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Die Kraft der Reime

Wie Reime uns im Umgang mit Ängsten und Panikattacken stärken können

„Heile, heile Segen, morgen gibt es Regen …“ Schon meine Eltern kannten die Verse und haben sie intuitiv richtig angewandt: Liebevolle Zuwendung und ein kleiner Reim können ein Kind wunderbar trösten und beruhigen. Die Tränen versiegen und das aufgeschlagene Knie „…tut schon nicht mehr weh“. In dem Büchlein „Ich fasse neuen Lebensmut und alles was ich tu ist gut” beschreibt Alexandra Grünwald, wie sie mit ähnlich kleinen Reimen ihren Klientinnen und Klienten bei psychischen Problemen Hilfe leistet.

18.11.2022 – Autorin: Johanna Bauer

Reime – heilsame Zaubersprüche

Alexandra Grünwald arbeitete zunächst als Assistentin in der Chirurgie und stellte dabei immer wieder fest, dass körperliche Symptome oft auch seelische Ursachen haben, also psychosomatisch bedingt sind. Nach alternativmedizinischen Ausbildungen begann sie selbst therapeutisch zu arbeiten und schrieb für ihre Klienten oft kleine Reime auf, mit denen sie die Kraft der Gedanken für ihre Gesundheit nutzen können. Sie war begeistert davon, „wie gut kleine Reime als Therapie und als Unterstützung einer Therapie funktionieren“. Über 15 Jahre lang betätigte sie sich als “Hobby-Poetin” und der Erfolg motivierte sie schließlich, dieses Buch zu schreiben. Sie will damit ihren Leserinnen und Lesern nicht nur mit Reimen eine Art Lebenshilfe zur Hand geben, sondern sie auch selbst zum Versedichten anleiten.

Wie können Reime auf die Psyche wirken? Um diese Frage wissenschaftlich zu untermauern, hat die Autorin den Psychoneuroimmunologen Christian Schubert um Erklärungen gebeten. Reime, sagt dieser, funktionieren wie Mantras. Irgendwann automatisiert unser Gehirn den Inhalt eines Satzes, den wir uns immer wieder bewusst vorsagen. Er wird von unserem Unterbewusstsein übernommen, sodass wir uns von da an wie von selbst in eine von uns bestimmte und von uns gewünschte Richtung entwickeln. Das ist die Kraft der Worte. Und warum sind Reime so besonders eindringlich? Es ist ihr Rhythmus und damit die leichte Einprägsamkeit, die Reime zu kleinen Zaubersprüchen macht. Nicht umsonst bedeutet “sich einen Reim auf etwas machen können“ , etwas plötzlich zu verstehen. 

Grünwald nennt ihren Ansatz „eine Suche nach einfachen Lösungen für schwierige Probleme“. Massive Ängste und ernsthafte psychische Probleme sind sicher nicht mit einem aufgeschlagenen Kinderknie vergleichbar und mit ein paar Reimen zum Verschwinden zu bringen. Aber manchmal sind es wirklich vergleichsweise einfache, unkomplizierte Dinge, die wie auf wundersame Weise etwas bewirken – wenn sie uns im richtigen Moment begegnen. Keine Wunder in dem Sinne, dass eine Angsterkrankung oder Depressionen sich wie durch Zauberhand, von einem Tag auf den anderen, in Luft auflösen. Das gibt es nicht! Aber therapeutisch wirkende Ansätze und Methoden, die uns dabei helfen können, mit Ängsten besser klarzukommen.

Weitere kreative Techniken

Dazu gehören auch kreative Techniken wie etwa das „Gegen-die-Angst-Anschreiben“. Erstaunlich viele Menschen machen das. Sie schreiben zum Beispiel in Zeiten, in denen es ihnen nicht so gut geht, intensiv Tagebuch oder setzen sich hin und schreiben sich ihre Ängste und Sorgen von der Seele. Sich kreativ auszudrücken, ob durch Gedichteschreiben oder durch Malen, Tanzen oder Singen, hilft dabei, den eigenen Gefühlen Raum zu geben und sie vom Innen ins Außen zu bringen. Das wirkt erwiesenermaßen therapeutisch.

Bücher zum Thema kreatives oder therapeutisches Schreiben

James w. Pennebaker:
Heilung durch Schreiben. Ein Arbeitsbuch zur Selbsthilfe.
Hogrefe 2019

Ein echtes Selbsthilfebuch, verfasst von einem wissenschaftlichen Psychologen, der das therapeutische Potenzial des sog. “expressiven Schreibens” entdeckt hat.

Silke Heimes: 
Ich schreibe mich gesund. Mit dem 12-Wochen-Programm zu Gesundheit und Ausgeglichenheit.
dtv 2020

Die Autorin ist Leiterin kreativer Schreibgruppen, Poesietherapeutin und Ärztin.