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Bewegung und Sport gegen Angst und Depression

Hilfreiche Strategien zur Umsetzung von Sport im Alltag

Manchmal fühlt man sich abends erschöpft. Wenn man genau in sich hineinhorcht, merkt man, dass man geistig erschöpft ist, weil man schwierige Arbeitstätigkeiten absolviert hat, die Kinder versorgt hat. Körperlich hat man sich aber kaum angestrengt. Wir können hier mentale und körperliche Erschöpfung unterscheiden. Wenn wir das wissen, fällt es uns oft leichter, zu sagen, jetzt tue ich etwas für meinen Körper, der ist noch nicht erschöpft. Dennoch tun sich viele Menschen schwer mit der Aneignung bzw. Umsetzung von regelmäßiger Bewegung oder sportlichem Training. Unsicherheiten und äußere Hindernisse führen schnell dazu, dass die Motivation sinkt und die praktische Umsetzung erlahmt. 

01.10.2023 – Autorin: Viola Oertel

Warum ist es für die Psyche wichtig, körperlich aktiv zu sein?

Kennen Sie es, dass Sie, wenn Sie traurig oder niedergeschlagen sind, keine Lust haben, sich zu bewegen? Oder dass Sie sich nach einem Konflikt mit einer anderen Person erschöpft fühlen? Umgekehrt berichten sporttreibende Menschen von einem guten Gefühl nach ausgeübter körperlicher Aktivität. Diese Beispiele machen deutlich, wie eng psychisches Erleben und körperliche Reaktionen/Aktionen miteinander zusammen hängen.

Viele Studien an gesunden Menschen und an Menschen, die unter einer psychischen Störung leiden, berichten von einem positiven Einfluss körperlicher Aktivität auf die Psyche. Dabei spielen verschiedene biologische und psychologische Mechanismen eine Rolle.

Wenn man regelmäßig körperlich aktiv ist, gibt es durch die physische Arbeit größerer Muskelgruppen verschiedene physiologische Anpassungserscheinungen (kardio-vaskulär, immunologisch, metabolisch); außerdem werden neurobiologische Prozesse angestoßen (Banzer et al., 2017). Auf der psychischen Ebene wird beispielsweise eine verbesserte Selbstwirksamkeit nach erfolgreichem Training angeführt – wenn ich mich überwunden habe, und eine Einheit absolviert habe, bin ich stolz auf mich und erlebe mich als leistungsfähig.

Umgekehrt kann ein geringes Selbstwertgefühl dazu führen, dass sich ein Sporttreibender nicht traut, neue Inhalte von Trainingseinheiten auszuprobieren. Hier ist es gut, mit einem Übungsleiter über die eigenen Befürchtungen zu sprechen und sich Unterstützung zu holen. Bedenken Sie auch, dass ihr aktueller körperlicher und psychischer Zustand – ob Sie z.B. hungrig sind, von der Arbeit gestresst oder gerade mit einem Konflikt beschäftigt sind – sich auf Ihre Leistungsfähigkeit und Ihr Selbstbewusstsein bei der körperlichen Aktivität auswirken. Prüfen Sie daher vor Ihrer Aktivitätseinheit kurz Ihren Zustand – und passen Sie Ihr Trainingsprogramm und Ihre Ziele Ihrem Zustand an. 

Beispiele für Bewegungsmöglichkeiten im Alltag

Wie schaffe ich es, regelmäßig körperliche Bewegung in den Alltag zu integrieren?

Die meisten Menschen sind sich bewusst, dass regelmäßige körperliche Aktivität zu einem gesunden Lebensstil gehört. Dennoch fällt die Umsetzung im Alltag schwer. Da viele Menschen Berufe und Tätigkeiten haben, bei denen der Grad an Bewegung sehr gering ist (z.B. bei einer Schreibtischarbeit), muss die körperliche Aktivität in die Freizeit verlegt werden. Sich jedoch nach einem anstrengenden, langen Arbeitstag ins Fitnessstudio zu quälen oder bei möglicherweise schlechtem Wetter eine Runde im Park zu laufen, bedeutet dann für viele Menschen eher eine Belastung denn eine Freude. Dies führt letztendlich zu einem bewegungsarmen Alltag.

Um mehr Bewegung in Ihren Tagesablauf einzufügen, können Sie als Erstes Ihren Alltag beobachten und überlegen, welche Veränderungen der täglichen Routine genutzt werden könnten, um aktive Bewegung ohne viel Aufwand oder zusätzliches Equipment integrieren. Das Ziel ist nicht, einen Marathon-Lauf auf dem Weg zur Arbeit zu absolvieren, sondern im Rahmen Ihrer persönlichen Möglichkeiten mehr Bewegung in den Alltag einzubauen. Es ist viel leichter, sportliche Aktivität mit dem Alltag zu verknüpfen als nur abends oder am Wochenende sportlich aktiv zu sein. 

Wie schaffe ich es, eine sportliche Aktivität zu beginnen und sie weiter zu führen?

Wenn Sie sich darüber hinaus vermehrt bewegen möchten, eventuell eine neue Sportart ausprobieren oder an eine alte, die Sie mal ausgeübt wollen, anknüpfen möchten, hilft es, wenn Sie sich erstmal einen Überblick über die Angebote verschaffen. Parallel dazu ist es wichtig, dass Sie Ihr eigenes Leistungsvermögen und Ihre Zeit einschätzen und dann planen, welche sportliche Aktivität Sie ausüben könnten.

