Sonntag, 31. Mai 2020 | 8 Uhr
Sonntag, 31. Mai 2020 | 8 Uhr
Guten Morgen ihr Lieben,
heute ist Sonntag und auf euch wartet eine Schmökerausgabe - keine leichte Kost, aber an Pfingsten (für die Gläubigen unter Euch das Fest des Heiligen Geistes) habt ihr ja einen (Feier)Tag mehr, um Eure Gedanken auf eine Reise zu schicken. Und die ist heute besonders mitreißend: Der Tipp des Tages ist eine Reise durch das Leben und Umgehen mit und die Überwindung (?) der Angst. Wir stellen Euch die neue Ober-Rubrik 360° vor und füllen sie heute gleich doppelt: Im Mensch zu Mensch nimmt Nicholas Euch dann wie gewohnt wortgewandt mit durch seinen Zweifel an der Menschheit und wieder hinaus. Unter “Es war einmal…” lest ihr heute eine teilfiktionale Geschichte von Katharina, die Euch zwischen Gegenwart, Vergangenheit und einem demenziellen Geist verwebt. Im Dies und Das entlassen wir Euch dann gewohnt leichtfüßig in den Sonntag.
In diesem Sinne: gehabt Euch wohl!
Einen sonnigen Tag wünschen Euch Katharina, Nicholas
und das ganze Team von angstfrei.news!
Ihr habt Lob, Kritik oder Anregungen(z.B. zum Tipp des Tages oder den neuen Kategorien) für uns? Schreibt uns Euer Feedback.
Die gute Nachricht des Tages
Drosten: Pandemie ohne zweiten Lockdown möglich
Professor Christian Drosten, der Virologe der Charité - Universitätsmedizin Berlin, sieht eine Chance, "ohne Impfung hier mit dieser generellen Steuerung von Maßnahmen glimpflich in den Herbst und in den Winter zu kommen, sprich ohne eine tödliche neue zweite Welle." Das sagt er in der Donnerstags-Ausgabe des NDR-Podcasts. Diese mutmachende Botschaft sendet er in Rückgriff auf die neuen Erkenntnisse zur Verbreitung des Virus': Die Verbreitung geschehe eher über wenige Großereignisse ("Superspreading Events"), auf denen sich die Infektion verbreite als über Einzelpersonen. Ein*e Infizierte*r steckt dabei mehrere Personen mit der Krankheit - im aktuellen Fall Covid-19 - an. Eine aktuelle Studie aus Hongkong legt nahe, dass 20 Prozent der Infizierten etwa 80 Prozent der Infektionen anstoßen. Dieser Weg könne jedoch besser verfolgt werden. Diese Erkenntnis führt zu einem Umdenken in der Seuchenstrategie: Wichtig sei nun nicht mehr vor allem der Infizierte als Ausgangspunkt der Kontrollmechanismen, sondern die Veranstaltungen, auf denen unübersichtliches Anstecken wahrscheinlicher ist. Ausbrüche müssten demnach weiterhin gut verfolgt werden und Kontaktpersonen umgehend in Quarantäne gesetzt werden. Dafür reiche in Zukunft nur noch eine gute Woche Isolation, denn die Inkubationszeit und die Zeit, in der ein Mensch ansteckend sei, sei deutlich kürzer als anfangs gedacht, so Drosten.
→ Deutschlandfunk | Podcast “Corona Update” | Tagesschau (HIntergrund Superspreader)
Die Nachrichtenlage
Weniger Teilnehmer an den Demonstrationen
Die Lockerungen haben Einfluss auf die Teilnehmer*innen-Zahl an den Corona-Demonstrationen: Insgesamt haben weniger Menschen an den Protesten teilgenommen, als an den vergangenen Wochenenden. Insgesamt berichtete die Polizei auch von einer friedlicheren Stimmung: In Stuttgart verlief die Demonstration "störungsfrei", so die Polizei. Anstatt der rund 5000 Teilnehmer*innen erschienen zur größten Kundgebung nur etwa 150 Menschen. In Bayern demonstrierten 700 Personen in München und einige wenige auf vier Veranstaltungen in Nürnberg. Auch in Berlin lag die Teilnehmerzahl weit unter der angekündigten - auf rund 200 Menschen an zwei Orten kam ein Aufgebot von 550 Polizist*innen. Wie in anderen Städten, gibt es auch in der Hauptstadt keine Maximalteilnehmerzahl für Demonstrationen mehr. Der angekündigte Sonderweg in Thüringen schlug sich auch hier auf die Teilnehmerzahl an Demonstrationen in Erfurt, Jena, Weimar und Nordhausen nieder: anstatt 1400 Personen fanden sich landesweit nur etwa 450 Menschen - anders als in den Vergangenen Wochen weitestgehend friedlich - zusammen. Einige wenige Ausschreitungen gab es in Frankfurt, wo Demonstranten und Gegendemonstranten von der Polizei getrennt werden mussten.
