Zuhören | 17. April 2021
Liebe Leser:innen,
Gute Beziehungen basieren auf der Kunst des Zuhörens. Durch echtes Zuhören entsteht eine zwischenmenschliche Bindung, denn jeder Mensch möchte gehört und verstanden werden. Es ist eine Grundvoraussetzung für eine offene und lösungsorientierte Verständigung.
Jedoch fehlen immer öfter Zeit und Präsenz. Wissen wir eigentlich noch, wie kostbar Worte sind? Aufgrund der technischen Möglichkeiten findet die moderne Kommunikation immer häufiger über eine räumliche Distanz statt. Und die gemeinsame Zeit wird stets knapper.
Wenn eine Person mit dir spricht, erwartet sie, dass du aufmerksam bist. Dein Gegenüber möchte, dass du deine Sorgen für einen Moment beiseite legst, damit du dich auf seine Geschichte konzentrieren kannst. In diesem Moment verlangt dein Gesprächspartner, dass du ihm bewusst zuhörst.
Doch was genau ist das eigentlich – Zuhören? Konzentriertes Zuhören scheint schwieriger zu sein, als gedacht. Denn viel zu oft sind wir noch nebenbei mit anderen Dingen beschäftigt, anstatt in die Geschichte einzutauchen, die unser Gesprächspartner erzählt. Wenn man spürt, dass einem im Moment die Ruhe fehlt, um zuzuhören, sollte man das sagen und anbieten, sich später Zeit zu nehmen. Der andere wird es nämlich bemerken, wenn man nur halbherzig zuhört. Und schließlich möchte man niemanden kränken, gerade wenn dieser etwas Wichtiges zu erzählen hat. Denn Respekt fängt beim Zuhören an.
Oftmals ist das größte Kommunikationsproblem, dass wir nicht zuhören, um zu verstehen - wir hören, um zu antworten. Denn die Kunst im Zuhören besteht darin, das Gesagte zu fühlen und das Ungesagte zu spüren.
Diese Ausgabe hält einige Überraschungen bereit. U.a. dürft ihr euch auf einen Gastbeitrag der liebenswerten Clara Louise freuen. Als ich ihren Text gelesen hatte, dachte ich im ersten Moment “wow, so eine aufmerksame Zuhörerin bereichert jeden Freundeskreis”. Und im selben Moment dachte ich: “Liebe Clara Louise, ich wünsche mir sehr, dass du irgendwann das Vertrauen findest, damit du nicht nur die Seite des Zuhörens kennst, sondern auch die wohltuende Seite des Redens entdeckst“. Ihre rührende Geschichte findet ihr in unseren “Mensch zu Mensch”-Beiträgen. Wie auch der Artikel von Anne. Sie zeigt uns aus ihrer Sicht, wie die heutige Kommunikation funktioniert. Und ich kann ihr nur beipflichten. Ihr auch? Zuhören gehört zu den Stärken von Laura. Auch ihre „Angst“ hatte einiges zu sagen. Fand sie bei Laura Gehör, oder stieß ihre Angst auf taube Ohren? Unsere zweite Anne aus der Redaktion, schätzt ihren wunderbaren Freundeskreis. Um diesen nicht zu überstrapazieren, hat sie andere Ausweichmöglichkeiten des Zuhörens gefunden…
Im Schwarzbrot hat Tim erneut spannende Themen zusammengefasst. Diesmal geht es um die Außenwahrnehmung von AstraZeneca. Welche Empfehlungen der Impfkommission haben sich in den letzten drei Monaten verändert? Welche Regeln gelten in Deutschland? Und wie kam es dazu?
Auch in unserem Nachrichtenteil geht es mit dem Thema Impfen spannend weiter. Johnson & Johnson ist erneut auf dem Prüfstand. Außerdem gibt Virologe Christian Drosten ein Statement zum Thema Infektionsschutzgesetz ab.
In unserem Sportteil fordert die SPD einen kontaktlosen Sport für Kinder im Freien.
Und wenn ihr noch den ein oder anderen Tipp braucht, dann lasst euch von der Lebensberaterin Ingrid Gerstbach inspirieren. Außerdem haben wir ausgewählte Podcasts zusammengestellt. Darunter erzählt Katharina von ihrem persönlichen Nachtspaziergang. Auch mit unseren Hörbüchern geht es entspannt und relaxt weiter. Und wer es etwas wilder und rockiger mag, der hört sich die Playlist mit den Lieblingsliedern unserer Redaktionsmitglieder an.
Wir bedanken uns noch einmal ganz herzlich bei Clara Louise, dass wir an ihrer Gedankenwelt teilhaben durften.
Nun wünsche ich euch ein wunderschönes Wochenende mit einem sonnigen Plätzchen für ein entspanntes Stöbern
Tina und das Team von angstfrei.news
Wenn ihr Zeit, Lust und Interesse habt, auch mal in unserer Redaktion mitzumischen, dann schreibt uns gerne eine Nachricht auf Instagram oder schreibt uns eine kurze E-Mail an angstfrei.news@gmail.com.
Ganz wichtig: Was meint ihr zum neuen Konzept und zu dieser Ausgabe? Bitte gebt uns ein kurzes Feedback - das wäre hilfreich und sehr nett.
Übrigens nehmen wir unser Motto ernst: Angst hat eine Stimme - Deine. Wir sind ein Team von Freiwilligen und schreiben über unsere Angst-, Lebens- und Alltagserfahrungen, ohne ein Richtig oder Falsch, oft mit Verstand und immer mit Herz. Wir freuen uns über dich in unserem Team. Trau dich einfach und schreib uns eine Mail an angstfrei.news@gmail.com, oder über Instagram.
Die gute Nachricht der Woche
Deutscher Impfrekord: Fast 740.000 Impfungen an einem Tag
Mit fast 740.000 Impfungen an einem Tag wurde diese Woche eine neuer Impfrekord aufgestellt. Demnach erhielten am Mittwoch (15.04.) noch einmal 170.000 mehr Menschen als am Vortag ein Vakzin von Biontech, Moderna oder AstraZeneca. In Bremen und im Saarland haben bereits über 20 % der Menschen mindestens eine Impfung erhalten. Zwei Gründe seien ausschlaggebend für die Beschleunigung der Impfkampagne: Zum einen werden seit dem 6. April auch Impfungen von niedergelassenen Ärzten durchgeführt, zum anderen werden fast keine Impfdosen mehr zurückgehalten.
