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Sonntag, 17. Mai 2020 | 8 Uhr

Katharina
Marlon

Guten Morgen liebe Leser*innen!

Heute ist “IDAHOBIT”, der internationale Tag gegen Homo - Bi -, Trans*- und Inter*-Feindlichkeit. Noch immer erfahren queere Menschen im Alltag Diskriminierung, Gewalt und Einschränkungen ihrer Menschenrechte. Auch wenn man es gerne verdrängt, passiert das leider quasi direkt vor unserer Haustür. Wir alle als Gesellschaft können allerdings etwas dazu beitragen, diese Thematik sichtbar zu machen und queeren Menschen Raum zu geben, um ihre Stimmen zu hören. Darum möchten wir heute Morgen besonders den queeren Leser*innen unter euch solidarische Grüße senden und wissen lassen, dass wir an euch denken!

Auch heute haben wir wieder Nachrichten und einige Neuigkeiten zur Pandemie für euch. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den gestrigen Demonstrationen und der Auseinandersetzung mit den Teilnehmenden. Natürlich gibt es auch wieder Leseanregungen für Gehirnbegeisterte. Im Mensch zu Mensch spricht Katharina über das Dasein zwischen den Orten, die ihre Zuhause sind. Passend dazu gibt es heute auch einen paar Tipps des Tages rund um das Thema Zuhause.

Damit wünschen Euch einen schönen Sonntag Katharina, Marlon
und das gesamte angstfrei.news-Team!

Und wie immer freuen wir uns über Ideen, Anmerkungen und auch Wünsche im Feedbackformular.

Die gute Nachricht des Tages

Studie besagt, dass Corona-Maßnahmen wirken
Ein Göttinger Forschungsteam um Physikerin Viola Preisemann hat anhand einer Studie herausgefunden, dass die in Deutschland veranlassten Corona-Vorsichtsmaßnahmen Wirkung zeig(t)en. Das Team verweist außerdem auf drei Modelle möglicher Szenarien, die nach den Lockerungen vom 11.5. auftreten können. Dies wurde anhand einer Software ausgewertet, die die Ausbreitung des Virus simulieren kann. Die Simulation gibt in Prozent an, inwiefern welche Maßnahme eine weitere Verbreitung verringern kann. Dabei wurde deutlich, dass besonders die Beschränkungen des Kontaktes untereinander den größten Beitrag zur Eindämmung des Virus leisteten und ebenfalls der Zeitpunkt der Beschränkungen eine große Rolle spielt.
Die gute Nachricht dabei? Die Einschränkungen waren sinnvoll. Wir haben unsere Leben nicht umsonst um- und darauf eingestellt. Gerade in Zeiten der Verunsicherung durch Demonstrationen und eine (scheinbar) gekippte öffentliche Meinung tun die Ergebnisse der Studie gut. Übrigens: noch immer befürworten je nach Erhebung zwischen 56 und 66 Prozent die Maßnahmen, die die Regierung festgelegt hat (FAZ).
Spiegel Abstract zur Studie

Wichtige Entwicklungen seit gestern Abend

Corona-Demos: Weniger Teilnehmende
Auch an diesem Samstag haben mehrere Tausend Menschen in Deutschland an Demonstrationen gegen die Corona-Auflagen teilgenommen. Die größte Demonstration fand in Stuttgart statt. Rund 5000 Menschen kamen auf den Wasen zusammen, zahlreiche Menschen trafen sich außerhalb des ausgewiesenen Geländes.

Sie fordern mehr Freiheit und weniger Corona-Auflagen: In mehreren Städten haben Tausende Menschen protestiert. Auch zahlreiche Gegendemonstranten gingen auf die Straße. Laut Polizei gab es zahlreiche Verstöße gegen die Auflagen. Die Stimmung war emotional; Deutschlandflaggen und Friedensflaggen wurden gleichermaßen begleitet von Rufen Wie "Volksverdummung" und "Lügenpresse". In München wurde die maximale Teilnehmerzahl von 1000 Menschen bereits kurz nach Veranstaltungsbeginn erreicht. Der Mindestabstand von 1,5 Metern in vielen Fällen deutlich unterschritten. Die Veranstalter nutzten die Einschränkungen der Polizei für eine Kampfaussage: Nächste Woche stünde man hier mit 10.000 Menschen. Die anderen rund 70 angemeldeten Proteste in Bayern verliefen friedlich. 

