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Sonntag, 7. Juni 2020 | 8 Uhr

Yvonne
Tim

Liebe Leser*innen, 

wir wünschen euch einen ganz wunderbaren Tag des Videorekorders! Am 7. Juni 1975 wurde auf der Consumer Electronics Show (CES) in Chicago in den USA zum ersten Mal ein serienreifer Videorecorder vorgestellt. 45 Jahre später ist das Gerät kaum noch in einem Haushalt zu finden, obwohl viele Menschen noch Erinnerungen auf dem fast altertümlich wirkendem Videokassetten festgehalten haben. Falls ihr schon immer mal sehen wolltet, wie so ein Videorecorder von Innen aussieht.

Allerdings könnte es sich auch lohnen den sonnigen Sonntag nicht nur vor dem Bildschirm zu verbringen. In jedem Fall genießt euer Wochenendende mit den angstfreien Nachrichten! 

Beste Grüße von Yvonne, Tim und dem ganze Team von angstfrei.news! 

Ihr habt Lob, Kritik oder Anregungen (z.B. zum Tipp des Tages oder den neuen Kategorien) für uns? Schreibt uns Euer Feedback.

Die gute Nachricht des Tages

108-Jährige übersteht Corona-Infektion 
“Gott hat mich vergessen” - so kommentierte Fatima Negrini ihren 108. Geburtstag am vergangenen Mittwoch laut der Zeitung “Corriere della Sera”. Die Italienerin aus dem Pflegeheim Anni Azzurri San Faustino in Mailand ist wohl eine der ältesten Patient*innen, die Corona überstanden hat: Im April habe sie sich mit dem Coronavirus infiziert, blieb aber asymptomatisch. Mitte Mai sei sie dann negativ getestet worden, teilte ein Sprecher ihres Pflegeheims mit, in dem die Seniorin schon seit vielen Jahren wohne. 

Ihren Geburtstag feierte Fatima übrigens mit einer Schokoladentorte sowie ihren drei Söhnen (89, 88 und 78 Jahre alt) sowie vier Enkeln und zwei Urenkeln. 
Telebasel

Die Nachrichtenlage

BDI und DIHK warnen vor Verwaltungsaufwand durch Mehrwertsteuersenkung
Der Bund der deutschen Industrie (BDI) warnt vor hohem Verwaltungsaufwand durch die Mehrwertsteuersenkung.  "Die kurzfristige Steuersatzsenkung ruft umfangreiche Abrechnungsprobleme bei den Unternehmen hervor", sagte Monika Wünnemann vom BDI, gegenüber der "Welt". Auch den Steuerchef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Rainer Kambeck, hätten vielen Anrufen und E-Mails erreicht, seit die Steuerpläne der Bundesregierung bekannt sind: „Bei uns melden sich zahlreiche Betriebe, die auf den zusätzlichen Umstellungsaufwand aufmerksam machen“, sagt er. Probleme bereiten nicht nur Kassenumstellung sondern beispielsweise auch die Abrechnung von Gutscheinen, Leasingverträgen oder Pfanderstattungen. 

Die Bundesregierung hatte mit ihrem in der aktuellen Woche beschlossenen Konjunkturpaket anlässlicher der Corona-Pandemie eine Senkung der Mehrwertsteuer auf 16 beziehungsweise 5 Prozent für die zweite Jahreshälfte vorgeschlagen. Bundestag und Bundesrat müssen die Gesetzesänderungen noch verabschieden.
Welt.de

Lufthansa garantiert Rückflug
Die Lufthansa kündigt eine Rückholgarantie für Flugreisende an. Damit will sie die wegen der Corona-Pandemie drastisch gesunkene Nachfrage nach Flügen wiederbeleben. "Wir führen eine Home-Coming-Garantie ein", sagte Konzernchef Carsten Spohr der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Von dieser Garantie ausgeschlossen seien Reisende, die aufgrund von erhöhter Temperatur am Zielort nicht einreisen dürften, dort in Quarantäne müssten oder wenn im Gastland das Virus ausbricht.

Der Lufthansa-Chef hofft auf eine schnelle Erholung: "Spätestens zu den Herbstferien rechnen wir mit einer hohen Nachfrage für Privatreisen", sagte Spohr. Als erstes hätten Portugal und Griechenland wieder angezogen, andere Ziele würden folgen. 