Mit durchschnittlich 0,6 verabreichten Impfdosen pro 100 Einwohner:innen pro Tag ist Deutschland mittlerweile in Sachen Impfquote unter den Top 5 in der EU angekommen. Zum Vergleich: Am 6. April, also am ersten Tag der Impfungen in den niedergelassenen Praxen, befand sich Deutschland im EU-Vergleich noch jenseits der Top 20. Entgegen der Richtlinie der EU-Arzneimittelbehörde EMA verimpft Spitzenreiter Ungarn auch Vakzine aus China und Russland.
Schwarzbrot: AstraZeneca - Not all publicity is good publicity
In dieser Rubrik möchten wir etwas tiefer in die Nachrichtenlage der Woche einsteigen. Mal eher hintergründig, mal eher serviceorientiert recherchieren wir für euch selbst, statt wie im darunter folgenden Nachrichtenblock Nachrichten auszuwählen und in eine angstfreie Sprache zu übersetzen. Wir hoffen, es mundet euch.
Die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (StIKo) zum AstraZeneca-Impfstoff haben sich in den vergangenen drei Monaten deutlich verändert, wohingegen die Europäische Arneimittelbehörde (EMA) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre grundsätzliche Einschätzung beibehielten. Wie kam es zu den Veränderungen? Welche Risiken birgt der Impfstoff für wen? Und warum sollte ich diesen Impfstoff dennoch annehmen, wenn auch andere zur Wahl stehen?
Was gilt jetzt in Deutschland?
Seit dem 1. April empfiehlt die StIKo den Impfstoff von AstraZeneca nur noch Personen über 60 Jahren zu geben. Menschen unter 60, die bereits eine erste Impfung mit AstraZeneca erhalten haben, sollen ihre zweite Impfung mit einem zugelassenem mRNA-Impfstoff (also aktuell von BioNTech oder Moderna) durchführen. Zudem soll ein Abstand von zwölf Wochen zur ersten Impfung eingehalten werden. Für Menschen, die bereits beide Impfungen mit AstraZeneca oder andere Impfstoffe erhalten haben, ändert sich nichts.
Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Im zeitlichen Zusammenhang mit der AstraZeneca-Impfung gab es bei 2,7 Millionen Impfungen in Deutschland 31 Fälle von Blutgerinnseln im Gehirn, sogenannte Sinusvenenthrombosen. Diese treten normalerweise sehr selten (2-4 Fälle pro Jahr je 100.000 Menschen) auf, sodass auch schon 31 Fälle auffällig waren. Mitte März wurde die Impfung zunächst pausiert, Anfang April kam es dann zur oben beschriebenen Änderung der Empfehlungen.
Mittlerweile wurde insgesamt 46 Fälle festgestellt, vor allem bei jungen Frauen - fast alle Betroffenen waren unter 60 Jahre alt und Frauen. Ein kausaler Zusammenhang zur Impfung scheint wahrscheinlich. Das Risiko für Frauen unter 60, eine Sinusvenenthrombose zu bekommen, ist wohl erhöht. Für Frauen über 60 und Männer jeglichen Alters ließ sich keine Risikoerhöhung feststellen.
Übrigens wurden auch bei dem Impfstoff von BioNTech und Moderna sieben Sinusvenenthrombosen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gemeldet. Dies entspricht allerdings den erwarteten Zahlen, sodass hier vorerst nicht von einem erhöhten Risiko auszugehen ist.
Greifswalder Forscher:innen haben derweil einen möglichen Mechanismus gefunden, der die Gerinnsel auslösen könnte: Die durch die Impfung gebildeten Antikörper können bei einigen wenigen Menschen nicht nur SARS-CoV-2 attackieren, sondern passen auch an einen Rezeptor, der die Blutgerinnung beeinflusst. Etwas ähnliches kann auch bei der Gabe von Heparin, einem Blutverdünner, passieren - ist aber in beiden Fällen sehr selten.
Also doch lieber nicht impfen lassen?
Doch unbedingt. Denn COVID-19 kann neben vielen anderen schwerwiegenden Gesundheitsschäden bis zum Tod ebenfalls Sinusvenenthrombosen verursachen: Innerhalb von zwei Wochen (nicht verwechseln mit oben beschriebener Jahresinzidenz) nach einer COVID-19-Diagnose erkranken etwa 3,9 von 100.000 Menschen laut einer Studie der Uni Oxford. Bei bisher 3,4 Millionen durchgeführten AstraZeneca-Impfungen in Deutschland und 42 Sinusvenenthrombosen (1,2 je 100.000) ist also allein schon bezüglich dieses Symptom ein großer Vorteil für die Impfung festzustellen. Zudem werden die Gruppen (Menschen unter 60), bei denen diese Impfnebenwirkung auftrat, in Deutschland ja gar nicht mehr mit AstraZeneca geimpft.
Für über 60-Jährige gab es nie ein erhöhtes Risiko. Sie können weiter mit AstraZeneca geimpft werden. Entsprechend ließen sich auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und andere über 60-jährige Mitglieder der Bundesregierung mit AstraZeneca impfen.
Aber hatte die StIKo den Impfstoff anfangs nur für unter 65-Jährige empfohlen?
Das stimmt. Grund hierfür war, dass in der Zulassungsstudie von AstraZeneca aus Sicht der StIKo zu wenige Menschen über 65 beteiligt wurden (etwa acht Prozent), um die Daten für diese Altersgruppe beurteilen zu können. Diese Daten konnte der Hersteller nach dem Impfbeginn im Vereinigten Königreich nachreichen. Seitdem war der Impfstoff ohne Altersbeschränkungen empfohlen worden. Es gab nie Zweifel an der Wirksamkeit von AstraZeneca in irgendeiner zugelassenen Altersklasse.
Warum änderten EMA und WHO ihre Empfehlungen nicht?
Die EMA und die WHO empfehlen den Impfstoff von AstraZeneca weiterhin uneingeschränkt für alle Altersgruppen, weil die Risiken einer Erkrankung die Risiken der Impfung deutlich überwiegen würden. Die EMA scheint dabei die einzelnen Impfstoffe und nicht die Gesamtsituation zu betrachten.
Bei der Entscheidung der StIKo hingegen spielte laut StIKo-Mitglied Christian Bogdan auch die Verfügbarkeit von alternativen Impfstoffen (BioNTech und Moderna) in Deutschland sowie das geringere Krankheitsrisiko für jüngere Menschen im Verhältnis zu dem schlechteren Nebenwirkungsprofil eine Rolle. „Die Entscheidung der EMA kann man rechtfertigen. Die der StIKo aber auch“, sagte er.
