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Interview mit meinem Partner über Angst 

Franzi und Malte sind seit sechs Jahren zusammen und haben vor kurzem geheiratet. Die beiden sind glücklich miteinander. Seit einigen Jahren ist Franzi an einer generalisierten Angststörung erkrankt. In einem intensiven Gespräch hat sie ihrem Partner einige Fragen gestellt zum Thema Angst und Partnerschaft. Malte hat die Fragen schriftlich beantwortet. Wie er mit Franzis Angst umgeht, erfahrt ihr hier.

07.09.22 – Franzi und Malte

Franzi: Was denkst du denn allgemein über Ängste, Malte?

Malte: Ich bin der Meinung, dass Ängste nicht nur negativ betrachtet werden dürfen. Oft möchten sie uns wahrscheinlich nur vor Fehlern bewahren. Außerdem bin ich überzeugt davon, dass man immer einen Umgang mit Ängsten finden kann, um den Alltag besser zu meistern. Dieser Umgang mag für jeden anders aussehen und es ist sicher oft ein sehr schwieriger Weg. Aber ich glaube, es kann gelingen.

Und hast du selbst auch Ängste?

Ja, die habe ich. Ich habe panische Angst vor Nadeln und Spritzen bei einem Arztbesuch. Da bekomme ich Herzrasen, verspüre eine innerliche Unruhe und habe einen starken Bewegungsdrang. In der Vergangenheit ging es teilweise sogar so weit, dass ich ohnmächtig wurde. Inzwischen begleitet mich Franzi zu Arztbesuchen und weicht nicht von meiner Seite. Das gibt mir Sicherheit und vermittelt mir das Gefühl, dass es in Ordnung ist, diese Angst zu haben und ich mich nicht schämen muss.

Bevor du von meiner Erkrankung erfahren hast, waren dir da Angsterkrankungen bereits bekannt?

Nicht direkt. In meinem engeren Familienkreis kenne ich jemanden, der an einer Sozialphobie leidet. Da habe ich öfter mitbekommen, wie stressig Feierlichkeiten im familiären Rahmen für die Person sind. Auch Telefonate machen ihr große Probleme. Aber wirkliches Wissen, sowohl über psychische Erkrankungen im Allgemeinen, wie auch Angsterkrankungen im Speziellen hatte ich nicht.

Gibt es Momente oder Dinge, in denen du mich aktiv unterstützt als Partner?

Ja, natürlich. Ich versuche, meine Partnerin bei allem zu unterstützen, auch losgelöst von ihren Ängsten. Aber besonders, wenn sich Franzi einer Angst stellt, unterstütze ich sie, indem ich sie sanft in die richtige Richtung schubse, damit die ersten Schritte leichter fallen. Natürlich bleibe ich dabei an ihrer Seite und halte die Situation mit ihr aus. Möchte sie sich einer Angst stellen, motiviere ich sie hierzu.

Welche Situationen haben wir denn schon in deinen Augen gemeinsam gemeistert?

Trotz der generalisierten Angststörung sind wir 2018 gemeinsam in eine Wohnung gezogen. Das war für Franzi sehr schwierig und aufwühlend, aber dank professioneller Unterstützung konnte sie lernen, die Angst zu verstehen und ihre Komfortzone zu erweitern. Vor kurzem haben wir dann geheiratet – das war für uns beide aufregend. Besonders freut mich aber, dass wir inzwischen gemeinsam Urlaub machen können. Franzi leidet an Emetophobie, weshalb ihr Reisen in der Vergangenheit nicht möglich war. Nachdem sie eine Verhaltenstherapie begonnen hatte, konnte sie jedoch viele wertvolle Techniken zum Umgang mit der Angst erlernen, weshalb wir den Schritt gewagt haben und für ein paar Tage an die Ostsee gefahren sind.
Umgekehrt meistere ich, wie bereits erwähnt, dank Franzi inzwischen Besuche beim Arzt inklusive Blutentnahmen. Wir geben uns also gegenseitig Mut in Situationen, welche uns Angst machen.

Wenn eine Situation für mich mit Angst besetzt ist, wie gehst du als Partner mit meinen Ängsten um?

Ich akzeptiere die Angst als Erkrankung und respektiere den persönlichen Umgang von Franzi mit dieser Situation. Natürlich versuche ich, so gut es geht, sie zu unterstützen und ihr immer offen zu begegnen, damit sie weiß, dass sie sich auf mich an ihrer Seite verlassen kann.

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Kommt es einmal aufgrund einer Angst zu einer Konfliktsituation, sollte man immer aktiv bedenken, dass der erkrankte Partner nicht aus Boshaftigkeit heraus handelt, sondern gerade machtlos der Angst ausgesetzt ist. 

Gibt es denn für dich auch Momente, in denen du aufgrund meiner Ängste aktiv zurückstecken musst?

