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Wann wurde ich zum Sportmuffel?

Wie bleibt noch Kraft für Sport, wenn Angst und Panik das Leben bestimmen? Wie kann ich wieder mit Sport anfangen und trotz Unterbrechungen dranbleiben? Das gelingt nur, wenn Sport Druck abbaut, statt Neuen zu erzeugen.

06.10.2023 – Autorin: Karin Bischof

Panikattacken sind wie Hochleistungssport

Auch heute noch würde ich sagen, ich treibe gerne Sport. Ob draußen in der Natur oder gemeinsam in der Halle, Sport gehörte immer zu meinem Leben. Doch Tatsache ist, heute empfinde ich es schon als Sport, aus meiner Dachgeschosswohnung hinabzusteigen, um den Müll wegzubringen. Das bisschen Haushalt reicht aus, um mich ins Schwitzen zu bringen. Schade!

Aber seien wir ehrlich: Wer jemals eine Panikattacke hatte, weiß, das ist Hochleistungssport. Von keiner sportlichen Aktivität habe ich solchen Muskelkater wie von der Anspannung, die mir die Angst beschert. Ganz schön anstrengend, so eine Angststörung! Wer würde mir da einen Vorwurf machen, dass meine Turnschuhe mehr Zeit in meinem Schrank als an meinen Füßen verbringen? Ein klassisches k.o.

Mich erinnert der Versuch, regelmäßig Sport zu treiben, an die Kugelbahn aus meiner Kindheit. Sie wissen schon, das Holzgestell, in das man oben eine Kugel legt, die dann in Windeseile hinunterrollt. So mühelos, wie die Kugel unter ankommt, so aufwändig ist es, sie auf gleichem Weg wieder hinaufzuschieben. Eine Spirale, die nur einen Weg kennt, bergab. Was die Schwerkraft alles kann! Genauso fühlt es sich an, wenn eine Erkältung, eine Panikattacke oder einfach nur der Alltag das eigene Training unterbricht. Egal wie viel Spaß wir am Sport haben, die Kugel beginnt zu rollen und die Schwerkraft jagt sie gnadenlos bergab. Die gleiche Kraft, die uns ans Sofa fesselt und uns noch einen Tag Ruhe verordnet.

Dabei bestätigen nicht nur wissenschaftliche Studien, sondern auch die eigene Erfahrung, dass Sport hilft. Denn wenn beim Sport der Puls steigt, werden Endorphine (Glückshormone) ausgeschüttet, kein Cortisol. Das kann langfristig helfen, mit Körperreaktionen wie Stress und Anspannung, besser umzugehen. Sport ist ein Training für Körper und Geist. Bleibt nur die Frage, wie fängt man an und wie bleibt man dran?

Hassan Ouajbir/pexels.de

 

Wenn die Sonne morgens aufgeht, sollten wir das nicht als Aufforderung sehen, die uns überfordert. Die Sonne geht auf und unter, egal wie viel wir uns bewegen. Vielleicht nehmen wir jeden neuen Tag lieber als Einladung, uns etwas Gutes zu tun - ganz bewusst.

Sport heißt, sich etwas Gutes tun

Die Sonne scheint, die Motivation ist hoch, genauso wie der Druck, endlich etwas zu tun. Wer eine Angststörung hat, weiß, das ist keine gute Mischung. Aus dem Wunsch sich zu bewegen, wird eine Achterbahnfahrt aus Überforderung und Überanstrengung. Dabei wissen wir doch, dass Sport viele Gesichter hat. Von Nordic Walking über Yoga bis hin zu Fußball. Es gibt viele Wege, sich fit zu halten. Das Einzige was zählt, ist dranbleiben. Meine Freundin zum Beispiel hatte mit Sport nie viel am Hut, doch indem sie viele Wege zu Fuß zurückgelegt hat, blieb sie trotzdem fit. Und sind nicht die Invictus Games, die vor kurzem in Düsseldorf stattgefunden haben, das beste Beispiel, wie Sport auch mit Einschränkungen möglich ist?

Ich finde es wichtig, aus dem Vergnügen keinen neuen Druck zu machen. Wenn du gerne läufst, dann tue das. Doch wenn du lieber mit dem Hund durch die Wälder ziehen oder beim Schwimmen mit jemanden quatschen willst, denk daran – alles ist erlaubt! Wenn die Sonne morgens aufgeht, sollten wir das nicht als Aufforderung sehen, die uns überfordert. Die Sonne geht auf und unter, egal wie viel wir uns bewegen. Vielleicht nehmen wir jeden neuen Tag lieber als Einladung, uns etwas Gutes zu tun – ganz bewusst.

Für mich bedeutet das zu lernen, dass ich zwar viele Dinge spannend finde, aber nicht alle zu mir und meinem Leben passen. Ich bin einfach nicht der Typ Mensch, der gerne mit einem Mountainbike durch die Berge rast. Genauso wenig passt es zu mir, beim Yoga kopfüber einem Hund nachzuspüren. Es ist an der Zeit, mich wieder neu kennenzulernen und herauszufinden, was zu mir und meinem Leben passt. Wie wäre es zum Beispiel mal mit sich selbst auszugehen?

Nur so findet wir die Balance zwischen fordern ohne Überforderung und den Mut, immer wieder neu anzufangen, wenn etwas auf dem Weg verloren geht. Statt neuen Druck aufzubauen, lieber den vorhandenen Druck abbauen. Denn für alle, die nicht unbedingt zur Olympiade wollen, gilt besonders beim Sport: Der Weg ist das Ziel! Also auf geht’s!