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Zweifel | 03. April 2021

Katharina

Liebe Leser:innen,

"Am Ende wird alles gut und ist es nicht gut, ist es nicht das Ende." – hätte Oscar Wilde Recht, bräuchten wir eigentlich alle zusammen nicht zweifeln. Denn wir wüssten, egal was wir täten, es würde schon werden – allen Unsicherheiten zum Trotz. Und damit würde der Wortsinn des Zweifels plötzlich irrelevant, denn demnach ist das Zweifeln nichts anderes als "ein Zustand der Unentschiedenheit zwischen mehreren möglichen Annahmen, da entgegengesetzte oder unzureichende Gründe zu keinem sicheren Urteil oder einer Entscheidung führen können."

Aber wir zweifeln trotzdem, weil die Welt dank ihrer Komplexität nur eines wirklich zuverlässig ist: unsicher. Klar, statistisch wissen wir, dass es sich lohnt, Geld in Aktien anzulegen, weil die Kurse langfristig steigen. Studien zeigen, dass impfen unser Risiko einer Erkrankung stärker senkt als Nebenwirkungen eine Krankheitsgefahr darstellen. In den Augen anderer Menschen ist das, was wir gesagt haben, viel klüger, als wir es selber einschätzen und hoffentlich findet ihr diese Auflistung auch viel weniger polarisierend, als ich gerade befürchte. Trotzdem trauen wir der Realität oft nicht.

In der Konsequenz verzweifeln wir lieber, als fair zu zweifeln. Der Unterschied? Wenn wir verzweifeln geben wir uns der Unsicherheit hin. Wir sind hilflos und handlungsunfähig und das wird zur Last. Wenn wir aber fair zweifeln, dann legen wir die Gründe für unsere Sorgen auf den Tisch, betrachten sie kritisch und versuchen unsere Ängste und negativen Selbstwahrnehmungen davon zu trennen. Und dann wird Zweifel plötzlich hilfreich (mehr zu diesem Gedankengang findet ihr auch hier im Podcast). Darüber lest ihr heute auch im Mensch zu Mensch von Anne.

À propos Anne! Wir möchten in dieser Ausgabe ein neues Teammitglied begrüßen: Herzlich willkommen Anne Nummer zwei! Auch wenn Du die zweite diesen Namens bist, bist du für uns schon jetzt ERSTE Sahne. Wir freuen uns, dass Du dabei bist und in dieser Ausgabe deine Gedanken zum Zweifeln teilst.

Für die Ostertage und die freie Zeit haben wir Euch eine besonders große Zahl von Texten aus der Rubrik von Mensch zu Mensch zusammengestellt. Katharina startet mit einer übergeordneten Sicht aufs Mehfeln. Danach nimmt uns Laura mit in ihre ganz konkreten Zweifel und gibt ihnen nicht nur eine zeitliche Perspektive, sondern auch eine Gesicht – oder besser ein Mäusefell. Was passiert, wenn Zweifel auf Gefühl und Kopf treffen, beschreibt Redaktionsneuling Anne in ihrem Text. Sie knöpft sich ihre Selbstzweifel vor und besiegt sie mit der wichtigen Feststellung: “Ich kann es eben doch!” Daran schließt sich Tinas Erfahrung mit dem Zweifel an sich selbst an. Sie nimmt uns mit in ihre Therapie und beschreibt, welche Rolle Zweifel in der Konfrontation mit Ängsten spielten und wie sie diese überwinden konnte. Nach diesen Erfahrungen mit dem Überwinden von Selbstzweifeln wechselt Anne (unsere “alte Häsin”) die Perspektive auf das Zweifeln an anderen und auch auf den Nutzen, der mit dem Zweifel einhergeht, nämlich das Enttarnen eigener Wünsche.

Auch in den anderen Rubriken haben wir heute eine reichhaltige Auswahl zusammengestellt: Im Schwarzbrot schreibt Katharina in Teil zwei der Serie über Corona und das Seelenleben über den Status Quo von seelischen Erkrankungen in der Krise. In den Nachrichten machen wir eine Weltreise und versuchen Klarheit im Inland zu schaffen. Natürlich haben wir auch wieder Tipps an Bord und verweisen im Dies und Das unter anderem auf die Wertschätzung und Würdigung der Pflege, für die Joko und Klaas auf Prosieben eine ganze Sendenacht genutzt haben.

Damit wünschen wir Euch ein frohes Osterfest und schöne Tage. Bleibt gesund!

Katharina

Und das Team von angstfrei.news

Wenn ihr Zeit, Lust und Interesse habt, auch mal in unserer Redaktion mitzumischen, dann schreibt uns gerne eine Nachricht auf Instagram oder schreibt uns eine kurze E-Mail an angstfrei.news@gmail.com.

Ganz wichtig: Was meint ihr zum neuen Konzept und zu dieser Ausgabe? Bitte gebt uns ein kurzes Feedback - das wäre hilfreich und sehr nett.

Die guten Nachrichten der Woche

BioNTech: Hohe Wirksamkeit bestätigt - auch bei Jugendlichen
Der BioNTech-Impfstoff verhindert wohl bei 91,3 Prozent aller Geimpften COVID-19. Laut Auswertung des Herstellers von 12.000 Geimpften gelte dies ungeachtet sowohl von Alter, Geschlecht oder ethnischer Herkunft als auch für alle bisher bekannten Varianten des Corona-Virus. Gegen die südafrikanische Variante B.1.351 zeigten die Daten eine Wirksamkeit von 100 Prozent, gegen andere Varianten etwas weniger. Dies sei ein wichtiger Schritt besonders mit Blick auf die Dauer der Impfwirkung, so BioNTech-Mitgründer Ugur Sahin. Wirksamkeit bedeutet hier das Verhältnis von Geimpften, die an COVID-19 erkrankten zu Erkrankten in der ungeimpften Kontrollgruppe.

Eine weitere gute Nachricht ist die Zulassung für das Marburger Produktionswerk der Firma. 250 Millionen Impfdosen sollen noch in diesem Halbjahr dort hergestellt werden. Das Werk hat eine Kapazität von bis zu einer Milliarde Impfdosen jährlich.

Auch in Bezug auf die Altersverteilung der Wirksamkeit gibt es gute Nachrichten: Laut einer weiteren Studie des Herstellers schützt die Impfung mit dem Vakzin von BioNTech/Pfizer auch Jugendliche von 12 bis 15 Jahren. Die bisher unveröffentlichte Studie ist noch nicht in einem Fachmagazin erschienen. Trotzdem bewerten Expert:innen die Ergebnisse als ermutigend für den weiteren Kampf gegen die Corona-Pandemie.
Tagesschau (Wirksamkeit)
Tagesschau (Jugendliche)

Weniger Einbrüche: Ohne Gelegenheit keine Diebe
Coronabedingt ist die Zahl der Einbrüche deutlich gesunken. Im Vergleich zu 2019 sind die Einbrüche im vergangenen Jahr auf 85.000 gesunken. Das ist der geringste Wert seit Beginn der Statistik in 1998. Der Hauptgrund für den Rückgang der Einbrüche läge vor allem darin, dass Menschen mehr Zeit zuhause verbracht hatten, erklärte der Verband der deutschen Versicherungen. Nach einer großen Zahl an Einbrüchen Anfang des neuen Jahrtausends sank die Zahl der Einbrüche bereits vor der Corona-Krise. Seit 2015 scheiterte fast jeder zweite Einbruch.
Tagesschau

Schwarzbrot: Coronamüde - Blick in die Seele II

Katharina

Nach einem ausführlichen Überblick über die seelische Lage der Nation zu Coronazeiten möchten wir heute einen Schwerpunkt auf die seelische Gesundheit bereits – akut oder chronisch – psychisch erkrankter Menschen legen. (Warum) sorgt die Pandemie für erhöhte Erkrankungszahlen? Welche Störungen sind besonders betroffen? Was hat die Pandemie gerade mit ihrer speziellen Situation gemacht? Wie können Betroffene dieser besonderen Situation entgehen? Gleichzeitig wissen wir, dass 30 Prozent der Gesamtbevölkerung keine nennenswerten Einschnitte in die eigene seelische Gesundheit berichtet. Welche Tipps zur Steigerung unseres Wohlbefindens können wir davon ableiten und ab welchem Punkt ist professionelle Hilfe sinnvoll? Einen Überblick über all diese Fragen versuchen wir in diesem Schwarzbrot zu geben.

