Wochenende | 5. & 6. September 2020
Einen wundervollen Samstag allerseits,
wir haben wieder eine vielfältige Leseausgabe für Euch, die den ganzen Regenbogen der angstfrei.news Redaktion zeichnet: Montag hat Wolfgang ein Gespräch zwischen Mut und Angst belauscht und es für uns aufgeschrieben. Dienstag ging Anne mit uns auf Pandemie-Zeitreise, bevor sie dem Virus Mittwoch persönlich per Anschreiben eingeheizt hat. Am Donnerstag nahm Katharina Euch mit auf den Markt und lädt uns dazu ein, auch ein gutes Angebot mal auszuschlagen, wenn wir es einfach gerade nicht brauchen. Yvonne schloss die Woche mit der Selbststärkung: Ihr seid genug, also Brust raus!
Nehmt Euch nen Tee und freut Euch aufs Schmökern!
Ein schönes Wochenende wünscht das ganze angstfrei.news-Team
Übrigens: Wir nehmen unser Motto ernst: Angst hat eine Stimme - Deine. Wir sind ein Team von Freiwilligen und schreiben über unsere Angst-, Lebens- und Alltagserfahrungen, ohne ein Richtig oder Falsch, oft mit Verstand und immer mit Herz. Wir freuen uns über dich in unserem Team. Trau dich einfach und schreib uns eine Mail an angstfrei.news@gmail.com.
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Montag, 31. August 2020
Mutkasper & Angstkrokodil über Ausbrüche
von Wolfgang
Wir Menschen führen ständig innere Zwiegespräche. Das Ich, das sich entfalten will, wird vom inneren Zensor in Schach gehalten. Die Figuren Mutkasper und Angst(macher)krokodil tragen diesen inneren Disput nach außen. In der gleichnamigen Serie spielen wir typische Situationen durch. Handpuppen oder Fingerpuppen helfen, diese Kontroversen realistischer zu machen. Damit lassen sich auch Rollenspiele gestalten. Viel Spaß beim Durchspielen eigener Situationen!
Mut-K: Corona. Angst. Alles immer nur Angst. Das ist wie ein Sumpf. Ich habe keinen Bock mehr darauf. Ich will hier raus.
Angst-K: Warum denn? Ist doch kuschelig. Im warmen und schlüpfigen Schlamm. Man findet immer genügend Leute zum Quatschen, denen es genauso beschissen geht.
Mut-K: E-e-ben. Das ist es doch! Wenn man darin versumpft und nicht mehr rausfindet, geht man irgendwann darin unter. Und in ein paar hundert Jahren finden die einen als Moorleiche.
Angst-K: Na ja, irgendeinen Tod musst du ja schließlich sterben. Ist das nicht egal? Als bleiches Knochengerippe in deinem Erdgrab bist du noch schrecklicher anzusehen.
Mut-K: Red‘ nur so weiter. Du gehörst zu den schlammigen Kräften, die mich im Sumpf festhalten.
Angst-K: Ich will dich ja nur davor schützen, zu viel Kräfte in etwas zu investieren, wovon du bereits jetzt ahnst, dass es in die Hose geht. So lange, wie du in diesem Sumpf schon hockst! Wie willst du denn hier rauskommen?
Mut-K: Einfach strampeln und dann springen.
Angst-K: Das ist wie ein Auto bei Vollgas im Wüstensand. Damit gräbst du dich erst richtig fest. Bis über die Oberlippe, mein Lieber.
Mut-K: Hm, vielleicht hilft beten?
Angst-K: Glaubst du noch an den Weihnachtsmann?
Mut-K: Dann eben ganz laut um Hilfe rufen!
Angst-K: Wer soll dich denn hier hören. Doch nur deine Mitsümpflinge. Hast du in deinem Egoismus eigentlich mal an die gedacht? Hättest du keine Skrupel, die einfach so sitzen zu lassen?
Mut-K: Ich könnte sie ja später nachholen. Wenn ich im Trockenen bin, sie mit einem Strick herausziehen. Oder noch besser, den Sumpf kurz und bündig entwässern.
Angst-K: Du schaffst es doch nicht mal alleine, wie willst du denn da die anderen herausholen. Mit wessen Kräften?
