Insgesamt ist es wahrlich eine Herausforderung und belastend für beide Seiten einer Beziehung, mit emotional teilweise ganz unterschiedlichen Realitäten in derselben Situation konfrontiert zu sein.
Das Online-Magazin der Deutschen Angst-Hilfe e.V. für Betroffene von Angststörungen
Alex Green/pexels.de
01.07.2022 – Autorin: Antonia Koschnick
Mit keinem Menschen teilt man so viel Zeit, so viele Erlebnisse, Gedanken und Gefühle, wie mit dem Partner. Wenn ein Partner erkrankt, entsteht auch eine Belastungssituation für den anderen. Selbstzweifel, Scham, Hilflosigkeit oder Angst vor Ablehnung bei den Betroffenen berühren auch die Beziehung. Es können viele Missverständnisse entstehen, die Beziehung kann darüber ins Wanken geraten oder sogar ganz auseinander gehen.
Doch auch hier gilt: Jede Herausforderung ist gleichermaßen eine Chance für die Partnerschaft. Eine solche Phase als Paar durchzustehen und sich einander wirklich anvertrauen zu können, wird eurer Beziehung, auch wenn es nicht einfach ist, im Nachhinein sehr viel Tiefe und Stabilität geben. In jeder Krise steckt Potenzial und gerade in der Beziehung kann man sich gegenseitig wichtigen emotionalen Halt geben, wenn dieser am meisten gebraucht wird.
Eine Studie von Bünnings et al. aus dem Jahr 2020, basierend auf Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP), konnte zeigen, dass die Trennungswahrscheinlichkeit beim Eintreten einer psychischen Erkrankung eines Partners innerhalb der nächsten zwei Jahre auf das Doppelte steigt. Beim Einsetzen einer körperlichen Erkrankung, zeigte sich hingegen nur ein kleiner Effekt auf die Trennungswahrscheinlichkeit bei den beobachteten Paaren (Anzahl 10 000).
Diese Studie hat das Potenzial, die hohe gesellschaftliche Relevanz psychischer Erkrankungen vor Augen zu führen. Sie legt nahe, dass die Beziehungsstabilität sowohl durch eine Erkrankung als auch durch die gesellschaftliche Einstellung dazu gefährdet sein kann, wobei statistische Zusammenhänge natürlich keine Prognose für den Einzelfall zulassen.
Die Ergebnisse der Untersuchung zur Trennungswahrscheinlichkeit lassen verschiedene Interpretationen zu: Einerseits könnten die Auswirkungen einer psychischen Erkrankung auf den gesunden Partner so belastend sein, dass er oder sie beschließt, die Beziehung zu beenden. Andererseits könnte die kritische Betrachtung verschiedener Lebensaspekte in einer Psychotherapie die Einstellung zur Beziehung verändern und den betroffenen Partner zur Trennung bewegen. Die Zahlen erlauben hier keine Aussage, welche der beiden Fälle wahrscheinlicher ist.
Hinzu kommt, dass die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen in unserer Gesellschaft leider fortbesteht trotz der in den letzten Jahren immer besser werdenden Aufklärung und Aufmerksamkeit für die Thematik. Es ist weiterhin einfacher, von Freunden und Familie Rücksicht und Verständnis für einen komplizierten Beinbruch zu erlangen als beispielsweise für das Auftreten einer Angsterkrankung. Und auch das belastet Partnerschaften.
Mart Production/pexels.de
Insgesamt ist es wahrlich eine Herausforderung und belastend für beide Seiten einer Beziehung, mit emotional teilweise ganz unterschiedlichen Realitäten in derselben Situation konfrontiert zu sein.
Egal, ob es um Stress, Arbeitslosigkeit oder Krankheit geht – in einer Beziehung treffen persönliche Lebenskrisen immer beide Partner. Um diese schwierige Situation als Paar zu meistern, ist es nötig, sich die Zeit zu nehmen, viel zu reden und einander zuzuhören. So kann Verständnis für beide Parteien der Beziehung entstehen und die betroffene Seite wird nicht aus Angst, den anderen zu belasten, die eigene Problematik verheimlichen. Hilfreich ist besonders eine Form der Kommunikation, in der jeder die Gefühle des anderen ernst nimmt, ohne den Anspruch zu haben, sie verstehen oder gar nachempfinden zu müssen.
Für die nicht betroffene Seite gilt es im Falle einer Angsterkrankung zum Beispiel zu erinnern: Angst ist nicht nervös sein, Angst ist auch nicht schüchtern sein. Es ist ein Zustand, in dem man sich physisch und psychisch im Ausnahmezustand befindet, ohne dass es eine reale Bedrohung gibt. Über mentale Gesundheit zu reden und zuzugeben, dass man kämpft, ist dabei kein Akt der Aufmerksamkeitssuche, sondern wirklich nötig. Als Betroffene/Betroffener ist es schwierig, sich zu äußern, wenn man weiß, die Gefühle sind der Situation nicht ganz angemessen. Es kann ermüdend sein und irgendwann zwecklos erscheinen, das eigene Erleben immer wieder zu erläutern. Insgesamt ist es wahrlich eine Herausforderung und belastend für beide Seiten einer Beziehung, mit emotional teilweise ganz unterschiedlichen Realitäten in derselben Situation konfrontiert zu sein. Dennoch ist es mit der richtigen Kommunikation machbar.
Im Folgenden sind Do’s zur Kommunikation für beide Seiten in dieser herausfordernden Phase zusammengefasst, die als kleine Hilfe dienen können. Auch als Textnachrichten können die folgenden Sätze vielleicht Freude bereiten und eure Beziehung unterstützen. Und das Wichtigste bleibt: Redet miteinander!
Dinge, die du als Partner:in einer betroffenen Person sagen kannst:
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Dinge, die du als betroffene Person dem Partner oder der Partnerin sagen kannst:
Letztendlich gilt für beide Seiten: Keiner braucht sich entschuldigen, wenn er sich einmal selbst an erste Stelle stellt, um seiner mentalen Gesundheit willen. Gegenseitiger Halt und Unterstützung sind wichtig, die eigenen Grenzen sollten dabei allerdings nicht überschritten werden. Wenn es sich richtig anfühlt, kann außerdem externer Rat hilfreich für euch sein. Auch in der Psychotherapie des erkrankten Partners kann und sollte die Beziehung ein Thema sein. Ein guter Therapeut/eine gute Therapeutin wird helfen, dass ihr eure Bedürfnisse klar kommuniziert, euch gegenseitig unterstützt und die Grenzen des anderen achtet.
Quellen:
„In Sickness and in Health? Health Shocks and Relationship Breakdown: Empirical Evidence from Germany” von Christian Bünnings, Lucas Hafner, Simon Reif und Harald Tauchmann
https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.801752.de/diw_sp1110.pdf
Foto: privat
Psychologiestudentin seit 2016 an der
Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (B.SC.) & RWTH Aachen (M.SC.)
Interessensschwerpunkte: Gesundheits- und Neuropsychologie, sowie therapeutisches Arbeiten und Coaching zur Prävention psychischer Erkrankungen und zur Selbsthilfe