Klinikclowns schaffen lustige Situationen, die das Lachen fördern, was die Stimmung und die Denkweise in einer belastenden Situation effektiv ändert.
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Neuerdings erscheinen Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften, welche die Hypothese aufstellen und prüfen, Humor und Lachen seien nicht nur erlernbar, sondern auch für die Behandlung psychischer Störungen geeignet. Das soll auch für Angststörungen gelten. In Interviews ist zu lesen: „Lachen ist dazu da, Angst aufzulösen, es ist das natürlichste Mittel gegen die Angst“. Was ist davon aus wissenschaftlicher und psychotherapeutischer Sicht zu halten?
08.09.2023 – Autor: Jürgen Hoyer
Laut Wikipedia (bzw. Duden) ist Humor die Begabung eines Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt, den alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicken mit heiterer Gelassenheit zu begegnen. Neben dieser engeren Auffassung des Begriffs werden auch Personen als humorvoll bezeichnet, die andere Menschen zum Lachen bringen oder häufig lustige Aspekte einer Situation aufgreifen. Verglichen mit anderen emotionalen Zuständen wie Ärger, Angst und Depression ist Humor weit weniger psychologisch untersucht (Ruch, 2008). Gleichzeitig ist klar, dass fast alle psychologischen Teildisziplinen etwas zum Verständnis von Humor und humorvollen Verhalten beizutragen haben, da emotionale, kognitive und motivationale Prozesse beteiligt sind.
Humor ist unbestritten ein wesentlicher Aspekt menschlichen Funktionierens, mit großer Bedeutung für die emotionale Gesundheit, für das Lernen und die Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen (Ruch, 2008). Rein logisch betrachtet scheint Humor der Angst gegenüber antagonistisch zu sein: Wer noch darüber lachen kann, dem vermag die Angst nichts anzuhaben. Menschen lernen Humor bis zu einem gewissen Grad von anderen, sie kopieren den Humor ihrer Vorbilder, sie profitieren von Lernumgebungen, in denen Humor erlaubt ist und gelebt wird. Zeitbegrenzte Programme, mit denen Humor als menschliche Fähigkeit gefördert werden soll, zeigen in empirischen Studien aber nur widersprüchliche Ergebnisse (Ruch, 2008).
Lachen ist ein angeborenes Ausdrucksverhalten mit reflexartigen Reaktionen u.a. der Bauch- und Gesichtsmuskulatur, dass am vollkommensten stattfindet, wenn die Aufmerksamkeit eben nicht auf den eigenen Körper gerichtet ist. Ausgelöst wird Lachen häufig durch Gefühle der Freude und durch das Empfinden lustiger, humorvoller Gedanken oder Situationen. Die Bewertung solcher Gedanken oder Situationen ist eine hochkomplexe neurale Leistung und entsteht durch das Zusammenspiel vielfältiger Teilleistungen des Gehirns. Es wird entweder durch Emotionen ausgelöst (im Bereich des limbischen Systems) oder durch Aktivität im präfrontalen Kortex – dieser steuert die Aufmerksamkeit. Dabei werden Endorphine freigesetzt (z.B. im Hypothalamus), was das Schmerzempfinden verringert. Funktionen des limbischen Systems (Hippocampus, Mandelkerne) verleihen dem Lachen die emotional-gefühlsmäßige Qualität.
Lachen ist aber vor allem eine soziale Interaktion, eine besonders intensive und häufig unbewusste Form der Kommunikation. Lachforscher vermuten, dass das Lachen sogar evolutionsbiologisch älter sein könnte als die Sprache. Die Alltagsweisheit „Lachen ist die beste Medizin“ hat einen wissenschaftlich gut belegten Kern (Ferner & Aronson, 2013), denn in der Tat reduziert Lachen kurzzeitig Ärger, Angst, Depression und Stress (einschließlich der dafür relevanten Hormonkonzentrationen) oder verbessert Lungenfunktion und Stoffwechsel. Nebenwirkungsfrei ist Lachen nicht: So erhöhen sich die Risiken für Synkopen, Herzbeutel- und Ösophagusrupturen, Inkarzeration von Hernien, Asthmaanfälle, Lungenemphysem und Kopfschmerzen (Ferner & Aronson, 2013).