Ja, auch die gibt es definitiv. In der Gestaltung meiner Freizeit stecke ich manchmal zurück und verzichte auf Dinge, um gewisse Ängste bei Franzi nicht zu triggern. Ich möchte nicht, dass eine Aktivität meinerseits der Auslöser ist, dass es meiner Partnerin schlecht geht. Zum Beispiel kann ich nur schwierig etwas allein mit meinen Freunden unternehmen, da bei Franzi dann Verlustängste auftreten. Dadurch bin ich in manchen Bereichen einfach eingeschränkt, wenn ich für Franzi da sein will. Innerlich ist das oft ein Konflikt zwischen meinen eigenen Wünschen und dem Wissen um ihre Verlustängste.

Kamst du dabei schon an einen Punkt in unserer Beziehung, an dem dir alles zu anstrengend wurde?

Nein, diesen Punkt gab es bisher nicht. Die einzige Zeit, die mich viel Kraft gekostet hat, war tatsächlich die Kennenlernphase zwischen uns. Franzi hat sich oft vor mir verschlossen, was sehr frustrierend für mich war. Aber ich habe nicht aufgegeben und mit Geduld um sie gekämpft und ihr Mut gemacht. Nachdem wir dann als Paar zusammengekommen sind, habe ich keine Sekunde an ihr gezweifelt. In einer Partnerschaft ist es auch normal, dass mal nicht alles rund läuft. Aber ich liebe meine Partnerin und gemeinsam haben wir bisher immer einen Weg gefunden.

Was sind denn schöne oder besonders wertvolle Dinge in unserer Beziehung?

Ich schätze unsere Zweisamkeit sehr. Franzi und ich gehen gerne gemeinsam in Restaurants und probieren uns durch verschiedenste Gerichte. Für mich ist das etwas ganz Besonderes, da es für Franzi lange Zeit eine große Herausforderung war, sich in Restaurants zu begeben oder mit anderen Personen gemeinsam zu essen aufgrund ihrer Emetophobie. Dank ihrer Therapie und kontinuierlichem Üben geht sie aber inzwischen gerne aus – und ich bin deshalb sehr stolz auf sie. Außerdem genieße ich es immer, wenn wir gemeinsam neue Dinge entdecken und Ausflüge unternehmen.

Nach sechs Jahren Beziehung, welche Herausforderungen siehst du in einer Partnerschaft mit einer psychisch erkrankten Person?

Was ich als wichtig erachte, aber in der Umsetzung oft schwierig finde, ist eine offene Kommunikation. Gerade Dinge, die einen stören, sollten angesprochen werden. Natürlich ist es wichtig, dass ich als Partner die Ängste berücksichtige und diese auch immer angesprochen werden dürfen. Trotzdem erschwert die Erkrankung manche Dinge auch. In der Beziehung mit Franzi bedeutet das beispielsweise konkret, dass wir zum aktuellen Zeitpunkt nicht gemeinsam in den Urlaub fliegen können. Ich würde gerne mit dem Flugzeug verreisen, Franzi leidet jedoch unter Flugangst. Hier muss ich akzeptieren, dass wir zur Zeit nur mit dem Auto im näheren Umkreis in den Urlaub fahren können. Man muss also bei einigen Dingen rücksichtsvoller sein. Für mich ist es oft ein schmaler Grat zwischen meinen eigenen Wünschen oder Vorstellungen und den Bedürfnissen, welche Franzi hat, um sich sicher zu fühlen.

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Wir mussten sowohl als Paar wie jeder für sich einen Umgang mit der Angst finden.

Was kannst du denn anderen Angehörigen mit auf den Weg geben, wenn der eigene Partner an einer Angsterkrankung leidet?

Da gibt es einiges, was ich in den letzten Jahren gelernt habe. Auch wenn man sich nicht immer in die individuellen Ängste hineinversetzen kann, sollte man immer Verständnis zeigen. Für uns war und ist es auch ein wichtiger Punkt, dass wir als Paar, aber auch jeder für sich einen Umgang mit der Angst finden mussten. Kommt es einmal aufgrund einer Angst zu einer Konfliktsituation, sollte man immer aktiv bedenken, dass der erkrankte Partner nicht aus Boshaftigkeit heraus handelt, sondern gerade machtlos der Angst ausgesetzt ist. Unterstützung und Geduld sind hier meiner Meinung nach das A und O, ebenso wie miteinander zu kommunizieren. Ich kann mich oft nicht in die Lage von Franzi versetzen und ihre Angst nicht nachempfinden. Für mich ist es dann wertvoll, wenn Franzi mit mir über ihre Emotionen spricht, mir berichtet, was der Auslöser einer Angstattacke war oder mir auch mitteilt, wie ich sie zukünftig noch besser unterstützen kann. Nur so kann ich ein Gespür für die Angst entwickeln und Franzi Sicherheit vermitteln.

Ich würde gerne aber auch allen Menschen, welche an einer Angsterkrankung leiden, etwas mit auf den Weg geben: Fühlt euch nicht minderwertig oder grenzt euch nicht selbst aus. Niemand sucht sich eine psychische Erkrankung aus. Die Erkrankung macht aus euch keine schlechten Menschen. Wichtig ist nur, eine helfende Hand anzunehmen. Ich bin der absoluten Überzeugung, dass jeder es schaffen kann, einen Umgang mit der Angst zu finden. Damit meine ich nicht unbedingt eine Heilung. Allein schon sich ein winziges Stückchen Freiheit zurückzuerobern, kann der Angst viel Macht rauben.