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Ein Avatar gegen Angst

Auch virtuelle Begleiter können Ängste dämpfen

In einer furchteinflößenden Situation empfinden viele Menschen weniger Angst, wenn sie diese Situation nicht alleine durchstehen müssen. Was aber, wenn diese Menschen unter einer ausgeprägten sozialen Angst leiden – wenn also gerade die Anwesenheit einer anderen Person Angst auslöst? Könnte in solchen Fällen ein virtueller Begleiter die Lösung für das Problem sein? Und wie unterscheiden sich eigentlich Frauen und Männer in solchen Situationen?

10.01.22  –  Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Soziale Unterstützung wirkt wie ein Stresspuffer

Diesen Fragen ist ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität und des Universitätsklinikums Würzburg sowie der Zhengzhou Universität (China) in einer aktuellen Studie nachgegangen. Leiterin der Studie ist Grit Hein, Professorin für Translationale Soziale Neurowissenschaften an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Würzburger Universitätsklinikums. 

„Frühere Experimente haben gezeigt, dass die Anwesenheit eines Dritten physiologische Angstreaktionen abschwächen kann. Soziale Unterstützung wirkt in solchen Fällen also wie ein Stresspuffer“, erklärt Grit Hein. Allerdings sind nicht alle Menschen gleichermaßen gesellig. Bei manchen löst gerade die Anwesenheit einer anderen Person Besorgnis oder Angst aus. Sie befürchten, dass ihre Begleitung Angstreaktionen wie Zittern, Erröten oder Schwitzen an ihnen wahrnehmen könnten, und geraten deshalb erst recht in Stress. Ob auch ein Avatar solche Reaktionen hervorruft, war bislang nicht zweifelsfrei geklärt.

Für Klarheit sorgen jetzt die Ergebnisse der Würzburger Studie. „In aller Kürze zusammengefasst zeigen wir, dass Angst auch durch die ‚Anwesenheit‘ einer virtuellen Person gemindert werden kann, insbesondere bei sozial ängstlichen Frauen. Und ganz generell scheinen Frauen mehr von der Anwesenheit Dritter zu profitieren als Männer“, fasst Hein die zentralen Ergebnisse der Studie zusammen. Für die Behandlung von Angststörungen könne diese Erkenntnis potenziell von praktischer Bedeutung sein.

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Ein Avatar kann bei 

ausgeprägten sozialen Ängsten 

das Sicherheitsgefühl verstärken.

Studie mit mehr als 200 Teilnehmenden

208 Männer und Frauen haben an der Studie teilgenommen. Ihnen allen wurden Angst auslösende Geräusche im Wechsel mit neutralen vorgespielt – mal in Begleitung einer Person, mal ohne. Dabei galt: Frauen bekamen Begleiterinnen zur Seite gestellt, Männer Begleiter. Den Grad der Angstreaktion der Probanden bestimmte das Forschungsteam zum einen über die Veränderung der Hautleitfähigkeit. Zum anderen mussten die Versuchspersonen die Geräusche auf einer vorgegebenen Skala bewerten.

Dabei unterschieden sich die Versuchsreihen in einem wesentlichen Kriterium: Während bei der einen Gruppe während des Experiments eine reale Person mit vor Ort war, erledigte die zweite Gruppe die Aufgabe in einer virtuellen Realität – mit einem Avatar an der Seite, der dem realen Begleiter lebensecht nachgebildet war.

Für zukünftige Studien, schreiben die Autorinnen und Autoren, wäre es interessant, systematisch den Effekt des Geschlechts des „unbeteiligten Dritten“ zu erforschen. Dann ließen sich auch wissenschaftlich fundierte Aussagen darüber treffen, wie Männer reagieren, wenn ihnen eine Frau in einer Angst auslösenden Situation zur Seite steht – und umgekehrt.

Prof. Grit Hein

Foto: privat/Universität Würzburg

Wissenschaftliche Ansprechpartnerin

Prof. Dr. Grit Hein

Seit Oktober 2017 Professorin für Translationale Soziale Neurowissenschaften an der Universität Würzburg