→ Süddeutsche
Karliczek: Schulöffnungen brauchen neue Konzepte
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek wünscht sich einen verlässlichen Unterricht nach den Sommerferien. Sie ruft dazu auf, die Sommerpause dazu zu nutzen, neue Lösungen zu entwickeln. Sie könne sich eine Mischung aus Präsenz- und Digitalunterricht vorstellen, so die Ministerin in einem Interview mit der Rheinischen Post. Raumnot könne man beispielsweise mit Containern begegnen, personelle Engpässe wären möglicherweise über Lehramts-Studierende als Hilfskräfte abzufedern. Karliczek betont, sie habe ein großes Bewusstsein für die große Herausforderung und sichert den verantwortlichen Kultusminister*innen der Länder ihre Unterstützung zu. Um die Chancengleichheit zu wahren und Eltern wie Schüler zu entlasten, sei eine Rückkehr in den geregelten Schulunterricht zentral. Seit Anfang März läuft der Schulbetrieb im Ausnahmemodus.
→ Tagesschau
Lokale Ausbrüche wegen Gruppenereignissen
In Bremerhaven ist die Zahl der Neuinfizierten aus dem Kontext einer Kirchengemeinde auf 49 gestiegen. 146 Personen aus dem weiteren Umfeld der Gemeinde sind nach wie vor in Quarantäne. Obwohl die genaue Ursache des neuen Corona-Clusters nicht gesichert ist, legt auch dieser Fall die Erkenntnisse nahe, auf die sich auch Drosten in der "guten Nachricht" bezieht.
→ buntenunbinnen
Merkel sagt G-7 Gipfel ab
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte ihre Teilnahme am G7-Gipfel Ende Juni in Washington ab. Offiziell ließ Merkel über einen Regierungssprecher erklären, sie danke Trump für die Einladung, mit Stand heute könne Merkel mit Blick auf die aktuelle Pandemie-Gesamtlage keine persönliche Teilnahme zusagen. Konmmentatoren*innen werten die Absage gleichermaßen als diplomatische Botschaft an US-Präsident Trump für dessen Umgang mit der Pandemie sowie seiner aktuellen Entscheidung zum Ausstieg aus der WHO (s.u.). Trump möchte mit dem persönlichen Treffen im Weißen Haus ein Signal für die Normalisierung der Pandemie senden. Die Statistiken - insbesondere für den Großraum Washington - zeichnen jedoch ein anderes Bild: insbesondere die Hauptstadt sei besonders von der Pandemie betroffen.
→ Tagesschau
EU unterstützt die WHO nach USA-Ausstieg
Nachdem US-Präsident Trump gestern den Ausstieg der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verkündet hat, verspricht die EU heute eine besondere Welle der Solidarität. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen versprach, dass Europa die WHO auch finanziell stärker unterstützen würde. Die USA waren bisher der wichtigste Geldgeber der Organisation. Allein im laufenden Jahr wollten die USA 116 Millionen Dollar an die WHO zahlen. Neben Solidaritätsbekundungen an die WHO sendeten zahlreiche Staats- und Regierungschefs*innen Kritik nach Washington: Die Bundesregierung drückte diplomatisch ihr "Bedauern" aus, Außenminister Heiko Maas wurde deutlicher und sagte, das Verhalten von US-Präsident Trump sei das falsche Signal zu falschen Zeit. Die WHO selber verzichtete auf einen Kommentar. Die USA waren über 70 Jahre Mitglied der WHO und zogen sich nun nach dem Vorwurf, die Organisation sei eine Marionette Chinas und hätte die Krise nicht adäquat angegangen, aus ihrem Engagement zurück. Die Beiträge sollen nun an andere Gesundheitsorganisationen gehen.