Zunächst eine Szene aus dem bekannten Film „Ocean’s Eleven“: Nach seiner Haftentlassung macht sich der super-attraktive Gangster Danny Ocean (George Clooney) wieder an seine super-attraktive Ex-Frau Tess (Julia Roberts) heran, die er immer noch liebt. Sie will (vorgeblich) nichts mehr von ihm wissen, schließlich ist sie inzwischen mit dem super-attraktiven und schwerstreichen Casinobesitzer Terry Benedict (Andy Garcia) verheiratet. Wie bricht Danny das Eis, was fragt er als erstes? Er fragt: „Bringt er dich zum Lachen?“ Gemeinsam zu lachen und den Humor anderer Menschen zu genießen ist offensichtlich ein wichtiger Teil der Lebensqualität. Und wie die Szene belegen soll, etwas schwer zu Ersetzendes.
Humor, Lachen und Lebensqualität korrelieren miteinander: Wem es gut geht, der lacht häufiger. Das sagt aber nichts über Kausalität. Ob Lachen und Humor über die beschriebenen kurzfristigen Wirkungen hinaus bleibende Wirkungen entfalten können, das ist wissenschaftlich nicht eindeutig zu belegen (Ferner & Aronson, 2013). Es ist nicht nur so, dass sich psychische Zustände im Körper ausdrücken (als Mimik, Gestik, Körperhaltung oder eben Lachen), sondern Körperzustände beeinflussen auch psychische Zustände! Wer bewusst bestimmte Körperhaltungen einnimmt, kann dadurch bis zu einem Grad auf die eigene Stimmung einwirken. Dieses, auch Embodiment genannte Prinzip, wurde z.B. in einigen Depressionsstudien erfolgreich eingesetzt. Der Ansatz könnte unserer Auffassung nach auch erklären, dass das bewusste Trainieren des Lachens (anders als der Versuch, öfter „spontan“, also wenn es tatsächlich witzig ist, zu lachen) positive Effekte auf Depressionswerte hat (Van der Wal & Kok, 2019). Lach-Yoga ist ein Beispiel für ein solches Training des situationsunabhängigen Lachens („non-humorous laughter“).
Klinikclowns wiederum schaffen lustige Situationen, die das Lachen fördern, was die Stimmung und die Denkweise in einer belastenden Situation effektiv ändert. Lachen wirkt hier ansteckend, nicht nur, indem es von der einen auf den anderen „überspringt“, sondern der Ansteckungseffekt wirkt sich quasi auch intern positiv aus, auf körperliche und geistige Prozesse. Lachen und Humor sind also schwerlich als isolierte Heilungsmechanismen zu betrachten, sondern sie können dazu beitragen, eine ganze Kaskade an Prozessen mit auszulösen, die zur gesunden Stressbewältigung beitragen (Ablenkung von Schmerzen und Belastungen, Aufbau positiver Erwartungen, sozialer Kontakt, Gemeinschaftserleben). In diesem spezifischen Sinn gilt: Lachen stärkt, und das ist zum Beispiel bei der Vorbereitung auf Operationen hochgradig erwünscht.
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Klinikclowns schaffen lustige Situationen, die das Lachen fördern, was die Stimmung und die Denkweise in einer belastenden Situation effektiv ändert.
Angst gehört als Emotion zur Grundausstattung des Menschen, sie mobilisiert als Handlungsdisposition Körper und Geist. Evolutionär gesehen erhöht Angst die Überlebens- und damit Fortpflanzungschancen. Somit muss sich keine Person ihrer Angst schämen, zumindest solange die Angst als mehr oder weniger situationsangemessen einzuschätzen ist. Der „Angsthase“ wird in unserem Kulturkreis belächelt, in der chinesischen Mythologie ist er ein Symbol der Langlebigkeit. Nur: Ein angenehmes Gefühl ist Angst natürlich nicht.