Die Lufthansa bekommt wegen der Corona-Pandemie umfangreiche Unterstützung von der Bundesregierung. Das Rettungspaket umfasst neun Milliarden Euro. Dafür muss die Lufthansa auf Druck der EU-Kommission Start- und Landerechte abgeben.
Handelsblatt

Lehrerverband für Maskenpflicht bei Schulregelbetrieb
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, fordert eine Maskenpflicht für Schüler im Unterricht, sollte es wieder einen Regelbetrieb geben. Eine Maskenpflicht "auch während des Unterrichts" sei sinnvoll, sagte Meidinger der "Bild"-Zeitung vom Samstag. Dies erschwere allerdings ordentlichen Unterricht, ergänzte er.

Am Freitag hatten sich die Landeskultusminister für eine schnelle Rückkehr zum Regelbetrieb in den Schulen ausgesprochen. Dies solle "so bald wie möglich" erfolgen, sagte die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK), Stefanie Hubig (SPD), am Samstag dem Deutschlandfunk. Die Entscheidungen müssten aber die einzelnen Länder treffen. 
Stern


International

Frankreich: “StopCovid” eine Million mal aktiviert
Frankreichs Coronavirus-Warn-App "StopCovid" ist nach Angaben der Regierung innerhalb von drei Tage mehr als eine Millionen Mal aktiviert worden. Die kostenlose Anwendung steht seit Dienstag zum Herunterladen auf das Handy bereit und soll mittels Bluetooth die Nachverfolgung von Infektionsketten erleichtern. Damit die App aber wirksam sei, müsste sie von mehreren Millionen Französinnen und Franzosen genutzt werden, hatte die französische Regierung zuvor erklärt. 

Frankreich hat knapp 67 Millionen Einwohner. In Deutschland hat Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) eine App für Mitte Juni angekündigt.
Handelsblatt/dpa

Ungarn: Reisebeschränkungen für Deutschland aufgehoben
Deutsche Staatsbürger können ab heute wieder ohne Einschränkungen nach Ungarn reisen. Wie das Außenministerium in Budapest bekannt gab, hebe das Land im Zuge der Lockerungen der Corona-Auflagen alle Beschränkungen im Personenverkehr mit Deutschland auf. Zudem müssten ungarische Bürger*innen, die aus Deutschland zurückkehren, nicht mehr in eine 14-tägige häusliche Quarantäne.

Mitte März hatte die Regierung in Budapest ein Einreiseverbot für alle Ausländer verhängt. Ausgenommen waren EU-Bürger mit festem Wohnsitz in Ungarn sowie Lastwagenfahrer, Diplomaten und Transitreisende.
Deutschlandfunk

UK: Expert*innen warnen vor zweiter Infektionswelle im Winter
Zahlreiche Gesundheitsexpert*innen haben sich in einem Brief an den britischen Premierminister Boris Johnson gewandt, um vor einer zweiten Infektionswelle im Winter im Vereinigten Königreich zu warnen. "Es werden noch sehr viel mehr Menschen sterben, wenn das Land nicht endlich besser auf die Pandemie reagiert als bisher", warnten die Forscher*innen. Zu den 27 Unterzeichner*innen gehört auch der Mediziner Anthony Costello, ein ehemaliger Spitzenbeamter der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Nach Angaben des britischen Gesundheitsministeriums sind bereits mehr als 40.000 Corona-Infizierte gestorben - kein anderes Land in Europa verzeichnet so viele Opfer. 
Spiegel 
Brief der Expert*innen im Guardian (Englisch)

Sport: Keine Amateurfußballsaison 20/21 in Bayern
Der Bayerische Fußball-Verband (BFV) hat einstimmig entschieden, die Saison der Fußballamateure 20/21 wegen der Corona-Pandemie abzusagen. Dennoch soll gekickt werden: Denn die laufende Saison soll bis ins kommende Jahr verlängert werden, um sie so zu Ende zu spielen. Fortgesetzt wird die Saison 19/20 frühestens im September. 
BR

Corona in Zahlen
In Deutschland sind 183.678 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 06.06.2020 00:00 Uhr, Quelle: RKI), das sind 407 Personen mehr als am Tag zuvor.