In Berlin trafen sich Dutzende Menschen unter der Kontrolle von 1000 Polizist*innen. Die Veranstaltungen verliefen weitestgehend friedlich. Neu war, das an diesem Wochenende auch vermehrt Gegendemonstrationen zu finden sind - so trafen sich bspw. In Berlin 40 Demonstrant*innen und protestierten inmitten des Platzes mit Transparenten und einem Lautsprecherwagen gegen Verschwörungstheorien und für die Rechte von Flüchtlingen. In Frankfurt am Main stand die Polizei vor allem vor der Herausforderung, beide Seiten der Demonstration auseinanderzuhalten. Hier standen sich Demonstrierende gegen die Corona-Maßnahmen und Anti-Rechts-Aktivist*innen gegenüber. Für heute sind neue Proteste angekündigt.
→ dpa | Tagesschau

ZDF-Team belästigt, Sorge vor Gefahr von rechts
In Halle wurde ein ZDF-Team am Rande einer Demonstration bedrängt. Das Team habe in der Nähe eines Wagens der Demonstranten Aufnahmen machen wollen, dann sei es zu verbalen Attacken gegen die Journalisten gekommen, sagte ein Polizeisprecher. Die Polizei sei dazwischengegangen, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Das ZDF-Team habe später unter Polizeischutz freiwillig den Marktplatz verlassen. Verletzt wurde demnach niemand.

Grundsätzlich wächst die Sorge vor einer Gefahr einer Unterwanderung der Demonstrationen durch Extremist*innen sowie rechte Gruppen. Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum zeigt zwar Verständnis für Demonstrationen gegen Einzelmaßnahmen, kritisch sehe er aber, "dass die Demonstrationen zunehmend unterwandert werden von Extremisten, die sie nutzen, um unser System zu diskreditieren". Gleiches sagt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht und warnte vor Verschwörungstheorien in der Corona-Krise. "Das Leugnen und Verdrehen von Fakten kann in der Pandemie Leben gefährden", sagte Lambrecht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Besonders kritisch hebte sie dabei die Mythen zum Ursprung des Virus hervor, die immer wieder mit rassistischer und antisemitischer Hetze verbunden seien. 

Gleichzeitig raten Politiker und (Medien)Wissenschaftler, wie Bernhard Pörksen im Umgang mit den Demonstranten zu einer "respektvollen Konfrontation" und warnen davor, die Demonstrierenden pauschal auszugrenzen oder nicht ernst zu nehmen. So Pörksen auf Tagesschau.de: "Man kann eines mit Gewissheit sagen: Weißer alter Mann, hysterische Feministin, krimineller Flüchtling und jetzt eben Covidiot - all das sind Vokabeln der Verunglimpfung, die ein Gespräch unter Garantie ruinieren."

Selbstverständlich dürfe es keine falsche Toleranz gegenüber Antisemiten und Rechtsradikalen geben. Aber die Vielschichtigkeit der Proteste enthalte eigentlich einen "Aufruf zum differenzierten Diskurs". Man müsse die Extremisten scharf kritisieren, dürfe die Zweifelnden, Suchenden und Andersdenkenden jedoch nicht diffamieren.
Spiegel | dpa | Tagesschau

Corona-Ausbruch in Paketlager
Am DPD Standort Hückelhöven im Kreis Heinsberg haben sich laut dem Heinsberger Landrat Stephan Pusch 80 Mitarbeiter’innen mit dem Coronavirus infiziert. Insgesamt seien 400 Menschen getestet worden, 340 Testergebnisse liegen laut Pusch bisher vor. Alle Mitarbeiter*innen seien in zweiwöchiger Quarantäne. Das Paketlager würde nun gereinigt und die Zustellung und Bearbeitung der Pakete von den umliegenden Standorten übernommen.
Tagesschau

Sächsische Grundschulkinder von Schulpflicht befreit
Das sächsische Kultusministerium hat am Samstag Grundschulkinder aus den Klassen 1-4 von der Schulbesuchspflicht bis zum 5.6.2020 befreit. 
→ dpa

