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Freitag, 5. Juni 2020 | 8 Uhr

Anne
Katharina

Guten Morgen liebe Leser*innen,

in den Nachrichten gehts ums Konjunkturpaket und wir werfen nochmal einen Blick in die USA. Außerdem haben wir in der Rubrik 360° nochmal das schon öfters angeschnittene Transgener Thema mit einem interessanten Interview. Und weil das Wochenende vor der Tür steht und das Wetter nicht so berauschend aussieht, haben wir euch ein paar Podcast rausgesucht. 

Einen schönen Freitag und einen schönen Start ins Wochenende wünschen euch Anne, Katharina und das ganze Team von angstfrei.news! 

Ihr habt Lob, Kritik oder Anregungen (z.B. zum Tipp des Tages oder den neuen Kategorien) für uns? Schreibt uns Euer Feedback.

Die gute Nachricht des Tages

NRW verlängert das BAföG
Coronabedingt erhöht sich für die meisten Studierenden in Deutschland die Studienzeit, weil das Sommersemester 2020 bundesweit nicht auf die geplante Studienzeit angerechnet wird, da notwendige Prüfungen nicht stattfinden (können). Was prüfungsrechtlich als Entlastung empfunden wird, ist für viele Studierende eine finanzielle Belastung - insbesondere wenn die studienfinanzierenden Nebenjobs in Gastronomie, Einzelhandel oder Fundraising pausiert sind. 

Nordrhein-Westfalen hat deswegen nun entschieden, die Zahlung des BAföG zu verlängern. Dazu werde die Regelstudienzeit der eingeschriebenen Studierenden um ein Semester erhöht, so NRW-Bildungsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen gestern gegenüber der Presse. Mit der Maßnahme wird insbesondere Studierenden aus Haushalten geholfen, in denen Eltern die Studienfinanzierung nicht übernehmen können.  Derzeit ist NRW das einzige Bundesland mit dieser Sonderregelung. Studierendenvertreter aus ganz Deutschland hoffen, dass die anderen Bundesländer nachziehen.
→ dpa

Die Nachrichtenlage

Stimmen zum Konjunkturpaket
Das am späten Mittwoch Abend verabschiedete Konjunkturpaket der Bundesregierung, wir berichteten darüber, stieß von Seiten der Wirtschaft auf Zustimmung, die Oppositionsparteien und auch Klimabewegungen kritisierten mangelte soziale Komponenten. Verschiedene Wirtschaftsexperten, so u.a. Wirtschaftsweise Monika Schnitze und Jens Boysen-Hogrefe vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) befürworten im Grundsatz die beschlossenen Maßnahmen.

Kritik an Details gibt es dennoch, so etwa beim Kinderbonus, da dieser nicht gezielt an Maßnahmen zur Bildungsförderung gekoppelt ist, wie es z.B. bei einem Gutscheinsystem möglich gewesen wäre.Auch die geplante Mehrwertsteuerabsenkung wird kontrovers gesehen, so befürchten einige Stimmen, dass sich dies am Ende nicht den Konsumenten erreicht. Zu den durch das Konjunkturpaket verursachten Staatsschulden sagte Marcel Fratzscher, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung "kurzfristig jetzt klug Geld auszugeben, ist der beste Weg, um langfristig nachhaltig haushalten zu können und Schulden wieder abzubauen“ und ist damit einer Meinung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). 

Die Opposition hätte sich eine stärkere soziale und ökologische Ausrichtung des Konjunkturpaketes gewünscht. Annalena Baerbock (die Grünen) nannte das Konjunkturpaket „besser als befürchtet“, so die Tagesschau, und begrüßt, dass die Abwrackprämie, nicht wie ursprünglich angedacht, nicht Teil des Programms ist.  
Tagesschau | Zur Sendung mit Angela Merkel
Tagesschau - Meinungen aus der Wirtschaft
Das steht im Konjunkturpaket (Tagesschau)

Lufthansa ist nicht mehr im DAX
Wegen des wirtschaftlichen Einbruchs im Rahmen der Corona-Krise verliert die Lufthansa ihren Platz im Deutschen Aktienindex (DAX). Auf Grund des geringeren Umsatzes ist Deutschlands Fluggesellschaft ab dem 22. Juni statt dessen nur noch im MDax, der Übersicht für mittelgroße Werte, vertreten. Durch den Abstieg der Lufthansa ist der Berliner Immobilienkonzern Deutsche Wohnen ab Ende Juni Teil des DAX
→ dpa

