Schuld | 24. April 2021
Liebe Leser:innen,
wer uns schon länger begleitet, hat sicherlich festgestellt, dass wir uns nicht davor scheuen, schwere Themen anzugehen und darüber zu schreiben. Schuld ist ein eben solch schwieriges Thema, denn die Frage was Schuld eigentlich ist, lässt sich nicht so schnell beantworten. Man kann sich diesem Thema nüchtern, von strafrechtlicher Seite nähern. Man kann sich dem Begriff aus ethischer, moralischer Perspektive nähern. Oder man betrachtet ihn aus dem psychologischen Blickwinkel. Diese drei Sichtweisen machen schon die Ambivalenz des Begriffes Schuld deutlich und keine dieser einzelnen Sichtweisen wird dem Begriff in Gänze gerecht, sind sie doch immer miteinander verquickt.
Natürlich gibt es Sachverhalte, in denen die Schuldfrage schnell geklärt ist, ein:e Schuldige:r schnell gefunden und die Verantwortlichkeiten klar und für jede:n offensichtlich auf dem Tisch liegen. Ich lasse mit vollem Bewusstsein und mit voller Absicht ein Glas herunterfallen, ich bin Schuld, dass es zu Bruch geht. Dies wird niemand, auch nicht ich selbst, in Frage stellen. Doch was ist mit unserem persönlichen Schuldempfinden? Vielleicht empfinde ich gar keine Schuld, wollte ich doch, dass das Glas zerbricht.
Und wie häufig empfinden wir Schuld, legen sie auf unsere Schultern und schleppen sie mit uns herum, obschon wir, von außen betrachtet, keine Schuld tragen an Geschehenem oder Ungeschehenem?
Die Verantwortlichkeit für Dinge, an denen wir keine Schuld tragen, diese uns aber dennoch eine tonnenschwere Last ist, die wir nicht einfach von uns streifen können, davon berichtet uns Annika. Sie nimmt uns mit in eine sehr persönliche Geschichte, für die sie Schuld empfindet.
Auch Laura erzählt sehr persönlich, wie die Schuld ein Teil ihrer selbst wurde, von dem sie sich auf langem Weg versucht, zu verabschieden. Und Anne beschreibt die Schuld als ein Monster, welches gerne im Verbund mit ein paar Gesell:innen kommt.
Zuvor haben wir aber natürlich den Nachrichtenüberblick, mit einer guten Nachricht zum Impfgeschehen in Deutschland. Und in den Tipps findet ihr unter anderem eine Serie, die versucht, die Ambivalenz der Schuld in eine Geschichte zu packen. Ausklingen wird die Ausgabe wieder musikalisch.
Wir wünschen euch eine schöne Woche und hoffen, dass diese Ausgabe euch vielleicht hilft, die kleinen fiesen Schuldmonster abzuschütteln, wo sie sich unberechtigter Weise versuchen, festzusetzen.
Anne und das Team von angstfrei.news
Wenn ihr Zeit, Lust und Interesse habt, auch mal in unserer Redaktion mitzumischen, dann schreibt uns gerne eine Nachricht auf Instagram oder schreibt uns eine kurze E-Mail an angstfrei.news@gmail.com.
Ganz wichtig: Was meint ihr zum neuen Konzept und zu dieser Ausgabe? Bitte gebt uns ein kurzes Feedback - das wäre hilfreich und sehr nett.
Die gute Nachricht der Woche
Mehr als 20% der Bevölkerung in Deutschland geimpft
Mehr als zwanzig Prozent der Menschen in Deutschland haben mindestens eine Imfpfdosis gegen das Coronavirus erhalten. Das sind insgesamt über 16,8 Millionen Menschen, so das Robert Koch-Institut (RKI) im Impfmonitor. Demnach werden täglich zwischen 300.000 und 700.000 Menschen geimpft. 55.000 Hausärzt:innen erweitern die Impfkapazitäten deutlich. Ab Juni sollen auch die Betriebsärzt:innen Impfungen gegen das Coronavirus durchführen. Damit nehme die Impfkampagne ab dem zweiten Quartal deutlich an Fahrt auf, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Möglich wird dies auch durch die hohen Lieferzusagen der Hersteller BioNTech, Moderna, AstraZeneca und Johnson & Johnson.
Drei Bundesländer haben deshalb bereits die Priorisierung für AstraZeneca beendet: In Sachen und Mecklenburg-Vorpommern dürfen sich alle Menschen, wenn Sie möchten mit AstraZeneca impfen lassen. In Bayern ist die Priorisierung ab 60 Jahren aufgehoben.
→ Tagesschau
→ ZDF
Schwarzbrot: Testen und testen lassen
Seit Beginn der Pandemie spielen Tests und dazugehörige Strategien eine gewichtige Rolle. Doch was kann man testen? Wie vertrauenswürdig sind die Tests? Und in welchen Szenarien machen Sie Sinn? Eine Wiederholung und Aktualisierung.
Was kann man wie testen?
Blut oder das Wattestäbchen an der Rachenhinterwand, schnell und selbst oder nur mit Profis und tagelangem Warten, Reaktion des Körpers oder Nachweis des Virus: Es gibt drei große Testarten in dieser Pandemie.
In Kürze: PCR-Tests weisen schon sehr wenige Viren im Rachen über die Vervielfältigung des Erbguts nach. Mit Ihnen kann eine Infektion bei richtiger Anwendung ausgeschlossen werden. Antigen-Tests weisen größere Virusmengen im Rachen über Corona-Eiweiß nach. Sie geben insbesondere bei Symptomen einen guten Hinweis auf COVID-19, schließlich aber weder eine Infektion noch die Infektiosität bei negativem Testergebnis aus. Antikörpertests wiederum zeigen eine Reaktion des Körpers im Anschluss an eine COVID-19-Infektion oder eine Impfungen nach etwa zwei Wochen. Antikörper sind ebenfalls Eiweiße des Immunsystems die im Blut nachgewiesen werden können. Wer tiefer in die Vor- und Nachteile von Tests einsteigen möchte lese weiter, alle anderen können zu dem Abschnitt Teststrategien springen.
Bake it, baby! - PCR-Tests
Der lange häufigste Weg (bis Antigentests in großer Zahl Ende letzten Jahres zur Verfügu SARS-CoV-2 nachzuweisen erfolgt durch dessen Erbgut mittels Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction, PCR) aus einem Rachenabstrich. Dabei werden in einem sehr genauen Ofen, dem Thermocycler, 30 bis 50 Mal folgende drei Schritte wiederholt: Durch eine hohe Temperatur (95 °C) werden die Doppelstränge der DNA aufgetrennt. Bei kühleren Temperaturen (50°C) lagern sich kurze DNA-Stränge an die langen zwei Einzelstränge an - und zwar genau an den Bereichen, wo die Erbsubstanz des Virus besonders einzigartig ist (viele Teile der Erbsubstanz sind zwischen vielen Lebewesen sehr ähnlich). Diese kurzen DNA-Stränge nennt man Primer.
Im dritten Schritt beginnt bei etwa 72 °C ein besonders hitzefestes Protein, ausgehend von den Primern, die Einzelstränge zu Doppelsträngen zu ergänzen. Die hierzu benötigten Bausteine schwimmen schon in der Lösung. So verdoppelt sich mit jedem Zyklus die Erbsubstanz. Durch die exponentielle Vervielfältigung können auch ursprünglich sehr geringe Mengen nachgewiesen werden. Irgendwann entsteht so viel Viruserbgut, dass man es mit verschiedenen Messmethoden sehen kann - zum Beispiel durch eine Lichtreaktion oder durch Auftrennung in einem Gel. Je nach verwendeten Primern und Proteinen ändern sich die Temperaturen leicht.
