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Samstag, 18. April 2020 | 8 Uhr

Katharina
Nicholas

Shalömchen allerseits!

Und noch’n Tag, wie schön! Sollte man sich irgendwie stets sagen, wenn man morgens die Augen öffnet. Es gibt nämlich Studien dazu, dass der Körper das Glückshormon Serotonin entwickelt, suggeriert man ihm durch hochgezogene Mundwinkel, dass es einen Grund zur Freude gibt. Kurz: Lächelt, was das Zeug hält! Es ist gut für euch. Darüber hinaus wünschen wir euch, dass es auch echten Grund dazu gibt und wünschen euch das Beste. Hier nun die Nachrichten an diesem Samstagmorgen.

Habt’s gut!

Katharina und Nicholas

Und noch ein paar Dinge, die ihr schon an dieser Stelle kennt: Abonniert doch den RSS-Feed für diese Seite und gebt uns Rückmeldung, ob es bei Euch klappt. Wie immer freuen wir uns über Ideen, Anmerkungen und auch Wünsche im Feedbackformular.

Die gute Nachricht des Tages

Spahn: “Der Ausbruch ist beherrschbarer geworden”
Auf einer Pressekonferenz sagte Bundesgesundheitsminister Spahn, dass die wochenlangen strengen Beschärnkungen des privaten und öffentlichen Lebens Wirkung zeigen. Nach starker Dynamik sei der Ausbruch beherrschbarer, so Spahn. Deutschland schneide außerdem im internationalen Vergleich gut ab. Das läge an der guten Ausbildung des medizinischen Personals, dem guten Netz an Haus- und Fachärzten, die als erste Anlaufstelle dafür sorgen, dass die Krankenhäuser entlastet würden und der guten Intensiv-Infrastruktur. “Das macht uns demütig, aber nicht übermütig.”, so Spahn. 

Der Hintergrund für den Optimismus liegt in den Zahlen: Die Ansteckungsrate bei dem neuen Corona-Virus stabilisiert sich dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge auf niedrigem Niveau. Die sogenannte Reproduktionsrate (R) werde auf 0,7 geschätzt, hieß es im aktuellen Lagebericht des RKI. Das bedeute, dass im Mittel jeder Infizierte weniger eine weitere Person anstecke und somit die Zahl der Neuerkrankungen leicht zurückgehe.

Wie immer gilt hier: Es ist eine absolut mut machende Nachricht - wir sollten trotzdem weiter achtsam sein und uns an die Regelungen halten. Aber das wisst ihr ja.
Tagesschau (Video der Pressekonferenz) | dpa

Update: Wichtige Entwicklungen seit heute Morgen

Anspruch auf Notbetreuung von jüngeren Kindern wird ausgebaut 
Mehr Eltern bekommen in der Corona-Krise Anspruch auf Notbetreuung für ihre jüngeren Kinder. Eine bundesweit einheitliche Regelung sollte es aber vorerst nicht geben. “Bis mindestens zum 3. Mai 2020 regeln und erweitern die Bundesländer die Notbetreuung im Rahmen ihrer landesspezifischen Notwendigkeiten und Gegebenheiten”, sagt Bundesfamilienministerin Franziska Giffey nach Beratungen mit ihren Länderkollegen. Die SPD-Ministerin hatte zuvor für bundesweite Regelungen geworben, die insbesondere auch Alleinerziehende berücksichtigen sollten. Die Notbetreuung gibt es in der Regel ab dem Kita-Alter bis zur sechsten Klasse für Kinder von Eltern, die dringend an ihrem Arbeitsplatz gebraucht werden. Künftig sollen berufstätige Alleinerziehende in die Regelungen einbezogen werden.
→ dpa 