→ Süddeutsche | Tagesschau
USA vierte Nacht in Folge Demonstrationen
In der vierten Nacht in Folge, demonstrieren Amerikaner landesweit gegen Rassenhass und für eine gleichberechtigte Behandlung aller Ethnien und Hautfarben vor Gesetz und Polizei. Neben friedlichen Demonstrationen mehren sich berichte über USA-weite gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Demonstrant*innen und der Polizei. Anstatt die Lage zu beruhigen, schürt Us-Präsident Trump die aufgeheizte Stimmung via Twitter: sollten die Gouverneure die lokale Lage nicht mit härteren Maßnahmen in den Griff bekommen, so werde der Staat mit der "grenzenlosen Macht" des US-Militärs eingreifen. Am Montag starb der Afroamerikaner George Floyd nach einem gewaltsamen Polizeieinsatz. Der Polizist, der für den Tod verantwortlich gemacht wird, wurde nun wegen Mordes angeklagt.
→ Süddeutsche Zeitung
Corona in Zahlen
In Deutschland sind 181.196 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 30.5.2020, 00:00 Uhr, Quelle: RKI), das sind 738 Personen mehr als am Tag zuvor.
Warum diese Zahlen? Wir zitieren hier die offiziellen Zahlen des RKI, diese werden einmal täglich – immer um Mitternacht – veröffentlicht und um 10 Uhr morgens online bereitgestellt. Und warum gibt es hier nicht mehr davon? Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz.
Gesundheitsticker: 2.738.306 Menschen sind weltweit wieder genesen, das sind 77.143 Personen mehr als gestern Früh. Davon 164.900 in Deutschland (Stand: 31.05.2020 8 Uhr, Quelle: Worldometers).
Tipp des Tages
Leben, umgehen und überwinden von Angst
von Katharina
Dieses Projekt ist gestartet als Knotenpunkt für Menschen, die in der Corona-Welt möglichst angstsensibel durch den (Nachrichten-)Tag kommen wollten. Wir wollten ein Angebot für Menschen mit Angsterkrankungen und Angstneulinge gleichermaßen schaffen. Mit der Veränderung der Krise hat sich auch diese Webseite verändert: Die Nachrichten bleiben, wir erzählen mehr von und über uns und unseren Alltag mit, ohne oder trotz Angst. Die Tipps heute legen den Finger an den Puls dieses Themas. Übrigens: Dass Nicholas hier an zwei Stellen Pate steht, hat nicht mit seiner Autorenschaft an der heutigen Ausgabe zu tun, sondern schlicht damit, dass er plastisch und nahbar über das Thema schreibt und somit für ziemlich viele Menschen einen verständlichen Einblick gibt.
Mit der Angst
Ganz zu Beginn der Corona-Zeit war Nicholas zu Gast im Podcast von Leon Windscheid und Atze Schröder. Verhältnismäßig leichtfüßig haben sich die drei darüber unterhalten, was Corona mit Angst macht und Angst mit Corona. Nicholas verriet dort auch, dass er ein neues Projekt plant: Eine Webseite, die Nachrichten ohne Schockbilder und Krisenfokus sammelt - nämlich diese!
→ Betreutes Fühlen vom 17. März 2020
Durch die Angst
In einem sensiblen Überblick hat der SPIEGEL drei Geschichten gesammelt, wie Menschen gelernt haben, Ihre Angsterkrankung in den Griff zu bekommen und damit zu leben. In einer informativen Einleitung sammelt die Redaktion aktuelle Fakten rund um das Thema Angst.
→ Zum Artikel (SPIEGEL)
Nach der Angst?
