Diese ständige Kritik war eine richtige Qual für mich. Sie hat mich extrem verunsichert und mich innerlich völlig gehemmt. Irgendwann war ich nicht mehr in der Lage, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Das Online-Magazin der Deutschen Angst-Hilfe e.V. für Betroffene von Angststörungen
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Autor: Thomas
Wenn ich heute jemandem erzähle, dass ich seit acht Jahren unterbrochenes Kopfweh habe, ernte ich nur ungläubige Gesichter. Manche empfehlen mir dann ein Medikament, meist etwas gegen Migräne, oder geben Tipps für einen Arzt. Aber mein Kopfweh ist keine körperliche Erkrankung, ich kenne das Gefühl schon seit meiner Kindheit. Heute würde ich sagen, es ist ein Ausdruck meiner Depression, ein Ausdruck dafür, dass ich mein Leben lang nicht wusste, was ich wollte und es nicht schaffte, mein Leben selbst zu gestalten aus lauter Angst zu versagen.
Denke ich an meine Kindheit zurück, habe ich zwiespältige Erinnerungen. Einerseits hatte ich viel Freiheit, ich durfte viel machen und fortgehen, es gab keine strenge Überwachung. Aber auf der anderen Seite wurde ich von meinem Vater ständig kritisiert, z.B. beim Sport. Wir Jungs haben auf dem Bolzplatz Fußball gespielt, der Vater hat uns von seinem Arbeitsplatz aus beobachtet und am Abend hat er mir vorgeworfen, wie steif und ungelenk ich bin, nicht richtig Fußball spielen kann und dass er früher viel besser war. Dann hatte ich immer so ein bedrückendes Gefühl im Magen. Der Vater hat sich damit gerühmt, was er im Alter von 12 Jahren alles gemacht hat. Weil sein Vater früh gestorben war, musste er auf seine Mutter und seine Geschwister achten, musste im Haushalt und im Garten helfen. Und im Sport war er der Beste.
Später habe ich in einem Verein Handball gespielt, wurde auch gelobt, aber wenn der Vater bei einem Spiel dabei war, habe ich plötzlich nicht mehr die Leistung gebracht und das hat er mir dann gleich aufs Brot geschmiert. Diese ständige Kritik war eine richtige Qual für mich. Er hat nie mal ein lobendes Wort gesagt und das hat mich auf die Dauer so stark verletzt, dass ich immer ängstlicher wurde. Weil mein Vater so kritisch war, habe ich mich so stark zurückgenommen.
Überhaupt war er ziemlich dominant, fühlte sich als das Gesetz in der Familie. Meine Mutter hat deswegen öfters mit ihm gestritten, das habe ich als Kind mitgekriegt, aber ich habe mich nie getraut, etwas zu sagen. Ich habe mich in eine Ecke zurückgezogen und innerlich geweint. Ich konnte mich nicht rühren, saß nur da, konnte nichts machen und nichts denken. Es ging einfach nicht. Damals spürte ich zum erstenmal diesen Kopfdruck.
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Diese ständige Kritik war eine richtige Qual für mich. Sie hat mich extrem verunsichert und mich innerlich völlig gehemmt. Irgendwann war ich nicht mehr in der Lage, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Ansonsten war ich das, was man ein wohlerzogenes Kind nennt. Zuhause durfte ich nur reden, wenn ich gefragt wurde, sonst hatte ich still zu sein. Und bei irgendetwas mitzuentscheiden, war überhaupt kein Thema. Heute denke ich, dieses erzwungene Ruhig-sein einerseits und die ständige Kritik andererseits haben mich extrem verunsichert und mich dadurch innerlich völlig gehemmt. Irgendwann war ich nicht mehr in der Lage, die Initiative zu ergreifen und wartete nur darauf, dass andere das für mich tun. Ich war nicht in der Lage, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das ist wohl auch der Grund für die Depression, die mich immer mal wieder im Leben überfiel. Das hat mir aber erst später ein Therapeut erklärt, mir selber war das lange nicht klar.
Die meisten meiner Schulkameraden sind nach der vierten Klasse aufs Gymnasium gegangen, aber mein Vater hat mir nichts zugetraut. Also bin ich auf der Hauptschule geblieben und als diese zu Ende war, wusste ich nicht, was ich lernen sollte. Wieder hat der Vater für mich entschieden. Er selbst wäre gern Elektriker geworden, was aber aus verschiedenen Gründen nicht möglich war. Darum wollte er, dass ich jetzt Elektriker werde. Und so bin ich Elektriker geworden, obwohl ich am Technischen überhaupt kein Interesse hatte.
