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Grundlagen der Hypnotherapie – Teil 2

Hypnose als psychotherapeutisches Verfahren 

Nachdem im ersten Teil eine Einführung in die moderne, wissenschaftlich fundierte Hypnose gegeben wurde, sollen nun die Rahmenbedingungen einer hypnotherapeutischen Behandlung im Vordergrund stehen. Dargelegt wird der prototypische Ablauf einer Sitzung und die Kompetenzen des Hypnotherapeuten. Schließlich geht es um die Frage, wie man einen guten Hypnotherapeuten erkennen kann.

01.04.2023 – Autor: Björn Riegel

Grundsätze und Aufbau der Therapie

Milton H. Erickson, der Pionier und Meister der Hypnotherapie, betonte stets, dass ein Therapeut im Grunde nicht viel machen muss, denn der Klient „arbeite“ während der Trance: „At best operators can only offer intelligent guidance and then intelligently accept their subjects behavior“ – „Der Therapeut sollte lediglich eine intelligente Begleitung anbieten und das Verhalten des Klienten weise akzeptieren.“ (in: Ernst Rossi, The collected papers of Milton H. Erickson on hypnosis, 1980, Übers. des Autors). Dem Therapeuten obliegt die Aufgabe, die Therapie zu planen, zu lenken, zu überwachen und dafür zu sorgen, dass der Klient sich in seinen Wünschen und Vorstellungen eines optimalen Therapieverlaufs respektiert sieht.

Techniken

Die moderne Hypnotherapie ist keine Therapieschule wie beispielsweise die Verhaltenstherapie, sondern versteht sich eher als schulenübergreifende Technik. Unter Technik ist nicht nur die Fähigkeit des Therapeuten zur Induktion einer Trance gemeint, sondern weitere Methoden, die teilweise ihren Ursprung in anderen therapeutischen Verfahren haben, teilweise aber auch spezifisch der Hypnotherapie nach Milton Erickson entstammen. Beispiele dafür sind:

  • Pacing und Leading:

Der Therapeut sollte dem Klienten in dessen Ansichten, Werten und Wahrnehmung folgen („pacing“), und an den richtigen Stellen durch Interventionen in meist kleinen Schritten Änderungen im Erleben und Verhalten des Klienten bewirken („leading“).

  • Indirekte Methoden:

Ein Kennzeichen klassischer Hypnose ist das direktive Vorgehen („Sie werden müde, ihr Arm wird schwer, Sie fühlen sich wohl“). Man weiß mittlerweile, dass dies eher Widerstand beim Klienten weckt und weniger effektiv ist, als das indirekte Vorgehen. Bei diesem wird dem Klienten weniger suggeriert (Suggestion = Einflüsterung), sondern es werden eher sprachliche Angebote unterbreitet, die der Klient annehmen kann oder auch nicht. Bei geschickter Formulierung erreicht der Therapeut sein Ziel, ohne dass der Klient das Gefühl hat, ihm werde etwas befohlen (z.B. „Achten Sie darauf, wo im Körper schon so eine angenehme Entspannung zu spüren ist…und wenn Sie einen Teil gefunden haben, der schon entspannt ist, dann erlauben Sie sich, neugierig zu sein, wie es dieser Entspannung gelingen kann, sich auszubreiten“). Dies ermöglicht ein zielorientiertes Arbeiten, welches mit dem Erleben des Gegenübers stimmig ist.

  • Metaphorische Sprache:

Unser Gehirn denkt in Bildern. Daher liegt es nahe, ihm auch sprachliche Bilder anzubieten. Wenn ein Kind beispielsweise nicht einschlafen kann, weil es Angst vor Monstern im Zimmer hat, wäre eine direktive und nicht hirngerechte Suggestion: „Du hast keine Angst, mit jedem Atemzug wird die Angst kleiner“. Dabei würde vorwiegend auf die „Angst“ fokussiert und diese damit in der Vorstellung präsenter machen. Hilfreicher ist es, zusammen mit dem Kind ein Bild zu entwickeln, welches in dessen Erfahrungshorizont passt und überzeugend wirkt, z.B. wie das Kind die Monster – ähnlich wie sein Spielzeug – vorm Schlafengehen in eine Kiste packt, diese fest verschließt und in den Schrank stellt, so dass sie über Nacht dort sicher ist. Eine andere Möglichkeit ist das Modifizieren des angstauslösenden Stimulus. Auf diese Weise kann ein großes, furchterregendes Monster zu einem kleinen, witzigen, grünen Wesen schrumpfen, indem weniger ängstigende Anteile in der Vorstellung betont werden.