In der Alltagssprache wird der Begriff Angst mit allem in Verbindung gebracht, was schlecht ausgehen könnte. Menschen sind begabt dafür, sich Zukunftsszenarien aller Art auszumalen. Die ängstliche Beschäftigung mit Themen, die schlecht ausgehen könnten, ist ein wichtiges Gesprächsthema und mögliche Lösungen werden „heiß diskutiert“. Nicht selten werden bestimmte „Ängste“ medial hochgekocht, weil das Interesse an möglichen entlastenden Informationen groß ist. „Ängste“ gehören zu den Standardthemen, die in der medialen Darstellung hohe Aufmerksamkeit und damit Klicks und Verkaufszahlen sichern. „Zukunftsängste“ gelten als wichtigster Stressor bei Jugendlichen. Oft ist dies aber auch Impulsgeber für eine gesunde und entwicklungsfördernde Auseinandersetzung mit Angst. Interessanterweise ist die Neigung, Zukunftsängste zu empfinden, in reichen, sozial- ökonomisch gut abgefederten Gesellschaften nicht geringer als in Gesellschaften mit mangelnden Unterstützungssystemen. Anscheinend ist es eine universelle Regel: Die Beschäftigung mit möglichen Verlusten bleibt länger im Gedächtnis als die Freude am Gewinn („losses loom larger than gains“). Die mit den eben genannten Themen verbundene Belastung ist echt und unerwünscht, aber in der Regel vorübergehend. Darüber lachen zu können, ist offensichtlich eine gesunde Einstellung und kann geradezu befreiend wirken.
Mit behandlungsbedürftigen Angststörungen hat all dies eher nichts zu tun. Die bisher angesprochenen „Ängste“ sind nämlich abzugrenzen von krankheitswertiger und behandlungsbedürftiger Angst und Vermeidung. Solche Angstsyndrome sind klinisch relevant, weil sie zeitlich überdauern, in Anbetracht der real gegebenen Gefahr als überzogen anzusehen sind und erhebliche beeinträchtigende Auswirkungen haben. Die Symptome sind so ausgeprägt, dass es zu erheblichem Leid und Beeinträchtigungen kommt, in verschiedenen Funktionsbereichen wie Beruf, Sozialleben, Schule oder Familie. Humor ist sympathisch und Lachen ist gesund. Wer sich gerade unnötigen Sorgen und Ängsten hingibt, dem hilft es, wieder „auf andere Gedanken zu kommen“, in eine bessere Stimmung zu gelangen und lähmende Effekte der Angst zu überwinden. Dies gilt allerdings nur für den Alltag. Menschen mit Angststörungen erleben diese kurzzeitigen Effekte von Lachen und Humor sicherlich auch. Es ist aber nicht anzunehmen, dass Lachen und Humor ausreichen, um die Effekte einer fachlich begründeten Therapie nennenswert verstärken oder gar ersetzen zu können.
Die Wirksamkeit von Psychotherapie ist bestens belegt. Gerade für Angststörungen wirken psychotherapeutische Verfahren und insbesondere die Verhaltenstherapie, was internationale und nationale Leitlinien (S3-Leitlinien Angststörungen, zweite Fassung) hervorheben. Sie stufen (neben der medikamentösen Therapie) Verhaltenstherapie deshalb als Methode der ersten Wahl ein. Eine erfolgreiche Psychotherapie ist aber nur möglich, wenn Patient:innen bestimmte Voraussetzungen einbringen: Sie müssen die Rolle des eigenen Verhaltens und der eigenen Motive bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Angstsymptomatik verstehen und bereit und in der Lage sein, ihr Verhalten mit Unterstützung von Therapeut:innen zu verändern. Dazu müssen sie ebenso bereit sein, unangenehme Gefühle in der Therapie zu tolerieren, systematisch zu analysieren und ihr Alltagsverhalten bleibend zu hinterfragen. Unter diesen Voraussetzungen erreicht Psychotherapie sehr hohe Erfolgsraten (Hoyer & Lueken, 2021).