Was machen andere Länder?
Die Reaktionen in den EU-Ländern und UK sind, wie die Fallzahlen der Sinusvenenthrombosen, unterschiedlich: UK hat sich entschieden, nur Menschen über 30 Jahren mit AstraZeneca zu impfen. Dänemark hingegen hat sich für einen vollständigen Stopp entschieden. Die verbleibenden Dosen möchten nun Litauen und Tschechien kaufen. Dänemark hat aber nicht ausgeschlossen, den Impfstoff später wieder zu benutzen. Norwegen wiederum hat noch keine finale Entscheidung getroffen. Spanien und Frankreich wählen einen ähnlichen Weg wie Deutschland und impfen alle über 55-Jährigen mit AstraZeneca.
Wiederholung: Wie funktioniert der Impfstoff von AstraZeneca?
AstraZeneca hat in Zusammenarbeit mit der Uni Oxford einen vektorbasierten Impfstoff entwickelt. Das ist ein relativ neues Konzept: Hier nutzt man ein ungefährliches Virus (im Fall von AstraZeneca ein ungefährliches Schnupfenvirus (Adenovirus)) als Vektor (also einen Transporter), um einen Teil der Erbsubstanz des eigentlichen Krankheitserregers (z.B. von SARS-CoV-2) in die Zellen des menschlichen Körpers zu bringen.
Anders als der BioNTech-Impfstoff muss der Vektor-Impfstoff aber in den Zellkern, um dort bestimmte Proteine des Zellkerns zu nutzen, sodass die DNA-Information in Messenger-RNA umgeschrieben werden kann. Aus der viralen Erbsubstanz werden dann einzelne Proteine des Krankheitserregers hergestellt. Diese Proteine erkennt unser Immunsystem als fremd und entwickelt dagegen Antikörper. Die Erbsubstanz des Virus wird schnell wieder abgebaut. (Langzeitrisiko bei Vektorimpfstoffen).
Neben AstraZeneca basiert auch der russische Impfstoff Sputnik V sowie Entwicklungen des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) sowie des chinesischen Unternehmens Cansino auf dem Konzept. Der 2014 entwickelte Ebola-Impfstoff funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Das Konzept ist nicht ganz so neu wie das der mRNA-Impfstoffe von BioNTech oder Moderna.
Warum ändert AstraZeneca den Namen des Impfstoffs?
Neben all den Verunsicherungen zu Nebenwirkungen wurde am 25. März bekannt, dass AstraZeneca den Namen des Impfstoffs bei der EMA zu “Vaxzevria” geändert hat. Dieser Prozess sei laut dem Pharmaunternehmen vor Monaten angestoßen worden. Dass es dazu diene, die Risiken und Nebenwirkungen des Impfstoffs zu vernebeln, hält SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach für abwegig. Tatsächlich wurde der offizielle Name “ChAdOx1” (Name des Adenovirus-Stamms, der als Vektor benutzt wurde) bzw. AZD1222 (Namen den AstraZeneca benutzte) ja eher selten in den Medien genutzt. Vermutlich wird auch weiter vom “AstraZeneca-Impfstoff” gesprochen werden.
Warum sollten sich über 60-Jährige auch dann mit AstraZeneca impfen lassen, wenn sie auch andere Impfstoffe wählen könnten?
Natürlich ist die Verunsicherung im Zusammenhang mit dem AstraZeneca-Impfstoff nachvollziehbar. In einigen Bundesländern können sich deshalb über 60-Jährige ihren Impfstoff aussuchen. Wenn allerdings kaum AstraZeneca-Impfstoff von der älteren Bevölkerung genutzt wird, steht entsprechend kaum mRNA-Impfstoff (BioNTech, Moderna) für die jüngere Bevölkerung zur Verfügung. Entsprechend länger könnte die Pandemie dauern. Mit Blick auf die massiven Einschränkungen, die auch weite Teile der unter 60-jährigen Bevölkerung zum Schutz der älteren Mitbürger:innen in Kauf genommen haben, könnten sich über 60-Jährige ermutigt fühlen, die wissenschaftlichen Fakten genauer zu betrachten und das Unsicherheitsgefühl damit zu überwinden.
Der Impfstoff von AstraZeneca ist wie die anderen in der EU zugelassenen Impfstoffe sicher, verträglich und wirksam - sonst wäre er nicht zugelassen worden. Auch eine verringerte Wirksamkeit gegen neue Varianten ist besser, als überhaupt kein Schutz. Die zur Verfügung stehenden Impfstoffe können zwar die individuelle Gefahr deutlich vermindern - es ist aber unklar, ob auch die Übertragung geringer ist. Deshalb gilt auch weiterhin: Maske auf, Hände waschen, Abstand halten, physische Kontakte reduzieren, Warn-App nutzen, solidarisch bleiben.
Dieser Artikel ist Teil der losen Reihe von Basisinformationen zur COVID-19-Pandemie.
Nachrichten
angstfrei.news ist gestartet als ein Projekt, das unaufgeregt die Neuigkeiten des Tages - jetzt der Woche - zusammenfasst. Ihr habt uns bestärkt, dass dieser Service wichtig ist, daher bleiben wir ihm treu für all jene, denen die Flut an Nachrichten zu viel wird. Deswegen fassen wir hier für euch die wichtigsten Entwicklungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie in der vergangenen Woche zusammen.
Inland
Diskussion ums Infektionsschutzgesetz
Das Bundeskabinett hat Änderungen des Infektionsschutzgesetzes beschlossen, welche nun im Bundestag und Bundesrat diskutiert werden. Mit diesen Änderungen sollen bundeseinheitliche Maßnahmen in Kraft treten, sollte in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt die Sieben-Tage-Inzidenz drei Tage in Folge über 100 liegen.
Zu den Maßnahmen zählen unter anderem Ausgangsbeschränkungen von 21 Uhr bis 5 Uhr morgens. Zur Versorgung von Tieren oder aufgrund der Berufsausübung darf man auch innerhalb dieses Zeitraums das Haus/die Wohnung verlassen. Private Zusammenkünfte werden für einen Haushalt und eine weitere Person, einschließlich angehörige Kinder bis 14 Jahren, gestattet. Große Teile des Einzelhandels müssen schließen, genauso wie Freizeit- und Kultureinrichtungen und in der Gastronomie dürfen nur Speisen und Getränke zur Mitnahme angeboten werden. Ausgenommen von den Schließungen sind, unter anderem, Lebensmittelgeschäfte sowie Geschäfte des medizinischen Bedarfs und des medizinischen Handwerks, Buchhandlungen und Blumenfachgeschäfte. Kontaktloser Sport, alleine oder mit einer Person eines anderen Haushaltes ist erlaubt, genauso wie Berufs- und Leistungssport.