Nach der Ausbildung arbeitete ich in einem Betrieb, aber ohne große Vergnügen. Die Arbeit machte mir nicht wirklich Spaß. Leider war ich dann auch ziemlich lange krank, hatte Probleme mit der Lunge, und so fehlte mir die Praxis. Als ich zurückkam, konnte ich überhaupt nicht selbstständig arbeiten. Ich wusste nicht, wie man etwas anpackt und hatte riesige Angst, etwas falsch zu machen.
Mein Vorgesetzter damals war ein ziemlich ruppiger Mensch, der sich extrem wichtig nahm, seine Mitarbeiter ständig herumgescheucht und angeschrien hat. Einmal nahm ich allen meinen Mut zusammen und fragte ihn, ob er etwas gegen mich hätte, worauf er ganz erstaunt war und sich entschuldigte. Seit damals waren wir ein Herz und eine Seele, zehn Jahre lang. Bei ihm hatte ich immer das Gefühl, er braucht mich, was ich tue, ist wichtig.
Als er dann frühpensioniert wurde, stand ich alleine da, musste selbst Entscheidungen treffen, musste mit Kunden und Lieferanten sprechen und das ist mir überhaupt nicht gut gelungen. Plötzlich hatte ich wieder Angst, komplett zu versagen, und auch der Kopfdruck war wieder da. Ich bin zwar regelmäßig zur Arbeit gegangen, hatte aber immer das Gefühl, mich nicht durchsetzen zu können und von den Kollegen ausgenutzt zu werden. Ich konnte mich nicht gegen ihre kleinen Gemeinheiten wehren. Da fing es an, dass das Kopfweh zu einem Dauerzustand wurde. Und mit der Zeit wurde es so enorm, dass ich schon vormittags nichts mehr denken konnte. Ich habe nur noch geradeaus geblickt, nicht nach rechts, nicht nach links, ich hatte einen richtigen Tunnelblick. Wenn der Chef mich gerufen hat, war ich so aufgeregt, dass ich ihm kaum zuhören konnte. Das war eine schlimme Zeit.
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Seit Jahren habe ich ständig Kopfweh von morgens bis abends. Es ist ein Ausdruck meiner Depression, ein Ausdruck dafür, dass ich ein Leben lang nicht wusste, was ich wollte.
Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin wegen dem Kopfweh zum Arzt. Der hat mich in eine Psychosomatische Klinik überwiesen. Die körperlichen Aktivitäten dort, Sport und Spazierengehen, haben mir gut gefallen, ansonsten war es schwierig. Ich konnte überhaupt nicht denken, kaum mit den anderen reden. Nur einmal in einer Männergruppe hatte ich ein interessantes Erlebnis: Es waren etwa 20 Männer, die haben mich auf ihren Armen in einer Reihe von vorne nach hinten durchgereicht und als ich hinten ankam, war ich so erleichtert und fühlte mich so aufgehoben, dass mein Kopfweh fast weg war.
Die Klinik hat meine Situation nicht wirklich verbessert. Seit Jahren habe ich ständig Kopfweh von morgens bis abends. Nur wenn ich mit anderen Menschen zusammen bin, in der Englischgruppe oder beim Stammtisch, fühle ich mich besser. Kaum komme ich nach Hause, steigt der Kopfdruck an. Zuhause weiß ich nicht, was ich tun solle, habe ich keine Freude am Leben. Wenn andere mich zu etwas auffordern, bin ich dabei, aber ich kann nicht selbst die Initiative ergreifen. Allein bin ich so lustlos, so gleichgültig, dass ich zu nichts fähig bin.
Bei der Aufnahme in die Psychosomatische Klinik hörte ich zum erstenmal, davon, dass bei mir auch eine Depression vorliegt. Ich selber bin bis dahin nicht auf diesen Gedanken gekommen, sah mein Problem eher darin, zu ruhig, zu ängstlich zu sein, zu wenig Selbstwertgefühl zu haben. Aber wahrscheinlich hatte ich schon als Kind nicht nur Angst, sondern depressive Stimmungen. Schon als Kind wusste ich nie, was ich wollte, worauf ich Lust habe. Was zuerst da war, die Angst oder die Antriebslosigkeit, kann ich nicht sagen. Seit ich denken kann, kenne ich beides.