Mut-K: Hm, du bist so entmutigend. Warum kannst du nie etwas Aufbauendes sagen.
Angst-K: Ich bin Realist. Bin selbst ein Sumpfwesen und kenn mich da aus. Mit einem Schwanzschlag bin ich aber sofort draußen. Eure Muskeln sind nach so langem Sümpfeln doch viel zu schwach dafür.
Mut-K: Und warum nimmst du uns nicht ins Maul und springst mit uns heraus?
Angst-K: Sträflicher Leichtsinn! Wie wollt ihr denn in der stressigen Trockenwelt zurechtkommen. Das habt ihr doch lange verlernt.
Mut-K: Ich hab’s. Du baust uns mit deinem langen Körper eine Brücke. Drüber krabbeln wir aus dem Sumpf. Und du hast auch keine Verantwortung für uns.
Angst-K: Von wegen. Vor Aufregung fällt ihr herunter und steckt noch tiefer im Sumpf. Und macht mir dann auch noch Vorwürfe.
Mut-K: Mensch, du komisches Kroko-Tier gehst mir auf den Senkel. So krass negativ?
Angst-K: Was heißt hier negativ, risikobewusst.
Mut-K (wendet sich an die anderen Sümpflinge): Hey, Leute, was denkt ihr denn von unserem Gespräch.
Schweigen, dann ein Stimmchen: Ich weiß nicht, willst du uns wirklich verlassen? Bleib doch lieber bei uns. Wir brauchen dich.
Angst-K: Siehste.
Mut-K, patscht trotzig in den Schlamm: Ich will hier raus, ich will hier raus!
Angst-K: Weißt du denn überhaupt schon, was dich in der Trockenwelt erwartet?
Mut-K: Na was schon, Beweglichkeit. Neue Wege. Keine Angsteinflüsterung wie durch dich. Freiheit.
Angst-K: Pah, welche Freiheit. Über jeden Schritt mühsam selbst zu entscheiden, ob der richtig odr falsch ist. Dich mit den anderen clinchen, die auch auf ihre Freiheit bestehen. Du wirst ein Sklave der Freiheit, mein Verehrtester. Hier im Sumpf hast du dein sicheres Nest. Das ist Freiheit.
Mut-K (zweifelnd): Ich kann ja immer wieder zurückkommen, wenn‘s mir da draußen nicht zusagt.
Angst-K: Vielleicht überlebst du das gar nicht, so krass anstrengend ist’s da draußen.
Mut-K (trotzig): Es versucht zu haben ist besser als ein unrühmliches Ende als Moorleiche.
Angst-K: Du drehst dich im Kreise mit deinen Argumenten, du Einfaltspinsel. Ist dein ganzes Pulver schon nass?
Mut-K, böse und energisch, greift nach dem Maul, hält es zu und zieht sich daran hoch, stellt sich aufs Maul. Als das Krokodil nach Luft schnappen will und das Maul aufreißt, katapultiert es den AK in die Luft, ins Trockene.
Mut-K: Danke Angstkrokodil, das war eine große Hilfe. Ich erkunde jetzt die Trocken-Welt, komme wieder und berichte euch, wie’s ist, liebe Sümpflinge. Wenn ihr Lust habt, kommt ihr dann mit. Bis bald, ciao.
Dienstag, 1. September 2020
Ein Blick in den Rückspiegel
von Anne
Für die heutige Ausgabe habe ich in unserem Archiv gestöbert und geschaut, was und worüber wir schon so alles geschrieben haben. Und während des Lesens bin ich hängen geblieben und hab die Zeit um mich herum vergessen. Es war ein wenig so, wie in alten Platten zu stöbern, oder in einer alten Kiste mit Fotos. Alles worüber wir zu Anfang geschrieben haben kommt mir jetzt, rund ein halbes Jahr später, so weit weg vor. Und dass obwohl sich an der Situation nicht wirklich etwas verändert hat.
Es gibt immer noch die Corona-Pandemie, immer noch sind wir angehalten Abstand zu halten und inzwischen sind Alltagsmasken zu unserem Alltag geworden. Wir haben nach wie vor kein Medikament, noch einen Impfstoff. Auch wenn die Wissenschaftler*innen ein gutes Stück weiter sind, in ihrer Forschung und wir hoffen können, dass noch ein weiteres halbes Jahr später, es diesen ersehnten und erhofften Impfstoff geben wird. Wir werden sehen.