Oft bestehen Hoffnungen, manchmal auch Erwartungen von Patient:innen, die Psychotherapie könne ohne diese Voraussetzungen auskommen, Psychotherapeut:innen könnten durch Ratschläge, durch Beeinflussung des Unbewussten (z.B. über Hypnotherapie) oder durch „milde“ Varianten von Psychotherapie ein Individuum von pathologischer Angst heilen, obwohl das Individuum letztlich passiv bleibt. All das kann Psychotherapie aus unserer Sicht nicht. Sie ist, unabhängig vom therapeutischen Ansatz, ein aktiver Prozess. Dies gilt auch für Vorgehensweisen, die nicht direkt auf die Angstmechanismen abzielen, sondern eher unspezifisch die Stressbewältigung verbessern. Sie können begrenzte Erfolge bei Angststörungen vorweisen, gelten aber eher als Ergänzung.
Die augenblicklich wichtigste Theorie zur Erklärung angsttherapeutischer Effekte geht davon aus, dass bei pathologischer (also überzogener) Angst neue Gedächtnisinhalte erworben werden müssen, nämlich die Erfahrung (nicht nur das Wissen!), dass die gefürchtete Situation tatsächlich nicht mit der (fälschlich) gefürchteten Konsequenz oder Reaktion verbunden ist oder sein muss (Hoyer & Lueken, 2021). Aus diesem Ansatz folgt, dass eine gute Angsttherapie das Neulernen stärken muss: Es sollen in möglichst vielen verschiedenen Kontexten möglichst tiefe und gut in den Alltag übertragbare Lernerfahrungen erworben werden, die im Gedächtnis die Ungefährlichkeit des zuvor (zu Unrecht) gefürchteten oder vermiedenen „Reizes“ (z.B. ein Tunnel, eine Prüfung, etc.) repräsentieren. Es geht mit anderen Worten um die Widerlegung negativer Erwartungen, die in der Therapie unbedingt vor den jeweiligen Therapieübungen geklärt werden müssen, damit der Kontrast zwischen ängstlicher Erwartung und tatsächlicher Erfahrung prägnant erkennbar wird (Hoyer & Lueken, 2021).
Bei diesem anstrengenden und ernsten Prozess helfen Lachen und Humor allenfalls indirekt, denn Angst und Furcht bleiben trotzdem unangenehm und wollen ernst genommen werden. Da Lachen und Humor aber Teil der Lebensqualität und gelingender sozialer Kommunikation sind, helfen sie bei der Bewältigung (und Vorbeugung) von Alltagsstress. Und letzterer, also die alltägliche Stressbelastung, kann die Belastung durch Angstsymptome tatsächlich verschlimmern. Hier ist also ein indirekter Einfluss von Humor und Lachen denkbar, der die Lebensqualität trotz bestehender Angstsymptomatik erhöht und die Voraussetzungen für eine Veränderung verbessert, aber die eigentliche Angsttherapie (neue Erfahrungen in Angstsituationen) lässt sich dadurch nicht ersetzen.
Humor und Lachen in der therapeutischen Beziehung können stärkend und entkrampfend wirken, die eigene Perspektive erweitern und die Motivation steigern, den Weg weiter zu verfolgen. Allerdings ist der Sinn für Humor etwas sehr Persönliches. Humor in der Psychotherapiesitzung setzt somit ein feines Gespür die die Gefühlslage der Patientin oder des Patienten voraus und sollte gut getimt sein. Ein gewisses Risiko, dass Patientinnen oder Patienten sich nicht verstanden fühlen, bleibt.
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Humor und Lachen in der therapeutischen Beziehung können stärkend und entkrampfend wirken, die eigene Perspektive erweitern und die Motivation steigern, den Weg weiter zu verfolgen.
