetzen, mit allen Lebensfasern, war ein goldener, hat mich nie erahnte Horizonte überschreiten, auch Krebs ein Schnippchen schlagen lassen. Dafür danke ich!

Im Laufe der Zeit schlich sich eine andere Symptomatik ein. Schwindel und Vertigo. Richtige Attacken, sodass ich nur noch taumeln konnte. Wie ein Besoffener, mit mehreren Promille Alk intus.

Die Anfälle waren selten und kurz. Den letzten hatte ich vor dreieinhalb Jahren auf einer Fähre auf dem Amazonas. Jetzt im Schicksals-Corona-Jahr tauchten sie wieder auf. In höherer Frequenz und länger anhaltend.

Ein Halsnasenohrenarzt, den ich vor anderthalb Jahrzehnten damit aufsuchte, entfernte mir Ohrenschmalz und kommentierte, dass dessen Druck mitunter Auslöser sei. Dies war meine Hoffnung beim letztwöchigen Arztbesuch. Doch der holte nur Kleinstmengen heraus, empfahl eine Ohren-Gleichgewichts-Therapie bei weiteren Beschwerden. Andere raten zu Nackenentspannungsübungen. Eine weitere Fraktion höre ich schon summen: „Siehste, Angst. Haste nur verdrängt.“

Eine neue Herausforderung. Ich sehe es sportlich. Nur komisch, dass mir dies immer in Kolumbien passiert. Ein garcia-marqueskes Land: Alles ist möglich, in allen Spielarten, real bis surreal. Diese Interpretation, ich weiß schon, wäre esoterisch.

Gut so, Leben bleibt spannend und ungewiss. Vor seinen Wogen bitte nicht die Köpfe in den Sand stecken, sondern mittig mitschwingen.

Angst verhindert, dass uns die Bäume in den Himmel schießen, lässt Demut wachsen. Klingt von anno dunnemals, aber mal ganz ehrlich: Bräuchten wir nicht mehr davon?

daz - die angst zeitschrift

Dies & Das

Sterbefasten
Sterbefasten statt Sterbehilfe, selbstbestimmt und human?, fragt das Leitmedium der deutschen Protestanten.
→ Publik Forum

Albatros-Polizei
Albatrosse detektieren illegalen Fischfang. Was der Corona-Tsunami an Good News alles verschüttete.
→ Twitter

„Du Spatzenhirn!“
Bitte keine Beleidigungen mehr: Vögel haben mehr Hirn, als wir bisher glaubten. Sie können richtig denken. Wer ihnen bei ihren kunstvollen Flugmanövern zuschaut, glaubt’s sofort.
→ Science

2-Tage-Woche
Wir arbeiten viel zu viel. Zwei Tage in der Woche reichten, rät James Suzman, wie vom Ökonomiepapst John Maynard Keynes prognostiziert (allerdings erst für 2030).
→ Amazon

Corona-Segen
Dank Home-Office: Für 75.000 Euro ein Landhaus in Sachsen.
→ Manager Magazin

Hippie-Droge an Börse
Furore-Start der Biotech-Firma Compass Pathways an der Börse: Mit der Hippie-Droge „Magic Mushrooms“ gegen Depressionen und Ängste.
→ Handelsblatt

Körper-Alchemie
In der Kunst und Spielerei mit Alchemie liegen die Wurzeln moderner Wissenschaft. Die „Alchemie des Körpers“ erinnert daran.
→ Alchemy Blog

Kerze im Dunkeln
Hommage an einen Maestro: Carl Sagan 1995 in „Demon-Haunted World“ über Wissenschaft. Was sie vermag – nicht kann. Gegen Allmachtsfanatiker und Corona-Leugner.
→ Wiki

Erst lachen, dann denken
Alternativer IG-Nobelpreis 2020 verliehen, für lautes Kauen: „Misophonia“.
→ BR Wissen

Uff, dies war nun meine 30. Ausgabe seit Corona-Ausbruch. Stets zum Wochenauftakt, gegen eine siebenstündige Zeitschlucht angeschrieben, viele dankenswerterweise co-editiert, ergänzt von Markus sowie alle in Gänze von ihm herausgegeben.

Für mich beginnt hiermit Post-Corona. Atem schöpfen, frisches Pulver für angstfrei.news sammeln, Kreativ-Pause: WOHIN? – auch mit unserer am Wochenende neu eröffneten Kultur-Finca.

Nicht zuletzt Baby- und Opapause, um mich hoffentlich bald um unser in diesen Stunden geborenes zweites Enkelkind Eliana Lucia und den vernachlässigten Mateo zu kümmern. Hiermit rufe ich Euch allen, Macher*innen wie Leser*innen, erst mal zu:

1000 Gracias, bleibt gesund (wenn möglich: daheim) & Weiter So!

Gerne hören wir über das Feedbackformular von euch. Ihr wollt unsere Arbeit unterstützen: Spenden und Fördermitgliedschaft bei der Deutschen Angst-Hilfe e.V.

Quellen
Corona in Zahlen (RKI) | Gesundheitsticker | Über die Landesregierung NRW sind wir außerdem an den dpa-Nachrichten-Ticker angebunden, den wir immer als Quelle verwenden, wenn wir (dpa) schreiben.