Das Online-Magazin der Deutschen Angst-Hilfe e.V. für Betroffene von Angststörungen
Tima Miroshnichenko/pexels.de
An einer psychischen Erkrankung gibt es wenig Lustiges. Weder kann man ihr viel Gutes abgewinnen, noch hat sie humorvolle Aspekte oder Momente. Aber sie ist nun mal da und so muss man sich entscheiden, wie man mit ihr umgeht. Sie bekämpfen oder sie mit Humor annehmen. Letzteres ist nicht so leicht und oft nur mit einem vertrauten Menschen möglich.
01.09.2023 – Autorin: Andrea
Es trifft mich, wenn Menschen leichtfertig Witze oder unangebrachte Sprüche über Depressionen, Angsterkrankungen und all die anderen Diagnosen zum Besten geben. Denn für viele Betroffene ist jeder Tag ein Kampf, alltägliche Dinge werden zur Herausforderung und oft ist die Belastung so groß, dass man unter dem Gewicht gefühlt zusammenbricht. Also nein, eine psychische Erkrankung ist keine Schwäche, keine Einbildung und erst recht nichts, worüber andere sich lustig machen sollten.
Der einzige Mensch, dem ich dieses Recht zubillige und mit dem ich selbst über meine Depression und Angststörung Witze mache und sie ins Lächerliche ziehe, ist mein Partner. Er hat mich die letzten Jahre durch alle Höhen und Tiefen begleitet, mit unermüdlichem Engagement, Durchhaltevermögen, Verständnis und viel Respekt. Jede Träne hat er mir liebevoll von der Wange gewischt, jede zitternde Hand gehalten, schlaflose Nächte mit mir verbracht und jede Angstattacke mit mir durchgestanden. Mein Partner hat mich in schwierigen Zeiten aufgebaut und mit mir die guten Momente gefeiert. Er war die einzige Person, die Tag für Tag mit meiner Erkrankung konfrontiert war – und mich trotzdem liebt.
Mit den Jahren begann ich, meine Ängste mit etwas mehr Distanz zu betrachten und lernte in der Verhaltenstherapie, ihnen die Ernsthaftigkeit zu nehmen, indem ich ihnen gedanklich neue Stimmen verpasste. So wurde aus der überzeugenden, lauten Stimme der Angst eine nicht mehr ganz so ernstzunehmende Figur, die in piepsiger Stimme vor sich hinplapperte und dabei noch wild mit den Armen gestikulierte. Mir persönlich half diese Übung sehr gut. Mit der Zeit sprach ich immer öfter ironisch über meine Ängste und zog mich selbst damit auf. Nicht, um mich damit zu schwächen oder kleinzumachen, sondern um den Ängsten die Stirn zu bieten und zu sagen „Du hast nicht diese Macht über mich, mir meinen Humor zu nehmen“.
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Und so kam es, dass sich dieses Verhalten auch auf die Beziehung übertrug und mein Partner und ich gemeinsam scherzten. Gestern sprachen wir beim Abendessen über einen bevorstehenden Flug, für den ich Reisetabletten gegen Übelkeit sowie ein Beruhigungsmittel gegen Angstattacken von meinem Arzt verschrieben bekommen habe. Da ich zum ersten Mal fliege und unter Emetophobie, also der Angst vor dem Erbrechen, leide und gleichzeitig Höhenangst habe, liegen die Nerven jetzt schon etwas blank. Als ich nach dem Einkauf die Tablettenpackungen auf den Tisch lege, scherze ich: „Wenn ich die Beruhigungstabletten nehme, fährst du mich dann schlafend auf einem Kofferwagen durch den Flughafen?“ Denn bekanntlich können solche Wirkstoffe müde und schläfrig machen. Mein Partner lacht und sagt: „Solange du nicht im Flugzeug vergessen wirst.“
Klingt schriftlich wiedergegeben nicht ganz so komisch, aber in diesem Moment hat der lockere Umgang dazu beigetragen, die Nervosität einzudämmen und der Situation die Spannung zu nehmen. Der entscheidende Punkt für mich ist, dass mein Partner mich und meine Ängste immer ernst nimmt und ich daher die Sicherheit habe, zu jedem Zeitpunkt respektiert zu werden. Aus diesem Grund kann ich mich fallen lassen und die Erkrankung selbst auch einmal ins Lächerliche ziehen.
Ich kann jeden verstehen, der über seine Erkrankung zu keinem Zeitpunkt lachen kann oder möchte. Das ist okay. Ihr seid okay. Aber wenn ihr auch nur einen Funken findet, der euch ein Schmunzeln ins Gesicht zaubern kann, dann versucht, diesen zu einem Feuer zu entfachen. Denn uns nimmt die Erkrankung täglich so viel von unserer Freiheit, unserem Charakter, unserem Leben. Aber lasst euch dies nicht alles nehmen. Für mich ganz persönlich ist es mein Humor, den ich niemals aufgeben werde. An den Tagen, an denen es mir schwerfällt, daran zu denken, sorgt mein Partner dafür, dass sich mindestens ein Schmunzeln in mein Gesicht stiehlt.