Grundsätzlich gilt: Quellen, aus denen seelische Erkrankungen entspringen sind zumeist normale, oft hilfreiche menschliche Reaktionen auf die Realität. Wir haben Angst vor Gefahr, damit wir uns davor schützen können, wir reagieren mit Belastungssymptomen auf Situationen, die uns zu viel sind oder abverlangen, wenn uns etwas passiert, das uns seelisch mitgenommen haben, signalisieren uns Traumareaktionen, dass wir uns damit auseinandersetzen müssen. In der aktuellen Lage werden diese oft eigentlich normalen Mechanismen (seit einem Jahr fast schon chronisch) aktiviert: Die Gefahrenlage verändert sich ständig. Immer wieder ergibt sich daraus ein Stimulus für unsere Angstmechanismen. Das Thema ruht nicht oder nur selten, daher ist auch unsere Psyche permanent in Hab-Acht-Stellung. Gleiches gilt für die außergewöhnlichen Belastungen, mit denen viele von uns zu tun haben: Medizinisches Personal jeden Tag im Pflegealltag, Eltern im Homeschooling, Arbeitnehmer:innen im Homeoffice-Wahnsinn, Selbstständige zwischen Fragezeichen und Improvisationstalent, Künstler:innen durch die tägliche Existenzfrage.

"Multidimensionaler toxischer Stressor bei gleichzeitigem Verlust von Schutzfaktoren"

Die Wissenschaft nennt die aktuelle Krise einen multidimensionalen toxischen Stressor bei gleichzeitigem Verlust von Schutzfaktoren. Menschen fühlen sich hilf- und machtlos. Konkret heißt das, aus der Krise entsteht eine Last für jede und jeden Menschen, die sich individuell äußert und von Person zu Person unterschiedlich starke Einschränkungen nach sich zieht – bis hin zu einer (neuen) behandlungsbedürfigen seelischen Erkrankung. Bis Mitte Mai 2020 zählten Wissenschaftler:innen relativ hohe Raten von Angstsymptomen in der Allgemeinbevölkerung (6 bis 51%), Depressionen (15 % bis 48 %), posttraumatischen Belastungsstörungen (7 % bis 54 %), psychischem Stress (34 % bis 38 %) oder Stress (8 % bis 82 %) (Xiong et al., 2020). Bezogen auf den Teil der (chinesischen) Gesellschaft, der unter Quarantäne gestellt war, zeigte eine Studie, dass davon etwa 48% der Menschen Symptome einer Depression und 23% klinisch relevante Ängste zeigten.

Wenn die Krise für einen gesunden Menschen schon solche erheblichen Auswirkungen haben kann, wie ist es dann für bereits Erkrankte?

Diese Frage ist die Grundlage für angstfrei.news gewesen. In der Zwischenzeit hat die Realität dazu belastbare Antworten zu bieten. Zunächst der Blick auf das Vorher: Vor der Corona-Pandemie litt mehr als jede:r vierte Deutsche im Zeitraum eines Jahres unter mindestens einer psychischen Erkrankung (das sagt die so genannte "1-jahres-Prävalenz" aus, diese lag 2014 bei 28% --> BRAKEMEIER). Studien belegen, dass gerade diese Menschen, die Anfälligkeiten für oder bestehende psychische Störungen haben, besonders unter der aktuellen Situation leiden.

Angst

Der Unterschied zwischen ähnlich belastenden Stressen gesellschaftlicher Größenordnung wie zum Beispiel Naturkatastrophen wird die Last der COVID-19-Pandemie viel subjektiver in der Bedrohung wahrgenommen. Das messen Wissenschaftler:innen indem sie die Nähe/Distanz zur Bedrohung abfragen. Gesamtgesellschaftlich variierte dieser Wert über die Länge der Pandemie und führte dann zu einer Angst- oder Anpassungsstörung, wenn die Ängste das Ausmaß der tatsächlichen Bedrohung deutlich überstiegen sowie zu Leidensdruck und (z.T. erheblichen) Einschränkungen führte – zum Beispiel dazu, dass die Anpassung an die Pandemie-Lebensumstände nicht gelang.

Bereits angsterkrankte Menschen haben oft ohnehin ein kompliziertes Verhältnis zur Einschätzung von Gefahrenlage. Die aktuelle Pandemie ist dafür ein negativer Verstärker. Begrabene generalisierte Angstdynamiken werden vermehrt wieder in das Bewusstsein gehoben, da sie nun einen – scheinbar berechtigten – Platz in der tatsächlichen Realität bekommen.

Depressionen

Laut einer Studie der Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2017 sind Depressionen mit weltweit etwa 322 Millionen Betroffenen eine der häufigsten psychischen Störungen und eine der zentralen Gesundheitsherausvorderungen des 21. Jahrhunderts. Die aktuelle Pandemie birgt zahlreiche Risikofaktoren für Depressionen – vor allem für bereits Betroffene Personen. Dazu zählt das empfundene Ohnmachtserleben, aber auch andere eine Depression verstärkende Faktoren wie Einsamkeit, Rollenkonflikte, Trauer, Verlust der Tagesstruktur, Einschränkungen angenehmer Aktivitäten und/oder Sport oder auch sozioökonomische Faktoren wie Arbeitslosigkeit oder berufliche Unsicherheit.

Damit verwundert es nicht, dass laut einer Studie aus der Schweiz ("Swiss Corona Stress Study"), 57% der Teilnehmer:innen von einem Anstieg ihrer depressiven Symptome berichteten. Eine andere Studie (CorDis) bestätigt diese Zahl. Dazu kommt, dass die Wahrscheinlichkeit für eine mittelschwere oder schwere Depression von 3,4% (vor der Pandemie) auf 9,1% (während des ersten Lockdowns) stieg. Das bedeutet, dass die aktuelle Lage zu einer nachhaltigen Verschlechterung der Krankheitssituation führen kann.

Wie beeinflusst eine COVID-19 Infektion die seelische Gesundheit?

Neben den alltäglichen Risikofaktoren, die mit der Pandemie einhergehen und der Rolle seelischer Vorerkrankungen, kann auch eine Infektion mit COVID-19 ein Auslöser für seelische Erkrankungen sein. Dahinter steckt das "Post-COVID-Syndrom", zu dem unter anderem auch anhaltende bleierne Müdigkeit, die Abnahme geistiger Konzentrationsleistung oder andere neuropsychologische Symptome gehören.

Düstere Zukunft für die Seelen der Nation?

Weil es mitunter lange dauert, bis sich psychische Störungen zeigen, kann darüber – zumindest auf wissenschaftlicher Basis – noch keine sichere Aussage getroffen werden. Trotzdem zeigt sich auf Basis der bisherigen Erfahrungen und Zahlen, dass in Zukunft mit einem nachweisbaren Anstieg der Prävalenzen und Inszidenzen psychischer Störungen – einfach gesagt der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens bezogen auf die Lebenszeit oder die Gesamtbevölkerung – zu rechnen ist. Insbesondere, so die Forschenden, wird dies Depressionen, Anpassungsstörungen, Angsterkrankungen und Traumafolgestörungen betreffen.

Die Seele im Trainingslager

Das diese Bild, das wir gezeichnet haben, zeigt nur einen Teil der Seele der Nation. Laut der COSMO-Studie aus Erfurt berichten 20-30 Prozent der Bevölkerung (je nach Zeitpunkt der Erhebung) von geringen oder überhaupt keinen negativen psychischen Auswirkungen der Pandemie. Im Rahmen einer Studie aus dem Hochsommer 2020 (Juli/August) berichtete nur ein knappes Drittel der Befragten, garkeine guten Erfahrungen aus der Zeit der Corona-Pandemie mitgenommen zu haben. Fast die Hälfte dem gegenüber hatten nach eigenen Angaben viel Positives erlebt. Dazu zählen die Entschleunigung des Alltags (47%) oder auch die Konzentration auf das Wichtige im Leben (31%). Damit bestärken Studien die Annahme, dass die Pandemie mittel- bis langfristig auch nachhaltig positive Einflüsse auf die individuellen Lebenssituationen haben wird.