Für Molekularbiolog*innen und alle, die es werden wollen: Das neuartige Corona-Virus ist ein einzelsträngiges RNA-Virus. Die Erbsubstanz liegt also nicht wie bei uns Menschen als doppelsträngige DNA vor. Deshalb muss vor der PCR die RNA noch in DNA umgeschrieben werden und der Einzelstrang zu einem Doppelstrang ergänzt werden.
Wie jeder Test gibt es auch bei der PCR Stärken und Schwächen:
Das Verfahren ist einerseits sehr sensibel - selbst kleinste Mengen Erbgut können detektiert werden. Dass eine Probe durch Verunreinigungen verfälscht wird, ist sehr unwahrscheinlich - wegen der großen Routine in dieser Standardmethode im Labor und wegen Positiv- und Negativ-Kontrollen, die bei jedem Test mitgeführt werden.
Andererseits ist es auch sehr spezifisch - es gibt spezifische Primer für genau dieses Virus, die bei keiner anderen DNA passen. Dass ein Test eine hohe Spezifität (Unterscheidungsgenauigkeit von Infizierte und Nicht-Infizierten) und Sensitivität (Erkennungsgenauigkeit aller Infizierten) aufweist, ist gut. Es macht falsch-positive und falsch-negative Ergebnisse in der eigentlichen Methode sehr unwahrscheinlich.
Nachteile weist das Vorgehen hingegen bei der Probennahme, also dem Rachenabstrich auf: Wird er nicht von geschultem Personal durchgeführt, so könnte der Wattetupfer nicht an den Rachen gelangen, wo sich das Virus vermehrt. Ohne Virus gelingt natürlich auch die PCR nicht. Im Blut ist das Erbgut von SARS-CoV-2 übrigens nur bei schweren Erkrankungen nachweisbar. Ein weiterer Nachteil der PCR sind der hohe logistische und apparative Aufwand und die begrenzte Verfügbarkeit.
Wichtig ist, dass der PCR-Test nur das Vorhandensein von Erbsubstanz nachweist - also eine Infektion. Ob auch COVID-19, also die zum Corona-Virus gehörende Erkrankung vorliegt, hängt von den Symptomen des*der Betroffenen ab.
Die Zahl der PCR-Tests in Deutschland ist übrigens seit Ende des Frühjahrs nur moderat angestiegen. Aktuell werden pro Woche etwa 1,2 Millionen Tests durchgeführt. Steigende Infektionszahlen sind nicht durch steigende Testzahlen zu erklären, wie die der deutliche Anstieg der Positiv-Quote zeigt: In den letzten 5 Wochen hat sie sich von 6,69 auf 12,41% (15. KW) fast verdoppelt.
Zwischenfazit: Die PCR ist ein sehr sicherer Nachweis einer Infektion mit dem neuartigen Corona-Virus. Es zeigt eine Infektion, aber keine Erkrankung an. Steigende Infektionszahlen sind nicht durch intensivere Testung zu erklären.
Wie es in den Wald rein schallt - Antikörper-Tests
Antikörper sind ein indirekter Nachweis von einer überstandenen Infektion oder Impfung - was macht das Virus mit unserem Körper? Unser Immunsystem bildet bestimmte Proteine gegen Krankheitserreger (Antikörper), um sie bei einer erneuten Infektion besser bekämpfen zu können. Es gibt verschiedene Typen von Antikörpern. Die (IgGs), welcher länger bleiben, sind nach einigen Wochen nach der Infektion nachzuweisen (diagnostische Lücke).
Der Nachweis von Antikörpern im Blut von Patient*innen kann durch viele verschiedene Methoden erfolgen. Zwei Standardmethoden sind ELISA und der Western Blot. Beim Enzyme-linked Immunosorbent Assay (ELISA) wird durch ein Antikörper-Paar gegen den Corona-Antikörper eine Farbreaktion hervorgerufen. Beim Western Blot werden Proteine nach ihrer Größe aufgetrennt, auf eine Membran übertragen (geblottet) und mit einem Antikörper gegen den Antikörper gefärbt. Unter einer speziellen Kamera kann man dann sehen, ob die Probe leuchtet, also den Corona-Antikörper hatte oder nicht. Der ELISA ist sensibler, der Western Blot spezifischer. Deshalb werden beide oft miteinander gekoppelt - zum Beispiel auch beim Nachweis von HIV.
Weil Antikörper erst nach durchgemachter Infektion gut nachweisbar sind, ist es nicht sinnvoll, während der Erkrankung zu testen. Es ist natürlich spannend für viele, ob sie bereits eine gewisse Immunität gegen SARS-CoV-2 entwickelt haben (wie lange diese anhält ist umstritten).
Allerdings ist aus folgenden Gründen auch nicht sinnvoll, große Teile der Bevölkerung zu testen: Bisher haben sich etwa drei Millionen Menschen infiziert - das ist im Verhältnis zu 82 Millionen ein geringer Anteil. Die sogenannte Vortestwahrscheinlichkeit, also tatsächlich jemensch zu testen, der eine Infektion hatte, ist aktuell sehr gering. Da die Antikörper-Testverfahren viel ungenauer als die PCR-Tests sind ist das entscheidend. So ist nämlich am Ende die Wahrscheinlichkeit, dass ein positives Testergebnis tatsächlich bedeutet, dass derjenige Antikörper hat im ungünstigstens Fall bei 42 %. Mehr als jedes zweite Testergebnis wäre also falsch. Und mit einer so großen Unsicherheit kann man sich den Test auch sparen.
Weitere Nachteile der Antikörpertestung sind der hohe finanzielle und apparative Aufwand sowie die Notwendigkeit einer Blutentnahme mit möglichen Komplikationen. Ein Vorteil eines Antikörper-Tests ist in der Forschung, dass er unser Verständnis von der Reaktion des Körpers auf das Virus verbessert.
Zwischenfazit: Ein Antikörpertest eignet sich nicht zur Akutdiagnostik. Er weist eine überstandene Infektion mit SARS-CoV-2 und somit das Virus indirekt nach. Aktuell ergibt ein Test auf Antikörper nur in sehr speziellen Fragestellungen Sinn - in der Allgemeinbevölkerung ist die Wahrscheinlichkeit eines falsch-positiven Tests sehr hoch.
Fast and Furious - Antigen-Tests
Ein weitere Variante, das Virus direkt aus dem Rachenabstrich nachzuweisen, sind Antigen-Tests: Hier werden Virus-Proteine nachgewiesen, gegen die sich die körpereigenen Antikörper richten. Der Nachweis kann mit vielen verschiedenen Methoden erfolgen - zum Beispiel auch mittels des oben erklärten ELISA oder Western Blot. Seit Dezember gibt es auch kommerzielle Antigentests, die einem Schwangerschaftstest ähneln, und in immer größerer Zahl eingesetzt werden.
Ein großer Vorteil von Antigen-Tests ist ihr schnelles Ergebnis: Nach 15-30 Minuten ist ein Ergebnis da. Das Ergebnis ist aber nicht so verlässlich wie der PCR-Test. Besonders für geringe Virusmengen ist der Test nicht zuverlässig. Außerdem sind immer mehr Tests für medizinische Laien auf dem Markt, die ähnlich verlässlich sind wie die Tests vom Fachpersonal.
Allerdings scheint das Testkonzept insgesamt nicht so verlässlich wie gedacht: Laut einer Studie an der auch Charité-Virologe Christian Drosten beteiligt war weisen Antigentests nur fünf von acht infektiösen Tagen nach - nämlich erst wenn man Symptome entwickelt.
