Während ich die realen Allergien ganz gut im Griff habe, zermürbt mich vor allem die fürchterliche Angst, an einem allergischen Schock zu sterben, ausgelöst durch einen Stoff, den ich nicht kenne oder einen, den ich bisher vertragen habe.
Das Online-Magazin der Deutschen Angst-Hilfe e.V. für Betroffene von Angststörungen
Engin Akyurt/pexels.de
Schon seit meiner Kindheit bin ich Allergikerin gegen Roggen, Sträucher, Sellerie, Kamille, Haarspray, Staub, Vogelfedern und so manches mehr. Erfahren habe ich davon aber erst viel später. Und ich bin seit über 20 Jahren Angstpatientin. Die Störung entwickelte sich in Etappen, trat in verschiedenen Formen auf und ist heute auf dem Höhepunkt.
17.11.2023 – Autorin: Theresa
Während ich die realen Allergien ganz gut im Griff habe, zermürbt mich vor allem die fürchterliche Angst, an einem allergischen Schock zu sterben, ausgelöst durch einen Stoff, den ich nicht kenne oder einen, den ich bisher vertragen habe. Die Angst bezieht sich auch auf meine Tochter, die wie ich gegen einige Dinge wie Katzen, Hunde, Pferde, Sträucher, Pollen allergisch ist.
Rational betrachtet ist es zwar eher unwahrscheinlich, an einer Allergie zu sterben. Da gibt es viel häufigere Todesmöglichkeiten. Doch dieser Gedanke hilft mir nicht. Die Vorstellung, mein Kind oder ich könnten mit einem anaphylaktischen Schock auf irgendetwas reagieren und dann ohne Hilfe sterben, macht mich fertig. Zwischenzeitlich nahm meine Allergie-Phobie einen regelrechten Zwangscharakter an.
Begonnen hat alles, als ich etwa vier Jahre alt war. Da erlebte ich zum ersten Mal Atemnot und bekam einen knallroten Kopf, wenn zum Beispiel jemand die Straße fegte oder meine Mutter ein Haarspray benutzte. Ich konnte mir das nicht erklären, erlebte aber furchtbare Angst. Einmal in der Nachmittagsbetreuung hatte ich einen Erstickungsanfall, als mir ein Zuckerstück im Hals stecken blieb. Die Betreuerin klopfte mir auf den Rücken und das Stück flog heraus. Trotzdem hielt die Angst noch lange an und seither verfolgen mich Erstickungsängste.
Richtige Panikattacken traten nach einer Trennungssituation im Alter von 20 Jahren auf, als mein erster Freund mich verließ, weil ich ihm zu anhänglich und zu ängstlich war. Solche Attacken kamen im Laufe der Zeit immer öfter. Besonders schlimm wurde es, als meine Tochter geboren wurde. Ich empfand die Situation als Überforderung, fühlte mich gestresst und allein.
Dann entdeckte ich die ersten Allergieanzeichen bei mir und meiner Tochter. Einmal saß ich auf einer Wiese und spielte mit Spitzwegerich herum. Auf einmal hatte ich ganz rot geschwollene Augen, ich lief sofort in die Apotheke. Bis dahin wusste ich nicht, dass ich allergisch bin. Erst da habe ich das Unkontrollierbare von Allergien erkannt und habe seitdem riesige Angst: Angst vor unbekannten, unkontrollierbaren, bedrohlichen Stoffe überall um mich herum. Auch bemerkte ich jetzt plötzlich, dass meine Tochter Asthmaanfälle bei Leuten mit Katzen, Hunden oder im Zirkus hatte, was ich bis dahin kaum beachtet hatte.
Foto: Quelle: Unsplash.com/ Agni B
Während ich die realen Allergien ganz gut im Griff habe, zermürbt mich vor allem die fürchterliche Angst, an einem allergischen Schock zu sterben, ausgelöst durch einen Stoff, den ich nicht kenne oder einen, den ich bisher vertragen habe.
In der Folgezeit versuchte ich, alle möglichen Allergene zu meiden. Ich richtete die Wohnung und das Kinderzimmer nur mit natürlichen Materialien ein, mied chemische Kleber und Lacke, PVC-Bodenbeläge etc. Ich ernährte mich und meine Tochter entsprechend, wandte keine Medikamente an, sondern nur homöopathische Mittel. Meine Tochter möchte ich aus Angst vor einem tödlichen Schock am liebsten permanent sehen und begleiten. Die Angst, sie zu verlieren, ist riesengroß. Wir fahren nicht in den Urlaub, denn da könnten wir mit etwas Unbekanntem in Kontakt kommen. Als meine Tochter ihr Zimmer neu einrichtete und renovierte, fürchtete ich, dass sie irgendeinen Lack oder Farbe benutzen könnte, die einen allergischen Schock auslösen. Deshalb kaufte ich ihr ausschließlich biologische Mittel.
Auch in Bezug auf mich selbst steigerte sich die Angst vor einer Allergie. Ich gehe kaum noch in Restaurants aus Angst, dass in den Speisen etwas sein könnte. Letztens erzählte ein Bekannter, er habe nach dem Genuss von Huflattich-Tee Atemnot erlitten, obwohl er vorher dagegen nicht allergisch war. So eine Geschichte versetzt mich augenblicklich in Todesangst. Genau das könnte mir oder meiner Tochter auch passieren. Als ein Freund uns zu sich aufs Land einlud, habe ich abgesagt, weil da draußen unzählige Allergene auf uns einstürzen könnten, z.B. bei starkem Pollenflug.
Als die jahrelange Angst mich so erschöpft hatte, dass ich körperlich am Ende war, oft Infekte, Kopfschmerzen, Schlafprobleme hatte (aber trotzdem keine Medikamente nahm, aus Angst vor einer allergischen Reaktion), entschloss ich mich, eine Verhaltenstherapie zu machen. Die Therapeutin hat mir klar gemacht, dass meine frühen körperlich unangenehmen Erfahrungen mit Allergien eine Angststörung ausgelöst haben, weil ich wohl für Angst anfällig bin, sei es angeborenermaßen oder durch die vielen Stresssituationen und Überforderungen im Leben. Die Veranlagung zu Allergien und die Anfälligkeit für Angst sind bei mir eine dramatische Verbindung eingegangen, die mein Leben fast zerstört hätten. Aber noch habe ich die Kraft, dagegen anzukämpfen, um ein besseres Leben für mich und meine Tochter zu erreichen.