Menschen wollen sich helfen lassen

Insbesondere in einem stigmatisierten Feld wie seelische Erkrankungen ist es eine gute Nachricht, dass Menschen Unterstützungsangebote für den erhalt der psychischen Gesundheit kennen und nutzen. Laut des COSMO-Monitors der Universität Erfurt (Welle vom 23.2.21) haben 23% der Befragten schon einmal gezielt nach Informationen und Tipps für den erhalt ihrer seelischen Gesundheit gesucht. 17% haben darüber nachgedacht, sich ärztlichen oder therapeutischen Rat zu holen und in der Konsequenz auch professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Corona-Resilienz lernen - einige Tipps

Es hilft, die beschriebenen Risikofaktoren und Problembereiche zu kennen. Gleichzeitig ist es nachweislich nützlich, *Resilienz zu üben. Wissenschaftler:innen haben dazu ein paar einfache Tipps:

  • Nachrichten. Wissenschaftler:innen raten zu einem achtsamen Medienkonsum, denn obwohl gute Information wichtig ist, können zu viele Corona-Nachrichten panisch machen. Konkret bedeutet das: ein oder zweimal täglich nachrichten schauen und dazwischen eine Pause machen.
  • Achtsamkeit üben. Achtsamkeit heißt, Dinge im Moment zu erleben und Gefühle wie Stress, Angst oder auch negativen Gedanken aktiv wahrzunehmen. Nur dann können wir ihnen adäquat – d.h. gesünder – begegnen.
  • Aushalten. Wir können nichts an der Unsicherheit der Situation ändern. Daher ist es eine große Leistung, wenn wir diese akzeptieren und aushalten. Natürlich ist das von individueller Lebenssituation zu individueller Lebenssituation unterschiedlich leicht, trotzdem ist es für uns alle eine Lehrstunde der radikalen Akzeptanz, die sich lohnt.
  • Selbstfürsorge. Es hilft, zu wissen, was uns gut tut. Oft ist das eine klare Tagesstruktur, das Pflegen von Kontakten trotz und im Rahmen der Abstandsregeln und sich selbst liebevoll zu umsorgen, sei es mit Essen, Sport oder einem Frühen Feierabend.
  • Akute Belastungen erkennen und konsequent Hilfe in Anspruch nehmen.

Konkrete Hilfsangebote

  • Telefonberatung der BZgA (kostenlos) → 08002322783
  • Telefonseelsorge (anonym, kostenlos) → 08001110111 oder 08001110222.
  • Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche: 116111 (Montag-Samstag von 14-20 Uhr)
  • Nummer gegen Kummer für Eltern: 08001110550 (Montag-Freitag von 9-11 Uhr, Dienstag + Donnerstag von 17-19 Uhr)
  • Bei einer ernsthaften/akuten Krise → Hausärzte/Hausärztinnen, Fachärztinnen/Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten. → Die Arztsuche der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bietet die Möglichkeit, entsprechende Ärzte und Psychotherapeuten auch gezielt nach deren Fremdsprachkenntnissen zu suchen: https://www.kbv.de/html/arztsuche.php.

Abschließend möchten wir nochmal ganz deutlich machen: Diese Krise ist eine Belastungssituation sondergleichen, die sich zudem noch unterhalb vieler Oberflächen stattfindet. Jede und jeder wird und darf darauf ganz unterschiedlich reagieren. Es gibt kein richtig und falsch, berechtigt oder unberechtigt, zu viel oder zu wenig. Denn jede und jeder von uns ist sein und ihr ganz eigenes System mit ganz eigenen Erlebnissen und Erfahrungen und vor allem mit einer ganz individuellen Seele. Wir können einander viel Gutes tun, wenn wir verstehen, dass wir einander in unseren fehlenden und vorhandenen Stützpfeilern ergänzen können und wenn wir einander grundsätzlich mit einer zugewandten und offenen Haltung begegnen. Dann ist schonmal ein wichtiger Faktor seelischer Gesundheit gestärkt: das positive Umfeld, das es braucht, seelische Gesundheit zu erhalten, zu stärken oder wiederherzustellen.

Mit diesem Überblick über seelische Erkrankungen in der Krise möchten wir dieses Schwarzbrot schließen. Im nächsten und letzten Teil dieser kurzen Reihe geht es abschließend um die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.

Quellen

COSMO Studie
Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege
Infektionsschutz.de
Neurologen und Psychiater im Netz
Aktionsbündnis seelische Gesundheit
Zeit Online
TK (“Ich mag nicht mehr”)
Positionspapier (Zeitschrift für klinische Psychologie)
DGPPN (Übersicht für Hilfsangebote)

Dieser Artikel ist Teil der losen Reihe von Basisinformationen zur COVID-19-Pandemie, in der wir etwas tiefer in die Nachrichtenlage der Woche einsteigen. Mal eher hintergründig, mal eher serviceorientiert recherchieren wir für euch selbst, statt wie im darunter folgenden Nachrichtenblock Nachrichten auszuwählen und in eine angstfreie Sprache zu übersetzen. Wir hoffen, es mundet euch.

Nachrichten

angstfrei.news ist gestartet als ein Projekt, das unaufgeregt die Neuigkeiten des Tages - jetzt der Woche - zusammenfasst. Ihr habt uns bestärkt, dass dieser Service wichtig ist, daher bleiben wir ihm treu für all jene, denen die Flut an Nachrichten zu viel wird. Deswegen fassen wir hier für euch die wichtigsten Entwicklungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie in der vergangenen Woche zusammen.

Inland

AstraZeneca: STIKO-Empfehlung für über 60-Jährige
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt den AstraZeneca-Impfstoff nur noch für über 60-Jährige. Die Anpassung erfolgte wegen Blutgerinnseln im Gehirn, die bei 31 Impflingen im zeitlichen Zusammenhang zu der Impfung aufgetreten waren. Betroffen waren vor allem junge Frauen. Bei 2,7 Millionen AstraZeneca-Geimpften sind dies mehr Fälle als von der sehr seltene Sinusvenenthrombose zu erwarten wären. Bereits erstmalig Geimpfte sollen die zweite Dosis mit dem Moderna- oder BioNTech-Impfstoff erhalten.

Die europäische Arzneimittelbehörde und die Weltgesundheitsorganisation empfehlen auf Basis der vorliegenden Daten keine Einschränkungen, da sie einen Zusammenhang zwar nicht ausschließen, aber das Risiko-Nutzen-Verhältnis selbst bei einem Zusammenhang stark für den Impfstoff spricht. Im Vereinigten Königreich wurden auf 18 Millionen AstraZeneca-Impfungen 30 Blutgerinnsel beobachtet.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) ließ sich nach der STIKO-Entscheidung öffentlichkeitswirksam mit AstraZeneca impfen. "Das Impfen ist der entscheidende Schritt auf dem Weg aus der Pandemie", sagte 65-Jährige nach seiner Impfung. "Nutzen Sie die Möglichkeiten - machen Sie mit.”

Die STIKO hatte zu Beginn der Impfkampagne mit AstraZeneca nur eine Empfehlung für unter 65-Jährige ausgesprochen, da im Februar noch nicht genügend Daten zur Wirksamkeit für Ältere vorlagen. Die Wirksamkeit für Ältere wurde durch Folgestudien mittlerweile belegt.
Tagesschau.de (AstraZeneca-FAQ)
Tagesschau.de (EMA/WHO-Einschätzung)
Tagesschau.de (Steinmeier-Impfung)
Tagesschau.de (Zweitimpfung)

Corona-Maßnahmen an Ostern: Was gilt wo?
Die Corona-Maßnahmen über Ostern fallen im bundesweiten Vergleich sehr unterschiedlich aus. In den meisten Bundesländern dürfen an den Feiertagen zwei Haushalte mit maximal fünf Personen zusammenkommen. Kinder bis 14 Jahre werden dabei nicht mitgezählt.

Strengere Corona-Maßnahmen kommen insbesondere bei einer Sieben-Tages-Inzidenz von über 100 zum Tragen. In Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein dürfen sich dann nur noch ein Haushalt und eine weitere Person treffen. In Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Baden-Württemberg erfolgen auch bei über 100 Infizierten in einem Landkreis keine weiteren Kontaktbeschränkungen.

Unabhängig von der Inzidenz dürfen sich die Menschen in Bremen, Hamburg und Niedersachsen nachts maximal zu zweit beziehungsweise nur mit einem triftigen Grund draußen aufhalten. Hingegen sind nächtliche Ausgangsbeschränkungen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern erst bei einem Inzidenzwert von über 100 vorgesehen.
Tagesschau

Tübinger Modellversuch steht auf der Kippe
In Tübingen haben sich seit Mitte März die Inzidenzzahlen vervierfacht. Grund dafür ist laut Report Mainz ein Ansturm von Tourist:innen und Tagesgästen wegen der Lockerungen gegen negative Corona-Schnelltests. Daher bat Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) Tourist:innen via Facebook, Tübingen am Ostersamstag nicht zu besuchen.

SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach kritisierte Tübingens Modellversuch mit Öffnungen gegen positive Schnelltests. „Sie geben das falsche Signal“, so der Politiker. Testen statt Lockdown sei Wunschdenken. Er könnte den Erfolg und damit die Verlängerung des Projekts so nicht nachvollziehen.

Hausärztin und Projektinitiatorin Lisa Federle zeigte sich ebenfalls besorgt wegen des Infektionsanstiegs. Das vielbeachtete Modellprojekt soll trotzdem mit stärkeren Sicherheitskontrollen zunächst bis Ostermontag verlängert werden. Ursprünglich sollten die Öffnungen bis Mitte April gelten.
Tagesschau
Südwestdeutscher Rundfunk
Wirtschaftswoche

Ausland

EU: Solidaritätsaktion zur Impfstoffverteilung und WHO-Kritik
Die EU verteilt zusätzlichen Impfstoff an bedürftige Mitgliedsländer. 19 Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, überließen Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland und der Slowakei einen Teil ihrer Impfstoffdosen. Laut portugiesischer EU-Ratspräsidentschaft bekämen die fünf Länder im zweiten Quartal mehr Impfstoffdosen als ursprünglich geplant. Besonders bedürftige Staaten erhalten unabhängig von der Bevölkerungszahl zusätzliche Impfstoffdosen. Grund für die Knappheit sind Lieferschwierigkeiten beim britisch-schwedischen Hersteller AstraZeneca.

Zugleich kritisierte die WHO, dass die EU-Impfziele nicht erreicht werden. Bis Ende März sollten eigentlich 80% des Personals in Gesundheits- und Sozialberufen und der über 80-Jährigen geimpft worden sein. Da dieses Ziel nicht erreicht wurde, bezeichnete WHO-Europa-Direktor Kluge die EU-Impfkampagne als „inakzeptabel langsam“. In Deutschland haben von den über 80-Jährigen zwischen 59% in Nordrhein-Westfalen und 79,5% in Schleswig-Holstein eine Erstimpfung erhalten. Vollständig geimpft sind in dieser Altersgruppe deutlich weniger Menschen: zwischen 26% in Schleswig-Holstein und 47% in Niedersachsen.

Dennoch bestätigte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen (CDU) ihr Impfziel, dass bis Sommerende 70% aller Erwachsenen geimpft sind. Die EU-Kommission erwartet außerdem eine deutlich erhöhte Liefermenge im zweiten Quartal.
Deutschlandfunk
Tagesschau (Impfziele EU-Kommission)
Tagesschau (Kritik durch WHO)

Indien: Erfolgreiche Impfkampagne und sinkende Neuinfektionen
Nach zuletzt hohen Werten von über 60.000 Neuinfektionen pro Tag ist die Zahl der Neuerkrankten in Indien nun leicht rückläufig. Gleichzeitig tritt die ehrgeizige Impfkampagne in die nächste Phase: In Indien erhalten nun alle Menschen ab 45 Jahren ein Impfangebot – das sind in der dritten Phase der Kampagne rund 300 Millionen. Ab Mitte Januar bekam das medizinische Personal sowie gefährdete Berufsgruppen wie etwa Polizist:innen erste Impfdosen. In der zweiten Phase wurden die über 60-Jährigen sowie Jüngere ab 45 mit Vorerkrankungen geimpft. Insgesamt haben bereits 51 Millionen Menschen die erste Dosis, 61 Millionen Menschen beide Impfdosen bekommen. Zur Verfügung steht der landeseigenen Impfstoff Covaxin, der zuletzt vermehrt unter Kritik stand sowie das AstraZeneca-Vakzin, das in Indien Covishield genannt wird.

Nebenwirkungen wie in Europa wurden bis dato noch nicht verzeichnet. Bis Juli sollen alle 300 Millionen Menschen über 45 Jahre ihre Impfung erhalten haben. Die Impfkampagne in Indien ist die größte weltweit.

Tagesschau (Impfkampagne)
Tagesschau (sinkende Zahlen)

Frankreich: Erneuter landesweiter Shutdown
Präsident Macron hat erneut strenge Corona-Maßnahmen verhängt. Aufgrund der hohen Corona-Inzidenzzahlen hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron landesweite Geschäftsschließungen verkündet. Die derzeitigen Ausgangsbeschränkungen von 19:00 bis 06:00 Uhr bleiben bestehen. Die Maßnahmen gelten für vier Wochen. Die Schüler:innen sollen eine Woche in den Distanzunterricht, danach folgen zwei Wochen Frühlingsferien. Dies soll der prekären Situation auf den Intensivstationen entgegenwirken und das Infektionsgeschehen verlangsamen. Die strengen Maßnahmen waren zuvor regional auf 19 Verwaltungsbezirke beschränkt.
Tagesschau

Sport

Start der US-Baseball-Liga mit Fans
Zum Start der Baseballsaison in den USA sind erstmals wieder Zuschauer:innen zugelassen. Je nach Bundesstaat variiert die Zahl der erlaubten Zuschauer:innen. Im Bundesstaat Texas dürfen bis zu 40.000 Fans das Spiel der Ranger live sehen. Die Zuschauer:innen müssen Maske tragen sowie einen negativen Corona-Test oder eine Impfbescheinigung vorweisen.

Zum Freundschaftsspiel der Rangers am Montag (29.03.) war der Publikumsandrang verhalten. Es kamen nur 12.000 der erlaubten 40.000 Fans zum Spiel.
Tagesschau

Corona in Zahlen
In Deutschland sind 3.773.875 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 03.08.2021 00:00 Uhr, Quelle: RKI), das sind 1.766 Personen mehr als am Tag zuvor.

Warum diese Zahlen? Wir zitieren hier die offiziellen Zahlen des RKI, diese werden einmal täglich – immer um Mitternacht – vom RKI aktualisiert und um 10 Uhr morgens online veröffentlicht. Und warum gibt es hier nicht mehr davon? Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz.

Gesundheitsticker: 180.561.655 Menschen sind weltweit wieder genesen, das sind 456.134 Personen mehr als gestern Früh. Davon 3.659.900 in Deutschland (Stand: 04.08.2021 05:27 Uhr, Quelle: Worldometers).

Von Mensch zu Mensch

Es ist ein schmaler Grad zwischen zweifeln und verzweifeln. Was dem meist vorausgeht ist eine Entscheidung, die getroffen werden will. A oder B, was ist richtig? Es folgt ein Prozess des Abwägens – schwierig, aber nicht unlösbar, wenn man Zweifel zulässt und so dem Verzweifeln vorbeugt. Genauer geht Katharina auf diesen Zusammenhang ein, beispielhaft an ihrem eigenen mutigen Zweifeln.

Mehrfeln
Katharina

Ok, ich mach das jetzt wirklich. Ich atme tief durch und klicke auf „Veröffentlichen“. Auf Spotify schneit es fröhliche Triumph-Sternchen und vor meinen Augen sieht es auch verdächtig nach Milchstraße aus. Ich habe meinen Podcast online gesetzt - mit einer ganzen Reihe von Disclaimern, aber nun ist er da, sichtbar für die Welt, offen für Kritik. Und mit ihm sitze ich auf dem Präsentierteller. Herrje - was, wenn das, was ich da sage, niemanden interessiert? Was, wenn man mich für eine Narzisstin oder Blenderin hält? Was, wenn man mich auslacht? Prickelndes Adrenalin, vorsichtiger Stolz und brennende Scham waren lange nicht mehr so gleich auf. Und anstatt dass eines überwiegt und mir eine Handlung rät, fließen sie zusammen zu einem nichtssagenden Braun, wie die Komplementärfarben des Malkastens einer Dreijährigen, die von bunt nicht genug bekommen konnte.

Ich zweifle. Schon wieder.

Dabei würde ich mir so gerne erlauben, mich zu freuen! Ich habe ein lang gehegtes Projekt angeschoben und den Mut aufgebracht, „einfach mal zu machen“. Und letztlich kann eigentlich nichts kaputt gehen…oder? Die Sorge, mich nicht richtig entschieden zu haben, überspringt sogar die Distanz, die dieser Text zum Zweifel aufbauen sollte. Kein Wunder: Zweifeln ist eine mächtige geistige Fähigkeit, die wir eigentlich mit gutem Grund unser Eigen nennen dürfen.