Konzept zum Konjunkturprogramm für Kommunen sorgt für Kritik
Laut den Zeitungen "Rheinische Post" und "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (WAZ) plant, Bundesfinanzminister Scholz die in der Corona-Krise in Finanzprobleme geratenen Kommunen mit fast 57 Milliarden Euro zu unterstützen. Die Last sollen sich demnach der Bund und die jeweils verantwortlichen Länder teilen. Das gehe aus einem Konzeptpapier hervor, das nach Angaben der Tagesschau auch dem ARD Hauptstadtstudio vorliegt. Es soll einen pauschalierten Ausgleich für geringeren Gewerbesteuer-Einnahmen geben, so Scholz. “Der Bund und das jeweilige Land übernehmen jeweils hälftig die Kosten für diesen Ausgleich." Außerdem will der Bund die Hälfte der Schulden von 2000 besonders verschuldeten Kommunen übernehmen. Kritik gibt es besonders vom Koalitionspartner CDU/CSU. Dieser fühlt sich nicht angemessen informiert und kritisiert insbesondere der Teilung der Kosten mit den Ländern. Der Deutsche Städtetag lobt hingegen die Planungen als besonders wichtig für die angeschlagenen Kommunen. Nach jüngster Steuerschätzung entgehen ihnen im laufenden Jahr Gewerbesteuereinnahmen von 11,8 Milliarden Euro.
Tagesschau

Erster Spieltag in der Bundesliga
Die gestrigen Spiele der Fußball Bundesliga sind ohne größere Zwischenfälle erfolgreich über den Rasen gebracht worden. Lediglich in der Partie Herta BSC Berlin gegen Mönchengladbach gab es kurze verwirrung wegen eines Torjubels von Marcus Thuram (Mönchengladbach), der nach seinem 3:1 gegen Herta seinen TEamkollegen Ramy Bensebaini umarmte. Eigentlich sind "Gemeinsames Jubeln, Abklatschen und Umarmungen” laut einem Rundschreiben der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zum Wiederbeginn der Liga nach der Corona-Pause ”zu unterlassen." Ein DFL-Sprecher teilte nun mit: Der Torjubel sei "nicht Bestandteil" des medizinisch-organisatorischen Konzepts.
→ Alle Spielberichte und Ergebnisse auf Sportschau.de 

Blick ins Ausland

Demonstrationen in Europa
Europaweit haben Menschen gegen die Auflage im Zuge der Corona-Pandemie diskutiert. In Polen kam es zu vereinzelten Zusammenstößen mit der Polizei, wenige Festnahmen gab es auch in Großbritannien und der Schweiz, wo Versammlungen mit mehr als fünf Menschen grundsätzlich nicht erlaubt sind und deshalb die Demonstrationen aufgelöst wurden. Berichte von Demonstrationen gibt es auch aus Madrid. In Frankreich wurden neue Gelbwestenproteste gemeldet. Diese verzeichnen jedoch weniger Zulauf als in der Vergangenheit. Gründe für das Eingreifen der Polizei waren wie im Londoner Hydepark vor allem die Missachtung der Hygiene- und Abstandsregeln. Kernbotschaften sind europaweit die Angst vor einer Impfpflicht und die grundsätzliche Forderung nach Freiheit.
Tagesschau

Lockerung der Ausgangsbeschränkung in Budapest
Ab kommenden Montag werden durch den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban die bestehenden Ausgangsbeschränkungen in Budapest aufgehoben. Auch Gaststätten ist es erlaubt, zu öffnen und ihre Gäste draußen zu bedienen. 
→ dpa

Italien öffnet die Grenzen ab Juni
Ab 3. Juni sollen die Grenzen nach Italien wieder für Menschen aus der EU und dem Schengen-Raum wieder geöffnet werden. Italien möchte so vor allem den Wirtschaftszweig Tourismus wieder ankurbeln.
Tagesschau | dpa

Corona in Zahlen
In Deutschland sind 173.772 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 16.05.2020 00:00 Uhr, Quelle: RKI), das sind 620 Personen mehr als am Tag zuvor.

Warum diese Zahlen? Wir zitieren hier die offiziellen Zahlen des RKI, diese werden einmal täglich – immer um Mitternacht – veröffentlicht und um 10 Uhr morgens online bereitgestellt. Das bedeutet für unsere Webseite, dass ihr immer abends aktuelle Zahlen bei uns abrufen könnt. Und warum gibt es hier nicht mehr davon? Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz.

Gesundheitsticker: 1.812.164 Menschen sind weltweit wieder genesen, das sind 23.684 Personen mehr als gestern Abend. Davon 152.600 in Deutschland (Stand: 17.05.2020 04:50 Uhr, Quelle: Worldometers).