Sportliche Aktivitäten in Sportgemeinschaften helfen, neue soziale Kontakte zu knüpfen und stärken den Austausch und die Kommunikation mit Gleichgesinnten. Aber vielleicht ziehen Sie es auch vor, alleine und in Ihrem eigenen Tempo und Ihrem eigenen Rhythmus mit einer Sportart zu beginnen. Vielleicht haben Sie auch die Vorstellung, beim Sport peinlich auszusehen, z.B. knallrot zu werden oder stark zu schwitzen. Dann vermeiden Sie eher einen Gruppensport. Beginnen Sie besser in einer vertrauten Situation und mit einer vertrauten Bezugsperson. Es kann auch hilfreich sein, geplante Aktivitäten mit Bezugspersonen (Partner, Therapeut etc.) im Vorfeld zu besprechen. Einen Überblick über mögliche Sportarten und Anlaufstellen können Sie in meinen Büchern finden.

Bücher der Autorin zum Thema

Falls Sie Angst haben, ob Sie körperlich in der Lage sind, eine sportliche Aktivität auszuüben (gerade wenn Sie länger nicht aktiv waren), empfiehlt es sich, vorher Ihren Arzt aufzusuchen, um zu erfahren, ob Einschränkungen bestehen und ob Ihr Herz-Kreislaufsystem voll belastbar ist. So kann ermittelt werden, welche Art und Intensität von Bewegung für sie geeignet ist. Spricht aus ärztlicher Sicht nichts gegen Ihre geplante sportliche Aktivität, ist es trotzdem möglich, dass sich Ihnen weiterhin Ängste in den Weg stellen. Hier hilft es, zusammen mit Ihrem Therapeuten zu erarbeiten, was wohl passieren wird, wenn Sie sportlich aktiv sind: Welche körperlichen Reaktionen, welche Gedanken und Gefühle treten auf?  

Was die Dauer und die Häufigkeit der Betätigung betrifft, empfiehlt sich moderate körperliche Aktivität: 150min. Gesamtdauer/Woche in mehreren Einheiten. Darin enthalten können Ausdaueraktivitäten und Kräftigungsübungen sein, z.B. Radfahren, Laufen, Schwimmen, Rudern. Beides kann zeitlich und örtlich gut in einen Therapieplan oder in den normalen Alltag integriert werden und kommt ohne teures Material aus. Das Wichtigste ist, sich Schritt für Schritt immer weiter an den Aktivitätenplan heranzuwagen und mehr sportliche Aktivität einzuplanen.

Was kann ich tun, um mir den Weg zu mehr körperlicher Aktivität zu erleichtern?

Wie bei allen anderen guten Vorsätzen ist es wichtig, dass es nicht bei Vorsätzen bleibt, sondern man schnell aktiv wird. Dabei können Ihnen folgende Überlegungen helfen: 

  • Zielsetzung:
    Definieren Sie zunächst ein Ziel – wollen Sie im Alltag etwas mehr Bewegung einbauen, oder wollen Sie in ein sportliches Training einsteigen?

  • Standortbestimmung:

    Stellen Sie fest, wie der aktuelle Stand ist: wie aktiv sind Sie im Augenblick? Welche zeitlichen Möglichkeiten haben Sie? Welche körperlichen Voraussetzungen?

  • Auswahl der geeigneten Bewegung:

    Überlegen Sie, welche Bewegungsform die geeignete für Sie ist? Mannschaftssport, Alltagsbewegungen, Einzeltraining oder der Gang ins Fitnessstudio? Training mit Geräten oder lieber in der freien Natur?

  • Klärung möglicher Hindernisse:

    Geht es Ihnen psychisch gut genug, sich an ein neues Vorhaben zu wagen? Spricht aus medizinischer Sicht nichts gegen die Aufnahme eines Trainingsprogramms?

  • Motivationsstand und mögliche Hürden:

    Überlegen Sie im Vorfeld, welche Dinge Sie von Ihrem Vorsatz abbringen könnten? Z.B. wenn Sie sich vornehmen, regelmäßig schwimmen zu gehen, aber Ihnen dann das Schwimmbecken zu kalt ist. Oder Sie nehmen sich vor, nach der Arbeit ins Fitnessstudio zu gehen – können sich aber den Beitrag im örtlichen Fitnessstudio nicht leisten. Sollte dies der Fall sein, müssten Sie Ihr Vorhaben entsprechend anpassen.

  • Unterstützung finden:

    Umgekehrt ist es hilfreich, sich ganz bewusst Unterstützung beim Vorhaben zu holen. Erzählen Sie Ihrem besten Freund von Ihrem Vorhaben, und fragen ihn, ob er mitmacht. Oder überlegen Sie sich im Vorfeld, wie Sie sich bei erfolgreicher Umsetzung belohnen können. Wenn Sie in therapeutischer Behandlung sind, können Sie auch Ihrem Behandler von Ihrem Vorhaben erzählen, und es in den allgemeinen Behandlungsplan einbinden.

Ein Tipp zum Schluss: Das Vorhaben soll Ihnen Freude bereiten.  Nehmen Sie sich nicht zu viel und nichts unrealistisches vor. Belohnen Sie sich für die erfolgreiche Umsetzung und seien Sie stolz auf sich.

Literatur:
Banzer, Winfried (Hrsg.) (2017): Körperliche Aktivität und Gesundheit. Springer Verlag