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Das Monster auf handliche Größe schrumpfen lassen

Haltung des Therapeuten

Neben den allgemeinen Haltungen, die in jeder Therapieschule zu finden sind, hat die Hypnotherapie spezielle Haltungen entwickelt, wie die Übernahme des Klientensystems („Die Welt wertfrei aus dessen Augen sehen“) und das Nutzbarmachen der Einstellungen und Verhaltensweisen des Klienten (Utilisation). Damit ist auch klar, dass Macht kein Merkmal moderner Hypnotherapie ist, da der Therapeut sich am Klienten orientiert und der Auffassung folgt, dass nur Interventionen wirksam sind, die in dessen Welt integriert werden können. Außerdem sollte der Therapeut eine zuversichtliche Haltung einnehmen, aber auch gelegentlich einen skeptischen Part vertreten (advocatus diaboli).

Verantwortlichkeit

Der Therapeut übernimmt mit der Behandlung durch Hypnose eine besondere Verantwortung. Zusätzlich zu den in anderen Therapieformen bestehenden Gefahren, gibt es bei der Arbeit mit Trance noch weitere Aspekte zu beachten, die vor allem durch die äußerst intime Art des Umgangs mit dem Patienten zu begründen sind. Dies spiegelt sich in zwei Merkmalen wider:

  • Bewusstheit besonderer Verletzlichkeit
  • Schutz des Klienten

Insbesondere bei Menschen mit Angststörungen kann der durch Hypnose implizierte Kontrollverlust eine negative Auswirkung auf das therapeutische Bündnis haben. Daher fällt dem Behandler die Aufgabe zu, hypnotherapeutische Interventionen mit besonderer Sorgfalt auszuwählen und einzuführen, um dem Klienten ein produktives Einlassen auf diese besonderen Therapietechniken zu gestatten. Möglichkeiten dafür sind der Einsatz von Entspannungs- oder Imaginationsübungen zu Beginn der Therapie.

Ablauf einer Sitzung

Es liegt in der Natur dieses individuellen Ansatzes, dass es unmöglich ist, eine Hypnose-Sitzung in ein Schema zu pressen. Dennoch soll hier der theoretisch geplante Ablauf einer Sitzung grob schematisch dargestellt werden. Natürlich variiert dies auch noch je nach dem therapeutischen Hintergrund des Behandlers. Steht beispielsweise eine Verhaltenstherapie im Vordergrund, können hypnotherapeutische Techniken nach Bedarf als zusätzliche Einheit in eine Stunde eingebaut werden. Im Folgenden soll jedoch eine ausschließlich hypnotherapeutisch ausgerichtete Sitzung dargestellt werden.

1. Indikation:

Auswahl der geeigneten Hypnose-Methode, z.B. durch die Frage: Auf welchen Sinneskanälen ist der Klient gut zu erreichen? Dies kann der Therapeut durch verbale oder nonverbale Signale des Klienten erkennen:

Signale des Klienten:

 

  • Beschreibt der Klient das Blau des Meeres, scheint er/sie ein visueller Typus zu sein.
  • Spricht er/sie vom Meeresrauschen, lässt sich ein eher auditiver Zugang vermuten.
  • Weitere Möglichkeiten sind leichte körperliche Reaktionen, die beim Ansprechen des einen oder anderen Sinneskanals zu erkennen sind.

 

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2. Vorbereitung des Klienten:

Aufklärungsgespräch, eventuell Abbau von Vorurteilen oder erste Tranceübungen.

3. Interventionsphase unter Hypnose:

a) Einleitungsgeschichte zur Vorbereitung der Imagination
b) Induktion: Einleitung der Trance
c) Ruheszene: Entspannungszustand wird durch die individuelle Ruheszene des Klienten intensiviert (Ruheszene wurde im Vorgespräch genau exploriert)
d) Therapie: wenn verschiedene Signale (physiologische Reaktionen, Sprachmitteilungen etc.) zeigen, dass der Klient in einem Trancezustand ist, können erforderliche Hypnosetechniken therapeutisch wirksam eingesetzt werden.
e) Rückführung des Klienten aus der Hypnose
f) Nachbesprechung, eventuell Weiterbearbeitung des therapeutischen Geschehens, Weiterplanung der Therapie
g) Hausaufgaben: Behandlung wird dadurch intensiviert, dass der Klient therapeutische Aufgaben erhält.