Zwischenfazit: Ein negativer Antigen-Test schließt eine Infektion nicht aus, ein positiver macht eine Infektion sehr wahrscheinlich. Als Schnelltests könnten Antigen-Tests den Zugang zu Risikogruppen risikoärmer machen.
Weil Antigen-Tests eine sehr hohe Verfügbarkeit und hohe Anwenderfreundlichkeit haben, widmet sich die folgende Strategiediskussion ausschließlich dem Antigennachweis. Antikörper-Tests sind wie oben beschrieben ohnehin nicht sinnvoll zum flächendeckenden Einsatz und PCR-Tests aufgrund ihrer Laboranforderung wohl vor allem weiter im Krankenhaus im Einsatz. Lediglich Antigen-Tests können mittelfristig unseren Alltag begleiten.
Strategie: Wie kann man das Antigen-Testergebnis verlässlicher machen?
Mit Käsescheiben. Bei Betrachtung der Hygieneregel sprechen viele Expert:innen von dem Käsescheiben-Konzept: Eine Käsescheibe hat Löcher, durch die man gut hindurch sehen kann. Legt man zwei der noch mehr käsescheiben von unterschiedlichen Laiben hintereinander, so ist durch die Wand aus Käsescheiben kein durchkommen mehr. Jede Einzelmaßnahme hat Löcher. Aber viele Einzelmaßnahmen machen die Gesellschaft dennoch gegen SARS-CoV-2 widerstandsfähig.
Für die Antigen-Tests bedeutet das zum Beispiel die Testung mit einer Quarantäne zu kombinieren. Wenn man drei Tage lang keine Symptome hatte und auch keine weitere Chance sich anzustecken ist die Chance hoch, dass man entweder tatsächlich keine Infektion hat und das Testergebnis richtig-negativ sein wird oder dass man die Anfangszeit mit nur wenig Virusmenge (und so unwahrscheinlicherem Nachweis) überwunden hat. Je länger die Quarantäne dauert, desto sicherer wird der Test. Bei den meisten Menschen liegt die InkubationszeitInkubationzeit bei COVID-19 zwischen drei und fünf Tagen - es wurden aber auch schon 14 Tage beschrieben. Mehr als 14 Tage Quarantäne mit anschließendem Antigentest führen vermutlich nicht zu einer bessere Vertrauenswürdigkeit des Test.
Eine weitere Möglichkeit, das Testergebnis vertrauenswürdiger zu machen, ist, mehr Tests zu verwenden, während man in einer Quarantäne ist. Es wird unwahrscheinlicher, dass man mehrfach den Virushaufen mit dem Stäbchen verfehlt hat. Verwendet man Tests unterschiedlicher Hersteller kann man eventuell auch dem Problem von falsch-positiven Tests begegnen: Manche Menschen haben in ihrer Mundflora Bakterien, die Antigen-Tests positiv werden lassen. Da unterschiedliche Hersteller auf unterschiedliche Eiweißstrukturen des Corona-Virus abzielen, könnte man mit einem anderen Hersteller einer solch zufällig Überlappung eventuell aus dem Weg gehen.
Ein dritter Weg, um dem Antigen-Testergebnis mehr trauen zu können, ist die Selbstbeobachtung auf COVID-19-Symptome. Im Vordergrund stehen hier Fieber, Husten, Schnupfen, Geruchsverlust. Aber auch unspezifische Symptome wie Abgeschlagenheit, Glieder-, Kopf- oder Bauchschmerzen sind möglich. Macht man einen Antigen-Test bei bestehenden Symptomen, so ist sowohl das negative als auch das positive Testergebnis deutlich vertrauenswürdiger - denn entweder die Coronavirus-Menge ist (zusammen mit den Symptomen) grad sehr hoch oder sie ist gar nicht da und es handelt sich um einen anderen Erkältungsvirus.
Strategie: Schule vs. Konzertbesuch
Mit Blick auf die nur begrenzte Abdeckung der infektiösen Zeit (fünf von acht Tagen) scheint das lang ersehnte Konzert oder Ähnliches - also die einmalige Massenveranstaltung mit Einlasskontrollen und negativem Schnelltest - in weite Ferne zu rRücken. Mit steigender Teilnehmer:innenzahl steigt das Risiko steigt, dass noch unentdeckte, aber schon infektiöse Menschen vor Ort sind und dutzende andere Menschen anstecken.
Bei regelmäßigen Zusammenkünften mit regelmäßigem Testen (z.B. 2-3/Woche) der gleichen Gruppe hingegen - wie in Schule, Sportvereinen oder Universitäten - wiegt dieser Nachteil wohl nicht so schwer. Selbst wenn am Montag die Infektion einer Schülerin verpasst wird und sie am Dienstag noch in die Schule kommt, so ist spätestens am Mittwoch der Nachweis hoch wahrscheinlich und Kontaktpersonen können isoliert werden. So ist eine Clusterbildung deutlich leichter zu unterdrücken, als die Konzertbesucherin, die am darauffolgenden Abend ins Kino und am übernächsten Abend zu Fußballspiel geht. Hier wäre die Ansteckungskette kaum nachzuvollziehen.
Fazit: Regelmäßiger Schulbetrieb wird durch den flächendeckenden Einsatz von Antigentests wahrscheinlicher und risikoärmer. Wechselnde Massenveranstaltung bleiben nicht zu überschauende Risikosituationen.
Mehr Testen zu können, und somit mehr Infektionsketten nachvollziehen zu können, ist ein großartige Weiterentwicklung in dieser Pandemie. Allersdings scheint die Erwartung, die Pandemie wegtesten zu können im Momment unrealisitisch. Deshalb: Maske auf, Hände waschen, Abstand halten, physische Kontakte reduzieren, Warn-App nutzen, solidarisch bleiben.
Dieser Artikel ist Teil der losen Reihe von Basisinformationen zur COVID-19-Pandemie, in der wir etwas tiefer in die Nachrichtenlage der Woche einsteigen. Mal eher hintergründig, mal eher serviceorientiert recherchieren wir für euch selbst, statt wie im darunter folgenden Nachrichtenblock Nachrichten auszuwählen und in eine angstfreie Sprache zu übersetzen. Wir hoffen, es mundet euch.
Nachrichten
angstfrei.news ist gestartet als ein Projekt, das unaufgeregt die Neuigkeiten des Tages - jetzt der Woche - zusammenfasst. Ihr habt uns bestärkt, dass dieser Service wichtig ist, daher bleiben wir ihm treu für all jene, denen die Flut an Nachrichten zu viel wird. Deswegen fassen wir hier für euch die wichtigsten Entwicklungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie in der vergangenen Woche zusammen.
Inland
Infektionsschutzgesetz: neue Regelungen ab dem 24. April
Ab dem 24. April gelten bundesweit einheitlich die neuen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes. Das hat der Bundestag am Mittwoch (21.04.) beschlossen. Das Gesetz sieht strengere Corona-Regeln ab einer Sieben-Tages-Inzidenz von über 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner:innen vor und ist bis zum 30. Juni diesen Jahres befristet.
Bürger:innen dürfen ihr Zuhause dann zwischen 22 und 5 Uhr nur noch aus beruflichen Gründen oder in medizinischen Notfällen verlassen. Bis 24 Uhr darf man allerdings noch alleine joggen oder spazieren gehen. In den Schulen gibt es dann wieder Wechselunterricht. Ab einem Sieben-Tages-Inzidenzwert von 165 wird der Präsenzunterricht eingestellt; in Kitas wird dann nur noch Notbetreuung angeboten. Geschäfte des täglichen Bedarfs, beispielsweise Supermärkte, sowie Friseur:innen dürfen ihren Betrieb auch bei über 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner:innen aufrechterhalten. In anderen Einzelhandelsbetrieben ist bei Inzidenzwerten zwischen 100 und 150 der Einkauf nach Terminbuchung und nach Vorlage eines negativen Corona-Tests möglich.