Für Krankschreibung wieder zum Arzt
Ab kommender Woche müssen Arbeitnehmer*innen für Krankschreibungen bei leichten Atemwegsbeschwerden wieder zum Arzt gehen. “Die Ausnahmeregelung, nach der eine Arbeitsunfähigkeit auch ohne persönliches Erscheinen in einer Praxis attestiert werden konnte, wird nicht verlängert. Das beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen. Zur Begründung hieß es, die befristete Ausnahme habe angesichts der dynamischen Corona-Entwicklungen dazu gedient, Praxen zu entlasten und die Virus-Ausbreitung zu verringern. Diese Dynamik habe verlangsamt werden können.” schreibt der Deutschlandfunk.
Deutschlandfunk 

Milliardenhilfen für ärmere Länder
In den kommenden 15 Monaten will die Weltbank armen Ländern in  Asien, Afrika und Lateinamerika 160 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen, um die Folgen der Pandemie abzufedern. Hintergrund ist die Sorge, dass die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie alle Fortschritte der ärmeren Länder zunichte machen könnten. Weltbank-Chef David Malpass  fordert bei der Frühjahrstagung per Videokonferenz ein schnelles Handeln. Mit Blick auf die vereinbarten Zahlungen sagt er: "Es ist klar, dass das nicht genug sein wird", räumte Malpass ein. Für Länder wie Äthiopien, Afghanistan, Haiti, Ecuador, Indien, die Mongolei und Tadschikistan sind die Hilfen aber ein wichtiger Anfang. 

Auch der Internationale Währungsfonds will besonders armen Ländern künftig mit mehr finanziellen Mitteln unter die Arme greifen. Wie Direktorin Georgiewa in Washington mitteilte, erhielt der IWF für diesen Zweck Zusagen von fünf Staaten in Höhe von 11,7 Milliarden Dollar. Das Geld sei für Kredite und Zuschüsse in Notlagen gedacht. Die Geberländer sind den Angaben zufolge Japan, Frankreich, Großbritannien, Kanada und Australien.
Tagesschau | Deutschlandfunk

Trump sorgt für Unruhen | Der Wert der Solidarität
US-Präsident Donald Trump hat Proteste von Konservativen gegen strenge Schutzmaßnahmen angeheizt. Auf Twitter schrieb der Republikaner in Großbuchstaben unter anderem "Befreit Michigan!" und "Befreit Minnesota!".Beide Bundesstaaten werden von demokratischen Gouverneuren regiert, die strenge Schutzmaßnahmen erlassen haben. In den jeweiligen Hauptstädten Lansing und Saint Paul war es in den vergangenen Tagen zu Demonstrationen gekommen. Das zeigt, wie wichtig der Zusammenhalt für die REgelungen innerhalb von GEsellschaften ist.

Nach den neuen Richtlinien von US-Präsident Donald Trump in der Corona-Krise haben erste Bundesstaaten vorsichtige Lockerungen der Schutzmaßnahmen angekündigt. Der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, sagte, derzeit geschlossene Läden könnten von Freitag nächster Woche an wieder öffnen, wenn sie Waren lieferten, schickten oder zur Abholung bereitstellten. Mit der Wiedereröffnung von Parks unter Verwaltung des Bundesstaats werde bereits am Montag begonnen. Besucher müssten aber Schutzmaßnahmen befolgen. Schulen blieben in diesem Schuljahr geschlossen.
→ Tagesschau

Natur erholt sich, Klimaziele greifbar
An den wegen des Coronavirus für Besucher gesperrten Stränden im Süden von Thailand gibt es Zeichen für eine Erholung der Natur. «In Krisen liegt immer eine Chance», erklärte Umweltminister Warawut Silpa-archa. Nach Angaben der für die Meere und Küsten zuständigen Behörde ist das Wasser sichtbar klarer geworden, die Korallen erholten sich. In der Touristenhochburg Phuket und in Phang Nga wurden elf Nester der gefährdeten Lederschildkröten gezählt - so viele wie seit 20 Jahren nicht mehr. Thailändische Medien berichteten zudem, dass viele der sonst selten gesichteten Tiere zu sehen waren - darunter Dugongs (Gabelschwanzseekühe) und Walhaie. Außerdem ist die Kuppe des Himalayas zum ersten Mal seit 30 Jahren wieder sichtbar, in Dheli und anderen Millionenmetropolen, die üblicherweise im Smog liegen, sehen Menschen blauen Himmel. 