Tatsächlich gibt es etliche Studien, die sich wissenschaftlich mit der Wirkung von Lach- und/oder Humortraining auf die Angstsymptomatik beschäftigen. Eine aktuelle Übersicht bieten Sarink und Gracia-Montes (2023), die mit ihrer Bewertung aber äußerst vorsichtig bleiben. Sie betonen, die Umsetzung des (wie sie es nennen) abstrakten Konzepts Humor in eine brauchbare klinische Intervention (mit möglichen messbaren Effekten) werde so unterschiedlich gehandhabt, dass sich kaum verallgemeinerbare Schlüsse ziehen ließen. Auch frühere Überblicksstudien kommen zu der Einschätzung, die methodische Qualität der Studien sei gering. Van der Wal und Kok (2019) heben hervor, der Bedarf an einfachen, kostengünstigen Therapien sei hoch, gerade wenn sie nach geringem Trainingsaufwand von Pflegepersonal umgesetzt werden können. Lachtraining könne eine solche Therapie sein, aber immer nur in Ergänzung zu der eigentlich indizierten Haupttherapie. In nationale oder internationale Leitlinien zur Behandlung von Angststörungen hat Lach- bzw. Humortraining oder –therapie unseres Wissens bisher keinen Eingang gefunden, und wir fanden bei der Literatursichtung auch keine Studie, in der Lach- bzw. Humortraining oder –therapie unter kontrollierten Bedingungen mit einer etablierten Angsttherapie (siehe z.B. Hoyer & Lueken, 2021) verglichen wurden.
Dies alles steht nicht im Gegensatz zu den oben beschriebenen Wirkungen von Humor und Lachen auf Lebensqualität und Wohlbefinden. Die Daten helfen aber, unrealistisch hohen Erfolgserwartungen in Bezug auf die Rolle von Humor und Lachen bei klinisch bedeutsamen Angststörungen vorzubeugen.
Für Menschen mit sozialer Angststörung ist es eine typische angstauslösende Befürchtung, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen und dabei inkompetent, unsympathisch, unangenehm oder schlicht peinlich zu wirken. Sie gehen davon aus, dies führe dann zur Ablehnung durch andere. Wenn Menschen richtig laut lachen, kann das andere (vor allem Unbeteiligte) stören, Lachen rötet das Gesicht, kann Schweißreaktionen auslösen, Personen prusten und zappeln oder weinen sogar vor Lachen. Dies sind alles recht unkontrollierte Reaktionen, die zum Lachen gehören. Das Ziel ist nicht, dabei vorteilhaft auszusehen. Gerade das Spontane und nicht Vorausberechnete am Lachen kann den größten Spaß bereiten. Je nachdem, in welchem Kontext Menschen unter ihrer sozialen Angst besonders leiden (also z.B. unter Fremden, in Gegenwart von Personen des anderen Geschlechts), vermeiden sie zu lachen oder einen Witz zu erzählen, denn „es könnte peinlich werden“. Dieses Vermeiden von spontaner humorvoller Kommunikation mag ab und an vor Peinlichkeit schützen, hat aber einen hohen Preis: Der Spaß geht verloren und die Person wird (unnötig) als distanziert wahrgenommen. Dann, wenn es am schönsten ist, fühlen sich Betroffene unwohl und können nicht (oder nur gequält) mitlachen.
Bei dieser speziellen Konstellation würden wir empfehlen einmal auszuprobieren, ob das Befürchtete eintritt, wenn sie aufhören, Lachen und Humor zu vermeiden. Werden andere sich abwenden, wenn ich laut lache? Werden sie mit den Augen rollen, wenn ich einen Witz erzähle? Aus unserer Sicht müssen solche Personen lernen, ihre überzogenen Befürchtungen im Hinblick auf die soziale Situation „Lachen und lustige Dinge erzählen“ zu überprüfen und zu korrigieren, damit sie solche Situationen in Zukunft nicht nur nicht als schwierig empfinden, sondern sogar Spaß daran haben können (vgl. Hoyer & Härtling, 2020).
Das hat aber nichts mit Lachtherapie zu tun, weil Lachen hier nicht als unspezifische Handlungsmöglichkeit eingeübt werden soll, die Wohlbefinden und Lebensgenuss steigert und Stress abbaut. Vielmehr gehen wir davon aus, dass die Personen sehr wohl lachen könnten, wäre diese Reaktion nicht durch ihre Befürchtungen blockiert. Deswegen müssen die Befürchtungen angepasst werden, das Lachen kommt dann gewissermaßen von allein, und es ist gerade bei Betroffenen, die unter dieser Störungen leiden, wichtig, dass es spontan und natürlich ist.