Tipps des Tages

Zuhause - mach's Dir schön (und) harmonisch
Im Von Mensch zu Mensch geht es heute um die Frage nach dem Zuhause und am Rande auch darum, wie es sich durch Corona verändert hat. Wir haben ein paar Hintergründe zum Corona-Zuhause für Euch zusammengestellt, die immer auch mit der Einladung einhergehen, die Gestaltung selbst in die Hand zu nehmen! Außerdem haben wir zwei Tipps die sich mit jenen beschäftigen, denen das Zuhause(Gefühl) weniger selbstverständlich ist.

Ausmisten ist gut für die Seele
Wenn es euch geht wie mir, dann hattet ihr in den letzten Wochen genug mit allem anderen zu tun und habt wahrscheinlich eher versucht, einer Grundordnung gerecht zu werden, als etwas an Eurem Zuhause zu tun. Gestern habe ich es endlich geschafft, ein bisschen durch meinen Kleiderschrank zu gehen. Ich bin neun Wochen mit zwei Hosen, vier T-Shirts und zwei Pullis ausgekommen. Ich brauche das alles garnicht. Ein gutes Gefühl! Wer auf einen Trend aufspringen möchte, der mistet nach Marie Condo (→ Hier wird erklärt, warum Aufräumen auch der Psyche hilft.), ansonsten gilt die alte Regel: Was Du länger als eine Saison oder ein Jahr oder eine von Dir gewählte Zeit nicht gebraucht oder vermisst hat, kann weg. Im Idealfall findest du nachhaltige Wege dafür: Die Kleidertafel (die z.T. wegen Corona grade nichts annimmt!), Kleinanzeigen oder Kleidertausch-Apps wie "Kleiderkreisel". Viel Spaß beim Loslassen!

Sich auf der Pelle hocken
Paarbeziehungen mit oder ohne Familie können sich zu Corona-Zeiten ganz schön verändern: Einige erleben einen Rückzug in die neue Innerlichkeit und einen zweiten Frühling, für andere ist die Gemengelage aus Enge, Homeoffice und Pflichten vor allem anstrengend. Wir haben zwei Links für Euch, die Euch helfen, Beziehungen zu Corona-Zeit zu verstehen und euch so weniger allein zu fühlen und euch ein paar Tipps an die Hand geben, wie ihr nachsichtig und konstruktiv miteinander umgeht.
Deutschlandfunk 
Liebesleben (Überblick) 

Menschen ohne Zuhause helfen
Obdachlose sind besonders von der Pandemie betroffen, da sie keinen Haushalt haben, in den sie sich zurück ziehen können. Das ist ein großes Problem, dessen sich immer mehr Kommunen bewusst werden (siehe Berlin --> Gute Nachricht). Das ist gut und wichtig - reicht aber oft noch nicht aus. Schaut doch mal in Eurer Stadt, wo es einen zu-Verschenken-Zaun gibt, oder ob ihr vielleicht mehr Kleingeld als sonst in der Tasche habt, oder ob es eine Organisation gibt, die ihr fördern könnt. Wenn das nicht Eure Optionen sind, dann probiert es mit dem aktiven Wahrnehmen dieser Menschen. Sie sind auch da. Und die Straße ist ihr Zuhause. (Gerade) dort sollten wir ihnen respektvoll und wohlwollend begegnen.

Wenn die eigene Familie dich nicht akzeptiert: Starkes Interview mit trans Frau Jenner
Jenner ist mit 16 Jahren von zuhause ausgezogen, da sie vor 8 Jahren als vermeintlich schwuler Junge und nun als erwachsene Frau von ihrer Familie nicht akzeptiert wird. In dem Interview erzählt sie, wo sie die Hilfe bekam, die sie so dringend gebraucht hat, wie sie in dieser Situation erwachsen geworden ist und dass man auch nach der Erfahrung, aufgrund von religiösen Motiven nicht als die Person, die man ist, respektiert und geachtet zu werden, Religion nicht pauschal verurteilen darf.
Protect trans kids! Lasst sie sicher, geliebt und behütet aufwachsen, zu sich selber finden, um selbstbewusste, psychisch gesunde Erwachsene zu werden! Das Geschlecht ist ganz egal, das Wichtige ist die Achtung der Selbstverwirklichung und der Identität der Person. Niemand hat sich für sein Sein zu rechtfertigen. Habt ihr Menschen in eurem Umfeld, die homosexuell, transgeschlechtlich oder queer sind und die Coronazeit mit einer queerfeindlichen Familie verbringen müssen? Meldet euch bei ihnen, bietet an, ihnen zuzuhören, lenkt sie ab und seid für sie da.
AufKlo Interview

Von Mensch zu Mensch

Die Sache mit dem Zuhause
von Katharina

Die meisten von uns verbringen gerade die meiste Zeit Zuhause. Für viele ist das ein ganz klarer Ort: Dort, wo sie mit ihre*r Parter*in leben, dort, wo die Familie wohnt, dort, wo das eigene Bett steht, der Kleiderschrank oder wo sich das WLAN von alleine verbindet. 

