Graham Wizardo/pexels.de

 

Mein Kampf gegen die Panik

Ich bin 35 Jahre alt und litt mehrere Jahre lang unter einer Panikstörung. Der Weg aus der Panik heraus war schwer, doch seit inzwischen vier Jahren hatte ich keine Attacke mehr. Wie mir das gelungen ist, möchte ich euch gern erzählen.

22.12.2023 – Autor: Peter

Anfall aus dem Nichts

Begonnen haben die Panikattacken seinerzeit aus heiterem Himmel. Auf dem Weg von der Arbeit nach Hause bekam ich während der Fahrt urplötzlich Herzrasen, meine Sicht verzerrte sich, mir wurde schwindelig. Ich lenkte das Auto an den Straßenrand, da ich fest davon ausging, jeden Moment in Ohnmacht zu fallen. Nach fünf Minuten sitzend im Auto verlangsamte sich mein Puls wieder und ich fuhr relativ irritiert weiter nach Hause.

Da ich einen stressigen Monat hinter mir hatte und ich mich zu der Zeit in einer beruflich nicht allzu berauschenden Situation befand, dachte ich mir, mein Körper wolle mir Bescheid sagen, einfach mal ein bis zwei Gänge runterzuschalten. Hätte ich damals gewusst, dass ich unter einer Angststörung litt und wie sich so eine Angststörung hochschaukeln kann, wäre ich sofort zu meinem Hausarzt und am besten zu einem Psychotherapeuten gegangen. Aber falscher Stolz und die Meinung, mit etwas mehr Schlaf sei alles zu beheben, ließ die Reise in die Panikstörung erst richtig losgehen.

Mit der Zeit wurden die Abstände zwischen den einzelnen Attacken von Herzrasen, verzerrter Sicht und Schwindel immer geringer, zu den Hochzeiten geschah es fünf- bis achtmal an einem Tag. Und zwar völlig unabhängig von Tageszeit oder Situationen. Da ich Sportler bin, kreisten meine Gedanken regelmäßig um eine mögliche Herzbeutelentzündung durch zu viel Sport oder einen möglichen Herzinfarkt durch Überlastung. Ein ganzes Jahr habe ich so verbracht, bevor ich mich meinem Hausarzt anvertraute. Da alle meine klinischen Werte (Belastungs-EKG, Langzeit-EKG, Blutdruck, Blutbild) im absoluten Top-Bereich waren, wurde ich sehr zügig an einen Psychotherapeuten weiterüberwiesen.

Gegen die Mechanismen der Panik

Gleich beim ersten Telefonat mit dem Therapeuten, noch vor dem ersten Gesprächstermin, hat er den Verdacht geäußert, dass ich unter einer Angststörung leide. Komischerweise beruhigte mich diese Aussage sehr, so war klar, dass es nichts Körperliches war, sondern „nur“ etwas Psychisches und damit würde ich schon fertig werden. Doch wie hart dieser Weg sein würde, konnte ich damals noch nicht ahnen. 

Da ich mich durch einen Bekannten, einen Neurowissenschaftler, schon vor meinen Panikattacken mit dem Thema Gehirn und Verhalten auseinander gesetzt hatte, drehten sich die Gespräche in der Therapie hauptsächlich um die Mechanismen, die eine Panikattacke auslösen. In erster Linie sind das die eigenen Gedanken. Aus meiner Erfahrung als Sportler weiß ich, wie der Geist den Körper beeinflussen kann. Ich lernte relativ schnell, die Anzeichen einer beginnenden Panikattacke zu erkennen und ihnen aktiv entgegenzutreten. In Kombination mit der Gesprächstherapie ließen die Attacken bzw. deren Intensivität bald spürbar nach. Die gesamte Therapie erfolgte auf meinen Wunsch hin ohne Medikamente.

Foto: Quelle: Unsplash.com/ Agni B

Seit vier Jahren hatte ich keine Panikattacke mehr, was meiner Meinung nach vor allem daran liegt, dass ich keine Angst mehr habe, eine Panikattacke zu bekommen. Die Angst vor der Angst – das ist das wirklich Schlimme an dieser Erkrankung.

Während meiner Psychotherapie wurde mir klar, wie wichtig es ist, schnell zu handeln, wenn einem die Psyche einen Streich spielt, damit sich bestimmte Verhaltensmuster, wie die einer Panikattacke, erst gar nicht im Kopf „festbeißen“ können. Wenn man erst einmal mit den Symptomen einer Angststörung zu tun hatte, fällt auf, wie viele der eigenen Verhaltensmuster, die während einer Attacke auftreten, auch im täglichen Umfeld beobachtet werden können. Ich denke, die Dunkelziffer dieser Erkrankung ist sehr hoch und viele Betroffene trauen sich nicht, mit ihrem Erlebten zu einem Arzt oder ihrer Familie zu gehen und darüber zu reden. Dieser Wahnsinn, in dem man sich befindet, wenn eine Angststörung zuschlägt, lähmt verständlicherweise einen Großteil der Betroffenen. Sie kommen auf Grund ihrer Angst und der Angst vor der Angst überhaupt nicht auf die Idee, dass diese „Störung“ vernünftig therapiert werden kann. Das macht die Rückkehr in ein normales, attackenfreies Leben schwierig.

Sich von der Angst nicht beeindrucken lassen

Mein Therapeut sagte mir, dass ich mit meinem Vorgehen, der Störung aktiv entgegenzutreten, eher eine Ausnahme bin. Viele Patienten, erzählte er mir, sind durch ihre Angststörung so hochgradig verängstigt und aus dem Leben geschossen, dass sie deutlich länger brauchen, um eine Verbesserung ihrer Situation zu erreichen. Dagegen hatte ich während einer Attacke eher Wut auf die Attacke verspürt und mich konsequent darauf konzentriert, mit dem, was ich gerade machte, fortzufahren und meiner Psyche sozusagen die Stirn zu bieten. Sport, Freizeit, Arbeit – meine Devise hieß, sich nicht beeindrucken zu lassen und weiter zu machen.

Die Therapie dauerte ein gutes Jahr. Nichts desto trotz hatte ich auch nach der Therapie noch ein Jahr mit dem Thema Panik zu kämpfen. Hin und wieder erlebte ich einen leichten Rückfall. Auf Grund des Wissens durch die Therapie konnte ich diese jedoch ohne das volle Ausmaß einer Panikattacke überwinden. Bis zum Gefühl, die Angst im Griff zu haben, verging noch ein weiteres Jahr.

Inzwischen hatte ich seit vier Jahren keinen Panikattacke mehr, was meiner Meinung nach vor allem daran liegt, dass ich keine Angst mehr habe, eine Panikattacke zu bekommen. Die Angst vor der Angst – das ist das wirklich Schlimme an dieser Erkrankung. Heute weiß ich bei den Anzeichen einer Attacke, was es ist und wie ich mich verhalten muss, um sie nicht zuzulassen und größer zu machen.

Jedem, der diesen Text liest, der Symptome einer Angstattacke bei sich selber beobachtet und noch nicht in Therapie ist, möchte ich empfehlen, so schnell wie möglich zu dem Arzt seines Vertrauens zu gehen und mit einer Therapie zu beginnen. Der Versuch, es mit sich selbst auszumachen, wird nicht funktionieren. Je länger ihr wartet, umso schwerer macht ihr es euch, aus dem Muster der Panik auszubrechen.