Ab einer Inzidenz von 200 an drei aufeinanderfolgenden Tagen sollen die Schulen wieder vollständig in den Distanzunterricht gehen und Kindergärten nur einen Notbetrieb anbieten. Betriebe müssen ihren Angestellten, wenn sie nicht im Homeoffice sind, einen Corona-Schnelltest pro Woche anbieten. Eine Testpflicht für Beschäftigte gibt es jedoch nicht.
Teile der Oppositionsparteien kritisieren den Gesetzentwurf als zu weitreichend, die Grünen hingegen fordern eine strengere Testregelung am Arbeitsplatz und mehr Homeoffice.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) forderte die Bundesländer auf, nicht auf die Gesetzesverabschiedung zu warten, sondern selbständig zu handeln, um den Infektionszahlen entgegen zu wirken.
→ Spiegel
→ Tagesschau
→ Tagesschau
Drosten: Schnelltests sinnvoll, aber weniger zuverlässig, als gedacht
Antigen-Schnelltests sind wichtig, aber erst ab Tag eins nach Symptombeginn zuverlässig. Das sagte der Charité-Virologe im aktuellen NDR-Coronavirus-Update (Podcast). Damit weisen die Tests eine Infektion nur an fünf von acht möglichen infektiösen Tagen nach. Auf Basis dieses Wissens sei es gefährlich, sich bei Einlasskontrollen zu Veranstaltungen auf das Ergebnis eines Schnelltestes zu verlassen, so Drosten. Dem gegenüber befürwortet der Virologe den Einsatz der Tests an Schulen, sofern diese mindestens zweimal in der Woche stattfinden. "Selbst wenn bei einer Testung nicht alle Infektionen entdeckt werden, bei der nächsten Testung nach zwei oder drei Tagen werden die Infektionen dann nachgewiesen. In Clustern ist solch ein geringer zeitverzögerter Effekt kein Problem", erklärt Christian Drosten. Auch die Testpflicht am Arbeitsplatz befürwortet er, da dies ein wirksames Werkzeug sei. Wichtig sei in jedem Fall, dass bei einem positiven Testergebnis unverzüglich mit Isolationsmaßnahmen reagiert werde.
Die vergangene Woche beschlossene verbindliche Notbremse nennt Drosten sinnvoll aber nicht ausreichend. Insbesondere die Situation auf den Intensivstationen könne damit nicht entschärft werden. Hier brauche es zeitnah wirksamere Maßnahmen.
→ NDR (Bericht und Podcastfolge)
Viele Künstler:innen verlieren Krankenversicherung
Viele Künstler:innen verlieren ihre Kranken- und Pflegeversicherung durch die Künstlersozialkasse. Dies gab der Deutsche Kulturrat unter der Woche bekannt und forderte indes vom Bund unterstützende Maßnahmen für die Kulturschaffenden. Viele Künstler:innen hätten aufgrund der ausgebliebenen Veranstaltungen und Auftritte eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen müssen. Daher trete die eigentlich hauptberufliche Tätigkeit als Künstler:innen in den Hintergrund, was zum Verlust des Versichertenstatus in der Künstlersozialkasse führe.
→ Tagesschau
Ausland
Einheitliches EU-Impfzertifikat kommt
Die Europäische Union (EU) hat sich auf ein einheitliches Impfzertifikat geeinigt. Der Impfausweis, der auch unter dem Namen 'grünes Zertifikat' läuft, soll darüber informieren, ob ein Mensch das Coronavirus verbreiten kann. Neben Testergebnissen und Informationen über die Impfung soll der Ausweis auch Angaben zu überstandenen Corona-Erkrankungen enthalten. Der Nachweis soll ab Juni zum Einsatz kommen und EU-weit anerkannt werden. Mit ihm sollen vor allem Reisen in EU-Länder erleichtert werden, da Test- oder Quarantänepflichten für Reisende entfallen sollen. Eine Voraussetzung für Reisen innerhalb der EU soll er jedoch nicht darstellen. Die Verordnung zum Impfausweis muss nun noch durch das EU-Parlament bestätigt werden. Sollte der Verordnung dort zugestimmt werden, obliegt es den 27 EU-Staaten zu entscheiden, welche Erleichterung das Zertifikat in den jeweiligen Ländern ermöglichen soll. Bereits jetzt arbeitet die EU-Kommission an einer technischen Umsetzung.
→ Tagesschau
EU: Impfstoff von Johnson & Johnson auf dem Prüfstand
Der EU-Marktstart des Impfstoffs von Johnson & Johnson wird verschoben. Grund dafür sind sechs Fälle von Sinusvenenthrombosen, die in den USA nach der Impfung mit dem Vakzin auftraten. Der US-Pharmakonzern verkündete am vergangenen Dienstag (13. April), basierend auf Empfehlungen von US-Behörden, eine Aussetzung von Lieferungen und Studien aus einem „Übermaß an Vorsicht“. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat mit der Untersuchung der Thrombosefälle begonnen und konnte bislang keinen Zusammenhang zur Impfung mit dem Vakzin feststellen.
Wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind, wendet sich die EMA wieder an die Öffentlichkeit. Der niederländische Gesundheitsminister De Jonge erwartet, dass die EMA am kommenden Mittwoch (21. April) die Ergebnisse vorstellen wird.
→ Tagesschau
→ NTV
Schweizer Lockerungen: „Wir können nicht mehr“
Die Schweizer Regierung hat Lockerungen trotz steigender Infektionszahlen verkündet. Grund dafür sei eine zunehmende Corona-Müdigkeit und eine baldige Erhöhung der Impf- und Testkapazitäten. Die Lockerungen sollten schon vor drei Wochen greifen, wurden aber wegen der dritten Welle verschoben. Ab kommendem Montag (19. April) dürfen Schweizer:innen wieder Angebote aus Gastronomie, Kultur, Sport und Freizeit nutzen. Auch Universitäten bieten in begrenztem Maß Präsenzveranstaltungen an. Weiterhin gelten die Hygienevorschriften und Abstandsregelungen.
Der Schweizer Bundesrat Berset mahnte trotzdem zur Vorsicht, da jeder Öffnungsschritt ein Risiko sei. „Deshalb müssen wir vorsichtig bleiben“, so der Sozialdemokrat. Da sich aber die Mehrheit der Schweizer:innen an die Regeln halte, könne man ein gewisses Risiko in Kauf nehmen.