EZB erweitert Corona-Hilfen
Die Europäische Zentralbank (EZB) erweitert ihr Engagement im Rahmen der Corona-Krise: Im Rahmen des Notkaufprogramms für Staats- und Unternehmenspapiere investiert sie weitere 600 Milliarden Euro in Anleihen. Damit ermöglicht sie Unternehmen und Staaten einen unkomplizierten und preisgünstigen Zugang zu finanziellen hilfen. Insgesamt erhöht sich der Nothilfefonds der Notenbank damit auf historisch einmalige 1,35 Billionen Euro. Gestern entschied die EZB außerdem, den Leitzins im Euroraum auch weiterhin auf null Prozent zu halten. Eine niedriger EZB-Leitzins soll das Investitionsniveau in der Eurozone stärken und die wirtschaft mit günstigem Geld versorgen. Investor*innen können nahezu zinsfrei Geld leihen und zumindest übergangsweise finanzielle Sicherheit herstellen. 
→ dpa | Tagesschau

Weitere Kritik an Trump, silent Demos in Deutschland
Im Rahmen der #blacklivesmatter-Bewegung rund um den Mord an George Floyd reiht sich nun auch Ex-Verteidigungsminister Jim Mattis in die breite Kritik gegen US-Präsident Donald Trump ein. Sein Vorwurf: Trump spalte das Land, anstatt es zu einen.  Im Magazin “The Atlantic” schreibt Mattis unter anderem: “Wir sind Zeugen der Konsequenzen von drei Jahren ohne reife Führung.” Seitens der US-Öffentlichkeit erhielt Mattis viel Unterstützung für seine klaren Worte. Trump reagierte Erwartungsgemäß mit einem erbosten Tweet. Mattis hatte Ende 2019 auf eigenen Wunsch seinen Rücktritt eingereicht. Mit Kritik an Donald Trump hielt er sich bis dato zurück. 

In Deutschland finden am Samstag nach amerikanischem Vorbild so genannte “silent Demos” statt. In verschiedenen Städten planen Menschen sich für acht Minuten und 46 Sekunden auf den Boden zu legen um so dem Tod von George Floyd zu gedenken. Demonstrationen sind in 25 deutschen Städten angekündigt.
Tagesschau | dpa (Demonstrationen)

Fachgipfel will faire Impfstoffverteilung sicherstellen
Um die Entwicklung und die weltweite Verteilung eines Impfsotffes gegen Covid-19 sicherzustellen, wollen Vertreter*innen von mehr als 50 Ländern 6,6 Milliarden Euro sammeln. Gestern fand die digitale Konferenz statt, an der neben Bundeskanzlerin Merkel und Boris Johnson auch der Milliardär Bill Gates und UN-Generalsekräetär António Guterres teilnahmen. Guterres sagte, dies sei die Möglichkeit, eine wichtige Lektion zu lernen: “Krankheiten kennen keine Grenzen.”, deswegen brauche es globale Solidarität, damit jede Person überall Zugang zu einem möglichen Impfstoff habe. Bei der Konferenz ging es neben einem Imfpstoff gegen Covid-19 auch um Programme gegen Polio, Typhus und Masern. Durch die Corona-Krise können derzeit wichtige Impfprogramme nicht stattfinden, was zu gravierenden Lücken bei Kindern gerade ärmerer Länder führt.
Tagesschau | Ärztezeitung

Iran, Pakistan, Mexiko und Brasilien melden steigende Infektionszahlen
Während sich die Lage der Pandemie in Deutschland und dem Euroraum spürbar entspannt hat, melden international immer mehr Nationen besorgniserregende Anstiege der Infektionszahlen. Neben Mexiko und Brasilien melden auch der Iran und Pakistan starke Zunahmen. In Pakistan können diese vor allem mit den beschlossenen Lockerungen im vergangenen Monat in Verbindung gebracht werden. Auch im Iran geht Präsident Hassan Rouhani in Abstimmung mit nationalen Gesundheitsexpert*innen davon aus, dass die Lockerungen in Zusammenhang mit den Lockerungen stehen. Der Präsident zieht eine Aufhebung der Lockerungen in Betracht.
Tagesschau (Liveblog: Iran/Pakistan) | Tagesschau (Mexiko / Brasilien)