Auch in Deutschland zeigt sich der Einfluss des Klimas: durch 95% weniger Flugverkehr, liegender Wirtschaft und weniger Autoverkehr erreicht das Land die Klimaziele, die noch vor wenigen Monaten aufgegeben wurden. Wie nachhaltig die Einflüsse auf die Umwelt sind, hänge von den Anschlussmaßnahmen ab, die die Regierungen international beschließen werden, so Vertreter*innen von Umweltverbänden.
→ dpa | BR

Corona in Zahlen
In Deutschland sind 137.439 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 18.04.2020, 08:00 Uhr RKI), das sind 3.609 Personen mehr als am Tag zuvor.

Warum diese Zahlen? Wir zitieren hier die offiziellen Zahlen des RKI, diese werden einmal täglich – immer um Mitternacht – veröffentlicht und um 10 Uhr morgens online bereitgestellt. Das bedeutet für unsere Webseite, dass ihr immer Abends aktuelle Zahlen bei uns abrufen könnt. Und warum gibt es hier nicht mehr davon?  Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz.

Gesundheitsticker: 574.383 Menschen sind weltweit wieder genesen, davon 83.114 in Deutschland (Stand 18.04.2020, 08:00 Uhr, Quelle: Worldometers). 

 Tipps des Tages

Nachrichten verstehen, Quellen bewerten, Fakten erkennen
Jede*r von uns versucht die Welt zu verstehen, um für das eigene Handeln, die eigene Sorge, die eigene Perspektive gute Entscheidungen zu treffen. In der aktuellen Gemengelage ist das oft alles andere als leicht. Wir begegnen Virologen und (selbsternannten) Experten aller Art, wir müssen Fakten von Vermutungen trennen und die Nachricht hinter der Emotionalisierung verstehen. Das kann ganz schön kompliziert sein. Die Schwierigkeit, sich in der Quellengemengelage “draußen” zurecht zu finden, war Grund, diese Webseite mitzugründen. Daher haben wir Euch heute ein paar Tipps zusammengestellt, die Euch helfen, im Dschungel der Inhalte jene auszuwählen, denen ihr trauen könnt. 