Und immer noch machen mich steigende Fallzahlen, wie sie zur Zeit zu beobachten sind, nervös. Und dabei spielt es für mich keine Rolle, ob diese nun in Deutschland steigen, oder in Nachbarländern, oder gar in Südamerika, Asien, Neuseeland. Es ist egal. Weil dieses Virus uns schon zu Beginn gezeigt hat wie sehr wir weltweit vernetzt sind und wie schnell das Virus sich dadurch fortbewegen kann. China, Italien, Heinsberg, ganz weit weg, so glaubten wir, so redeten wir uns ein, aber so weit weg war es dann doch nicht. Virus und Realität holten uns schnell ein.
Und jetzt ist diese Zeit, das Frühjahr 2020 schon in weite Ferne gerückt. Wie fast schon skurril es mir vorkommt zu lesen, wie wir einst durch den Supermarkt „tanzten“, wie unsicher wir dort in unserer Fortbewegung waren und wie angenehm es sich aber auch anfühlte, dass die Supermärkte leerer waren. Wie angenehm sich dort die Abstände anfühlten. Und jetzt, der Tanz ist wieder zum alltäglichen Gang durch den Supermarkt geworden. Die Abstände werden leidlich eingehalten, aber nicht mehr mit der anfänglichen Akribie. Man hat sich eingegroovt in einem Alltag, mit dem Virus.
Das mindert aber nicht die Sorgen und die Furcht vor dem Virus. Manche sind oder erschienen frustriert ob der Maßnahmen, die wir einhalten sollen, Abstand, Hygiene, Alltagsmaske. Sie fühlen sich eingeschränkt in ihrem Alltag, in ihrem Leben. Und dies sind wir ja auch, im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten. Manch einer wünscht sich sein „altes“ Leben zurück, weil man dort immerhin eine Ahnung hatte, wie es funktioniert. Man kannte sich aus. Dadurch gab ein Geländer, das Halt bot. Jetzt fehlt dieses Geländer und nun… Eine Mischung aus Wut, Sorgen und Ängsten, so versuche ich es mir zu erklären, lassen diese Menschen auf die Straße gehen, um gegen bestehende Schutzmaßnahmen zu demonstrieren und ihrer Wut, ihrer Sorge und ihrer Furcht Ausdruck zu verleihen. Dies ist etwas, was ich mir vor einem halben Jahr kaum vorstellen konnte.
Damals, vor sechs Monaten, schien die Gesellschaft enger zusammen gerückt, wenn auch mit physischem Abstand. Es gab Zusammenhalt und viele Hilfsangebote, von Einkaufshilfen für Menschen die der Risikogruppe angehören, über Gabenzäune für Obdachlose. Es gab Einigkeit darüber, dass diese Maßnahmen, dass der Lockdown notwendig waren, um schlimmeres zu verhindern. So dachten viele, die meisten wohl. Auch, weil die meisten noch die verstörenden Bilder aus Italien im Kopf hatten.
Und wenn mein Blick nun hin und her springt zwischen „damals“ und heute, dann wünschte ich mir, wir hätten ein wenig der Rücksicht, die wir damals gegenüber unseren Mitmenschen und der Risikogruppen genommen haben, mit ins Jetzt gerettet.
Vielleicht sollten wir alle mal hin und wieder einen Rückblick wagen, um den Blick fürs Jetzt zu klären.
Mittwoch, 2. September 2020
Von Mensch zu Virus
Von Anne
Liebes Scheißcorona-Virus,
Wir kennen uns jetzt schon etwa ein halbes Jahr, also zum Glück nicht persönlich. Aber seit etwa einem halben Jahr bringst du unser Leben ordentlich durcheinander.
Ich will hier ehrlich sein. Dies ist ein Protest-Brief. Und ein Wut-Brief. Und ein Trotz-Brief. Denn ich habe es satt. Ich habe es satt, das wir ständig wegen dir unser Leben neu gestalten müssen, immer in der Sorge dir zu begegnen. Ich bin genervt von meiner Nervosität, die du enervierender Virus auslöst.