Eine Sitzung dauert in der Regel, wie im psychotherapeutischen Bereich üblich, 45 – 60 Minuten, wobei auch diese Dauer leicht variieren kann, da jeder Klient in jeder Sitzung ein unterschiedliches Tempo hat und nicht minutiös aus der Trance herausgerissen werden kann.

Wie erkenne ich den richtigen Therapeuten?

In den Medien kursieren bisweilen Vorurteile, die von Kritikern der Hypnotherapie immer wieder vorgebracht werden: Hypnotherapeuten seien keine integren Personen und manipulierten ohne therapeutischen Auftrag und Kontrolle an ihren Patienten herum. Tatsächlich jedoch sind die Menschen, die eine hypnotherapeutische Fortbildung absolviert haben, bereits praktizierende Psychologen, Ärzte oder Heilpraktiker. Denn es ist kaum empfehlenswert, ohne eine therapeutische Grundausbildung seine Tätigkeit mit Hypnose zu beginnen.

Hypnotherapie ist mittlerweile eine weit verbreitete Zusatzqualifikation von Ärzten, Psychologen und Heilpraktikern. Wie in allen Bereichen gibt es natürlich auch bei den Hypnotherapeuten schwarze Schafe, die den Begriff nutzen, um damit Geld zu verdienen. Beachten Sie daher bei der Therapeutensuche diese Kriterien:

Foto: Quelle: Unsplash.com/ Agni B

Milton H. Erickson, der Pionier der Hypnotherapie, betonte stets, dass ein Therapeut im Grunde nicht viel machen muss, denn der Klient „arbeite“ während der Trance. Der Therapeut soll dem Klienten in dessen Ansichten, Werten und Wahrnehmung folgen und an den richtigen Stellen durch Interventionen in meist kleinen Schritten Änderungen im Erleben und Verhalten des Klienten bewirken.

  • Der Therapeut sollte nicht ausschließlich Hypnotherapie anbieten, sondern auch in anderen Therapieverfahren ausgebildet sein.
  • Die Qualität der Hypnose-Ausbildung ist wichtig. In Deutschland gibt es nur wenige Gesellschaften, die eine konzeptionell gut ausgearbeitete Ausbildung anbieten, die auch von den Krankenkassen als offizielle Befähigung akzeptiert wird. Das trifft hauptsächlich auf Therapeuten zu, die in der Milton Erickson Gesellschaft (MEG) und der Deutschen Gesellschaft für Hypnose (DGH) ausgebildet und organisiert sind. Für Zahnärzte ist es die Deutsche Gesellschaft für zahnärztliche Hypnose (DGzH).

Um eine Anerkennung als Hypnotherapeut zu erlangen, ist eine grundlegende und ausführliche Ausbildung nötig, in der Selbsterfahrung und die Fähigkeit, sein eigenes Handeln zu reflektieren, im Vordergrund stehen. Neben einer fundierten Ausbildung zeichnet einen guten Therapeuten auch eine regelmäßige Weiterbildung aus. Bei der Therapeutenwahl sollte man sich daher nicht nur von persönlicher Sympathie, sondern auch vom fachlichen Hintergrund des Behandlers leiten lassen.

Wann übernehmen die Kassen die Kosten?

Der wissenschaftliche Beirat Psychotherapie hat auf gemeinsamen Antrag der MEG und DGH 2006 die Hypnotherapie bei verschiedenen Problemstellungen (z.B. Sucht oder Schmerz) als wissenschaftlich fundiert anerkannt.

Dennoch wird die Behandlung nur in wenigen Fällen von den Krankenkassen übernommen. Dies ist meist der Fall, wenn die Hypnotherapie im Rahmen einer kassenfinanzierten Verhaltenstherapie angewendet wird und der Therapeut eine entsprechende Hypnose-Ausbildung abgeschlossen hat. Dann werden hypnotische Elemente in kleinerem Umfang bezahlt. Bei privaten Kassen ist die Sache anders gelagert, hier besteht die Chance auf Kostenübernahme einer reinen Hypnotherapie unter bestimmten Voraussetzungen. Man sollte sich im Vorfeld bei seiner Krankenkasse erkundigen.

In den meisten Fällen jedoch bleibt eine reine Hypnotherapie als Kurzzeitbehandlung eine Privatleistung. Die Stundensätze können an der Gebührenordnung für Ärzte orientiert werden und betragen dann 92,50€ bzw. 100,00€. Je nach Behandler kann der Stundensatz aber auch darüber liegen. Sprechen Sie das im Vorfeld mit dem Behandler klar ab!