Zusätzlich ermöglicht das Gesetz per Rechtsverordnung Ausnahmeregelungen für geimpfte und negativ getestete Personen. Mehreren Verfassungsrechtler:innen zufolge seien diese jedoch zu unspezifisch. Weitere Kritik kam unter anderem aus den Reihen der FDP, die bereits vor dem Verfassungsgericht Klage gegen die Ausgangsbeschränkungen erhoben hat. Auch Corona-Modellierer Kai Nagel zweifelt deren mittelfristige Wirkung gegen die Coronavirus-Ausbreitung an. Es sei davon auszugehen, dass sich die Menschen auf lange Sicht vermehrt tagsüber träfen, so Nagel.
→ Tagesschau
→ Tagesschau
→ Deutschlandfunk
→ Deutschlandfunk
Wirtschaftshilfen: Kinderkrankengeld, Eigenkapitalzuschuss und Corona-Fonds
Mit der am 23. April in Kraft getretenen Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes stehen neue Wirtschaftshilfen zur Verfügung: Eltern werden durch einen ausgeweiteten Anspruch auf Kinderkrankengeld unterstützt. Neuerdings gilt dieser auch dann, wenn das Kind zwar gesund, die Schule oder Kita jedoch geschlossen ist. Anspruch haben gesetzlich versicherte berufstätige Eltern mit Kindern unter zwölf Jahren, bei Kindern mit Behinderung auch über das zwölfte Lebensjahr des Kindes hinaus. Pro Elternteil und Kind können 30 Tage veranschlagt werden. Das Kinderkrankengeld beträgt bis zu 90 Prozent des Nettoarbeitslohns. Wie wichtig diese Corona-Wirtschaftshilfe ist, zeigt die Zahl der Kinderkrankengeld-Anträge aus dem ersten Quartal 2021: Diese hat sich in den ersten drei Monaten dieses Jahres nahezu verdoppelt. Das geht aus Zahlen der Krankenkassen TK und DAK hervor. Die meisten Anträge kommen aus Nordrhein-Westfalen und Bayern, drei Viertel der Anträge kam von Müttern.
Neu ist auch ein Eigenkapitalzuschuss für in Not geratene Firmen. Diese können mit der Überbrückungshilfe III Hilfen für Mieten, Pachten, Zinsaufwendungen, Kredite, Strom und Versicherungen erhalten. Anspruchsberechtigt sind Unternehmen, die mindestens 50 Prozent Umsatzeinbruch in den Monaten November 2020 bis Juni 2021 verzeichneten.
Auch der Corona-Aufbaufonds der Europäischen Union kann nun auf den Weg gebracht werden. Das Bundesverfassungsgericht lehnte am Mittwoch (21.4.) einen Eilantrag ab, der die Maßnahme als verfassungswidrig stoppen wollte. Gegner:innen kritisieren, dass es sich bei dem Fonds um eine gemeinsame Schuldenaufnahme handelte, die die EU-Verträge verböten. Die Europäische Kommission hingegen argumentiert mit Artikel 122, der bei außergewöhnlichen Ereignissen "unter bestimmten Bedingungen ein[en] finanzielle[n] Beistand der Union" möglich macht.
→ Bundesregierung (Kinderkrankengeld)
→ Tagesschau (Kinderkrankengeld)
→ Tagesschau (Eigenkapitalzuschuss)
→ Spiegel online (Baufonds der EU)
Corona Warn-App bietet Event-Registrierung mit QR-Code
Event-Besucher:innen können sich nun per Corona-Warn-App registrieren. Dies ist seit dem Update auf Version 2.0 seit spätestens vergangenem Freitag (23. April) möglich. Der bisherige Ansatz der Tracing-App half nur bedingt bei der Nachvollziehbarkeit der Infektionsketten. Die App hat bislang nur gewarnt, wenn Menschen den Abstand von zwei Metern zu einem Risikokontakt für längere Zeit unterschritten haben. Die Ansteckung erfolgt allerdings in geschlossenen Räumen durch Aerosole auch über größere Abstände hinweg, weswegen das Update nötig wurde.
Veranstalter:innen generieren per App einen QR-Code, den die Besucher:innen scannen können und sich so für die Veranstaltung einchecken. Positiv-getestete Besucher:innen können den QR-Code auf den Server der Corona-Warn-App hochladen. Andere Besucher:innen derselben Veranstaltung, deren Aufenthalt sich mit der infizierten Person überschnitten hat, erhalten automatisch eine Warnung mit Risikostufe. Das Update ist in Apples App-Store und im Google Play-Store kostenfrei erhältlich. Mit dem Update bietet die Corona-Warn-App nun also auch die Funktion der Luca-App an - allerdings auf einem deutlich datensparsameren Weg.
→ DER SPIEGEL
→ Süddeutsche Zeitung
→ Tagesschau
Ausland
EU: Johnson & Johnson liefert wieder – mit Warnhinweis
Johnson & Johnson setzt den EU-Lieferstart fort. Grund dafür ist die Freigabe durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) nach abgeschlossener Prüfung des Impfstoffs. Vor einer Woche stoppte der US-Pharmakonzern den gerade begonnenen Marktstart in der EU aufgrund von Sinusvenen-Thrombosefällen.
Die EMA bewertete vergangenen Dienstag (20. April) den Nutzen des Vakzins höher als die Risiken. Die Behörde erteilte die Freigabe, obwohl der Wirkstoff in sehr seltenen Fällen Blutgerinnsel auslösen könne, ähnlich wie der Impfstoff AstraZeneca. Dennoch sprach die EMA eine uneingeschränkte Empfehlung für das Vakzin aus, ebenso (noch) die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (Stiko). Bislang ist unklar, ob die Stiko Empfehlungen hinsichtlich der zu impfenden Altersgruppe geben wird. In den Beipackzetteln soll ein entsprechender Warnhinweis zum Thromboserisiko ergänzt werden und die Impfärzt:innen sollen speziell informiert werden.
Die EU-Kommission hat 200 Millionen Impfdosen beim US-Pharmakonzern bestellt. Deutschland würde davon planmäßig 36 Millionen Impfdosen erhalten und diese ab Mai in Arztpraxen verimpfen.
→ Tagesschau
→ Tagesschau (EMA-Freigabe)
→ FAZ (Impfstoff ab Mai in Arztpraxen)
Mallorca: Konstante Inzidenz nach Osterurlaub
Die Corona-Inzidenz auf Mallorca liegt auch nach den Oster-Urlauben konstant zwischen 25 und 30. Rund 40.000 deutsche Tourist:innen haben in den Osterferien Urlaub auf der spanischen Urlaubsinsel gemacht. Etwas mehr als 10 Prozent der Hotels, vorwiegend in der Region rund um Palma, waren geöffnet. Die Mitarbeitenden im Hotel- und Gaststättengewerbe ziehen ein positives Resümee und hoffen auf weitere Urlauber:innen.
Vermehrte Coronafälle unter den Reisenden sind nicht zu verzeichnen. 27 deutsche Tourist:innen befinden sich in zehntägiger Hotel-Quarantäne, weil sie positiv getestet wurden oder als Kontaktpersonen bzw. Verdachtsfälle gelten.