Waffenhersteller Sig Sauer vor der Pleite
Während einer globalen Pandemie sind Waffen anscheinend kein gutes Geschäft. Deswegen und wegen stärkerer Regulierungen des Waffenmarktes in Deutschland schließt SIG Sauer den Standort in Eckernförde. Knapp 130 Beschäftigte werden entlassen. Im vergangenen Jahr geriet der Hersteller in das öffentliche Interesse, da er illegal Waffen nach Kolumbien lieferte. 
NDR

Corona in Zahlen

In Deutschland sind 182.764 Menschen als infiziert getestet worden (Stand: 04.06.2020 00:00 Uhr, Quelle: RKI), das sind 394 Personen mehr als am Tag zuvor

Warum diese Zahlen? Wir zitieren hier die offiziellen Zahlen des RKI, diese werden einmal täglich – immer um Mitternacht – veröffentlicht und um 10 Uhr morgens online bereitgestellt. Und warum gibt es hier nicht mehr davon?  Es ist wichtig, die aktuell angeratenen Verhaltensweisen zu befolgen, das wissen wir alle. Zahlen über Neuerkrankte helfen uns dabei nicht. Achtet aufeinander und haltet Distanz.

Gesundheitsticker: 3.251.608 Menschen sind weltweit wieder genesen, das sind 81.076 Personen mehr als gestern Früh. Davon 167.800 in Deutschland (Stand: 05.06.2020 04:52 Uhr, Quelle: Worldometers).

Tipp des Tages

Podcast-Tipps

Wo das Wetter gerade für ein paar Tage etwas verregnet ist, könnte man es sich nochmal zuhause gemütlich machen. Wir haben ein paar interessante Podcast rausgesucht, von Achtsamkeit bis Unterhaltung, hoffentlich für jeden Geschmack etwas dabei.

  • Wenn ihr euch schon häufiger gefragt habt, was es mit Achtsamkeit und auch Meditation auf sich hat, der Verstehen, fühlen, glücklich sein- der Achtsamkeitpodcast beschäftigt sich wissenschaftlich fundiert, dennoch leicht zugänglich mit diesen Themen. Jede Folge wird ein spezieller Aspekt näher beleuchtet, in der letzten Folge ging es z.B. um das Thema -  Zur Ruhe kommen.
    Verstehen, fühlen, glücklich sein
  • Lust auf nette, zeitweilige Unterhaltung? Dann hört doch mal beim SWR3 Podcasts - Wie war dein Tag Liebling? rein. Hier kann man einem kurzen Gespräch von meist 10-20 Minuten lauschen, welches Moderator Kristian Thees mit Anke Engelke führt. Sie unterhalten sich zwei mal wöchentlich, mal über Tagesaktuelle Themen, mal werden Rezepte ausgetauscht. 
    Wie war dein Tag, Liebling?
  • Wir alle konsumieren sie täglich - aber so richtig viel Gedanken über das Drum-Herum verschwenden wir nicht - die Medien. Im Deutschlandfunk nova Podcast “Eine Stunde was mit Medien” wird der deutschen Medienlandschaft und den Gegebenheiten des Tages auf den Zahn gefühlt. Mit Humor und (Medien)Kompetenz. Davon können wir dieser Tage alle ein bisschen was gebrauchen. Übrigens: Deutschlandfunk nova hat noch andere “Eine Stunde…”-Formate. Insbesondere History hat schon den ein oder anderen Preis abgestaubt
    Eine Stunde… was mit Medien
  • Hier und da kommt man an der Politisierung des Alltages nichr vorbei. Ich (Katharina) finde das eigentlich ganz wunderbar und super spannend, aber für andere ist das eine Pflichtaufgabe. Wer dieser Aufgabe in kompakter Form einmal die Woche nachgehen möchte, dem sei der Podcast “Lage der Nation” nahegelegt. Journalist Philip Banse und Jurist Ulf Buermeyer informieren kompakt und meinungsstark über die politische Lage der Woche. Danach fühlt man sich klüger - und das ist doch schonmal was.
    Lage der Nation

360°

Von Mensch zu Mensch

Eine Geschichte über einen Freund
von Anne

Ich möchte euch ein wenig erzählen, von Felix, einem Freund. Ich kenne Felix seit dem Sommer 2004. Damals ein eher schüchternes, braves Mädchen. Das sollte sich bald ändern, die Pubertät klopfte an.