  • Wer hat’s gesagt?
    Wir haben Meinungsfreiheit und das ist gut so. Jede*r darf sich äußern. Das heißt aber im Faktenfall nicht, dass auch jede*r wirklich etwas weiß. Stellt Euch daher immer die Frage: Ist der*die Expert*in qualifiziert, sich zu äußern? Ein Virologe weiß etwas über das Virus, vielleicht aber nicht über rechtliche Hintergründe von Einschränkungen. Ein Youtuber hat vielleicht eine Meinung und schon zu vielem etwas gesagt - möglicherweise lasst ihr ihn oder sie regelmäßig in Eure Wohnung und erfreut Euch an den Videos. Das erzeugt Vertrauen (sog. “parasoziale Beziehungen”), lasst Euch davon aber nicht verleiten, alles zu glauben, was gesagt wird. Bleibt aufmerksam für Fakten.
    Die Stunde der Youtube-Doktoren
  • Wo steht es (Welche Quellen werden verwendet)?
    Grundsätzlich gilt, jeder kann sich mal irren. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit für gut recherchierte Nachrichten höher aufseiten des öffentlich-rechtlichen Medienbetriebs (tagesschau, Deutschlandfunk etc.) oder Zeitungen/Magazine, die Geld und Zeit für Recherche aufwenden (süddeutsche, FAZ, i.d.R. auch Spiegel etc.). Ideal sind natürlich Quellen aus erster Hand: Die Seite der Bundesregierung, des RKI oder ähnliches. 
  • Wo steht es noch?
    Wenn ihr euch bei den Quellen nicht sicher seid, vergleicht verschiedene Webseiten, denen ihr vertraut (s.o.). Wenn eine Information an mehreren Orten in der gleichen Form steht und von mehreren Experten (s.o. 😉 ) bestätigt wird, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie stimmt. 
  • Wie wurde es gesagt? Achtung vor Aufmerksamkeitshascherei!
    Nur weil eine Nachricht mit Emotionen gefärbt und in großen Weißen Buchstaben auf schwarzem Grund geschrieben steht, ist sie nicht wahr. Kraftworte, viele Adjektive (“Schrecklich”, “unfassbar”, “niedagewesen”), dramatische Satzkonstrukte verführen uns, Informationen Glauben zu schenken und mehr noch: Sie rufen in unserem Kopf ein Gefühle hervor, die eine eigene Wahrheit schaffen - auch wenn wir die Fakten richtig verstanden haben. So wird Angst und Sorge kreiert, ohne dass die Faktenlage das tatsächlich von uns fordert. Die Wahrheit ist meistens vorsichtig. Gerade Wissenschaftler*innen sind sehr sensibel mit Fakten. Sie betonen, wenn Fakten vage sind - das ist wertvoll und hilft, Informationen einzuordnen. Seid also aufmerksam für Wörter wie “vermuten” oder “nehmen an” - das ist manchmal verunsichernd, hilft aber, die Informationen einzuschätzen.
  • Ist die Information abschließend geklärt?
    Wir befinden uns in einem Dschungel von Momentaufnahmen. Das wenigste wissen wir wirklich, vieles ist im Prozess. Bleibt aufmerksam für abgeschlossene Fakten und laufende Prozesse (die Regierung hat verbindliche Entscheidungen zur Ladenöffnung getroffen, zur Betreuung der Kinder hat sie sich noch nicht abschließend positioniert | Immuntests werden durchgeführt, wir wissen aber noch nicht, wie diese ausgehen).
  • Was sagen die Zahlen wirklich?