→ Tagesschau
→ T-Online
Sport
SPD: Ausnahmen für Sport gefordert
Die SPD fordert Ausnahmen für kontaktlosen Sport im Freien für Kinder. Bei den geplanten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes des Bundes plädiert der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Carsten Schneider, für Ausnahmeregelungen im Sport. Er fordert unter anderem Ausnahmen bei der geplanten Ausgangsbeschränkung. Außerdem soll Kindern grundsätzlich kontaktloser Sport erlaubt werden. Gerade für Familien, die in kleinen Wohnungen auf engem Raum leben, sei dies wichtig.
→ Redaktionsnetzwerk Deutschland
Hertha BSC in Mannschaftsquarantäne
Die Mannschaft des Fußballbundesligisten Hertha BSC muss sich geschlossen in Quarantäne begeben. Nachdem mehrere Spieler und der Trainer positiv auf COVID-19 getestet wurden, muss das gesamte Team zwei Wochen in häusliche Quarantäne, so veranlasste es das zuständige Gesundheitsamt. Sollten in den nächsten Tagen weitere Spieler oder Teile des Betreuungsteams positiv getestet werden, verlängert sich die Quarantänedauer.
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat die nächsten drei Bundesliga Spiele der Hertha gegen den 1.FC Mainz, den SC Freiburg und den FC Schalke abgesagt. Nachholtermine stehen noch nicht fest. Die Bundesliga Saison endet am 31. Mai.
→ Tagesschau
Corona in Zahlen
In Deutschland sind 3.773.875 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 03.08.2021 00:00 Uhr, Quelle: RKI), das sind 1.766 Personen mehr als am Tag zuvor.
Warum diese Zahlen? Wir zitieren hier die offiziellen Zahlen des RKI, diese werden einmal täglich – immer um Mitternacht – vom RKI aktualisiert und um 10 Uhr morgens online veröffentlicht. Und warum gibt es hier nicht mehr davon? Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz.
Gesundheitsticker: 180.561.655 Menschen sind weltweit wieder genesen, das sind 456.134 Personen mehr als gestern Früh. Davon 3.659.900 in Deutschland (Stand: 04.08.2021 05:27 Uhr, Quelle: Worldometers).
Von Mensch zu Mensch
Wir laden Euch ein, lesend zuzuhören. Diese Woche flanieren unsere Autorinnen durch die Fähigkeit, zuzuhören, die Herausforderung, sich darauf einzulassen, dass uns jemand zuhört und beschreiben den warum es trotzdem so wichtig ist. Den Anfang macht Anne und führt uns vor Augen wie wichtig es ist, uns selbst zuzuhören.
Der zarten Stimme eine Chance
Zuhören ist ein, wenn nicht der elementare Teil unserer Kommunikation. Und obwohl wir von klein auf darin geübt sind, fällt es uns doch häufig so schwer. Es wird nur halbherzig zugehört und die Antwort schon parat gelegt, fertig um herausgesprochen zu werden. Antworten sind standardisiert, weil man es nun mal so macht. Weil der Smalltalk keine Zeit fürs Zuhören mit sich bringt. So wirkt es manchmal auf mich. In den sozialen Medien werden Meinungen ins Internet gepostet, ergeben sich Wortwechsel, die bei näherer, möglichst nüchterner Betrachtung ein wunderbares Beispiel geben, wie schwer wir uns mit dem Zuhören/Zulesen tun.
Hinzu kommt noch, dass unterschiedliche Dinge transportiert werden. Einmal die rein sachlichen Dinge, die wir mitteilen möchten, die wir als Hörer aufnehmen sollen. Hinzu kommen Emotionen, die im Gesagten mitschwingen und mit denen der Zuhörer das Gesagte aufnimmt. Und diese zwei Ebenen zu trennen ist manchmal gar nicht so einfach. Wie ist Gesagtes gemeint, mit welcher Emotion wird es gesagt und aufgenommen? All dies wird uns mit Hilfe der Intonation und der Körpersprache, Gestik und Mimik dargestellt.
Die derzeitige Situation, in der wir viel über Chats oder Videocalls kommunizieren, erschwert es, das Gesagte einzuordnen und so wird aus einem humorvoll, ironisch gemeinten Kommentar schon mal eine Meinungsverschiedenheit, geprägt von Missverständnissen. Es erfordert ein hohes Maß an Feinfühligkeit beider Seiten, ein wohlwollendes lesen/zuhören und ein Bewusstsein für das, was zwischen den Zielen steht, zwischen den Worten schwingt.
Und wenn wir in einer Kommunikation besonders emotional sind, dann wird man vielleicht auch schon mal lauter. Dann wird eine Diskussion zum lauten Streitgespräch und je lauter ein Gespräch geführt wird, desto schwieriger ist es, das eigentlich Gesagte zu hören. Paradox, wo wir doch erstmal davon ausgehen, dass Lautstärke dem Inhalt mehr Gehör verschafft.
Aber wenn wir eine Platte hören und der*die Sänger*in laut und voller Emotionen ihrem*seinem Unmut Luft macht und mehr brüllt als singt, dann werden die Worte unverständlich. Singt der*die Musiker*in die Worte relativ ruhig, trotz ihres*seines kritischen anprangernden Textes, so haben wir die Chance zuzuhören. So benötigen wir kein Booklet zur verständlichen Übersetzung ins Hörbare, für uns. In der Musik ist beides in Ordnung, ist auch Lautstärke ein berechtigtes Stilmittel, um die Hörerschaft zu erreichen und in allen Ebenen aufzunehmen und verschiedene Sinne anzusprechen.