Zweifeln bedeutet vom Wortstamm her nichts anderes, als dass wir uns mit zwei wettstreitenden Optionen konfrontiert sehen, zwischen denen wir uns nicht entscheiden können, da beide uns gleich relevant, wichtig oder richtig erscheinen. Damit ist es ein Mechanismus, der uns dabei unterstützen kann, auszuloten, welche Entscheidung von uns Aufmerksamkeit verdient, weil sie komplexer ist, als uns vielleicht vorab bewusst war und uns vielleicht auch zeigt, wo sich die Optionen besonders reiben. Das wiederum kann helfen, sie besser miteinander zu vergleichen und schlussendlich eine gute Entscheidung zu treffen.

So klug und sinnvoll das ist, habe ich dabei zwei ganz konkrete Probleme:

(1) Wenn der Wortstamm zweifeln auf zwei verschiedene, wettstreitende Optionen verweist, dann ist das, was ich mache, mehrfeln. Denn in den seltensten Fällen lässt sich mein Entscheidungsraum auf zwei Optionen runterdampfen – die Masse an Details, die ich in meinen Entscheidungsprozessen an meine innere Pinnwand hänge, führen vielmehr zu fünf, zehn oder zwanzig verschiedenen Handlungsmöglichkeiten, jede verbunden mit einem bunten Strauß an Detail-Zweifel-Optionen. Eigentlich sollte ich also froh sein, wenn ich „nur“ zweifle und mich nicht im Mehrfeln verliere. Oder anders: wenn ich das Mehrfeln soweit bearbeitet habe, dass mir nur noch Zweifel bleiben.

(2) Mein zweites Problem tritt nach der Entscheidung auf (einen kleinen Einblick hatte ich einleitend zur Verfügung gestellt): Alles, was ich mir vorab zurecht gelegt habe, um die betreffende Entscheidung zu treffen, wird oft hinfällig, sobald ich sie getroffen habe. Die Psychologie kennt dieses Phänomen unter „Nach-Entscheidungs-Dissonanz“. Egal, ob die Alternativen, die man abgelehnt hat, ebenfalls attraktiv waren, wenn das Ergebnis der Entscheidung anstrengender oder weniger angenehm ist als erwartet, wenn das Ergebnis den Erwartungen nicht gerecht wird oder es sich gar um eine Fehlentscheidung handelte – all diese Situationen führen zu einer kognitiven Disbalance zwischen dem, was wir uns für den Nutzen der Entscheidung erwartet haben und dem, was wir tatsächlich erleben. Diese Disbalance ist zwar eine ganz normale kognitive Reaktion und wir können ihr auch mit unterschiedlichen kognitiven Tricks begegnen – trotzdem ist sie erstmal eine Last.

Da hilft es auch nicht zu verstehen, dass Dissonanz wahrscheinlicher ist, wenn die Entscheidung besonders wichtig oder dringend war, die Alternativen ähnlich, die Konsequenzen absehbar oder wir uns unter Unsicherheit zu einer Option durchgerungen haben.

Was aber vielleicht hilft ist, das Chaos anzunehmen und zu versuchen, daraus zu lernen. Denn wie eingangs angedeutet: Zweifeln (wie auch Mehrfeln) deckt auf, was uns – vielleicht auch grundsätzlich – wichtig ist, wovor wir Angst haben und wo wir uns selber helfen könn(t)en. Das ist wahnsinnig wertvoll und mal wieder eine dieser Fähigkeiten unserer Seele, die zwar wahnsinnig anstrengend aber gleichermaßen hilfreich ist, wenn wir sie lassen und wenn wir fair zweifeln anstatt zu verzweifeln. Wer fair zweifelt, der oder die ist offen dafür, eigene Ängste zu erkennen und zur Seite zu legen, sich selber wertzuschätzen und anzuerkennen, dass die getroffene Entscheidung Hand und Fuß hatte. Wer fair zweifelt, traut sich aufrichtig, aber wohlwollend auf den Gegenstand des Zweifels zu blicken und widersteht der Versuchung, sich aus lauter VERzweifelung in eine dunkle Ecke der Ausweglosigkeit zu setzen und zu dort zu verharren. Das wäre auch Verschwendung, denn faires Zweifeln kann in meinen Augen ein sehr guter Weg aus diesen Ecken hinaus sein.

Wenn ich mir also meine Podcast-Zweifel anschaue, dann lerne ich Folgendes über mich: Ich habe Angst, dass Menschen mich anders wahrnehmen, als ich mich selber fühle. Ich bin mir sehr bewusst darüber, dass ich viel von mir zeige und wenn das dann auf Kritik stößt, hat die das Potential, mich auch sehr direkt zu treffen. Ich nehme wahr, dass ich irgendwo zwischen meinem Wunsch, gehört zu werden und meiner Angst vor Sichtbarkeit vermitteln muss ohne eines von beiden zu verbannen, denn beides gehört zu mir.

Das zu formulieren entspannt mich merklich. Und ich glaube, darin liegt eine große Macht, die reflektiertes Zweifeln uns in den Schoß legt und die den nächsten Entscheidungsprozess erleichtern kann.

Zum einen stärken Zweifel das eigene Bauchgefühl. Mit jedem Mal Mehrfeln lernen wir etwas, das uns beim nächsten Mal helfen kann, sodass wir vielleicht beim nächsten Mal nur noch mit Zweifeln umgehen müssen. Und das wär doch schonmal was.

Zum anderen Führt uns das Zweifeln vor Augen, dass wir trotz einer gefällten Entscheidung immer noch Handlungsmöglichkeiten haben. Ich habe diese Ängste in Bezug auf meinen Podcast entdeckt, die sich auch nicht einfach in Luft auflösen, bis etwas Selbstbewusstsein in dieses Projekt gewachsen ist. Bis dahin kann ich die Plattform, die meine Ängste aktiviert, nutzen, um sie zum Thema zu machen. Kritik kann ich konstruktiv begegnen und in der nächsten Folge umsetzen. Und wenn mir alles zu viel wird, höre ich einfach wieder auf.

Und ich glaube, das gilt für jedes Zweifeln: Erst reflektieren, etwas über sich lernen und dann schauen, an welchen Stellen es sich lohnt, nachzusteuern oder auch mal die Dissonanz auszuhalten und uns dafür auf die Schulter zu klopfen, trotz Mehrfelns aktiv geworden zu sein. Das ist nämlich gar nicht immer so leicht.

Nach dieser übergeordneten Sicht aufs Mehfeln nimmt uns Laura in ihre ganz kKonkreten Zweifel mit und gibt ihnen nicht nur eine zeitliche Perspektive, sondern auch einin anstatt eine Gesicht – oder besser ein Mäusefell. Heraus kommt ein beeindruckender Blick auf die toxische Beziehung zwischen Zweifeln und Ängsten.

Von Mäusen und Aasgeiern
Laura

Manchmal da bin ich von Zweifel zerfressen, sie nagen an mir wie tausende Mäuse an einem Karton im Kellerabteil. Sie schleichen sich ein in meine Gedanken und toben sich aus.

Dabei gibt es Zweifel, die die Vergangenheit betreffen: Habe ich die richtige Entscheidung getroffen, was wäre jetzt, wenn ich das ein oder andere eben anders entschieden hätte?

Dann gibt es Zweifel, die die fernere Zukunft betreffen: wie wird das, was ich plane, vorhabe, wovon ich träume kommen. Manchmal habe ich Zweifel an meinen Traum, den ich schon etliche Jahre habe. Zweifel daran, ob ich das schaffe, Zweifel, ob ich vielleicht doch etwas anderes machen sollte.

Und da wir weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft leben, sondern in der Gegenwart, gibt es dort natürlich auch Zweifel, denn Zweifel kennen weder Zeit noch Raum. Doch Zweifel in der Gegenwart beziehen sich meist auch auf die Zukunft, in meinem Fall allerdings auf die nähere Zukunft. Zweifel, die den Abend, Zweifel, die den nächsten Tag oder Ereignisse in den kommenden Wochen betreffen. Zweifel, ob ich wohl das richtige Seminar gewählt habe, Zweifel, ob ich wohl die Klausur bestehe, Zweifel an mir und meinen Entscheidungen.

Es ist nicht so, dass alle Zweifel immer und zu jeder Zeit gleich stark präsent sind.Sie besuchen mich ab und zu wie ein ungebetener Feriengast, der viel zu viel Raum einnimmt. Mit Glück kann man von diesen unangenehmen Gästen sagen, dass sie eben nur Gäste sind und zu gewisser Zeit wieder abreisen.