Warum diese Zahlen? Wir zitieren hier die offiziellen Zahlen des RKI, diese werden einmal täglich – immer um Mitternacht – vom RKI aktualisiert und um 10 Uhr morgens online veröffentlicht. Und warum gibt es hier nicht mehr davon?  Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz.

Gesundheitsticker: 3.413.349 Menschen sind weltweit wieder genesen, das sind 51.902 Personen mehr als gestern Früh. Davon 168.900 in Deutschland (Stand: 07.06.2020 04:54 Uhr, Quelle: Worldometers).

Tipps des Tages

von Yvonne

LESETIPP „1000 Serpentinen Angst“ von Olivia Wenzel
Gerade schaue ich in mein Notizbuch und stoße auf „1000 Serpentinen Angst“. Getriggert durch unser Hauptthema: die Angst, hatte ich den Titel aufgeschnappt und aufgeschrieben, um hier später (vielleicht) darüber zu berichten.

Ich google also Buch und Autorin und bleibe an der Leseprobe kleben, im positivsten Sinne. Fasziniert hänge ich an den Zeilen. Mir ist sofort klar: dieser Roman ist was ganz Besonderes und wird mein Lesetipp für Euch!

Ich habe mir das Buch bestellt. Es ist zwar keine seichte Belletristik, aber das Leben in einen Roman verpackt und das finde ich spannend. Am besten stelle ich euch dieses Werk mit dem Covertext vor: (schaut aber auch unbedingt in die Leseprobe)

"Ich habe mehr Privilegien, als je eine Person in meiner Familie hatte. Und trotzdem bin ich am Arsch. Ich werde von mehr Leuten gehasst, als meine Großmutter es sich vorstellen kann. Am Tag der Bundestagswahl versuche ich ihr mit dieser Behauptung 20 Minuten lang auszureden, eine rechte Partei zu wählen."

Eine junge Frau besucht ein Theaterstück über die Wende und ist die einzige Schwarze Zuschauerin im Publikum. Mit ihrem Freund sitzt sie an einem Badesee in Brandenburg und sieht vier Neonazis kommen. In New York erlebt sie den Wahlsieg Trumps in einem fremden Hotelzimmer. Wütend und leidenschaftlich schaut sie auf unsere sich rasant verändernde Zeit und erzählt dabei auch die Geschichte ihrer Familie: von ihrer Mutter, die Punkerin in der DDR war und nie die Freiheit hatte, von der sie geträumt hat. Von ihrer Großmutter, deren linientreues Leben ihr Wohlstand und Sicherheit brachte. Und von ihrem Zwillingsbruder, der mit siebzehn ums Leben kam. Herzergreifend, vielstimmig und mit Humor schreibt Olivia Wenzel über Herkunft und Verlust, über Lebensfreude und Einsamkeit und über die Rollen, die von der Gesellschaft einem zugewiesen werden.

2020 erhielt Olivia Wenzel übrigens den Literaturpreis der Stadt Fulda für ihren Debütroman. → zur Leseprobe

SCHREIBTIPP “Das 6-Minuten Tagebuch
Falls Euch dieses Buch gerade zu harter Tobak ist, dann habe ich noch einen (alten) Tipp für Euch: Schreibt Tagebuch! Ich habe mir vor kurzem “Das 6-Minuten Tagebuch” gekauft und schreibe, nicht jeden Tag, aber doch immer öfter und merke dabei, dass mir das gut tut. Es macht mir bewusster, was mir wichtig ist, was ich Schönes erlebe und was ich verändern könnte, um zufriedener mit mir zu sein. 

Eine meiner “Begleiterinnen” durch das Leben ist immer noch der Youtube Kanal  DER GLÜCKSDETEKTIV von Dr. Katharina Tempel. Hier empfiehlt sie auch dieses Buch und erzählt, was Tagebuch Schreiben mit Euch macht. → Youtube (Der Glücksdetektiv)

360° - Von Mensch zu Mensch

Mit nackten Füßen im Rasen
von Yvonne

Vor ein paar Jahren, wusste ich noch nicht, dass das hier etwas sein würde, wo ich mich wieder geerdet fühle. Nun bin ich hier und so dankbar. Hier haben mein Herz und ich vielleicht zu meinen Wurzeln zurückgefunden - in einer Laube in Brandenburg.