Aber eine Kommunikation aufs rein Sachliche zu verlagern ist unmöglich. Wir sind Menschen, emotionale Wesen und das ist eine wunderbare Sache und auch unsere Emotionen wollen gehört werden. Auch von uns selbst. Und das scheint mir fast noch schwieriger als das Zuhören unserer Mitmenschen. Denn unsere Emotionen, unser Innerstes flüstert häufig mit zarter Stimme zu uns, immer Rücksicht nehmend auf Stimmen von außen, die haben Vorrang, diese wollen beantwortet werden. Immer wieder hebt sie vorsichtig den Zeigefinger und meldet sich, um einen Wortbeitrag zu leisten und wird unterbrochen, weil rüpelhaft von anderer Stelle einfach hereingerufen wird. Und wir lassen dies zu. Wir flüchten uns dort hinein, wenn wir äußere Stille nicht zulassen, stattdessen wieder mal zum Handy greifen oder den Fernseher anmachen. Zu groß sind die Befürchtungen, was unser Innerstes uns wohl zu sagen hat, was es kritisch darlegen wird, wo es mahnend den Zeigefinger auf unsere Unzulänglichkeiten erheben wird. Manchmal ahnen wir schon, was unser Innerstes uns sagen will, hören nicht richtig zu, weil wir glauben, es doch schon zu kennen, ziehen so vorschnelle Schlüsse und vergessen, dass der*die innere Kritiker*in durchaus auch mal ein Lob verteilt und nicht ausschließlich bemängelt. Aber ein inneres Lob fällt uns schwerer anzunehmen und dann stehen wir überfordert da und gehen meist davon aus, dass wir uns verhört haben. Wir basteln uns unser eigenes Missverständnis.
Aber ignorieren wir unsere innere Stimme immer wieder, versuchen sie mundtot zu machen, wird sie irgendwann nicht weiter zurückstecken und nicht weiter mit zarter, leiser Stimme sprechen. Irgendwann wird sie sich wehren, mit lauten, womöglich unfreundlichen Worten ihr Anliegen herausbrüllen und wir werden bemerken, dass wir das Zuhören zu lange aufgeschoben haben. Dann wird es ein Schwieriges, wieder eine gemeinsame Ebene der Kommunikation zu finden. Dann braucht es Zeit, wieder Vertrauen herzustellen und Vertrauen braucht es als Gesprächsgrundlage, zumindest wenn es über simplen Smalltalk hinausgehen soll.
Es ist eine Krux mit dem Zuhören und auslernen werden wir in diesem Punkt wohl nie. Also lasst uns lernfähig bleiben.
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Anne führt uns in ihrem Text die Herausforderungen des vertrauensvollen Zuhörens vor Augen. Laura greift diese auf und erzählt feinfühlig davon, wie wichtig es ist, – gerade mit einer Angsterkrankung – dass uns jemand zuhört.
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Zuhören und aushalten
Ich glaube, ich kann anderen gut zuhören. Ich würde zuhören zu meinen Stärken zählen, ja.
Doch es ist nicht immer leicht bloß zuzuhören. Oftmals hat man Drang, nach dem Zuhören auch seinen Rat zu erteilen. Schüttet dir ein Mensch sein Herz aus, klagt er sein Leid, dann liegt es in der Natur der meisten Menschen hierfür eine Lösung zu finden, um diesen unangenehmen Zustand möglichst schnell aufzulösen. Uns fällt es schwer zu ertragen, dass die andere Person vielleicht leidet, dass sie traurig ist oder Angst hat. Der Kopf rattert, Gedanken folgen Gedanken und Lösungs – und Veränderungsansätze werden konstruiert. Wir neigen dazu, die vermeintlich negativen Emotionen oder Zustände möglichst schnell verändern zu wollen, anstatt sie auszuhalten. Aushalten für uns und unser Gegenüber, wirklich bloß zuhören, wenn dies von uns gefordert ist und den Zustand mittragen.
Vielleicht kennt die ein oder andere auch diese Seite, die Seite, in der man selbst diejenige Person ist, die bloß jemanden zum Zuhören braucht. Öffnen sich Menschen mit Angsterkrankungen und erzählen, was ihre Sorgen und Ängste sind, beispielsweise allein in ein Kaufhaus zu gehen, aus Angst dort einen Herzanfall zu bekommen, Angst sich durch das Anfassen einer Stange im Bus zu kontaminieren und die Familie damit in Gefahr zu bringen, Angst ein Bild von einer Spinne zu sehen, ist es das Letzte was diese Menschen brauchen, wenn man ihnen mitteilt, dass sie doch keine Angst haben brauchen, dass sie sich nicht so anstellen müssen und es einfach machen sollen. Das mögen gut gemeinte Ratschläge sein, jedoch keine konstruktiven.
Als Mensch, der selbst auch unter Ängsten leidet und auch schon unter Panikattacken litt, kann ich sagen, in dieser Krise wünscht man sich nichts mehr, als einfach wieder das zu machen, was man gemacht hat, bevor die Ängste das Ruder übernahmen. Ich wünschte mir nichts mehr als einfach in ein Kaufhaus zu gehen, oder in ein Restaurant oder wie gewohnt in den Bus einzusteigen, ohne daran zu denken ich könnte genau in diesem Moment sterben. Rein kognitiv wusste ich, wie irrational meine Ängste waren, aber ein kleiner Anteil, der immer größer wurde, hemmte mich, dies zu glauben.
In solchen Krisensituationen kann es helfen Menschen an seiner Seite zu haben, die einen erst nehmen, die einem zuhören und diesen echt miesen Zustand, in dem man auch häufig mal in Selbstmitleid versinkt, mit einem zu teilen. Zuhören und da sein, zuhören und aushalten, zuhören und damit helfen.
Mir hat es in einer schweren Zeit sehr geholfen solche Menschen um mich zu haben. Menschen, die mir einfach zuhörten und es aushielten, dass es mir sehr schlecht ging. Ich weiß, dass diese Menschen sich sehr gewünscht hätten, dass es mir gut anstatt schlecht geht, aber sie haben mir geholfen, in dem sie mir zeigten, es ist okay, wenn ich mich gerade schlecht fühle, es ist okay, dass ich gerade nicht so einfach wie früher in ein überfülltes Kaufhaus gehen kann, es ist okay, wenn ich Angst habe und deshalb traurig bin. Sie tragen dieses Gefühl mit mir und halten es aus.
So lernte auch ich der Angst und Panik zuzuhören, richtig zuzuhören, ohne direkt eine Veränderung zu suchen. Ich lernte den Zustand auszuhalten und lernte somit, dass er so wie jeder andere Moment wieder vorüber geht. Ich lernte zuzuhören, was mir die Angst und Panikattacken versuchten zu sagen, auch wenn das nicht immer leicht war und immer noch nicht ist.
Ich versuche auf mein Inneres zu hören, auf das, was mir Emotionen und körperliche Zustände sagen wollen, ich schenke ihnen Gehör und halte sie aus, damit sie nicht mehr so mächtig werden und man wieder selbst in der Lage ist, sich aus diesem Zustand zu befreien.