Sie tanzte in einer Showtanzgruppe und spielte Fußball. Ich hörte viele Stimmen die sich nicht gerade wohlwollend gegenüber Frauenfußball äußerten. Das sei doch kein Fußball etc. An dieser Haltung ändert sich ja sehr langsam, aber stetig ein wenig.

Irgendwann hörte ich dann von einer gemeinsamen Freundin, dass Sophie an Frauen interessiert sei. Dies wurde von manchen kommentiert mit: „ Das kommt davon wenn Frauen Fußballspielen!“ , „Das ist nur ne Phase, die kommt schon wieder zur Vernunft.“, „Das dient doch nur der Selbstdarstellung, die will doch nur Aufmerksamkeit. Typisch pubertär.“ oder „Die armen Eltern, dann bekommen sie ja keine Enkelkinder!“

Das die Fußball-Theorie totaler Quatsch ist, muss ich wohl nicht erklären. Und was die Enkelkinder angeht, dass lasse ich jetzt mal unkommentiert. Ob es nur eine Phase ist, darüber dachte ich lange nach, mit keinem Ergebnis. Selbst wenn es so wäre, dass es nur eine Phase ist, wäre das doch vollkommen egal. Wenn sie sich jetzt gerade in ein anderes Mädchen verliebt hat ist das doch großartig, weil Liebe und Verliebtsein doch erstmal großartig ist. Wir freuen uns doch, wenn ein*e Freund*inn erzählt, das sie da wen kennen gelernt hat und verliebt ist, wir freuen uns wenn Menschen heiraten usw. Warum sollte es bei gleichgeschlechtlicher Liebe anders sein?

Und Gefühle sind nicht in Stein gemeißelt. Nur weil ich vielleicht irgendwann mal eine*n Freund*in hatte der*die Krankenpfleger*in war, müssen das ja nicht auch zukünftige Partner*innen. Irgendwann, so schien es mir, entstand dann doch eine Akzeptanz. Ich hörte irgendwann mehr positive Stimme, als blöde und unterschwellig diskriminierende Kommentare. 

Dann las ich eines Tages im Profil auf ihrem Social Media-Account, dass sie jetzt Felix hieße. (der Text war tatsächlich ein wenig länger und großartig geschrieben). Und ich freute mich so unfassbar. Ich weiß noch das ich mich gewundert habe, darüber wie sehr ich mich freute. Wahrscheinlich einfach, weil ich es immer großartig finde, wenn Menschen ihren Weg gehen und sich nicht von Konformitätsdruck in eine Schachtel drängen lassen. Und weil ich irgendwie erleichtert war - das war sicherlich nicht einfach, so ein Coming Out. Und ich kann mir vorstellen, dass es sich dann einfach gut anfühlt, wenn es raus ist. Wenn man endlich ehrlich zu sich selbst und andern ist, egal wie schwierig und mit wie vielen Sorgen und Ängsten so ein Schritt verbunden ist. 

Aber das ist nur meine Sicht von außen, ich kann nur vage erahnen wie sich das anfühlen muss die bis dahin meiste Zeit des Lebens im falschen Körper verbracht zu haben. Egal wie viel Empathie ich aufbringe, ich weiß nicht wie es ist, wenn man bemerkt das man trotz weiblicher Geschlechtsorgane ein Mann ist. Ich weiß dass das mit vielen Ängsten und auch Panikattacken verbunden war. Aber davon erzählt euch Felix besser selber.

Im Gespräch - mit Felix

Ich (Anne) habe Felix gefragt ob er mit mir, mit euch, über seine Erfahrungen sprechen würde. Will er! Hier das Interview. 

Felix, wie geht es dir heute?

Sehr gut. Eigentlich ist ja schönes Wetter. Hab im Moment nicht so ein bisschen struggel mit mir selbst weil ich nächste Woche einen Endokrinologen Termin habe und dann die Thestosterontherapie beginnt. Deswegen ist die Woche auch etwas zwiegespalten, ob das jetzt doch das Richtige ist. Das ist laut laut meiner Therapeutin aber super normal. Weil es alles verändert: Körper, Stimme, man bekommt Bartwuchs.