→ Tagesschau
Indien: Doppelmutante verschiebt Prioritäten der “Weltapotheke”
In Indien steigen die Corona-Infektionszahlen stark an. Um die Kapazitäten des Gesundheitssystems nicht zu überlasten, verhängte die Regierung strenge Hygienemaßnahmen. Der Anstieg der Infektionszahlen ist zum einen auf die britische Variante B.1.1.7 zurückzuführen, aber es ist auch eine weitere Virusvariante aufgetreten, die zwei Mutationenmerkmale aufweist. Da die Datenlage zu dieser sogenannten Doppelmutante noch gering ist, können noch keine Rückschlüsse auf den Anstieg des Infektionsgeschehens und mögliche Risiken gezogen werden.
Indien ist einer der größten Impfstoffproduzenten im globalen Süden und versorgt rund 60 Länder mit dem Covax-Impfstoff von Astra Zeneca. Aufgrund der steigenden Infektionszahlen werden weniger Impfdosen exportiert, um zunächst die eigene Bevölkerung zu versorgen. Insbesondere Länder des afrikanischen Kontinent werden dadurch mit weniger Impfdosen versorgt, als bisher. Viele afrikanische Länder kritisieren dieses Vorgehen.
Zudem kann der indische Impfstoffhersteller nicht in vollem Umfang produzieren. Die Grundstoffe für den Impfstoff kommen aus den USA und werden, wegen eigenem Bedarfs, nur in geringen Mengen exportiert.
→ Tagesschau
→ Tagesschau
Sport
1. FC Union eröffnet Testzentrum
Der Fußball-Bundesligist Union Berlin hat ein Corona-Testzentrum eröffnet. In der Nähe des Stadions der Alten Försterei, auf dem Parkplatz der Fanhaus-Baustelle, werden kostenfreie Bürger:innentests angeboten. Auch Drive-In Testungen sind möglich. Eine Anmeldung vorab wird nicht benötigt. Nach rund 15 Minuten erhält man das Testergebnis digital oder, auf Wunsch, in Papierform. Auch PCR-Tests sind für einen Preis von 100 Euro möglich.
→ Zeit
DFL: Quarantäne-Trainingslage für 1. und 2. Bundesliga
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) beschließt Quarantäne-Trainingslager für Vereine der 1. und 2. Fußballbundesliga. Ab dem 12. Mai isolieren sich alle Spieler und Betreuer:innen der 36 Profivereine. Damit folgt die DFL einer Empfehlung der Task Force “Sportmedizin/Sonderspielbetrieb”. Bereits ab dem dritten Mai werden die Spieler und Betreuer:innen, abseits des Trainingsgeländes, nur mit Personen des eigenen Haushalts Kontakt haben.
Mit diesen Maßnahmen soll der Spielbetrieb bis zum 23. Mai sichergestellt werden. Nachholspiele in den Juni zu verlegen ist aufgrund der anstehenden Fußball Europameisterschaft nicht möglich. Am 15. April musste die Mannschaft des Bundesligisten Hertha BSC aufgrund positiver Tests bei Spielern und Betreuer:innen in zweiwöchige Quarantäne.
→ Sportschau
Corona in Zahlen
In Deutschland sind 3.773.875 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 03.08.2021 00:00 Uhr, Quelle: RKI), das sind 1.766 Personen mehr als am Tag zuvor.
Warum diese Zahlen? Wir zitieren hier die offiziellen Zahlen des RKI, diese werden einmal täglich – immer um Mitternacht – vom RKI aktualisiert und um 10 Uhr morgens online veröffentlicht. Und warum gibt es hier nicht mehr davon? Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz.
Gesundheitsticker: 180.561.655 Menschen sind weltweit wieder genesen, das sind 456.134 Personen mehr als gestern Früh. Davon 3.659.900 in Deutschland (Stand: 04.08.2021 05:27 Uhr, Quelle: Worldometers).
Von Mensch zu Mensch
Monsterparty
Was genau ist eigentlich Schuld, meine Schuld im Besonderen und wann mache ich meine Schuld zu der der anderen, obwohl weder das eine oder andere richtig ist, weil es manchmal einfach äußere Umstände, oder nennen wir es „Das Leben“ ist, was unsere Pläne durchkreuzt.
Die Schuld ist ein kleines fieses Monster und hat gerne ein paar Gesell:innen im Gepäck, wie zum Beispiel das schlechte Gewissen und die Furcht vor Fehlern. Schuld und schlechtes Gewissen gehen gerne Hand in Hand. Die Furcht vor Fehlern ist eventuell ein wenig leiser, aber deswegen nicht weniger gewaltig. Wissen wir doch, dass Fehler weitere Schuldmonster mitbringen.
Aber was ist denn eigentlich meine Schuld? Dass ich ein wenig chaotisch bin, auch wenn ich mich stets und stetig bemühe, Ordnung ins Chaos zu bringen? Häufig vergesse ich zum Beispiel Geburtstage und gratuliere, reumütig, zwei Tage zu spät. Klar, das ist dann meine Schuld. Aber die Grundlage dessen, dass ich mal wieder einen Geburtstag verpeilt habe, das bin halt ich, das ist meine chaotische Art. Aber trage ich daran Schuld? Nein, ich bin nicht schuldig, dass ich bin wie ich bin, so bin ich nun mal. Damit möchte ich mich nicht rausreden oder beschönigen. Und dass bedeutet auch nicht, das man nicht an sich arbeiten kann und sollte und sein eigenes Wesen nicht reflektieren sollte. Ganz im Gegenteil.
Aber wenn man sich für sein eigenes Selbst, für sein Sein, wie man ist, die volle Schuld gibt, dann führt das schnell dazu, dass die kleinen fiesen Schuldmonster im Inneren eine wilde Party schmeißen, mit oben genannten Gesell*innen als Gäste und sie bringen wahrscheinlich noch weitere mit sich. Dann dreht die Schuld die Musik auf Anschlag und pogt mit der Partymeute durch das eigene Innere und macht ordentlich Randale. Ein Reflektieren über die Schuld und das, was man verbockt hat, wird so unmöglich. Und zu später Stunde wird die Partytruppe hungrig, reißt den inneren Kühlschrank auf und zerfrisst gierig das Innerste. Dann gibt man sich selbst entweder der Schuld hin und lässt sie sinnlos, gierig walten. Oder man bittet erfolglos die Partygäste um Ruhe, versucht verzweifelt hier und dort Müll weg zu räumen und Verschüttetes aufzuwischen um wieder Herr:Frau der Lage zu werden. Vergeblich, die Gäste machen sich einen Spaß daraus, noch weiteres Chaos zu verbreiten und man selbst wird zunehmend müde, zermürbt von der Truppe.
Falls die Gäste nicht freiwillig müde und ruhiger werden oder gar gehen, klopfen Polizei oder Ordnungsamt in Form körperlicher oder psychischer Symptome an, fordern Ruhe, ein Ende der Party und ziehen den Stecker. Doch nur, weil die Musik verstummt, verschwinden nicht automatisch die unliebsamen Gäste. Vielmehr fröhnen sie sich an dem Chaos und der Zerstörung, die sie angerichtet haben, klopfen sich gegenseitig auf die Schulter. Und während die Tür für die Ordnungshüter auf stand, schlichen leise weitere Schuldmonster ins Innerste, weil man sich selbst die Schuld an der Eskalation und den Folgen gibt.
Um nun das Chaos wieder zu ordnen, Zerbrochenes zu reparieren und die Gäste zu vertreiben, bedarf es Hilfe von außen; ist man selbst doch schon viel zu müde und zu überwältigt. Doch wer lässt schon gerne wen in die Bude, wenn diese derart runter gerockt ist? Aber es nützt nichts, es bedarf Hilfe um die Gäste raus zu kehren und die Wohnung wieder bewohnbar zu machen.