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Nachdem Laura uns einen Einblick gegeben hat in den Wert und vor allem die Fähigkeit des Zuhörens, freuen wir uns, in dieser Woche eine Gastautorin begrüßen zu dürfen! Clara Louise, Lyrikerin und Singer-Songwriterin schreibt darüber, dass das 'gute' Zuhören garnicht so leicht ist und warum es manchmal eine besondere Herausforderung sein kann, sich darauf einzulassen, dass uns jemand zuhört.
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Zuhören
Ein Gastbeitrag von Lyrikerin und Singer-Songwriterin Clara Louise
Als ich das Wochenthema „Zuhören“ erfahren habe, fiel mir sofort etwas dazu ein, worüber ich gerne schreiben möchte. Das „gute Zuhören“ ist eine Fähigkeit, die einige von uns besitzen und für welche wir von Freunden oder der Familie geschätzt werden. Ein guter Zuhörer, bzw. eine gute Zuhörerin zu sein, ist eine positive Bewertung in unserer Gesellschaft und ja, ich würde mich selbst auch als eine gute Zuhörerin bezeichnen. Sogar so gut, dass ich versuche, so wenig wie möglich selbst zu sprechen, besonders bei Menschen, die mir noch nicht vertraut sind. Also stelle ich Fragen, hake nach, damit möglichst wenig Fläche für mich bleibt und ich mich in einem Gespräch verstecken kann.
Das tue ich nicht, weil ich ein besonders aufmerksamer Mensch bin und mich komplett zurücknehmen möchte, sondern, weil es mir schwer fällt, anderen von mir zu erzählen und ihnen zu vertrauen, dass sie mich nicht verletzen. In meinem Kopf höre ich mich selbst sagen, dass ich zu schwer und zu melancholisch für andere bin, oder seltsam wirke mit dem, was ich sage. Ich habe Angst, etwas zu sagen, von mir preiszugeben und dann das Gefühl zu bekommen, dass ich mich gerade blamiert habe oder es den anderen schlichtweg nicht interessiert.
Ich weiß nicht genau, woher diese Angst vor dem “Zuhören lassen“ kommt. Vielleicht aus meiner Schulzeit, in der ich von heute auf morgen von allen anderen Kindern der Klasse ausgeschlossen und ignoriert wurde. Vielleicht und bestimmt auch von anderen Situationen aus meiner Vergangenheit. Seitdem ich seit etwa drei Jahren wieder in eine Psychotherapie gehe und hier in erster Linie spreche, lerne ich immer mehr zu vertrauen, dass das, was ich erzähle von Bedeutung ist, da ich selbst von Bedeutung bin. Immer wieder übe ich mich darin, mich anderen Menschen anzuvertrauen und bewusst das Risiko einzugehen, abgelehnt zu werden. Bisher waren alle Erfahrungen, die ich seitdem gemacht habe, positiv und trotzdem rolle ich noch mit angezogener Handbremse. Sie ist tief in mir drin diese Unsicherheit mir selbst gegenüber, dem wenigen Vertrauen, dass ich mich zumuten darf. Ich übe mich also weiterhin darin, mir zuhören zu lassen und bin mir sicher: Ich werde trotzdem auch immer eine gute Zuhörerin bleiben.
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Gastautorin Clara beschreibt berührbar wie es ist, wenn das Erzählen und zuhören zulassen schwer fällt. Anne hat zum Abschluss eine Idee, wie man erzählen kann und den Zuhörer selbst bestimmt: Undzwar indem man Notizbuch schreibt, wann immer man Gedanken vornehmlich mit sich selbst teilen möchte.
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Von Freunden und Notizbüchern
Meine Freunde haben mich schon durch so manche schlimme Situation gebracht, einfach nur durch erzählen und zuhören.
Erzählen, wenn ich nicht allein sein wollte, aber auch nicht die Energie für ein Gespräch aufgebracht habe. Dann konnte ich anrufen, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit, und konnte mir sicher sein, dass ich Hilfe bekomme. Ich habe Geschichten aus dem Alltag erzählt bekommen, Pläne für die nächste Zeit oder auch die ganz eigenen Probleme meiner Freunde. Und irgendwann, wenn die dunklen Gedanken in meinem Kopf wieder leiser geworden und die meisten Tränen geweint waren, dann konnte ich auch wieder antworten, meine Meinung zum Gesagten nennen und etwas aus meinem Alltag teilen.
Manchmal lief das aber auch andersherum ab. Dann habe ich wieder angerufen und konnte all das sagen, was mich belastet hat. All das, was sich in mir angestaut hatte, was mir zu viel geworden war. Egal, wie unwichtig es vielleicht in Wirklichkeit war, wie unwahrscheinlich, wie schwer anzuhören. Ich wusste, dass ich auf offene Zuhörer stoße, die sich mit ehrlichem Interesse meiner Sorgen und Probleme annehmen, ohne unpassende Kommentare oder Herunterspielen.
Wenn ich zugehört habe hat mir das wieder neue Hoffnung gebracht, obwohl ich mich vorher komplett hoffnungslos gefühlt habe. Es hat mir gezeigt, wie sorglos und einfach ein Leben sein kann, dass man nicht immer alles kontrollieren und hinterfragen muss. Dass man manchmal auch einfach leben kann, ohne tieferen Sinn und Zweck, vor sich hin existieren und Spaß haben.
Wenn ich erzählt habe, ist meine Welt ein bisschen leichter geworden. Die Gedanken auszusprechen hat sie weniger gruselig gemacht, schließlich war ich dann nicht mehr alleine damit, auch wenn das Aussprechen an sich anstrengend und schwierig war. Und zusammen hat man auch einen ganz anderen Blick, kann neuen Mut und neue Erkenntnisse schaffen, die für das nächste Mal hilfreich sein können.
Ich bin meinen Freunden für dieses Zuhören und Erzählen unendlich dankbar. Manchmal so stark, dass ich gar nicht weiß, wie ich jemals etwas zurückgeben kann, das das wieder ausgleichen würde. Aber vielleicht komme auch ich ja irgendwann mal in die Situation, in der ich ihnen mit zuhören helfen kann.
So sehr ich ihnen vertraue, es gibt trotzdem Dinge, die ich nicht mit Freunden besprechen wollen würde. Manchmal auch nur, weil ich denke, dass ich sie schon genug belaste und schon zu häufig nach Hilfe gefragt habe, auch wenn echte Freunde das wahrscheinlich niemals so empfinden würden. Manchmal aber auch, weil es zu schwer ist, die Gedanken auszusprechen oder weil ich niemandem so viel Vertrauen entgegenbringen könnte, um alles aus meiner Innenwelt mit ihm:ihr zu teilen.