Aufgewachsen bin ich in der DDR, am Stadtrand in Ostberlin. Es fühlte sich nicht wie Stadt an. Es war sehr entspannt. Die Straße, in der wir wohnten, mündete in den Wald. Wir spielten auf der Straße vor dem Haus Federball. Freunde und Freundinnen wohnten fußläufig, wenn nicht sogar, gleich nebenan. Ich verbrachte den Sommer draußen, barfuß im Garten, in den Wäldern, auf den Feldern. Das fünfte Familienmitglied war immer ein Hund. Es war schön! Ich habe mich wohl gefühlt, ich habe mich frei gefühlt.

Bis ich anfing, mir meine eigenen Gedanken über mein Leben zu machen. Und ich anfing, mir Fragen zu stellen, wie diese: 

Warum darf ich mir die Welt nicht ansehen, die Südsee, die Alpen, Paris nie live erleben? Viel später kamen dann noch andere Fragen hinzu: Warum marschierte ich zum Fahnenappell, wie ein Soldat? Warum trug ich erst ein Pionierhalstuch und später ein FDJ Hemd? Warum haben wir im Sportunterricht mit Fake Handgranaten geworfen und warum ließ man uns mit Gasmasken durch den Wald robben? Ja, tatsächlich, so geschehen, so erlebt.

Viel später hat mich das wütend gemacht, weil ich geformt und beschnitten wurde in meiner Persönlichkeit, um zu funktionieren, rein zu passen, in eine Form, die ich mir nicht ausgesucht hatte. Dennoch lebe ich heute ein Leben, was schön ist. Aus mir ist ein empathischer, sensibler Mensch geworden, vielleicht gerade deshalb, weil ich erlebt habe, was ich erlebt habe. Und so hat das Leben, wie eine Medaille immer zwei Seiten. 

Meine Eltern waren nie einverstanden mit dem System und hielten sich aus dem politischen Irrsinn, so weit wie nur möglich raus, wollten schon immer weg. Man konnte es sich nicht leisten, richtig laut zu sein, gegen die Staatsgewalt und so tauschte man sich im Privaten aus und umgab sich möglichst mit Gleichgesinnten. Und da ging es uns ganz gut.

Meine Schwester wurde geboren, da war ich schon 8, fast 9 Jahre alt. Sie hatte ständig Bauchschmerzen. Es stellte sich heraus, dass sie Zöliakie hatte. Eine Glutenunverträglichkeit. Das hieß, kein Getreide, wie Roggen, Weizen, Gerste, Dinkel zu sich nehmen, sondern komplett darauf verzichten. Brot, Brötchen, Nudeln – Fehlanzeige. Mein Vater buk Brot und es gab Filinchen, wenn es gut lief. Im Osten dieser Stadt gab es nicht die große, breite Auswahl an Ersatz für Getreide, ein paar Kilometer weiter, in Westberlin schon.

Ich erinnere noch, wie mich meine Eltern im Jahr 1986 ins Wohnzimmer riefen und verkündeten, dass sie sich nun, nach jahrelangem Ringen, entschieden hätten, einen Ausreiseantrag zu stellen. Sie wollten wissen, wie ich darüber denke, ob ich einverstanden wäre. Ich hatte keine Ahnung, was das für mich bedeuten würde, empfand es als Abenteuer und gab meine Zustimmung, da war ich um die 13, 14 Jahre alt.

Diese Entscheidung bedeutete jedoch, von nun an, jederzeit mit Druck und Schikane konfrontiert zu sein. Ab dem Zeitpunkt des offiziellen Antrags hatten meine Eltern regelmäßig Termine bei der Stasi (Staatssicherheit). Dort wollte man sie mit allen Mitteln umstimmen. Es wurde mit allem gedroht (auch damit, ihnen uns Kinder weg zu nehmen), wenn sie den Antrag nicht zurückziehen würden. Ich wusste das damals so nicht, das war auch gut so.