Als ich vergangenen Jahres in einer persönlichen Krise steckte, waren Angst und Zweifel nicht bloß Kurzzeitgäste, sondern es fühlte sich viel mehr so an, als fühlten sie sich sehr wohl bei mir. So wohl, dass sie bleiben wollten und das auch taten. Dies passte mir natürlich gar nicht. Sie waren unangenehme Gäste, diese Art von Gästen, die sich am Buffet die Teller randvoll machen und nicht leer essen, die die Zimmer ganz übel verwüstet hinterlassen und, die alle anderen angenehmen Gäste verjagen. Diese angenehmen Gäste wie Freude, Zuversicht, Hoffnung und Vertrauen zogen sich zurück, sie fühlten sich bedroht und hielten sich raus aus dem Leben. Man kann sich vorstellen, dass diese Zeit nicht die schönste Zeit war.

Der größte Zweifel dieser Zeit, der gleichzeitig mit wahnsinniger Angst und Hoffnungslosigkeit verbunden bestand darin, dass ich in dieser Phase Zweifel daran hatte, dass diese Krise jemals wieder vorüber geht. Zweifel daran, dass die Angst und Panikattacken nicht mehr gehen, mich lahm legen und die positiven Gäste endgültig abreisen und nie wieder zurückkehren. In dieser Zeit, da zerfraßen mich Zweifel nicht wie kleine süße Mäuse, mit denen man irgendwie schon leben lernt, sondern wie aggressive Aasgeier.

Ich hatte Zweifel, jemals wieder ein Leben ohne Angst führen zu können.

Naja, was soll ich sagen, diese Zweifel waren berechtigt. Ein Leben ohne Angst?

Ein Leben, ohne jemals körperliche Reaktionen aufgrund von Angst zu spüren, hieße wohl, dass irgendetwas nicht stimmte. Denn eines ist jeglicher Angst zugleich, eine Angstreaktion.

Genau diese machte mir jedoch solch große Angst, dass ein Teufelskreis der Angst entstand .

Wie schaffe ich es nun, die Angst samt ihrer mir noch größere Angst machenden Reaktion zu akzeptieren? Ich musste lernen, diese Reaktionen und Situationen genauer zu beobachten und neu zu bewerten. Dass in den allermeisten Fällen keine Gefahr drohte und mein Körper mit einer natürlichen Angstreaktion auf meine ängstlichen Gedanken und Zweifel reagierte.

Die Aasgeier verloren langsam die Freude am Umherkreisen und zogen wieder von dannen.

Stand jetzt sind es nur noch die Mäuse, die zu Gast sind und ich lerne mit den ein oder anderen Mäusen zu leben.

Ein für mich sehr kluger Mensch hat mir vor kurzem etwas auf meine Zweifel, ob die Angst mich jemals verlässt und ich so in Zukunft meine Träume und Vorstellungen leben kann, entgegnet, dass es nicht von Bedeutung sei, ob eine Belastung, in meinem Fall die Angst, vorhanden ist, sondern wie man damit umgeht.

Will heißen, lasse ich zu, dass diese Angst die Aasgeier mit Zweifel füttert, oder lasse ich mich und mein Leben nicht dadurch dominieren und einschränken. Ich habe mich für Zweiteres entschieden.

Wie sehr Gefühl und Zweifel ineinander greifen, hat Laura anschaulich dargestellt. Was passiert, wenn auch noch der Kopf dazu kommt, beschreibt Anne (neu im Team!) in ihrem Text. Sie knöpft sich ihre Selbstzweifel vor und besiegt sie mit der wichtigen Feststellung: “Ich kann es eben doch!”

Und ich kann es eben doch
Anne

Wenn ich den Begriff "Zweifel" höre, dann muss ich sofort an Selbstzweifel denken. Das kennt wahrscheinlich jeder: Man ist sich unsicher, zweifelt am eigenen Wissen, den eigenen Entscheidungen und stellt das eigene Können infrage. Und das meist, obwohl es gar keinen triftigen Grund dafür gibt.

Mir selbst ist das vor Kurzem erst wieder passiert. Ich habe im letzten Jahr mit meinem Studium angefangen, dementsprechend stand jetzt die erste Klausurenphase an. Möglichst ordentlich und durchdacht habe ich versucht, das Ganze anzugehen:

Zunächst habe ich mir mit den Unterlagen des Semesters einen Überblick verschafft, was überhaupt alles zu tun ist, für welches Fach ich wie viel zu lernen und vorzubereiten habe, und so weiter. Daraus habe ich mir dann einen Lernplan erstellt und aufgeschrieben, was ich an welchem Tag schaffen will (natürlich auch mit einem ordentlichen Zeitpuffer, wer weiß schließlich schon, was noch so alles dazwischenkommen kann). Also eigentlich alles super, kein Grund für Zweifel.

Und dann kam es irgendwie doch anders.

Mir ging es nicht so gut, ich hatte nicht genug Kraft, um den vermeintlich perfekten Plan abzuarbeiten. An dieser Stelle kamen die ersten Zweifel auf: Habe ich in meiner Planung irgendetwas nicht berücksichtigt? Habe ich mich vielleicht für das falsche Studium entschieden? Chemie gilt schließlich nicht als das einfachste Studium, das man so machen kann. Bin ich überhaupt in der Lage dazu, etwas zu studieren? Vielleicht kann ich das alles ja eigentlich gar nicht.

Es gab dann noch die Möglichkeit, die Klausuren nicht zum normalen Termin, sondern etwas später die Nachklausuren zu schreiben. Mit viel Entscheidungshilfe und Zuspruch von außen habe ich mich dann dazu entschieden. Das hat mir zwar den zeitlichen Druck genommen, ich hatte dadurch aber immer im Hinterkopf, dass ich die Klausuren jetzt auf Anhieb bestehen muss, weil die Möglichkeit für einen zweiten Versuch damit verloren ging.

Ich kann an dieser Stelle vorwegnehmen, dass alles funktioniert hat. Ich habe alle Klausuren bestanden, und sogar mit überraschend guten Noten. Aber die Tage und besonders der letzte Abend vor jeder Prüfung waren wieder von riesigen Zweifeln geprägt. Das ging so weit, dass ich irgendwann zu dem Schluss gekommen bin, dass ich gar nichts kann, überhaupt nichts. Und das, obwohl ich vorher noch einmal Lernstoff und Übungsaufgaben durchgegangen war und es mir eigentlich so vorkam, dass ich das meiste davon verstanden und verinnerlicht hatte.

Dieser Unterschied zwischen Verstand und Gefühl kann riesig sein. Es fühlt sich so an, als ob ich nichts könnte, und gleichzeitig sagt der Verstand, dass ich doch eigentlich ganz gut vorbereitet bin. Worauf hört man dann am besten an dieser Stelle? Glaubt man den Zweifeln und liest alle Lernzettel in fröhlichen Textmarkerfarben noch einmal durch? Oder vertraut man auf das eigene Wissen und sorgt lieber dafür, dass man ausreichend Schlaf bekommt?

Schwierige Entscheidung. Es sind schließlich beide Seiten ein Teil von mir. Die rationale Seite des Verstands, und das vermeintlich irrationale Gefühl. Aber nur vermeintlich. Jedes Gefühl will auf etwas hinweisen und ist damit richtig, wenn auch häufig unangenehm, und steht trotzdem oft im Gegensatz zum Verstand.

Diese Diskrepanz wird immer dann so groß, wenn ein Plan schief geht, etwas Unvorhergesehenes passiert oder Unsicherheiten aufkommen. Dann schwindet das Vertrauen in mich selbst und die Zweifel wachsen. In diesem Fall ist der einzige Ausweg, nicht zu verzweifeln, sondern den Zweifeln zu trotzen und ihnen zu beweisen, dass ich es eben doch kann.

An Annes konkrete Selbstzweifel im Rahmen von Prüfungssituationen und dem, was sie daraus gelernt hat, schließt sich Tinas Erfahrung mit dem Zweifel an sich selbst an. Sie nimmt uns mit in ihre Therapie und beschreibt, welche Rolle Zweifel in der Konfrontation mit Ängsten spielten und wie sie diese überwinden konnte.

Glaub an Dich
Tina

Warum zweifelt man eigentlich immer an sich selbst? Warum probiert man nicht einfach seine Vorhaben aus und wartet dann ab, was geschieht? So viele Träume werden durch Selbstzweifel zerstört, weil das Selbstvertrauen mal wieder die Notbremse zieht. Und die Angst tut dann ihr Übriges.