Aber wie lässt sich diese Party verhindern? Vielleicht stand ja sogar ein freundlicher Türsteher an der Eingangstüre und versuchte die Monster mit einem „Es ist nicht deine Schuld“ abzuweisen, wurde aber rüde von ihnen überrannt, weil sie ihn nicht hören und wahrnehmen wollten.
Ich glaube, wenn man gelernt hat, sein eigenes Wesen, wie im Beispiel oben genannt Chaos und Verpeiltheit, zu akzeptieren, dann ist es ein gutes Instrument um den Monsterpartyexpress zu verhindern. Dann treffen sich Schuld, schlechtes Gewissen und Furcht vor Fehlern und wie sie alle heißen, vielleicht nur zu einem kurzen, konstruktiven Plausch bei Kaffee und Kuchen. Dann haben wir die Möglichkeit danach weiter zu machen, uns zu entschuldigen und daran zu arbeiten, Fehler zu minimieren.
Und die Freund:innen, deren Geburtstag ich mal wieder vergessen habe, ärgert es vielleicht. Vielleicht ist sie:er enttäuscht, wenn sie:er abends ins Bett geht und bis dahin immer noch keine Nachricht, keine Post oder Anruf von mir erhalten hat. Aber wenn ich mich zwei Tage später melde, mich aufrichtig entschuldige, dann wird sie:er mir (hoffentlich) verzeihen. Kennt sie:er mich doch all zu gut. Und dann werden wir darüber lachen und unsere eigene Party der guten Laune, Freundschaft und Liebe schmeißen. Und diese Gesellschaft kann zwar auch wild feiern, aber meistens ohne zerstörerische Eskalation und Einschreiten der Polizei. Und am Ende wird gemeinsam aufgeräumt und abgewaschen.
Und bevor wir wieder mal versuchen, die Schuld bei anderen zu suchen, sie anderen in die Schuhe zu schieben, können wir einmal kurz innehalten und überlegen, ob wir dem anderen diese Truppe zumuten wollen und können. Und ob dies überhaupt gerechtfertigt ist. Und ob bei ihr:ihm nicht längst eine Monsterparty steigt. Denn egal wie laut diese Party im Innersten ist, meistens ist dieses gut schallisoliert und von Außenstehenden kaum wahrzunehmen. Statt ihr:ihm noch mehr Monster auf den Weg zu schicken, könnten wir statt dessen Hilfe beim Aufräumen anbieten. Denn jeder, der schon Partys gefeiert hat, weiß, wie einen auch das gemeinsame Aufräumen zusammen bringt und man sich (noch) besser kennenlernt.
Das alte Paar
Während ich diesen Beitrag schreibe, rast mein Herz, Gedanken überschlagen sich, mein Kopf ist voll und gleichzeitig leer, denn als ich für den Themenvorschlag Schuld stimmte und dieser nun Wochenthema wurde, wusste ich, es ist emotional und es wird ein sehr persönlicher Beitrag, denn der Begriff Schuld begleitet mich, seit ich denken kann.
Für mich ist Schuld eng verbunden mit schlechtem Gewissen, ein altes Paar, welches sich in meinem Inneren, wie man so schön sagt: gesucht und gefunden hat. Die Beziehung der beiden hatte in mir viel Raum, um zu wachsen. Moralische Glaubenssätze haben sich mit ihnen zu einem Netzwerk verwoben.
Eine Sache fällt mir gleich dazu ein: ich darf niemals lügen. Lügen ist schlimm, Lügen ist schlecht und wenn du lügst, dann musst du dafür büßen und wirst dafür bestraft. Ich darf also nicht lügen, komme was wolle und wenn ich es doch tue, dann hab ich zu leiden, dann werde ich bestraft, dann trage ich die Schuld und mein schlechtes Gewissen soll mich erdrücken. Es ist noch heute so, dass sich, bei einer noch so kleinen harmlosen, niemanden schadenden Lüge, gleich mein schlechtes Gewissen laut zu Wort meldet und mir mitteilt, was für ein schlechter Mensch ich bin und dass ich dafür zu büßen habe. Es ist noch nicht so lange her, da habe ich gelernt, dass es auch mal okay ist, Sachen für sich zu behalten, oder auch mal zu lügen, wenn es sinnvoll und von großer Bedeutung für einen selbst sein kann und man natürlich anderen dadurch keinen Schaden zufügt, sogar manchmal erspart. Man ist nicht dazu verpflichtet, sich immer und jedem komplett zu offenbaren, keine Geheimnisse für sich zu haben und auch mal das ein oder andere Mal entgegen der erlernten Moral, oder besser gesagt des schlechten Gewissens, zu handeln.
Mich allein mit diesem Gedanken zu befassen, setzt mich schon unter enormen Druck und Stress, weil ich sofort dachte, das ist falsch, es ist nicht richtig und obwohl ich es so gerne will, weiß ich nicht ob ich es schaffe, gegen das schlechte Gewissen zu halten und mich durchzusetzen, denn ich, die erwachsene Person, treffe die Entscheidungen, nicht mein vermitteltes, vererbtes, erlerntes schlechtes Gewissen. Das soll nicht falsch verstanden werden, ich möchte niemanden dazu animieren ständig und überall zu seinem Vorteil zu lügen und das große Ganze nicht zu berücksichtigen, ich möchte lediglich aus meiner Perspektive meinen Standpunkt erläutern, der für mich mit Schuld und schlechtem Gewissen in Verbindung steht und von dem ich mich zu lösen versuche.
Oftmals habe ich das Gefühl der Schuld in mir, obwohl ich objektiv betrachtet gar keine Schuld trage. Doch durch meine Erziehung, durch das was ich gelernt habe, sind Schuld und seine Partnerin das schlechte Gewissen sehr dominant in mir vertreten. So fühle ich mich manchmal schuldig dafür, dass ich glücklich bin, das vielleicht mal alles gut so ist, wie es ist. Gleichzeitig meldet sich dann eine Instanz in mir, die mir zeigen möchte, das darfst du eigentlich nicht erleben und du suchst jetzt bitte in deiner Biografie nach möglichen Fehlern die dir passiert sind, damit du dich gefälligst wieder schlecht fühlst. Fühle ich mich dann wirklich wieder schlechter, mache ich mir wieder Gedanken und stelle Dinge in Frage, dann lehnt sich das alte Paar in mir mit verschränkten Armen zufrieden zurück und entspannt sich. Denn es hat wieder gewonnen.
Ein weiterer Grundsatz, den ich in mir trage, ist: Ich bin so, wie ich bin, nicht okay. Ich bin eigentlich lauter, rebellischer, wilder, unangepasster und freier in meiner Meinung und meinem Denken, als ich es manchmal zum Vorschein bringe. Ich habe früh und konstant gelernt, dass das eine Last für manche Menschen sein kann. Dass ich dadurch, wie ich war bzw. bin, die Schuld dafür trage, dass es anderen um mich herum vielleicht nicht gut geht. Ich bin die Erklärung für das Leid, ich bin so, wie ich bin, also nicht okay. Ich also trage dafür Sorge und Verantwortung, dass es den Menschen in meinem Umfeld gut geht. Ich war Schuld daran, wenn ein Ausflug am Sonntag vielleicht nicht so ruhig wie gewünscht verlief und das wurde nicht nur mir, sondern auch meinem Umfeld vermittelt. Ich war Schuld daran, wenn andere mit mir und meiner lebhaften Art überfordert waren. Ich war Schuld daran, wenn Menschen um mich herum erkrankten. Das ist nicht nur ein Gefühl, was ich als Kind und Jugendliche bemerkte, es wurde mir auch klar und deutlich kommuniziert. Sätze die ich nie vergessen werde und die mir Angst machten, denn ich wollte natürlich nicht die Schuld dafür tragen, dass etwas zerbricht, das jemand in meinem geliebten Umfeld zerbricht, zerbricht an mir und wie ich bin.