Gibt es eigentlich ein “nach der Angst”? Vor einigen Tagen hat Nicholas hier an dieser Stelle geschrieben, wie sich für ihn die Gegenwart mit (oder ohne?) einer Angsterkrankung anfühlt. Er hat danach einen Teil des letzten Kapitels seines Buches hier veröffentlicht (das könnt ihr auch hier hören). MIr hat es ungemein geholfen, die Gegenwart von und mit Angsterkrankungen zu verstehen. Vielleicht ist es für Euch auch spannend? Das ganze Buch gibt es übrigens auch auf Spotify. Ich (Katharina) würde Euch gerne den Podcast “In extremen Köpfen” mit Nicholas (auch von und mit Leon Windscheid) empfehlen - denn hier gibt es einen sehr kompakten und vor allem aktuellen Überblick zum Thema aus persönlicher Sicht - aber leider gibt es diesen nur im kostenpflichtigen Abo (s.u.).
→ “In extremen Köpfen” (Staffel 2)
→ “Ich bin dann mal eben wieder tot” (Hörbuch auf Spotify | 2017)
In eigener Sache: Wir freuen uns, wenn Ihr uns im Feedback den ein oder anderen Tipp hinterlasst (zur Angst oder zum Leben allgemein), den wir gerne zukünftig an dieser Stelle veröffentlichen. Vielen Dank!
360°
Ausnahmsweise: Ein Vorwort.
Wir möchten Euch heute das neue Herzstück unserer täglichen Ausgabe vorstellen: Unsere Kategorie 360° fasst die Texte, die uns am meisten bewegen. Bis zu zwei Texte werdne pro Ausgabe erscheinen. Vier unterschiedliche Formate können Euch hier begegnen:
1. Von Mensch zu Mensch
Wie gehabt schreiben wir hier über das, was uns bewegt: eine persönliche Beobachtung, ein Erlebnis, ein Gefühl oder eine Alltagssituation.
2. Prolog zu Morgen
Hier findet ihr das, was wir bis dato 360° genannt haben. Hier geht es um eine Vision zu morgen (ökologisch, sozial, wirtschaftlich, zum Zusammenleben, …). Ausgangspunkt ist ein Fundstück, vielleicht auch ein eigener Gedanke oder ein wissenschaftlicher Artikel.
3. Im Gespräch
Hier ist Raum für ein spannendes Interview, mit Menschen, die uns wegen ihrer Geschichte, ihrer Ansichten oder Erfahrungen bewegt haben
4. Es war einmal…
Hier ist raum für eine (fiktive) Geschichte, die wir für Euch geschrieben haben.
Von Mensch zu Mensch
Einmal die Woche
von Nicholas
Einmal die Woche verliere ich meinen Glauben an die Menschheit.
Das ist dann weder Absicht, noch Attitüde, es ist stets ein gewachsener, echter Gedanke, der mich heimsucht wie ein schlimmer Traum. Meist folgt auf Tage dieser Sorte dann eine Nacht, die eben voll von einem wiederkehrenden, schlimmen Traum ist: Ich bewege mich auf einer schmalen Brücke unaufhaltsam in eine Richtung, die mir nicht mehr verrät, als dass sie irgendwie ‚vorwärts‘ sein soll. Das Ziel aber bleibt unbekannt. Links und rechts von mir klafft eine Lücke an Realität, wächst eine große Schwärze und lädt zum Sturz ein. Am greifbarsten könnte man sie wohl einfach Nichts nennen und nichts ist bedrückender als Nichts, wünscht man sich Sicherheit und Geborgenheit und ein Ziel. Nun träume ich da also so vor mich hin, mit dem Unbekannten vor mir und dem Nichts an beiden Seiten und fühl mich grauselig. Mein Leben fühlt sich abschüssig an, mein Schwung wird mir selbst zu viel, ich werde zu einem plumpen Brocken aus Kinetik und Zweifeln und weiß nicht, was mich mehr bekümmert: Die Frage nach dem unbekannten Ende vor mir oder die nach den noch unbekannteren Alternativen zu meinen Seiten.
Immer dann, wenn ich einmal die Woche meinen Glauben an die Menschheit verliere, passiert das so.