Für andere von uns ist Zuhause ein flüssigerer Begriff: Vielleicht nennen wir unser Elternhaus Zuhause und gleichzeitig unser WG-Zimmer. Vielleicht haben wir eine Wohnung unter der Woche und eine am Wochenende oder vielleicht geht es einigen von Euch wie mir und ihr nennt einen Menschen euer Zuhause und seid in der Konsequenz etwas überfordert, was den dazugehörigen Ort angeht. Das ist gerade jetzt, wo wir mehr als je zuvor an einen Haushalt gebunden sind, eine Frage, die es zu lösen gilt.

Mich beschäftigt das Thema schon länger. Eigentlich bereits seit dem Auszug aus meinem Elternhaus – nach Lateinamerika habe ich eine Insel, eine Oststadt, eine Europastadt und eine Bundeshauptstadt mein Zuhause genannt. Und immer gab es parallel noch ein anderes Zuhause: Das meiner Eltern, das meines Partners, das, was ich gerade verlassen hatte. Und parallel dazu sprach ich, wann immer ich weg war, von der Heimat – dem Landstrich mit seinen kulturellen Eigenheiten, der mich, mein Wertesystem und mein Radfahrerherz geprägt hat. Es stellte sich eine Verwirrung ein, die ich dachte mich geklärt zu haben und die mich jetzt wieder einholt: Wo bin ich Zuhause? 

Donnerstagnachmittag habe ich mich in den Zug gesetzt und bin von meinem Corona-Wahlzuhause in Münster, nach Berlin in meine Wohnung gefahren. Ich lebte neun Wochen aus einem Handgepäckkoffer, der für einen Frühmärztrip nach London gepackt war, richtete mein Büro erst auf der Fensterbank, dann im Schlafzimmer und zuletzt in einem eigenen Büroraum am Wasser ein und purzelte herzvoran in einen neuen (Familien)Alltag mit allem, was dazu gehört. Als die ersten Lockerungen kamen dachte ich mir, "es ist Zeit, mal wieder nach Berlin zu fahren." Das Zuhause in der Hauptstadt hatte ich mir gerade erst aufgebaut und ganz nach meinen Bedürfnissen gestaltet. Ich mag meinen Ort hier in Berlin und die Leute auf der Straße und diese verrückte Stadt. Doch als ich Donnerstag im Zug saß dachte ich nur: "Was mache ich hier eigentlich?!" Denn es war klar, so richtig nach Hause fahre ich nicht - den ein Teil von mir blieb in Münster. Hab ich also mehrere Zuhause(s) (oder Zuhäuser?)?

Ich habe das Thema vor sieben Jahren in meiner Masterarbeit verarbeitet. Ich habe Leitfadeninterviews geführt, Gruppendiskussionen veranstaltet und eine Statistische Wortanalyse gemacht. Das Ergebnis: Unser Konzept von Zuhause lässt sich grob in drei Typen unterteilen: das Prägungszuhause als Ort des Lernens und Aufwachsens, das Entwicklungszuhause als dynamische Form der Selbstverortung unter Einbezug und Abgrenzung der eigenen Herkunft und das Stabilitätszuhause als Ortskonzept des wieder-Ankommens. Zuhause ist dabei ein Gegenwartsbegriff. Das heißt, alle Typen sind Zustände, die immer jetzt stattfinden, entdeckt, aktiv gelebt und verstanden werden. Ein Ergebnis war auch: nicht jede*r erlebt die Zuhausetypen in der gleichen Reihenfolge oder überhaupt alle drei.