Ich hab schon so oft die Erfahrung gemacht, dass andere Menschen mehr an mich glauben als ich es selbst tue. Ich erinnere mich an eine Situation, die ich vor zig Jahren in einer Verhaltenstherapie erlebt hatte. Diese Therapie war eine Mischung aus Gespräch und Konfrontation. Die Gespräche waren relativ anstrengend und es floss das ein oder andere Tränchen. Aber im Gegenteil zur Konfrontation waren die Gespräche ein entspannter Sonntagsspaziergang.

Die Konfrontation war die Hölle. Zwar hatte ich mir im Vorfeld schon einigen Freiraum zurück erkämpft, doch es reichte längst nicht aus, um annähernd ein freies Leben zu führen. U.a. wagte ich mich noch nicht in Kaufhäuser und traute mich nicht unter Menschenmassen. Doch eine meiner größten Ängste waren U-Bahn-Stationen. Allein der Gedanke, dort unten gefangen zu sein und nicht schnell genug nach oben zu kommen, katapultierte meine Angst von null auf hundert. Doch ich wollte nicht mehr dieses eingeschränkte Leben, das sich gefangen wie in einer kleinen Hutschachtel anfühlte. Ich wollte endlich wieder ein freies, selbstbestimmtes Leben führen, ohne über jeden Schritt nachdenken zu müssen, ob die Angst mich überfällt oder ob sie diesmal gnädig gestimmt ist.

Das Leben musste einfach mehr zu bieten haben außer Angst.

Meine Therapeutin war ein wunderbarer Mensch. Sie hatte eine Art, die genau zu meiner Einstellung passte. Sie erklärte mir, dass alles ohne Zwang geschieht und das allein ich bestimme, inwieweit ich mich der Konfrontation stelle. Damit hatte sie mein Vertrauen im Sturm erobert. Unser erstes Objekt der Begierde….grins, war ein Kaufhaus. Doch um dorthin zu gelangen, mussten wir durch eine Einkaufsmeile, die von Menschenmengen umgeben war. Auf Knopfdruck waren meine Zweifel da. Und sie wurden lauter und lauter. Ich weiß noch genau, dass mein Lieblingssatz immer „Das schaffe ich nicht“ war. Und die Antwort der Therapeutin lautete immer: „Sie schaffen das, Frau G….“

Und ich schaffte es auch. Stunde für Stunde kämpfte ich mich durch sämtliche Menschenmengen und durch etliche Zweifel, ob ich jemals in einem Kaufhaus ankommen werde. Doch ich kam an. Zwar ziemlich abgekämpft, dafür aber glücklich. Ich weiß noch, dass ich es kaum glauben konnte, nach Jahren endlich wieder in einem Kaufhaus zu stehen. Es prasselten so viele neue Eindrücke auf mich nieder, doch gleichzeitig fühlte sich die Atmosphäre vertraut an. Ich freute mich wie ein kleines Kind, als ich die Strasssteine des Modeschmucks funkeln sah. Aufgeregt fragte ich meine Therapeutin, ob wir noch die Zeit haben, um etwas zu kaufen. Sie strahlte mich an und sagte: Natürlich, Frau G…. Schauen sie sich in Ruhe um. Ich habe mir genug Zeit für sie genommen. Diese Therapeutin war ein richtiger Schatz und ein Volltreffer, dass ich sie gefunden hatte.

Nach diesem gelungenem Erfolgserlebnis wartete jetzt die die U-Bahn-Station auf mich. In meinem Kopfkino spielten sich die fürchterlichsten Horrorszenarien ab. Meine Selbstzweifel übertönten alles. Mein Selbstvertrauen löste sich in Luft auf und meine Willenskraft rannte feige davon. Dafür tanzten meine Angst und meine Selbstzweifel Rock n Roll. Wieder musste sich meine Therapeutin von mir anhören, dass ich das nicht schaffe. Und wieder antwortete sie, dass ich auch diese Hürde meistern werde. Auch mit der U-Bahn-Station fingen wir klein an. Erstmal standen wir nur davor. Der Teergeruch ließ mich schon fast in Ohnmacht fallen.

Beim nächsten Mal lief ich mit extremer Angst einige Stufen herunter. Der Bahnsteig lag sehr tief. Zwei Stockwerke musste ich mich hinunter kämpfen. Und jede Woche zweifelte ich aufs Neue, ob ich tatsächlich irgendwann unten am Bahnsteig ankommen werde. Doch nach gefühlten hundert Jahren stand ich tatsächlich am Bahnsteig. Zwar hielt ich mich ziemlich unsicher auf den Beinen und jeder Faser meiner Muskulatur schmerzte, aber das war es wert. In den nächsten Wochen lernte ich, die Situation am Bahnsteig auszuhalten. Auch mit dem Kommen und Gehen der Fahrgäste. Inzwischen schaffte ich es so weit, dass ich mich in der Mitte des Bahnsteigs auf einer Bank ohne Angst setzten konnte.

Meine Therapeutin war stolz auf mich. Inzwischen war es meine letzte Sitzung. Und für diese hatte sie sich eine Überraschung für mich ausgedacht. Wie die letzten Male auch gingen wir an die Station. Plötzlich sagte Sie: Frau G….. wir gehen jetzt gemeinsam hinunter zum Bahnsteig und laufen von der einen Seite zur anderen hinüber und gehen dort hoch. Wie? Was? Hinüber? Ich traute meinen Ohren kaum. „Sie meinen komplett durchlaufen?“, fragte ich erschrocken. „Ja“, antwortete sie. Und fügte direkt hinzu, dass ich das schaffen werde.

Völlig überfordert von der Situation stand ich reglos da. Wieder feierten die Angst und die Zweifel eine ausgelassene Party. Ich brauchte erstmal frische Luft. Ich ging nach oben, während meine Therapeutin unten wartete. Irgendwie reizte mich der Gedanke, aber die Zweifel, dass ich es nicht schaffen würde, waren immens groß. Völlig ratlos ging ich wieder hinunter. Plötzlich sagte meine Therapeutin den ausschlaggebenden Satz für meine Entscheidung: „Frau G….. wenn ich nicht wüsste, dass sie das schaffen, dann würde ich es nicht machen.“ Jetzt wusste ich, dass ich es kann. Sie schaute mich an und sagte: „Nehmen sie meine Hand“. Ich nahm ihre Hand und wir liefen los….

Nach diesen Erfahrungen mit dem Überwinden von Selbstzweifeln wechselt Anne (unsere “alte Häsin”) die Perspektive auf das Zweifeln an anderen und auch auf den Nutzen, der mit dem Zweifel einhergeht, nämlich das Enttarnen eigener Wünsche.

Der Erfolg des Zweifels
Anne

Dieser Text ist nicht neu, ich habe ihn bereits vergangenen Sommer geschrieben, für die Ausgabe vom 26.06.2020. An Aktualität hat er aber, zumindest für mich, nicht eingebüßt, auch wenn die im Text benannten Ausschreitungen in Stuttgart nun schon fast in Vergessenheit geraten sind. Die eng beieinanderstehenden Menschen im Park und auf der Straße sieht man immer noch, zumindest hier in Köln, bei herrlichem Frühlingswetter. Auch wenn es weniger sind als vergangenen Sommer und inzwischen die meisten nur die Maske abnehmen, um einen kurzen Schluck aus dem Kaffeebecher oder der (Bier)flasche zu nehmen. Aber bevor ich Euch zu viel vorwegnehme, überlasse ich Euch die Einordnung der Aktualität.

Wir haben hier schon oft vom Zweifel geschrieben. In manchen Texten ganz gerade heraus, häufig schwang er mit, begleitete den Text in dessen Unterstrom.

Was ist Zweifel überhaupt? Ein Blick in Wikipedia: Zweifel ist ein Zustand der Unentschiedenheit zwischen mehreren möglichen Annahmen, da entgegengesetzte oder unzureichende Gründe zu keinem sicheren Urteil oder einer Entscheidung führen können. Er wird auch als Unsicherheit in Bezug auf Vertrauen, Handeln, Entscheidungen, Glauben oder Behauptungen bzw. Vermutungen interpretiert.

Diesen Zustand kennen wir alle, keiner ist stets frei davon, ist sich immer seines Urteils sicher. Auch wenn wir dies vielleicht nicht gerne zugeben, weil wir so sozialisiert wurden, weil der Zweifel immer mit Schwäche verbunden zu sein scheint. Weil es uns beigebracht wurde, ob von den Eltern oder durch Konformitätsdruck der Mehrheitsgesellschaft.