Kannst du uns mal mitnehmen in deine Pubertät? Wie war es, als du bemerkt hast, dass du an Frauen interessiert bist, damals.

Als die Pubertät angefangen hat, so mit 13. Da haben auch die Panikattacken angefangen. Die anderen bekamen Brüste und freuten sich drüber, ich nicht. Weil ich aus einer kleineren Stadt komme und die anderen auf Typen stehen und bei mir war das halt nicht so. Ich hatte immer mit den Jungs Fußball gespielt und dann haben die mich irgendwann raus gemobbt, weil das mit Mädchen irgendwie uncool war. Mich hatte das ganze Jungsthema aber einfach nicht interessiert.

Mit 16 gab es dann so eine Outing-Welle. Social Media war da noch nicht präsent. Auf einer Ferienfreizeit hab ich kurz vorher ein Mädchen kennengelernt und dachte: “wow”. Auf der Freizeit, weil wir kein Handy mitnehmen durften, konnte ich mich auf das Thema fokussieren. Auf der Rückfahrt hab ich dann einen Brief an das Mädchen geschrieben und gemerkt das ich verliebt war. Eine gute Freundin hat dann gesagt, dass sie es schon länger wusste, dass ich auf Mädchen stehe. Es hat sie gar nicht gewundert. 

Ich habe ja oben schon erwähnt was für Stimmen ich als Außenstehende wahrgenommen habe. Hast du damals auch Diskriminierung in Form von blöden Kommentaren erfahren? 

Meine engen Freunde haben alle positiv reagiert. Da war keiner krass überrascht. Das Gerede im Dorf war aber doch eher negativ behaftet. In der Schule 8., 9.,10. Klasse ist nicht das beste Alter um sich zu outen. Mein Lehren hatte mir sogar geraten, mich nicht zu outen, um keine negative Kommentare zu bekommen. Und ein*e Klassenkamerad*in hat mir auch davon abgeraten. Ich hab mich dann gar nicht richtig geoutet, also gesagt, dass ich auf Mädchen stehe. Ich hab das so nicht direkt ausgesprochen vor der Klasse. Sondern das wussten dann einfach alle. Dann kamen von der Klasse schon doofe Kommentare, meistens “Mannsweib”. 

Und wie hat deine Familie reagiert? 

Meiner Mutter hab ich das bei einem Spaziergang erzählt, mit den Hunden. Und Mama sagte nur: “wusste ich schon, habt ihr euch denn schon geküsst?” Meinem Vater hab ich das bei nem Aushilfsjob erzählt. Mein Vater hatte immer gesagt, dass wenn ich nen Jungen mitbringe, er Strahl schuppen muss, weil wir Ziegen haben. Und als ich ihm dann sagte, dass ich keine Jungen mitbringe, war mein Vater war auch total positiv. Er hat dann gesagt, das das Mädchen dann halt mit dem Bagger misten müsste. Die Reaktion war durchgehend positiv.

Wann ist dir dann bewusst geworden, dass du dich dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlst? Das geschah ja sicher nicht von heut auf morgen, sonder war ein Schleichender Prozess, oder? 

Gemerkt hab ich das nicht unbedingt an einem Punkt im Leben. Ich hab mich halt nicht über meine Brüste gefreut. Alle anderen hatten ihre Tage und hatten eventuell Schmerzen und ich war eher depressiv. Alle sprechen davon, mal Kinder zu bekommen und ich konnte mir nicht vorstellen überhaupt mal ein Kind zu gebären. 

Vor drei Jahren hab ich dann auf YouTube eine Transdoku geschaut und mich dann heimlich damit beschäftigt, weil ich vorher immer gesagt hab dass ich kein Junge sein möchte. Das war dann eine schwierige Zeit, weil ich nicht wusste wer ich bin und mir das auch keiner sagen konnte. Dann hab ich mich eine Woche krass damit beschäftigt, ohne zu schlafen in Foren und Instagram und Youtube. Und dann wieder für eine Zeit nicht so intensiv. Der ganz Prozess dauerte dann 2 Jahre. Immer mal mehr mal weniger.