    Darüber könnte man eine Doktorarbeit schreiben. So viel für heute: Fragt euch immer, welche Zahlen in einen Zusammenhang gebracht werden. Bestes Beispiel: Es hilft nicht, Grippetote eines Winters mit den täglichen Todeszahlen von Corona zu vergleichen. Die eine Zahl umfasst einen längeren Zeitraum ohne scharfen Anfang- und Endpunkt, die anderen sind aus einem laufenden Prozess, wo das Ende noch nicht bekannt ist und noch wichtiger: die sich auf einen ganz anderen Zeitraum beziehen (einen Tag). 
  • Wie werden Informationen zusammengestellt?
    Noch schwieriger zu sortieren sind Manipulationen, wenn die eigentliche Nachricht richtig ist, die Zahlen stimmen und der*die Expert*in eine*r ist aber durch die Zusammenstellung der Informationen ein verzerrtes Bild entsteht. Will ich, dass ihr glaubt, es sei alles wieder gut, dann schreibe ich nur von den sich verbessernden Zahlen, streue noch einen (falschen) Grippe Vergleich ein, zitiere Spahn mit seinem Optimismus und sage abschließend: Schaut mal, die Läden öffnen auch wieder. Klar, dass ihr dann denkt: alles wieder gut, was haben die dusseligen Politiker mit ihren Einschränkungen?! Maske ab, raus in die Welt! Deswegen schreiben wir auf unserer Webseite - behutsam und faktenbasiert - auch von den anderen Teilen der Realität: Es gibt eine Sterblichkeitsrate, Virologen warnen vor zu schneller Öffnung, um sprunghafte Anstiege zu vermeiden, etc. 
  • Autovervollständigung reflektieren! Vorsicht vor Verschwörungstheorien und Heilsversprechen
    Dass Informationen in ihrer Zusammenstellung ein spezifisches Bild zeichnen, liegt an unserem Gehirn: Es freut sich, wenn es Informationen bekommt, die zu unserem Weltbild oder unseren Wünschen passen (die Wissenschaft nennt das “konsonante Informationen”). Nach einigen Wochen der Quarantäne möchten wir hören und lesen, dass es sich gelohnt hat und wir zurück in den Alltag dürfen. Also neigen wir dazu, genau diese Informationen zu suchen, die uns darin bestärken. Das funktioniert auch umgekehrt: Wer sich sorgt, der neigt dazu, diese Informationen zu bevorzugen. Beides macht uns anfällig für Verschwörungstheorien und Heilsversprechen. Wer ohnehin schon glaubt, dass die Obrigkeit es nicht gut mit uns meint, der ist geneigt, kritischen Stimmen gehör zu geben. Und: Oft werden wir auch mit Informationen "angefüttert", die erstmal nachvollziehbar klingen und darauf dann eine ganze Vermutung gründen. Das ist bei Heilsversprechen oft der Fall: Schaut mal, Baldrian beruhigt die Nerven, also beruhigt er auch den Magen-Darm-Trakt, denn wir wissen ja alle, dass der Darm besser funktioniert, wenn wir uns nicht aufregen. Klingt plausibel - ist aber völlig ungesichert. Wenn so ein Heilsversprechen mit Corona-Medikation gemacht wird, bringen Menschen sich und andere sogar in Gefahr. Bleibt also auch hier kritisch.
  • Informationen herausfordern
    Deswegen: Bleibt aufmerksam! Fordert Informationen heraus, die sich gut anfühlen, von denen ihr denkt “ich hab’s ja gleich gewusst!” Nutzt mal ganz bewusst Quellen, die ihr sonst vermieden hättet, ergänzt Euer Bild um Perspektiven.