Ich möchte dies gar nicht werten, nicht verurteilen. Aber wir sollten uns dessen gewahr sein.

Gerade in diesen schwierigen Zeiten überkommt uns der Zweifel ach so häufig. Ich verzweifle an den Menschen, die völlig bedenkenlos da draußen in engen Gruppen zusammenstehen. Ich verzweifle durch Bilder in den Nachrichten, die Szenen und Ausschreitungen ob in Stuttgart oder anderswo zeigen, auch wenn ich mir bewusst bin, dass Verzweiflung eventuell, oder sogar sehr wahrscheinlich, zu eben diesem Verhalten geführt hat.

Ich zweifle und verzweifle auch oft genug an mir selbst. Was tue ich eigentlich, wofür tue ich es und hat es überhaupt eine Wirksamkeit? Was macht mein Handeln, mein Tun aus in einer Welt mit rund 7,8 Milliarden Menschen?.

Ich zweifle, ob ich meinen Kinder das mitgeben kann, was ich ihnen gerne mitgeben möchte. Ob ich sie wappnen kann, für diese manchmal zum verzweifelnde Welt. Ich zweifle daran, dass sie eine bessere, eine gute Zukunft haben. Frage mich, ob wir ihnen nicht eine viel zu chaotische Erde, Gesellschaft, Zukunft hinterlassen.

Aber wenn wir die Gründe unseres Zweifelns, unserer Verzweiflung einmal näher betrachten, dann steckt etwas Hhoffnungsvolles dahinter. Sehnsucht.

Nach dem Philosophen Jacob Böhme liegt die Sehnsucht, das “sich nach etwas sehnen”, in uns, in der gesamten Natur. Dieses Sehnen ist dynamischer und schöpferischer Antrieb.

Und wenn ich meine oben genannten Zweifel umformuliere, zeigen sie mir, was ich mir wünsche, was ich vermisse, was ich mir erhoffe.

Ich sehne mich nach Stabilität, nach Alltag, nach Sicherheit. Ich sehne mich nach einer solidarischen Gesellschaft, in der Diskriminierung nicht mehr stattfindet. Ich sehne mich nach einem System, in dem jeder von seinem Arbeitslohn gut leben kann und niemand Existenzsorgen erleiden muss. Ich sehne mich danach, dass jedem Menschen, der Hilfe bedarf, Hilfe zuteil wird.

Ja, das sind große Sehnsüchte und ich weiß, dass sie im Großen nahezu utopisch sind. Daran könnte ich verzweifeln, tue ich aber nicht. Denn im Kleinen, im eigenen kleinen Kosmos kann ich daran mitwirken, dass sie ein Stück weit wahr werden.

Ich will hier ehrlich sein, für diesen Text, für diese Gedanken hatte ich Hilfe. Wie so oft führte die Musik mich hier her. Vielen Dank dafür, Tocotronic.
Im Zweifel für den Zweifel

Tipps der Woche

Wenn wir an Zweifel denken, denken wir oft an Selbstzweifel. Und gegen die können wir angehen! Das findet ihr nicht nur in unseren Mensch zu Mensch Texten, sondern auch in zahlreichen Tipps online. Ein paar davon und einen Tipp zum Trainieren des Selbstbewusstseins haben wir Euch hier zusammengestellt.

Gegen Selbstzweifel
In der Rubrik von Mensch zu Mensch ist heute viel über Selbstzweifel zu lesen. Und eine Form des Selbstzweifels, die wir alle kennen, ist die Begegnung mit unserem inneren Kritiker. Diese Stimme in uns, die uns negative Rückmeldungen geben zu jedem Lebensbereich, in dem wir nicht mit uns zufrieden sind. In den Ratgebern online kursieren drei Tipps im Umgang mit dieser Form des Selbstzweifels: (1) Wir sollten dem inneren Kritiker zuhören und das, was er sagt, so platt es geht aufschreiben. Das hilft dabei, ihn uns bewusst zu machen. (2) Indem wir den inneren Kritiker beschreiben, distanzieren und desidentifizieren wir uns von ihm, damit wir (3) aus der Kritik neue Handlungsmotivation schaffen. Wie? Mit einer neugierigen Haltung sollten wir uns die Behauptungen des Kritikers als Fragen aufschreiben, die möglichst zukunfts- und lösungsorientiert sind. Etwas ausführlicher lest ihr das Ganze auf utopia.de
Utopia

Selbstzweifel beim Namen nennen
Den inneren Kritiker thematisiert auch das Hauptstadtportal Berlin.de in den Tipps gegen Selbstzweifel. Neben der Akzeptanz von Selbstzweifeln gibt’s hier noch mehr praktische Tipps wie Tagebuch oder Pro-und-Contra-Liste führen. Unkonventionelle Tipps sind auch dabei, wie, dem inneren Kritiker einen Namen zu geben, um besser damit umzugehen. Coach Tom Diesbrock nennt seine Selbstzweifel „Hermann“.
Berlin.de

Selbstbewusstsein trainieren
Das Ratgeberportal Karrierebibel hat Überlegungen und Tipps für mehr Selbstbewusstsein und weniger Selbstzweifel zusammengestellt. Neben Überlegungen zu benachbarten Begriffen wie Selbstliebe und Selbstwirksamkeit gibt’s hier praktische Tipps wie „sich nicht vergleichen“ oder „toxische Menschen meiden“. Tipps wie „stellen Sie sich Ihren Ängsten“ sind bei Angstpatient:innen allerdings etwas mit Vorsicht zu genießen. Hier gilt: holt Euch Hilfe, dafür sind Therapeut:innen da!
Karrierebibel

Dies und Das

#NichtSelbstverständlich: Joko & Klaas und der Pflegenotstand
Joko und Klaas haben ihre gewonnene Sendezeit auf Prosieben dem Pflegenotstand gewidmet. Ihre Botschaft: "Pflege ist ein Thema, das uns alle betrifft, mitten aus dem Leben, und dennoch zu oft ganz am Rand der allgemeinen Wahrnehmung. Viele Themen im Leben bekommen erst dann den Stellenwert, den sie verdient haben, wenn man als Mensch die Gelegenheit bekommt, sich in ein Leben hineinzuversetzen, das nicht zwangsläufig das eigene ist." Deswegen haben sie den Raum geschaffen, einen Einblick erfahrbar zu machen. Die Einleitung ist bereits auf YouTube.
zum Video

Willkürliche Nettigkeiten
Warum nicht einfach mal völlig willkürlich, ohne Verpflichtungen oder Erwartung einer “Gegenleistung” spontan, gerne auch zu völlig Fremden nett sein. Klingt komisch, ist aber eine gute Sache. Dachten sich zumindest in den 90er Jahren ein paar Menschen in San Francisco und gründeten eine Organisation mit dem Namen “Random Acts of Kindness”. Denn es sind die Kleinigkeiten, mit denen wir unseren Mitmensche ganz unverhofft den Tag ein wenig verschönern können und auch bei uns selbst hinterlassen unsere Nettigkeiten ein gutes Gefühl. Wer Zweifel daran hat, probiere es am besten einfach mal aus. Vielleicht einen Osterhasen oder ein Paar Osterglocken vor die Tür der Nachbar:in legen.
Deutschlandfunk Nova

Eine Playlist zum Zweifeln
Eine Liste zum Zweifeln und verzweifeln ist es hoffentlich nicht. Aber einen Soundtrack zu dieser Ausgabe darf natürlich nicht fehlen. Lasst uns die Zweifel einfach mal wegtanzen, wenigstens für einen kurzen Moment.
Tocotronic - Im Zweifel für den Zweifel
Fettes Brot – Jaein Max Giesinger - deine Zweifel
Mary J. Blige (und Taylor Swift) - Doubt
Katy Perry - Rise
Jason Walker - Down
Sperling - Zweifel
Mikroboy - Solange der Mut den Zweifel schlägt
The Beatles - Help

Und falls Ihr nun Lust bekommen habt, eigene Beiträge zu schreiben und uns in unserer Arbeit zu unterstützen, schreibt uns gerne unter angstfrei.news@gmail.com - wir freuen uns auf Euch!

Damit wünschen wir Euch eine schöne Osterwoche!

Euer angstfrei.news Team.

Kleine Erinnerung
Wir freuen uns sehr, wenn ihr dieses neue Format mit einem Extra-Feedback bedenkt, nur so können wir lernen. Vielen Dank!

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