Was ich allerdings erlebt habe ist, dass meine Eltern regelmäßig zu diesen Terminen mussten und mich vorher baten, falls sie bis zu einer bestimmten Uhrzeit nicht zurück sein würden, sollte ich mit meiner Schwester (6) zu den Nachbarn gehen… Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie es sich angefühlt hat, das zu hören. Ich habe die Hintergründe und den Ernst der Lage in dem Moment auch gar nicht richtig verstanden. Heute denke ich, dass ein Teil meiner Verlustangst, auch daher rührt. Immer, wenn ich später so richtig verliebt war, war ich damit konfrontiert.

Meine Mutter verlor ihren Job als Kitaleiterin und wurde herunter degradiert, fortan von Vorgesetzten und Unmenschen angeschrien und auch hier immer wieder unter Druck gesetzt. Ich musste an Veranstaltungen in der Schule nicht mehr teilnehmen. Inzwischen war ich ca. 15, 16 Jahre alt und kurz davor, meinen Schulabschluss (10. Klasse) an der POS zu machen. Ich war eine gute Schülerin. Das Abitur konnte ich mir aber abschminken. Das war für die Parteitreuen reserviert. Darauf hatte ich keine Chance. Obwohl mein Zensuren Durchschnitt das hergegeben hätte.

Ich erinnere, dass ich einmal zusammen mit meiner Mutter bei der Stasi saß und der oder die, das weiß ich nicht mehr genau, meiner Mutter allen Ernstes vorschlugen, (ich saß daneben… und ja, vorSCHLAG - Faust voll ins Gesicht...), dass ich Gabelstaplerfahrerin werden könnte. (Nichts gegen Gabelstaplerfahrer*innen) … aber was? Meine Mutter verteidigte mich und ich spürte am eigenen Leibe, wie es sich anfühlt, ungerecht behandelt und erpresst zu werden. Gabelstaplerfahrerin bin ich nicht geworden, denn Ende August, Anfang September 1988 bekamen wir ein Telegramm…

Das Telegramm - was das genau heißt? Wir bekamen ein Telegramm, in dem stand, dass der Ausreiseantrag „genehmigt“ wurde und wir innerhalb einer Woche das Land zu verlassen hätten. Das Land, in dem wir bis dahin zu Hause waren. Wir lösten also unser komplettes Leben innerhalb einer Woche auf.

Auf einer großen Abschiedsparty verabschiedeten wir uns von Freund*innen und Familienmitgliedern. (Damals ließ man ausgereiste DDR-Bürger nicht mal mehr auf einen Besuch in die DDR, das war die „Strafe“. Wer die DDR verlässt, der darf auch nicht wieder rein. (Wie bei streitenden Kindern, oder Pärchen. Wenn du dies nicht, dann das nicht, das ist jetzt Deine Strafe, bäh „Zunge raus“.) Du bist ein Verräter!

Die Party war vorbei und nun hieß es, unser Leben an diesem Fleckchen Erde aufzugeben. Wir verschenkten fast unser gesamtes Hab und Gut. Einen Teil schickten wir voraus, nach Westberlin. Alles was man erstmal so braucht für einen Neuanfang. Ich glaube es waren 4 große Pakete, mehr nicht. Töpfe, Bettwäsche, usw. 

Persönliche Erinnerungsstücke habe ich heute leider keine mehr. Kein Kuscheltier, kein Schwimmabzeichen, oder sonstige Andenken, die mich an meine Kindheit erinnern. „Nur“ meine Bilder im Kopf, die durchaus sehr schön sind. Wir nahmen ausschließlich das Nötigste mit.

Meine Eltern mussten bescheuerte Formulare ausfüllen und sind durch den rationalen und emotionalen Stress, der in dieser Zeit auf uns alle ein prallte, manches Mal verzweifelt. Letzten Endes waren sie einem Nervenzusammenbruch mehr als nahe.