Ich habe lange überlegt ob es Sinn macht dir überhaupt zu schreiben. Ich weiß nicht ob du das hier liest. Ich weiß nicht ob du, wenn du es denn lesen solltest, mal über meine Worte nachdenkst. Mit einer Antwort rechne ich garnicht, auch wenn ich mir sicher bin, dass dich kaum oder gar keine Fanpost erreicht, die zu beantworten Vorrang hätte. Ich schreibe dir, weil ich das einfach mal los werden muss.
Das ich von dir genervt bin, dass geht ja nun schon länger so. Zugegeben, am Anfang, als du in unser Leben tratst, haben sich viele das noch schön geredet. Endlich mal Zeit für sich und um die Küche aufzuräumen. Aber die eingeredete Freude hatte dann auch ein baldiges Ende. Wir freuten uns auf den Sommern, in der Hoffnung, dass dir die Hitze ordentlich zu schaffen macht. Aber dazu war der Sommer mit Temperaturen um die 38° dann doch ein wenig zu kühl. Und steigende Fallzahlen im Spätsommer bremsten unsere Freude und dämpften unsere Hoffnung.
Aber was mich schlussendlich bewog doch diesen Brief zu schreiben war folgendes. Eine Veranstaltung, auf die ich mich schon lange gefreut hatte, wurde abgesagt. Ich spreche nicht von einem Großevent, nicht von Karneval oder Fußballspielen, auch wenn ich beides sehr mag und an beidem gerne wieder teilnehmen würde. Aber nein, es war ein Literaturfestival, die Lit.Cologne, der du mal so ordentlich den 20. Geburtstag versaut hast. Was hatte ich mich gefreut, auf die Nachholtermine im Herbst, nachdem die Veranstaltungen, wegen dir, im Frühjahr verschoben wurden.
Und nun. Alles Abgesagt. Danke, Scheißcorona!
Und irgendwie ärgere ich mich, dass das ganze nicht trotzdem, unter Einhaltung der Abstands- und Hygienebestimmungen, stattfindet. Es wird bei allen möglichen Veranstaltungen improvisiert und neu organisiert. Klar, sind die ursprünglich geplanten Veranstaltungsorte zu klein. Aber es wird doch eine Alternative zum großen Sendesaal des WDR geben. Da muss sich doch mal jemand meldet und sagen „hey, bei uns könnt ihr das machen!“ Zur Not ins Stadion. Das wäre doch mal was. Literatur im Südstadion. Genial!!! Und wenn es regnet und/oder kalt ist, auch egal. Ich setzt mich da auch mit Regenponcho über der Winterjacke und Gummistiefel hin. Macht man bei nem Musikfestival zur Not ja auch. Und wenn es schneit. Egal. Ich würde hingehen. Einfach nur aus trotz. Einfach nur um dir, Corona, zu zeigen, dass ich , dass wir uns von dir nicht einfach alles so durcheinander bringen lassen, dass du uns nicht alles verderben kannst. Ganz nach dem Motto:
Lebe so, dass Corona es scheiße findet. So machen wir das! Weil wir trotzdem Freude und Hoffnung haben, auch mit Abstand und Maske. Ich wünschte wir bekämen das hin, mit Rücksicht und Empathie für unsere Mitmenschen, aber nicht für dich Scheißcorona.
Mit unfreundlichen Grüßen
Anne
Donnerstag, 3. September 2020
Mehr als genug ist zu viel
von Katharina
Der Markt in Neukölln ist ein buntes Gewühl aus Menschen, Masken und Marktständen. An jeder Ecke duftet es nach exotischem Essen, gewürzten Tees und ökologisch korrekten Backwaren, von allen Seiten wird man mit Angeboten beschallt und hätte ich nicht meine Lieblingsstände und jede Woche die Chance verpasste Angebote aufzuholen wäre ich einigermaßen überrollt von diesem Durcheinander. Aber so bin ich immer wieder bezaubert und fühle mich ein kleines Bisschen mehr Zuhause in meinem Kiez.