Ihr fragt Euch, warum ihr mir, Katharina, Glauben schenken sollt? Gut so! Ich erkläre Euch gerne meinen Hintergrund, damit ihr einschätzen könnt, ob ich mich als “Expertin” gelten lasst: Ich bin Kommunikationswissenschaftlerin und Sozialpsychologin. Ich habe viele Jahre im Journalismus gearbeitet und bin derzeit in der Wissenschaft tätig. Quellenarbeit gehört zu meinem täglichen Brot. Außerdem habe ich folgende Quellen verwendet, um mein eigenes Nicht-Wissen auf solide Beine zu stellen: Faktencheck von correctiv | Tagesschau Faktenfinder | Deutschlandfunk (Wissenschaftskommunikation)

Von Mensch zu Mensch

(Triggerwarnung. Aber mit Happy End!)

Pay what you otherwise wouldn’t - Kunst darf doch was kosten, oder wie?!
Werd bloß kein Musiker, haben sie gesagt. Das zahlt sich nicht aus, haben sie gesagt. Damit verdienste nix, haben sie gesagt. Hat mich alles nicht interessiert, ich hab’s trotzdem gemacht. Ich weiß nicht, was gewesen wäre, hätte mir jemand von 2020 erzählt. 

Dabei waren auch die letzten Jahre schon einigermaßen haarig, um ehrlich zu sein. Der Streaming-Markt hat Einweg-Stars generiert und mit feudalem Saler in den Taschen wieder in die Bedeutungslosigkeit entlassen, Plattenverkäufe sind eingebrochen bis zu dem Punkt, an dem mich Teenager verständnislos belächeln, weil jedes irgendwie geartete physische Medium für sie so wirkt, als käme es aus dem Miozän und wäre höchstens noch ein dunkle Nische im Museum wert. Und weil das so ist, weil Musik irgendwie überall ist und noch überaller sogar, ist man bereit, alle anderthalb Songs Werbung für Pickel-Ex und Bahlsenprodukte zu ertragen, damit man nicht mal die 9,99€ monatlich für 80 Millionen Songs auf Spotify blechen muss, hat sich’s zwischenzeitlich echt so angefühlt, als hätte sie komplett ihren Wert verloren. Das wird jetzt hier kein vertrockneter Altherren-Rant auf die Hustensaftsüchtigen da draußen, die sich nen goldenen Pöter mit grenzdebilem Trap verdienen. Keine Kunstkritik per se, sondern vielmehr eine Eulogie auf den Beruf des Musikers, der ein irgendwie verhältnismäßig normales Gehalt verdient. So mit Mietwohnung und einmal im Jahr in den Urlaub und dem Kind zwischendurch mal ohne Hypothekenangst die zehn dringend benötigten T-Shirts bei H&M bestellen, weil es wieder gewachsen ist, als hätte es Steroide im Müsli. So’n ganz normales Leben halt. Die Mär erzählt vom Jetset mit Klinkervilla in den Hills und Wachleuten vor der Tür. Oder eben vom anderen Extrem: Das mit dem Hungerleiden als selbst gewähltem Elend und dem kreativen Potential darin. Verrückt ist beides irgendwie.

Es gibt aber auch noch eine Wahrheit dazwischen und in der Wahrheit brät gerade gut die Hälfte meines Freundeskreises - der haderlumpige Teil der Kunstschaffenden - und macht sich Gedanken über eine Zukunft, in der noch nicht mal mehr respiratorische Lungenleiden das größte Problem sind. Großveranstaltungen, was auch immer das heißen mag, sind bis Ende August im Orkus gelandet und somit stellt sich die Frage, was wir denn machen sollen. “Was sollen wir denn machen?!”, um das nochmal in aller Klarheit auszuformulieren. Die Frage lähmt gehörig und macht echt keinen Bock auf 2020, allem Positivismus zum Trotz. Keine Festivals, Tourneen nur im Land der Fragezeichen, Songwriting-Sessions im Fegefeuer aus pixeligen Zoom-Meetings und mit Demos vollgestopften Dropboxordnern, die schon seit Stunde X niemand mehr so richtig durchblickt. So macht das echt keinen Spaß, irgendwie. Dabei macht das doch solchen Spaß! Eigentlich.

Es ist zum Mäusemelken. Der gemeine Mäusemelker verdient in der Regel nur mehr, nämlich irgendwas. 

Was hat er denn nur? Was schimpft er denn so? Er könnte auch irgendwas anderes machen! Könnte er doch wirklich! Es gibt so viele Jobs! Da muss man sich gar nicht schämen!

Vollkommen richtig. Würde ich auch nicht, hab ich nämlich alles schon gemacht: Ich hab weite Teile meines Erwachsenenlebens in Kneipen geackert, habe Erwachsene gewaschen, war der handwerklich untalentierteste Hausmeister in der Geschichte des Hauses und habe Gitarrenunterricht für Halbstarke gegeben. Und hey, das war alles voll ok und teilweise super und wenn das Ersparte weg ist, würde ich das auch sofort wieder tun. Keine Frage!

Aber so nen Traum sterben zu sehen, mit all der Realität konfrontiert zu sein, die Existenzangst mit sich bringt, wenn mal ein buckliges Jahr lang nix läuft, das macht schon echt mürbe und richtig traurig. Und irgendwie macht das auch gar nicht mehr so richtig alles Sinn.

Ok! Genug!  Macht es doch!