Ich lernte also, meine eigenen Bedürfnisse zu ignorieren, zu unterdrücken, um es den wichtigen Menschen um mich herum leichter zu machen, ich wollte mich nicht länger schuldig dafür fühlen, dass es anderen schlecht geht. Ein Beziehungsmuster welches ich bis heute in mir trage. Die Angst, dass man mich, so wie ich bin, nicht mag, und nicht nur das - sondern dass ich so, wie ich bin, eine Last für andere darstelle. Dieser Glaube ist so tief in mir verankert, dass ich es jetzt noch ab und zu glaube, weil es oft ein unbewusstes automatisches Muster ist, welches im Hintergrund abläuft und mein Denken und Handeln beeinflusst. Heute noch denke ich manchmal: du hast kein Recht, jetzt deine Meinung zu sagen, das zu sagen was dich belastet, deine Ängste und Sorgen, Wünsche und Bedürfnisse zu äußern, denn damit belastet du nur die Menschen die du liebst und dann trägst du allein die Schuld dafür, dass es ihnen schlecht geht oder das etwas zerbricht. Mein schlechtes Gewissen steht mit erhoben Zeigefinger hinter der Schuld und redet mir genau das ein.
Doch ich habe erkannt, das entspricht nicht der Wahrheit. Ein Abgleich von Realität und konstruierter Wahrheit kann helfen, das zu erkennen und sich und die Umwelt zu reflektieren.
Die Angst, diese Schuld zu tragen, ist noch immer groß, doch in meinem Lernprozess stelle ich mein schlechtes Gewissen immer mehr in die Ecke, sage ihm dass es ein Ersatzgefühl ist und keine Berechtigung hat mir mein Leben zu diktieren, zeige dass ich die Verantwortung dafür trage, dass es mir gut geht und dass das jede Person, mehr oder weniger, auch für sich tun sollte und das nicht meine Aufgabe ist. Ich nehme das kleine Kind in mir an die Hand und sage ihm, dass es nicht die Schuld trägt, wenn es anderen nicht gut geht und es diese Last auch nicht tragen muss.
Ich gehe in die Knie, um sie abzusetzen und trenne mich von dem alten Paar, denn wir sind keinen einvernehmlichen Verbund eingegangen und es ist Zeit, meine Entscheidungen, mein Handeln, Denken und Erleben unabhängig der zwei Alten, der Schuld und dem schlechten Gewissen, zu treffen.
Von der Angst vor der Hilflosigkeit
Ich habe mehrere Jahre in der Straffälligenhilfe gearbeitet. In diesem Bereich ist der Begriff „Schuld“ wahnsinnig stark vorbelastet. Ob jemand schuldfähig oder schuldunfähig ist, entscheidet nicht nur über Verurteilung oder Freispruch, sondern möglicherweise auch über eine Haftstrafe oder eine psychiatrische Unterbringung. Der Begriff von Schuld wird dabei zumeist mit dem Begriff der Verantwortlichkeit verbunden. War der:die Täter:in zum Zeitpunkt der Tat in der Lage, die Situation vollständig zu überblicken und einzuschätzen? War diese Einschätzung aufgrund mentaler Einschränkungen oder äußerer Einflüsse getrübt? Wie wirkt sich dies auf eine mögliche Verurteilung und das Strafmaß aus?
In dieser Zeit habe ich mir mehr als einmal die Frage gestellt, was es für die Opfer der Tat eigentlich bedeuten mag, dass der:die Täter:in als nicht schuldfähig eingestuft wurde. Ihre individuellen Folgen bleiben doch dieselben - egal, wie die Einschätzung über die Schuldfähigkeit ausfällt. Und was bedeutet es für sie, wenn der:die Täter:in für schuldig befunden wurde und seine:ihre Strafe „abgesessen“ hat? Hat er:sie dann auch seine:ihre Schuld an der Tat beglichen?
Unabhängig von meiner beruflichen Situation habe ich zum Begriff der Schuld auch noch einen sehr persönlichen Bezug. Vor einigen Wochen habe ich hier an dieser Stelle darüber geschrieben, dass ich einen Übergriff er- und überlebt habe. Das Gefühl von Schuld - oder vielmehr die Fragen, die dieser Begriff in mir aufwarf - begleiten mich zum Teil noch bis heute. Rein objektiv könnte ich sicherlich sagen, dass die Schuld für den Übergriff einzig und allein bei meinem Gegenüber lag. Ich selbst war schließlich das „Opfer“ dieser Situation. Klingt ziemlich simpel. Zu simpel. So einfach ist es nämlich längst nicht.
Ich habe die Schuld jedenfalls nicht bei meinem Gegenüber gesucht. Stattdessen habe ich mein eigenes Verhalten, jedes Gespräch, jede Bewegung - alles, was vor dem Übergriff stattfand - immer und immer wieder in meinem Kopf durchgespielt. Ich habe jedem kleinsten Detail eine Schuld für das Geschehene zugeschrieben. Vielleicht habe ich in diesem einen Moment zu lange Blickkontakt gehalten, vielleicht hat es falsche Signale ausgesendet, dass ich die Hand auf die Schulter meines Gegenübers gelegt habe, vielleicht habe ich einmal zu oft über seine Witze gelacht… Immer wieder untersuchte ich jedes noch so kleine Detail auf einen Hauch von Schuld. Auf einen Hauch von Verantwortlichkeit.
Und auch wenn ich das mittlerweile reflektieren kann - es gibt einen Grund, weshalb ich bis heute keine Anzeige erstattet habe. Ich schäme mich. Immer noch. Und ich schäme mich deshalb, weil in mir immer noch das Gefühl wohnt, dafür verantwortlich zu sein, was passiert ist. Dass ich Schuld an dem Ganzen trage. Dass ich etwas hätte tun können und müssen, was es verhindert hätte. Und dass ich nun als Konsequenz dessen meine eigene Schuld tragen und mit ihr leben muss. Ich dachte lange, dass ich nie wieder in der Lage wäre, einem anderen Menschen zu vertrauen. Einen Menschen in mein Leben und meine Seele zu lassen. Dass das nun einfach eine Strafe dafür wäre, dass ich mich nicht erfolgreich zur Wehr gesetzt habe.
Mein Gefühl kommt nicht von ungefähr. Und ich bin nicht die Einzige, die so empfindet. Aber der Übergriff ist Jahre her, lange bevor sexualisierte Gewalt in der Öffentlichkeit wirklich thematisiert wurde. Lange vor der #metoo-Kampagne (und selbst dem Vorgänger #aufschrei). Lange bevor öffentliche Personen darüber sprachen, was sie erleben mussten und für mich sichtbar wurde, dass ich nicht allein mit meinen Erfahrungen bin. Und allein die Tatsache, dass Vergewaltigungsopfern auch heute noch die Frage danach gestellt wird, was sie zum Zeitpunkt der Tat für Kleidung trugen, spricht eigentlich Bände darüber, an welcher Stelle gesellschaftlich immer noch nach Schuld gesucht wird. Nach Verantwortlichkeit. So als wollten die Personen, denen von einem Übergriff berichtet wird, nicht mit dem Schmerz und der Verzweiflung der Betroffenen konfrontiert werden. So als wäre es für sie einfacher, wenn sie den Betroffenen zumindest eine Mitschuld zuschreiben können, wenn er:sie sich nur aufreizend genug gekleidet hatte. Weil er:sie es ja dann wohl selbst herausgefordert hat.