Ein kurzes Fallbeispiel: Ein ca. 30-jähriger Patient hat häufig auf Baustellen zu tun, und es ist üblich, dass Witze erzählt werden und dann laut gelacht wird. Als Juniorchef nimmt er einen gewissen Druck wahr, auch selbst Witze zu erzählen, hat aber die Erfahrung gemacht, dass er dann immer rot wird und Schweißausbrüche bekommt – dies ist ohnehin sein Hauptproblem, weswegen er die Behandlung aufsucht. Sein Kompromiss ist, dass er immer nur einen Witz erzählt, weil danach das Rotwerden und das Schwitzen einfach zu intensiv würden. Aus unserer Sicht liegt das Problem aber eher bei der erhöhten Aufmerksamkeit in Bezug auf die eigenen Körpersymptome, er sollte mit der Situation „experimentieren“ und herauszufinden, dass er auch mehrere Witze erzählen kann, dass das die Aufmerksamkeit auf die Witze und das Gemeinschaftserleben lenkt und dass für andere (also z.B. die Mitarbeiter) komplett irrelevant ist, ob ihr Chef rot wird – und hingegen wichtig und erwünscht, wenn man mit ihm Spaß haben kann.
Ein weiterer Aspekt des Lachens hat bei Menschen mit sozialer Angststörung eine besondere Bedeutung: nämlich die Furcht vor dem Ausgelachtwerden (Gelotophobie). Betroffene fürchten, wie erwähnt, sich peinlich zu verhalten oder sich zu blamieren. Lachen verstehen sie (oft fälschlich oder in überzogener Weise) als Beleg dafür, dass gerade eine „soziale Katastrophe“ passiert (selbst wenn Dritte dem Ereignis keine große Bedeutung zumessen).
Humor und Lachen stärken die seelische Gesundheit und sind ein Beitrag zu gelingender Stressbewältigung. Sie helfen, Dinge gelassener zu sehen, provozieren bessere Stimmung und positiveres Denken, sicher auch im Hinblick auf vorübergehende Ängste des Alltags. Nichts spricht gegen Lachen und Humor, aber im Fall von behandlungsbedürftigen Angststörungen können sie ernstzunehmende therapeutische Interventionen nicht ersetzen, die eine intensive Arbeit an den eigenen Gedanken und Reaktionen und an der Toleranz von Angstgefühlen einschließen.
Literatur:
Ferner, R. E., & Aronson, J. K. (2013). Laughter and MIRTH (Methological investigation of risibility, therapeutic and harmful): narrative synthesis. British Medical Journal, 347, f7274. doi:10.1136/bmj.f7274
Hoyer, J. & Härtling, S. (2019). Soziale Angst verstehen und verändern (2. Auflage). Berlin: Springer.
Hoyer, J. & Lueken, U. (2021). Psychotherapie der Angststörungen. State of the Art. Der Nervenarzt, 92; 441-449 Doi: 10.1007/s00115-021-01069-1
Ruch, W. (2008). Psychology of humor. In V. Raskin (Ed.), The primer of humor research (pp. 17-100). Berlin: de Gruyter.
Sarink, F. S. M. & Garcia-Montes, J. M. (2023). Humor interventions in psychotherapy and their effect on levels of depression and anxiety in adult clients, a systematic review. Frontiers in Psychiatry, 13. doi:10.3389/fpsyt.2022.1049476
van der Wal, C. N., & Kok, R. N. (2019). Laughter-inducing therapies: Systematic review and meta-analysis. Social Science & Medicine, 232, 473-488.
Foto: Akos Farago
Diplom-Psychologe, approbierter Psychologischer Psychotherapeut und Inhaber der Professur für Behaviorale Psychotherapie an der Technischen Universität Dresden.
Als langjähriger Leiter der dortigen Universitätsambulanz für Psychotherapie untersucht Professor Hoyer schwerpunktmäßig Wirkmechanismen und neue Anwendungsformen in der Psychotherapie der Angststörungen und Depression.