Dann sagte mir meine damalige Partnerin, dass ich mir Hilfe suchen muss. Dass es nicht sein kann, das ich jeden Sonntag heulend auf dem Sofa sitze. Dann hab ich mir eine*n trans spezifischen Therapeut*in im Juni letzten Jahres gesucht, der*die in der Diagnostik ganz typische Fragen - ganz krasse Klischeefragen - gestellt. Zum Beispiel “hast du Fußball gespielt” und so was. Das hat halt alles zugestimmt. Die Therapeutin hat die Fragen selber kritisiert, dass das so krasse Klischeefragen sind. Beim zweiten Termin hat sie dann Ängste und Geschichte und solche Dinge abgefragt und hat mich dann als Trans-ID diagnostiziert. Das wann dann so ein Schubser. Weil ich ja nie ein Junge sein wollte und das dann komisch fand, mich dann auch zu outen. 

Fühlst du dich jetzt wohl mit der Diagnose?

Ja schon. Ist halt ne komische Situation wegen des Terminus’ und der Testosterongabe. Dass ich jetzt Felix bin und aufs Jungsklo gehe, das könnte man wieder ändern. Aber den Bartwuchs etc., der dann einsetzt, da freu ich mich richtig drauf, aber es ist halt ein krasser Schritt. Das kann man so einfach nicht wieder rückgängig machen und dann hab ich mich halt schon mal gefragt ob das ich bin, oder ob das nur eine Phase ist.

Ich weiß dass es auch nicht einfach war psychologische Unterstützung zu bekommen. Da sind ja grundsätzlich die Kapazitäten knapp. Aber jetzt hast oder hattest du eine Akuttherapie. Wie hat dir diese Geholfen?

Du weißt ja wie lange es gedauert hat, ein*n Therapeuten*in zu finden. Abgesehen von Panikattacken habe ich keine Symptome, da es mir eigentlich gut geht. Die Therapeutin hilft mir total und ist der Meinung, dass ich mir sicher genug bin die Testosterontherapie zu machen. 

Seit wann hattest du Panikattacken? Kannst du uns auch davon erzählen?

Mit 13/14 fing das an. Zuerst  dachten alle, dass das aufgrund eine Sommerurlaubs in Frankreich war. Ich hatte die dann immer vor dem Reiten und später auch vor Fußballspielen am Wochenende. Und mit 16 machte ich deswegen eine Therapie und meine Therapeutin hatte damals schon gefragt, ob ich nicht vielleicht Transgender sei. Das habe ich damals aber abgeblockt. Ich hatte ja gerade mein Outing, also dass ich an Frauen interessiert bin. Ich wollte kein Junge sein.

Nach 2 Jahren war die Therapie vorbei und ich laut Krankenkasse “geheilt”. Das stimmt aber gar nicht. Die Panikattacken bekam ich immer noch wenn ich irgendwo hin kam, wo man mich nicht kannte oder ich nicht ich sein konnte. Beim Fußballtraining, manchmal sogar beim Schuhe kaufen mit meiner Mutter.  Als ich mich dann entschlossen hatte mich Felix zu nennen hatte ich dann mal für eine kurze Zeit keine Panikattacken. Zu 99% kamen die Attacken halt von dem Transgender-Thema weil ich nicht wusste wer ich bin. 

Letzte Frage, weil es in dieser Rubrik auch immer um Zukunftsvisionen geht. Was wünscht du dir für die Zukunft. Für dich im speziellen und gesellschaftlich? 

Für mich speziell, das Ich meinen Weg finde. Egal ob als Felix mit allen Operationen, oder nur mit Testosterontherapie. Also einfach, dass ich ich sein kann und auch so akzeptiert werde. 

Und für die Gesellschaft, dass es einfach nicht mehr interessiert, was man in der Hose hat. Sondern dass wir die Person so annehmen wie sie sich identifiziert, weil die Person ja meistens auch schon genug Fragen in sich selbst hat. Was aber nicht bedeutet das man mich nicht alles fragen kann, aber man sollte darauf achten, ob die Person so weit ist für diese Fragen und das überhaupt beantworten will.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast und so offen von dir erzählt hast. 