Ich habe vorgestern einen Livestream gestartet, um Spenden für die Flüchtlingshilfe der Caritas zu sammeln. Weil allein der Gedanke an Lesbos, an die Schicksale dort und vor allem an die fatale Untätigkeit dieses Europas hier echt zum Heulen ist. Zum Verzweifeln ist das und ich muss nicht mal da sein und erleben, wie sich das anfühlt. Das nehme ich als größtes Privileg meiner westlichen Privilegiertenparty, die ich hier in Staythefuckhomehausen jeden Tag feiere. Und was soll ich sagen? Innerhalb anderthalb Stunden kamen über 1.000€ Spenden zusammen. Von Menschen gesendet, die an Endgeräten Knöpfchen drückten. Dabei war das gar kein Zwang: Es gab keinen Mindestbetrag als Voraussetzung, am Stream teilnehmen zu dürfen. Alles, was man brauchte, war ein Computer, ein Tablet oder ein Handy. Und Geduld und Nachsicht, wenn der Stream hakte. Oder ich hakte, wenn ich danebensang. “Ach! Ein Halbton unter Freunden!” hätte mein Kumpel Andy gesagt, hätte er zugesehen. Hat er ja vielleicht sogar!

Und das hat mir den Sinn erklärt.
Es hat echte Hoffnung in die Menschen geweckt, hat gelebte Solidarität gezeigt und ein echtes Konzept für die Zukunft gewiesen: Gibt man den Menschen die Chance und die Option und dazu noch nen echt guten Grund zu zahlen, dann machen die das. Dann geschieht das mit einer Selbstverständlichkeit, die das Herz höher schlagen lässt. Verstehen wir uns nicht falsch: Ich glaube nicht, dass meine anderthalb Stunden herzlich hindilletantierte Unterhaltungsmusik der dringend benötigte Weckruf an die Empathie war. Die war bei all den schönen Menschen dort schon vorher da und ich hatte nur das große Glück, ihr Gastgeber an diesem Abend sein zu dürfen. Aber genau das ist der Punkt: Es gab einen Grund, sich zu treffen und gut und nett zueinander zu sein. Und der Grund war Musik. Und die gibt es nicht ohne Musiker. Und die hört keiner, wenn nicht die abertausend helfenden Hände im Hintergrund ihren Dienst tun. Und so lange haben wir alle einen Sinn. Und Sackzement, das fühlt sich gut an! 

Optimismus geht so: Die Miete wird auch 2021 gezahlt.
Wie, das finden wir noch raus. 

Thank you for the Music.

Nicholas

daz - die angst zeitschrift

Dies und Das

Digitaler Opernbesuch
Die Internetplattform „Opera Vision“ zeigt trotz der derzeitigen Schließung der meisten europäischen Opernhäuser mehrmals in der Woche eine Oper. Finanziell unterstützt wird das Projekt von der EU-Kommission. An diesem Samstagabend um 19.00 Uhr steht etwa die Oper "La Boheme" von Giacomo Puccini aus der Komischen Oper Berlin auf dem Programm. Die Opern stehen anschließend in der zur Verfügung. 
→ Zur Mediathek

Bahncard-Besitzer bekommen Gutscheine
Als Ausgleich für das Nicht-Reisen bietet die Bahn allen betroffenen Kunden mit einer BahnCard 25 oder BahnCard 50 einen Reisegutschein an. Voraussetzung sei eine aktuell gültige BahnCard und bei Neukunden zusätzlich ein Kauf der BahnCard bis einschließlich 13. März 2020. Der Gutscheinwert orientiert sich dabei an der Art Ihrer BahnCard und liegt zwischen 10 und 50 Euro.
Zur Webseite der Bahn

Damit verabschieden wir uns in einen wunderbar sonnigen Samstag!
Bis heute Abend 🙂

(Und: hört auf zu googeln – das machen wir für Euch.)

Ideen, Anmerkungen, Wünsche? Gerne hören wir über das  Feedbackformular von euch. Ihr wollt unsere Arbeit unterstützen: Spenden und Fördermitgliedschaft bei der Deutschen Angst-Hilfe e.V.

Quellen
Corona in Zahlen (RKI) | Gesundheitsticker | Über die Landesregierung NRW sind wir außerdem an den dpa-Nachrichten-Ticker angebunden, den wir immer als Quelle verwenden, wenn wir (dpa) schreiben.