Am 8. September 1988 standen wir dann tatsächlich zu viert plus Hund und 2,3 gepackten Koffern am Grenzübergang Friedrichstraße. Für ein paar Stunden hatten wir keine Staatsbürgerschaft. Keinen ostdeutschen, aber auch keinen westdeutschen Pass. Wir gingen durch die Kontrolle und landeten in unserem neuen Leben. Wie durch eine unscheinbare Zeitschleuse wurden wir in eine, zwar unsere Sprache sprechende, aber völlig neue Gesellschaft katapultiert. Am Abend schliefen wir im Auffanglager in Marienfelde…

Ein Lebensabschnitt, der mich geprägt hat. Vorher gab es andere Erlebnisse, die mich geprägt haben und danach gab es jede Menge andere. So formt (schleift) uns das, was wir erleben, zu dem, was wir heute sind. Jeder für sich ein kleiner Diamant. Denn…

heute bin ich froh, dass ich diese, meine Erfahrung in mir trage. Sie macht mich zu einem Menschen, der versteht, was es heißt, sein bisher gelebtes Leben aufzugeben und nochmal ganz von vorne anzufangen.

Ich habe unter anderem daraus eine Stärke entwickelt, die ich nicht mehr missen möchte. Ich habe eine Sensibilität für andere Menschen und einen unglaublichen Gerechtigkeitssinn, auf den ich stolz bin.

Ich würde mir nie anmaßen, jemandem abzusprechen, dass er für sich den besten Ort für sein Leben wählen möchte, egal wo auf dieser Welt. Meine Überzeugung ist, dass jeder Mensch selbst entscheiden soll, wo auf diesem Planeten, er sein Leben verbringen will, wenn er überhaupt die Mittel dazu hat. (Da beginnt wieder ein anderes Thema!)

Meine Botschaft an den Leser ist: Jeder hat seine Geschichte. Kein anderer auf der Welt hat dieselbe Geschichte wie Du. Alle Erfahrungen aus gelebten Zeiten nehmen wir mit und tragen wir in uns. Sie bereichern, machen das Leben manchmal komplizierter, sie formten uns und machten uns stärker. Wir lernen aus Krisen, wir lernen immer in den schwierigsten Situationen.

Wenn Du Dich einsam fühlst, ängstlich bist, Sorgen hast, schau genau hin. Steh zu Dir und Deinem Leben. Schau in Dich hinein und Du wirst neben der Angst auch Deine Stärke finden, denn die hat jeder. Verliere nie den Mut etwas Neues zu wagen. Wenn Du in einer Sackgasse steckst, dreh um, und dann biege neu ab.

Ich bin, was meinen Garten hier angeht, genau richtig abgebogen. Es hat lang gedauert, aber nun bekomme ich mein Stück vom Glück. Meine Füße im Rasen, so, wie ich es als Kind schon geliebt habe. Was würde Dich denn jetzt glücklich machen? Begib Dich auf die Suche und geh los, denn das ist nur DEIN LEBEN.

daz - die angst zeitschrift

Dies und Das

Denkanstoß
Kennt ihr die Erinnerung von Facebook an alte Posts? Mir (Yvonne) flog in dieser Woche ein Video zu, das ich 2014 in meiner Timeline teilte. 

Der norwegische Landschafts Fotograf und Filmemacher Mr. TSO, wie er sich auf Vimeo nennt, machte 2011 ganz hinreißende Aufnahmen von der Milchstraße, von einem der wunderschönsten Berge, wie er schreibt, dem Pico del Teide, dem höchsten Berg Spaniens und der höchsten Erhebung auf der Insel Teneriffa. Untermalt von toller Musik, könnte ich mir den Clip immer wieder anschauen, denn das ist wunderschön und Entspannung pur.

Taucht mit ein, in diese Bilder und in die Anmut dieses Planeten und macht Euch doch mal Gedanken darüber, ob wir weiterhin die Natur zerstören, oder uns lieber in Demut üben sollten. → Vimeo “The Mountain

Mit einem Song für den Tag sagen wir Tschüssi, Ciao, Baba!

Tim & Yvonne und das ganze Team von AngstFrei.news.

Gerne hören wir über das Feedbackformular von euch. Ihr wollt unsere Arbeit unterstützen: Spenden und Fördermitgliedschaft bei der Deutschen Angst-Hilfe e.V.

Quellen
Corona in Zahlen (RKI) | Gesundheitsticker | Über die Landesregierung NRW sind wir außerdem an den dpa-Nachrichten-Ticker angebunden, den wir immer als Quelle verwenden, wenn wir (dpa) schreiben.