Meine sehr einseitige Suche nach Schuld hat allerdings auch noch einen anderen Ursprung. Es fällt mir bis heute schwer zu akzeptieren, dass mir die Kontrolle über eine Situation und über mich entrissen wurde und ich nicht in der Lage war, etwas dagegen zu tun. Mit meiner Suche nach Schuld, nach Verantwortlichkeit, versuche ich eigentlich nur krampfhaft etwas zu finden, was ich „falsch“ gemacht haben könnte. Um zu verhindern, dass ich noch einmal in eine solche Lage gerate. Ich suche nach Anhaltspunkten in meinem Verhalten, die den Übergriff ausgelöst haben, um für mich eine (Illusion der) Sicherheit darüber herzustellen, dass ich die Kontrolle behalten kann. Dass ich es selbst aktiv verhindern kann, jemals wieder Opfer eines Übergriffs zu werden. Denn allein der Gedanke daran, dass es vollkommen egal war, wie lange der Blickkontakt war, ob meine Hand auf seiner Schulter lag oder wie oft ich gelacht habe - allein der Gedanke daran, dass ich das Geschehene nicht hätte verhindern können, lässt mir die Angst in alle Glieder fahren und meinen Magen verkrampfen. Ich ertrage dieses Gefühl der Hilflosigkeit nicht. Also schiebe ich es weg - und suche weiter nach Schuld. Nach Verantwortlichkeit.
Bis ich - vielleicht - irgendwann in der Lage sein werde, die Schuld einzig und allein bei meinem Gegenüber zu suchen (und zu finden), liegt noch ein ziemlich langer Weg vor mir. Es ist kein Weg, auf den ich mich freue. Aber ich möchte ihn trotzdem gehen, um irgendwann meine eigenen Schuldgefühle ablegen zu können. Ich möchte irgendwann sagen können, dass die Verantwortung nicht bei mir lag - und es auch so meinen. Also kämpfe ich mich durch den Weg und schiebe jeden Ast, der in mein Gesicht prallt, weg. Weil ich es mir zumindest niemals vorwerfen möchte, schuld daran zu sein, es nicht einmal versucht zu haben. Weil ich die Verantwortung irgendwann final abgeben möchte. Weil ich schon genug negative Gefühle in mir trage und deshalb all diejenigen, die mir eigentlich gar nicht gehören, zurück an den Absender schicken möchte. Falsch zugestellt. Einmal Retoure bitte, Dankeschön. Erneute Annahme verweigert.
Tipps der Woche
Wo hört die Schuld auf, wo beginnt die Moral?
Heute haben wir gleich mal einen doppelten Tipp für euch vorbereitet - nämlich sowohl einen Buch-, als auch einen Serientipp: “Schuld” nach Vorlage von Ferdinand von Schirach erzählt mit in sich geschlossenen Geschichten von Fällen und Mandant:innen des Strafverteidigers Friedrich Kronberg. Dabei stehen immer wieder die folgenden Fragen im Mittelpunkt: Wer oder was trägt in diesem Fall die Schuld? Kann diese Frage überhaupt so pauschal beantwortet werden oder muss nach der Schuld vielleicht ganz woanders gesucht werden? Was bedeutet für uns Moral? Welches Verbrechen wäre für uns vielleicht sogar verständlich oder nachvollziehbar?
Die Serie umfasst drei Staffeln und orientiert sich dabei an der literarischen Vorlage von Ferdinand von Schirach. Am Ende jeder Folge bleibt es uns als Zuschauer:innen dann selbst überlassen, einzuordnen, wo wir in diesem Fall nach Schuld suchen würden.
Jede Folge der Serie endet mit diesem Epilog:
“Die Schuld eines Menschen ist schwer zu wiegen. Wir streben unser Leben lang nach Glück. Manchmal verlieren wir uns und die Dinge gehen schief. Dann trennt uns nur noch das Recht vom Chaos. Eine dünne Schicht aus Eis, darunter ist es kalt und man stirbt schnell.”
Ihr seid neugierig geworden und wollt mal reinschauen? Die Serie findet ihr sowohl beim Streaminganbieter Netflix als auch kostenfrei in der Mediathek des ZDF. Viel Spaß!
→ “Schuld” in der ZDF Mediathek
Tipps, um Schuldgefühle loszulassen
Schuldgefühle kennen wir schon seit unserer Kindheit. Zweck von ihnen war, dass wir lernen: wir haben eine Regel gebrochen. Als Erwachsene:r können Schuldgefühle auch unverhältnismäßig stark sein und dazu führen, dass wir gedanklich in diesem Gefühl „festhängen“ und nicht mehr fähig sind, konstruktiv damit umzugehen. Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin Dr. Doris Wolf hat in zwei Artikeln zum Thema Tipps gesammelt, um Selbstvorwürfe und Schuldgefühle abzubauen. Sie empfiehlt vor allem, die Verantwortung zu übernehmen, aber die eigene Person von der Handlung zu trennen. Und dass wir uns mit unseren Schwächen akzeptieren und eine Perspektivwechsel vollziehen. Wie wichtig ist dieser Fehler wohl in fünf Jahren? Wie viel Verantwortung trage ich dafür wirklich? Sehr wohltuend!
→ PAL Psychotipps (Ursachen, Folgen und Tipps)
→ PAL Psychotipps (Weitere Tipps, Perspektivwechsel)
Situation rekonstruieren, Selbstbild stärken
Auch im digitalen Bildungsmagazin lernen.net finden sich Tipps und Analysemöglichkeiten bei übermäßigen Schuldgefühlen, die als „hochkomplexe Gefühlserlebnisse“ beschrieben werden. Schuldgefühle haben körperliche und seelische Folgen und können sich auch als Symptom einer Depression oder Angsterkrankung zeigen. Auch hier wird eine Fragenliste genannt, um objektiv einschätzen zu können, ob Schuldgefühle berechtigt sind („Hattest Du eine Wahlmöglichkeit?“, „Oblag Dir Verantwortung für eine andere Person?“, „Hast Du jemanden willentlich körperlich oder seelisch verletzt?“ usw.). Weitere Tipps sind hier, das Selbstbild zu stärken und Entspannungsübungen zu machen, aber auch, sich professionelle Hilfe zu holen, etwa im Rahmen einer Psychotherapie.
→ Lernen.net
Dies und Das
Eine Playlist zur Schuld
Auch hier wieder unsere wöchentliche Playlist. Diesmal mit Songs, die einem auch mal helfen die Perspektive zu wechseln und die Schuld nicht nur bei sich (oder anderen) zu suchen, sondern sie auch mal loszulassen.
→ Die Ärzte - “Deine Schuld”
→ Ayliva - “Deine Schuld”
→ Marianne Faithful - “Guilt”
→ Skunk Anansie - “Because of you”
→ Fanta 4 - “Gebt uns ruhig die Schuld”
→ Bosse - “Familienfest”
→ Halsey - “You should be sad”
→ Farin Urlaub - “Ok”
→ Kelly Clarkson - “Because of you”
Alle Freiheit
Ich, Nils, habe noch einen Nachtrag zum Thema “Freiheit und Corona”. Der Text ist bei einem Schreibworkshop entstanden und handelt darüber, was für verschiedene Freiheiten man haben oder auch nicht haben kann. Nach dem Workshop habe ich den Text für eine offene Bühne im Videoformat vorgetragen (Dauer des Texts: ca. 6 Minuten).
→ Video "Alle Freiheit" bei der Kunstbude Kassel
Eine sonnige und entspannte Woche wünscht Euch das gesamte Team von angstfrei.news
Kleine Erinnerung
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