Nun war ich gerade auf eben diesem Markt um ein paar Früchte zu kaufen. Ich wusste, ich wollte etwas Besonderes, das sich gut auf einem liebevollen Frühstückstisch macht und hatte ein kleines Budget in der Tasche, das auch noch für einen Gözleme (einen salzigen, lecker gefüllten Brotfladen) reichen sollte. Ich schlenderte also von Stand zu Stand, schlängelte mich an meinen Mitmenschen vorbei, die es mit dem Abstand nichtmal aus Anstand versuchten und blieb an einem Angebot hängen: 5 Feigen - 2 Euro. Die lilafarbenen, zwiebelförmigen Exoten sahen außerordentlich schmackhaft aus und in meinem Kopf biss ich bereits hinein und... hatte meine Kaufentscheidung getroffen. Ich trat näher und der Verkäufer überschüttete mich in der gleichen Sekunde mit Werbebotschaften und alternativen Angeboten, dass meine Ohren nur so klingelten. Er deutete auf die Kiste Feigen vor ihm, die ein Schild mit der Aufschrift "5 Euro" trug, und sagte: "Nur für Dich mache ich ein super Angebot: Alle für nur 3 Euro!" und machte bereits Anstalten, die Früchte umzufüllen. Ich verglich beide Angebote und dachte "na den Verkaufstrick kenn ich doch aus meiner eigenen Forschung, da fall ich doch nicht drauf rein!" Doch ehe dass ich meinen Gedanken vollendet hatte, sagte mein Mund schon "Gerne!" - Na toll, da waren die Wohlstandsgesellschaft und mein innerer Schnäppchen-Neandertaler wohl schneller.
Vier Avocados für zwei Euro und einen aus Geldnot runtergehandelten Gözleme später fand ich mich in meiner Küche wieder und schaute unschlüssig auf mein Kilo Feigen. Ich beschloss erstmal eine davon zu essen und freute mich: Was war die lecker! Ich griff zur zweiten, die so reif war, dass sie den nächsten Tag wahrscheinlich nicht mehr erleben würde. Bei einem schnellen Blick durch die Tüte sah ich, dass die zweite Feige eine ganze Familie reifer Früchte im Schlepptau hatte. Und ich wusste: Wenn ich nicht jetzt sofort etwas mit dem lila Kilo Frucht anfange, dann werde ich die Hälfte wohl morgen entsorgen müssen.
Das ist so oft so: Ich nehme mehr als genug ist und bin von dem Zuviel dann erschlagen. Dabei meine ich nicht zwingend Konsum - da habe ich mich eigentlich ganz gut im Griff - ich fühle mich in der Metapher ertappt. Ich könnte jetzt ausholen, wie ich immer mehr gebe, als ich müsste, mehr Aufgaben annehme, als ich sollte oder mehr von mir erwarte, als gesund ist. Aber dieses Mal meine ich wirklich das Nehmen, das Gute und Schöne, das (mir) zu viel sein kann. Manchmal ist es das heiße Bad, das für eine gewisse Zeit angenehm ist und mir dann den Kreislauf kostet und meine Haut schrumpelig macht. Manchmal ist es eine Verabredung, die zwar wunderschön ist, die aber irgendwann ein Ende braucht, weil ich schlicht erschöpft bin für mehr Interaktion. Manchmal ist es das Alleinsein, was mir bis zu einem bestimmten Punkt gut tut und dann Zuviel ist und Gesellschaft braucht.
Es ist garnicht so leicht sich zu erlauben, dass auch das, was uns eigentlich gut tut, was eigentlich wie ein 'gutes Angebot' aussieht, gerade vielleicht nicht das Richtige ist. Ich glaube, wir müssen keine Angst haben, auch ein gutes Angebot mal auszuschlagen. Wie auf meinem Marktplatz wird es wiederkommen, uns vielleicht sogar beim nächsten Mal ganz anders inspirieren. Das wäre doch schön!
Ich habe übrigens die besten Feigen für's Frühstück rausgenommen und die restlichen zu einem leckeren Feigen-Balsamico Jus verarbeitet, den ich heute Abend im Salatdressing und morgen in meiner mediterranen Mittagspfanne verarbeite. Da habe ich wohl grade nochmal die Kurve gekriegt...