George Floyd war 46 Jahre alt, als er aus einer Dummheit heraus oder aus Unwissen mit gefälschtem Geld zahlen wollte. Ich kann euch nicht sagen, ob ich einen gefälschten Geldschein erkennen würde, hätte ich einen in den Händen. George Floyd war vielleicht ein wenig auf Sendung, als er das tat. Berichten zufolge war er intoxikiert, hatte Drogen intus, war nicht kooperationsbereit, als er von vier bulligen Typen im Polizistenornat wegen seines Falschgeldfehlers festgenommen wurde. Als George Floyd die restlichen Plus/Minus 46 Jahre seines längst noch nicht fertigen Lebens genommen wurden, lag er hilflos mit dem Gesicht auf einem Bordstein und wurde von drei Polizisten fixiert, von dem einer so lange auf seinem Hals kniete, bis kein Atem mehr in die Lungen wollte. Er rief nach seiner Mutter, wie man das beim Sterben wohl so macht, bat um Gnade, Luft und Wasser. Und wenn’s ein paar Sachen gibt, die wir Menschen mit unseren opponierbaren Daumen und unseren weltraumberechnenden Hirnen, mit unseren sehenden und sehnenden Herzen, mit unserem Menschsein und dem ganzen Geschenk der Evolution geben können, dann sind das Wasser, Luft und Gnade. Vor allem Gnade. Dafür sind wir hier. Dafür sind wir, was wir sind.
Und wenn das nicht geht, dann verliere ich einmal die Woche meinen Glauben an die Menschheit.
Der Mensch soll kein gescheitertes Konzept sein. Kein Versuch aufs Wunderbare, mit dem Auskommen einer lebenden Katastrophe. Es schmerzt mich, da zusehen zu müssen. Es schmerzt in einem Maße, das mir nicht mal erlaubt, euch jetzt zu erzählen, dass der Gegenbeweis mich Papa nennt. Dass ich mir einfach nicht vorstellen kann, dass meine Tochter jemals so wird. So, dass sie aus Hass und Missgunst und Gier ihr Privileg Mensch verwirken will, um abgründig und schlecht zu sein. Das käme mir verklärt und in Anbetracht einer derartigen Tragödie weltfremd vor. Und die Welt, so klapprig und unrund sie auch sein mag und das nicht erst seit dieser Woche, die soll mir nicht fremd werden. Ich lebe doch hier, auch außerhalb der vier Wände, in denen Zukunft herrscht. Ich will mich so gerne auskennen. Aber dass es Beweise gibt, dass eben kein Mensch so geboren wird, wie es dann in diesen acht grausamen Minuten um den Tod von George Floyd gelebt wurde, das wird mir dann klar. Eigentlich. Ich würde gerne immer Lösungen präsentieren, kluge Ratschläge und Wege aufzeigen, aber gerade ist es mir unmöglich. Gerade lähmt mich der Gedanke, dass die wunderbarsten Menschen so leise wirken, wenn die Schlimmen so laut Schlimmes tun. Hass gebiert Hass, Gewalt erzeugt Gegengewalt, es gibt kein richtiges Leben im falschen.
Deswegen verliere ich einmal die Woche den Glauben an die Menschheit.
Wenn all das passiert, dann will ich nicht an Blumen denken. Dann will ich niemandem mit den Worten „Aber schau doch mal, wie schön es hier ist!“ begegnen und so tun, als wär’s in Ordnung, nur eben an ganz anderen Stellen und Orten. Dann fühlt sich jeder Blick auf die allgegenwärtigen Wunder hier unten an, als wär’s ein Blick auf vertane Chancen. Dann verliere ich den Glauben an mich. Dann gebe ich Verantwortung ab, an einen Fatalismus, der mir verbietet zu wachsen und besser zu sein. Dann verleugne ich die Hoffnung, dann tu ich so, als gäbe es sie nicht. Und wenn wir alle das tun, dann wird irgendwann Wahrheit daraus. Dann bauen wir uns eine Realität, die nicht nur an Träume von ziellosen Brückenfahrten und Dunkelheit gemahnt, dann sind wir unsere eigene Dunkelheit. Wenn wir jetzt müde werden, dann schlafen wir am Steuer ein und fallen allesamt links und rechts vom Rand. Das wäre viel zu einfach. Niemals darf das sein. Es macht keinen Sinn sich einzureden, dass die Welt ein rundum guter Ort ist, denn das stimmt nicht, es stimmte nie und es wird aller Voraussicht nach auch niemals stimmen. Aber noch viel weniger Sinn macht es, sich in diese Tatsache zu fügen. Wir sollten uns bei jeder Gelegenheit dagegen stemmen. Wir haben die Geschicke der Welt und ihrer Menschen sicher nicht vollumfänglich in der Hand, meist können wir ja noch nicht mal unsere eigenen Wege absehen, aber wir können verdammt noch mal morgens aufstehen und eben nicht schlecht sein. Kein milliardengroßes Konvolut von kleinen Katastrophen. Wir können das. Wir haben opponierbare Daumen, weltraumberechnende Hirne und sehende und sehnende Herzen. Wir haben ein Menschsein. Und so sehr ich mir weiter die Antwort wünsche, so sehr ich auch gern ganz vorne stünde, mit grenzenlosem, immerdarem Optimismus; so sehr mich auch schmerzt, dass all das nicht sein kann, weiß ich doch: Jede Woche, seit Anbeginn des Kalenders und voraussichtlich bis zum letzten abgerissenen Blatt hat sieben Tage.