Was lerne ich also jetzt von mir selbst? Mit meinem Zuhause-Menschen möchte ich ein Stabilitätszuhause aufbauen. Das wusste ich schon ganz früh und das hat sich nicht verändert. Im Gegenteil: Corona trägt die Verantwortung dafür, dass wir das in null Komma nix zwischen Paarromantik, Pandemie und Patchwork hochgezogen haben. Und im Lichte des Chaos' um uns herum haben wir das ziemlich gut gemacht, finde ich. Aber wir sind unserer Zeit einfach ein bisschen voraus und für ein "echtes" Stabilitätszuhause fehlen auch einige Kriterien, wie eine gemeinsame Wohnung oder ein Kleiderschrank größer als ein Handgepäckskoffer. Deswegen quengelt auf meinem anderen Ohr das Entwicklungszuhause: "Wir sind noch nicht fertig miteinander!"

Und ich? Ich stehe in der Mitte und frage mich noch immer, wo ich hingehöre. Meine Freundin sagt: "Du bist ja in einer Umbruchphase und in einer solchen ist es doch auch spannend, die Verheißungen verschiedener Orte auch als konkret greifbare Optionen zu haben. Klar, das muss man aushalten. Aber vielleicht schafft man das ganz gut, wenn man vor allem gegenwartsorientiert unterwegs ist, ohne jeweils allzu viel darüber nachzudenken, wie es nun an den jeweils anderen Orten wäre." Ich finde, das klingt klug. 

Dem Vermissen hilft das nicht.
Aber vielleicht ist das auch eine gute Nachricht.

daz - die angst zeitschrift

Dies und Das

YouTubekanal Neurotransmissions
Wer gut Englisch versteht und ein Faible für alles, was mit Psychologie und Neurowissenschaften zutun hat, kommt bei diesem YouTubechannel voll auf seine*ihre Kosten. Auch verschiedene psychische Erkrankungen und Neurodiversitäten werden in ihren Videos anschaulich gemacht, ohne allzu sehr zu pathologisieren. Lieblingsbeispiel: The Neuroscience of Autism
Bonuspunkte für alle, die Katzen mögen. In folgendem Video wird Behaviourismus anhand des Trainings der eigenen Hauskatzen erklärt.
I Train My Cats With Psychology

“Angst beherrscht man nicht, ohne Furcht zu kennen”
Wem “Neurotransmissions” nicht genug ist, wird sich auch über diese Website freuen. Dieser Artikel im Speziellen  beleuchtet den Sinn und die Neurobiologie der Furcht und erklärt zugleich, wie Angsterkrankungen entstehen können.
Das Gehirn.info

50 Jahre Berliner Sonntagsclub
In dieser bereits 7 jahre alten Dokumentation wird erzählt, wie der bei queeren Berliner*innen jeglicher Altersgruppen bekannte Sonntagsclub entstanden ist. Die Geschichte erinnert an queere Vergangenheit, die damaligen Schwierigkeiten und lässt wichtige Zeitzeug*innen zu Wort kommen.
Sonntagsclub Dokumentation

Landespsychotherapeutenkammer Rheinland Pfalz positioniert sich gegen Diskriminierung
Wusstet ihr, dass trans Personen sich sehr intensiven psychologischen Begutachtungen unterziehen müssen, um ihren Namen und Personenstand zu ändern? Wusstet ihr, dass das Verfahren für trans Personen sehr teuer ist? Kennt ihr die Hürden und langwierigen psychologischen - und medizinischen Untersuchungen, die trans Personen über sich ergehen lassen müssen, um sich körperlich ihrem richtigen Geschlecht angleichen zu lassen? Die Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz hat sich zu der gängigen Praxis positioniert.
LPK-RLP Positionierung

Pocher konfrontiert Hildmann

Oliver Pocher hat gestern Nachmittag medienwirksam den Koch Attila Hildmann zur Rede gestellt, was seine Verschwörungstheorien angeht. Das hitzige Gespräch wurde von der Polizei beendet. Pocher wurde “zu seinem eigenen Schutz” vom Gelände geleitet. 
rbb24

Mit diesem bunten Strauß Sonntag wünschen wir Euch ein wunderschönes Restwochenende!

Marlon, Katharina und das ganze Team von angstfrei.news

(Und: hört auf zu googeln – das machen wir für Euch.)

Ideen, Anmerkungen, Wünsche? Gerne hören wir über das Feedbackformular von euch. Ihr wollt unsere Arbeit unterstützen: Spenden und Fördermitgliedschaft bei der Deutschen Angst-Hilfe e.V.

Quellen
Corona in Zahlen (RKI) | Gesundheitsticker | Tagesschau (Ticker) | Über die Landesregierung NRW sind wir außerdem an den dpa-Nachrichten-Ticker angebunden, den wir immer als Quelle verwenden, wenn wir (dpa) schreiben.