Wenn man sich traut und so eine soziale Ader hat, dann teilt man das. Und es ist auch so, dass man sich trauen muss, um weiter zu kommen. Es ist so schön, wenn Leute sich dafür interessieren wer du bist und was du für ne Geschichte zu teilen hast. Auch weil auf Insta so viel Bullshit erzählt wird, wie toll denn die Pubertät war. Und durch die Offenheit kann man vielleicht die Erwachsen die in der Pubertät scheiße zu einem waren, vielleicht ändern. 

daz - die angst zeitschrift

Dies und Das

Dunkle Materie
Britische Forscher wollten herausfinden, warum Deutschland vergleichsweise glimpflich die erste Welle der Corona-Pandemie überstanden hat. Der Neurowissenschaftler Karl Friston dazu "Es gibt verschiedene mögliche Erklärungen", sagt Friston. "Eine, die immer wahrscheinlicher wird, ist, dass Deutschland mehr immunologische 'Dunkle Materie' besitzt - Menschen, die gegen eine Infektion gefeit sind, etwa weil sie örtlich isoliert leben oder weil sie eine Form natürlicher Resistenz besitzen.“, so im Spiegel zu lesen. Diese These ist nicht unumstritten. Melanie Brinkmann, Leiterin der Arbeitsgruppe Virale Immunmodulation am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung nimmt an, dass die frühzeitigen und entschlossenen Maßnahmen zu beginn der Pandemie, sowie frühzeitige Test Ursache für die vergleichsweise geringen Fallzahlen sind. Aber laut Spiegel schreibt sie auch "Dunkle Materie kann alles Mögliche sein - eigentlich heißt es ja nichts anderes, als dass es Dinge gibt, die wir bislang nicht kennen und erklären können. Das ist bestimmt so."
Spiegel

Spendenmarathon
Und noch eine Nachricht aus Großbritannien. Dort sammelte Tobias Weller bei einem Spendenmarathon 46000 Pfund, das entspricht 57650€, für seine Schule und das Kinderkrankenhaus in Sheffield. Das besondere an dem Marathon ist, Tobias hat Zerebralparese, eine Bewegungsstörung die auf frühkindliche Hirnschädigungen zurückzuführen ist, weswegen er eine Gehhilfe benötigt. 
Neon Magazin - Instagram

Kebekus-Brennpunkt zum Thema Rassismus
Seit dem 25. Mai laufen die Proteste rund um den Mord an George Floyd in den USA. Bis dato hat die ARD noch keinen Brennpunkt zum Thema gesendet - das greift Komikerin Carolin Kebekus mit der ehemaligen “Wissen-macht-Ah!”-Moderatorin Sahri Reves auf und produziert kurzerhand selber einen. Der Inhalt: Acht Minuten und 46 Sekunden stimmen von schwarzen Deutschen, die über ihre Erfahrungen mit Rassismus berichten. Relevant, sehenswert und auch ein bisschen schmerzhaft (siehe dazu auch einen Blogpost von mir → Meine Freiheit, Deine Freiheit).
Zum Video

Internationaler Literaturpreis
Aufgrund der Corona-Pandemie haben sich das Haus der Kulturen der Welt, die Stiftung Elementarteilchen und die Jury des internationalen Literaturpreises dazu entschlossen, das Reglement zu ändern: Anstatt eines einzelnen Werkes, werden diesmal alle sechs nominierten Bücher ausgezeichnet. Das ganze jeweils in den Kategorien Autor*innen und Übersetzer*innen. Dadurch soll Solidarität mit den Kunst und Kulturschaffenden zum Ausdruck kommen. 
Eine Übersicht, über die prämierten Werke findet ihr hier:
Deutschlandfunk Kultur

Damit wünschen wir Euch ein schönes Wochenfinale und eine positive Grundhaltung zum verregneten Wochenende: Es ist gut für die Natur und den Kuschelfaktor zu #stayathome-Zeiten.

Herzlichst
Anne, Katharina und das ganze Team von AngstFrei.news.

Ideen, Anmerkungen, Wünsche? Gerne hören wir über das Feedbackformular von euch. Ihr wollt unsere Arbeit unterstützen: Spenden und Fördermitgliedschaft bei der Deutschen Angst-Hilfe e.V.

Quellen
Corona in Zahlen (RKI) | Gesundheitsticker | Tagesschau (Ticker) | Über die Landesregierung NRW sind wir außerdem an den dpa-Nachrichten-Ticker angebunden, rwenden, wenn wir (dpa)