Und:
Gerade mal einmal die Woche verliere ich den Glauben an die Menschheit.
Es war einmal...
Puppentausch.
von Katharina
Sie hieß Susi und war wunderschön. Ihre edlen, dunkelbraunen Haare hatte sie zu feinen Zöpfen geflochten. Kleine, dunkelgrüne Schleifchen hielten die ineinander verwunden Haarbahnen zusammen. Ach wie verführerisch. Ich erinnere mich daran, wie ich an den Seidenbändchen herumfingerte, in der Hoffnung, das Pflechtwerk löst sich und die ganze kastanienfarbende Pracht ergießt sich über Susis feine Schultern. Darüber thronte ein Basthut mit acht flauschigen, roten Bommeln.
Oma Burlo fingert ungeschickt an dem glänzenden grünen Band, das den Bommelbasthut auf Susis zartem Kopf festhält und zuppelt nervös an der spitzenbesetzen Schürze, die im Schummerlicht dieses Herbstnachmittages schwarz schimmert. Dann drückt sie mir den kleinen Körper in die Arme und ich verspreche, während ich Oma Burlos Pergamenthand ungeschickt hätschel, sorgfältig auf unseren Schützling aufzupassen. Oma Burlo drückt lange meine Hand.
Dies und Das
Wissenschaftler*innen haben auch Gefühle.
Glaubt ihr nicht? Unsere “Chemikerin des Vertrauens” Mai Thi Nguyen-Kim beweist das Gegenteil. Aber nicht alleine. Ihre emotionale Dolmetscherin ist Komikerin Carolin Kebekus. Die Mischung ist “funny ‘cause it’s true!”, sehr relevant und absolut sehenswert.
→ Zum Video (zum Schießen!)
Einmal Designer*in sein!
Die Süddeutsche Zeitung lädt ein, selber zum Trittbrett-Kreativen zu werden. Sie stellt sechs Design-Objekte zum Nachbasteln vor. Ich glaube, ich (Katharina) baue mir einen Laptophalter. Und ihr?
→ Zum Artikel (Süddeutsche)
Trash-TV gucke ich nur ironisch!
Ertappt. Ich schaue mir die miserabelsten oder völlig fern meiner ZIelgruppe befindlichen Serien an, zappe durch deutsche “Unterhaltungs”Shows, die ich wegen meiner feministischen, politischen oder bildungsbürgerlichen Haltung überhaupt nicht (#Ironie) vertreten kann und kann trotzdem mitreden, obwohl ich ein bestimmtes Format noch nie gesehen habe. Trash-TV gucke ich ausschließlich ironisch! Und überhaupt: Ich weiß nur, wer Jacky ist, weil ich zufällig darüber gestolpert bin (in 13 Folgen GNTM). Diese Haltung kennt ih? Dann fühlt ihr Euch in diesem Bento-Artikel vielleicht ähnlich ertappt wie ich.
→ Zum Artikel
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Quellen
Corona in Zahlen (RKI) | Gesundheitsticker | Tagesschau (Ticker) | Über die Landesregierung NRW sind wir außerdem an den dpa-Nachrichten-Ticker angebunden, den wir immer als Quelle verwenden, wenn wir (dpa) schreiben.