Freitag, 4. September 2020
Kopf hoch, Brust raus!
von Yvonne
Vor mir steht ein kleines Bild in goldenem Rahmen mit den Lettern L O V E. Passend zum Garten, geschrieben aus Eukalyptuszweigen. Die Sonne scheint, einer der Nachbarn mäht den Rasen (denn irgendein Depp mäht irgendwo immer), ich habe mich für die freitäglichen angstfrei.news eingetragen. Ups… es ist schon Donnerstag? Die Woche verging schnell!
Vor mir der Computer, das Wlan funktioniert. Ich könnte also loslegen und meine Ausgabe runterreißen. Aber… geht nicht. Habe gerade meinen Steuerordner sortiert, das erfüllte mich 10 Minuten lang mehr und war mir lieber – und musste ja mal gemacht werden! (Eigentlich nicht).
Doch jetzt wird´s Zeit, Euch etwas „schönes, wahres, kluges, authentisches, möglichst hilfreiches, oder gar geniales zu schreiben. Aber… Es zieht mich raus, denn die Sonne scheint. Wahrscheinlich einer der letzten Spätsommertage, er ist schon fast zur Hälfte rum. Nein! Hiergeblieben! Ich muss wenigstens einen Einstieg finden, schon mal einen Anfang machen, dann wird’s leichter, dann wird sich schon was ergeben. Die anderen kriegen das doch auch gezaubert. Immer diese Vergleiche, oder? Mein Ego nölt: „Du hast keinen Plan, was hast Du denn schon geschafft in Deinem Leben bis zu diesem Punkt? Was war von Dauer und worauf kannst Du denn wirklich stolz sein?“ provoziert es und meine Finger auf der Tastatur werden immer schwerer. Boah, nicht auch das noch. Ich will nicht mehr so zugespammt werden, von diesem negativen „Du bist nicht genug“ Ding. Gewinnen tut diese harte Stimme immer wieder mal, dann heißt es aushalten, durchbeißen, widersprechen, bewusst machen, dass bessere Tage kommen, nicht vergessen, dass ich es in der Hand habe, wie sich der nächste Tag anfühlt. Zuversicht… fällt mir schwer in dieser Zeit, aber auch das wird wieder. Das Leben stellt Fragen. Manchmal antworte ich zickig, fragend, ungeduldig, vorwurfsvoll, nörgelnd und provozierend (von wem ich das wohl habe) oft aber auch fröhlich, neugierig, zustimmend, überrascht, glücklich und anpackend. Das Leben ist heute ein reißender Fluss und morgen ein seichter See im Morgenlicht, mit allen Möglichkeiten. Alles ist in Bewegung. Auch meine 24 Stunden. Tagein Tagaus. Ich lerne das so zu akzeptieren.
Also - Kopf hoch, Brust raus. Losgelegt. Dann denke ich an all die Dichter und Denker. Keiner von denen wird b(g)eachtet geworden sein, weil er lange geplant und überlegt hat, was denn die Menschen um ihn herum gern hören, sehen oder lesen wollen. Sondern sie haben ihre Seelen, ihre Herzen aufgemacht und ihrer Bestimmung, ihrem Drang nach Ausdruck nachgegeben. Sie haben ihren Gefühlen Farben, Formen, Worte oder Noten gegeben. Das Endprodukt wurde, manchmal erst post mortem, von anderen Menschen bewundert, bestätigt, geliebt, gern gelesen oder gehört. Menschen ließen sich berühren. Da sprach jemand in Farben, Buchstaben oder Klängen über die eigenen Gefühle, wie man sie hätte nicht besser ausdrücken können. Und das ist ein schönes Gefühl, danach sehnt Mensch sich. Es bedeutet doch sich verstanden fühlen, Halt, Hilfe, Mut, Zuspruch und so vieles mehr. Das ist, sich nicht mehr allein fühlen. Legitimation der eigenen Gefühle und Gedanken, weil es uns allen so geht.
Damit wünschen wir Euch ein schönes Wochenende!
Euer angstfrei.news-Team
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Quellen
Corona in Zahlen (RKI) | Gesundheitsticker | Über die Landesregierung NRW sind wir außerdem an den dpa-Nachrichten-Ticker angebunden, den wir immer als Quelle verwenden, wenn wir (dpa) schreiben.