Deswegen braucht es für mich auch noch andere Arten des Zuhörens. Mein Notizbuch zum Beispiel kann mir ganz hervorragend zuhören. Es nimmt all die Dinge bereitwillig auf, die ich loswerden möchte, und ich kann mir sicher sein, dass es nichts weiter verrät. Damit kann es mir beinahe genauso gut Erleichterung verschaffen wie ein gutes Gespräch mit einem „echten“ Zuhörer.
Beinahe, weil es mir natürlich nicht antworten kann. Es kann mir keine guten Ratschläge geben oder mir Mut zusprechen. Aber vielleicht kann es in mancher Hinsicht auch besser zuhören, weil ich so viel schreiben kann, wie ich will, weil ich ihm auch die Sachen anvertraue, bei denen ich mich nicht trauen würde, sie einem anderen Menschen zu erzählen, weil sie zu intim oder zu schambesetzt sind und weil ich aufschreiben leichter finde als aussprechen, wenn es eh schon schwierig ist. Das können Ängste sein, die für andere wahrscheinlich nicht nachvollziehbar sind, Gedanken, die sogar für mich selbst irrational klingen, oder auch Dinge, die noch nicht ausgereift genug sind, um sie auszusprechen. Also eigentlich alles, bei dem das Vertrauen nicht stark genug oder der Mut zu gering ist, um jemanden einzuweihen.
Ein guter Zuhörer, menschlich oder auch nicht, kann Probleme also nicht unbedingt lösen, aber er kann die Last, die durch diese verursacht wird, verkleinern und leichter machen und damit dann doch etwas ziemlich Großes bewirken. Und als Zuhörer kann man einerseits vom eigenen Innen abgelenkt werden, durch das Gesagte aber auch neue Perspektiven eröffnet bekommen, auf alles und nichts und das Leben. Oder man verschafft jemand anderem die Erleichterung, die durch Zuhören entstehen kann.
Tipps der Woche
Keine falsche Empathie
Ingrid Gerstbach, Coach und Unternehmensberaterin, rät in Gesprächen davon ab, zu sagen “Ich weiß, wie Du Dich fühlst”. Dieser Satz lenke den Fokus vom erzählenden auf den zuhörenden Menschen, was ersterem ja gar nicht hilft. Besser sei es, nachzufragen und vielleicht auch einfach für den anderen da zu sein.
→ LinkedIn (“Dieser Satz verhindert gutes Zuhören”)
Playlists für jede Gelegenheit
Philipp Schmid stellt für seine Sendung auf NDR Kultur wöchentlich wunderbare Playlists zu unterschiedlichsten Themen zusammen, die er mit eigenen Assoziationen und unterhaltsamen Erinnerungen einleitet. Von den Podcasts "Musik zum Frühjahrsputz" über "Musik zum Puzzlen" bis zum sehr entspannenden "Musik für einen Waldspaziergang" schafft Schmid in seiner halbstündigen Sendung eine einzigartige Atmosphäre.
→ Philipps Playlist auf NDR Kultur
Noch mehr Lieblings-Podcasts
→ Nachtspaziergang (Katharinas Reihe)
→ Achtsam (Deutschlandfunk Nova)
→ Danke, Gut (WDR)
→ Glaube, Liebe, Tod
→ Never Forget (der 90er Podcast des Musikexpress)
Stimmen, denen man gerne lauscht - unsere Lieblings-Hörbücher
→ Rufus Beck – Harry Potter-Reihe (J.K. Rowling)
→ Nana Spier und Christoph Maria Herbst – Mieses Karma (David Safier)
→ Annina Braunmiller – Zeitenzauber (Eva Völler)
→ Andrea Sawatzki – Dunkelsprung (Leonie Swan)
→ Maria Koschny (Original-Sprecherin von J. Lawrence) – Die Tribute von Panem-Reihe (Suzanne Collins)
→ Thees Uhlmann - Sophia, der Tod und ich
→ Sven Regener - Neue Vahr Süd
→ Die Drei ???
Sich selbst zuhören: Meditation und Schreiben
Manchmal lernt man am meisten, wenn man sich selbst zuhört. Meditationspraxis sorgt für ein engeres Verhältnis zu uns selbst und hilft auch dabei, Gedanken, die wir nur zu oft von uns selber hören, loszulassen. Einige der gängigen Meditations-Apps (wie z.b. seven Mind) werden von der Krankenkasse übernommen – fragt doch einfach mal nach! Auch hilfreich ist es, einfach drauf loszuschreiben, wenn uns etwas belastet und den Text dann etwas liegen zu lassen. Die Literaturwissenschaftler:innen nennen das auch “Brain Dump” - also das Überflüssige im Kopf in einen imaginären Mülleimer werfen. Wenn wir den Text dann vor der Entsorgung wieder lesen – uns zuhören, sozusagen – dann ist es oft ein faszinierendes AHA-Erlebnis, das erst durch den Abstand entsteht.
→ seven Mind
→ stream of consciousness
Dies und Das
Eine Playlist zum Zuhören
Wo hören wir nicht lieber zu, als bei Musik. Ob instrumental, oder mit mal ernsten tiefen, mal eingängigen leichten Texten, die Musik schafft das Paradoxe, dass wir zuhören und uns in ihr gehört fühlen.
Für diese Ausgabe haben wir euch einen ganz persönlichen bunten Strauß unserer Lieblingslieder zusammen gestellt.
→ Thees Uhlmann “Ein Satellit sendet leise”
→ Fortuna Ehrenfeld “Gegen die Vernunft”
→ Jenobi “Mad, Sad & Crazy”
→ Kettcar “Ankunftshalle Flughafen”
→ Element of Crime “Am Ende denk ich immer nur an dich”
→ Joe Strummer & the Mescaleros “Redemption Song”
→ Kings of Convenience “I'd rather dance with you”
→ Massive Attack “Tear Drop (Cover von Aurora)”
→ Element of Crime “Delmenhorst”
→ REM “Nightswimming (live, BBC)”
→ Angus & Julia Stone “Wherever you are”
→ Selig “Wir werden uns wiedersehen”
→ Celina Bostic “Religion”
→ Muse “Time is running out”
"Die Natur hat dem Menschen eine Zunge gegeben und zwei Ohren, damit wir doppelt so viel von anderen hören, als wir selbst reden."
Epiktet
Danke, dass ihr uns bis hierhin zugehört/-gelesen habt. Wir wünschen euch eine ruhige Woche. Seid gut zu euch, hört euch selbst und anderen gut zu und habt euch lieb!
Euer Team von angstfrei.news
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