Alena Shekhovtcova/pexels.de

 

Wer weiß schon, was passiert

Meine Angst vor dem Ungewissen

Als Kind dachte ich immer, wenn ich erwachsen bin, ist alles einfacher. Da ist man nicht traurig oder hat Heimweh. Ich dachte man würde unter Sachen nicht mehr so leiden und es wäre alles viel leichter. Dass dem nicht so ist, musste ich die letzten Jahre schmerzlich erfahren.

09.03.2023 – Autorin: Annika

Ängstliche Kindheit

Ich habe schon immer viel Kontakt mit Ängsten gehabt. Bereits als Kind war ich ängstlich, meine Familie ist insgesamt recht ängstlich. Die Schulzeit, insbesondere in der Grundschule, war nicht einfach (für alle Beteiligten). Heimweh und ständiges Bauchweh waren stets treue Begleiter. Später habe ich immer mal wieder Ausgrenzungserfahrungen machen müssen. Für viele sicherlich kein großes Thema, für mich als sehr sensibles Kind jedoch ein Weltuntergang.

Bereits in der Schulzeit begann meine große Angst vor dem Erbrechen. Dies hat die sowieso schon vorhandenen regelmäßigen Bauchschmerzen enorm verstärkt. Später in der Therapie hat sich herausgestellt, dass die Angst vor dem Erbrechen mit der Sorge vor grundsätzlichem Kontrollverlust zusammenhängt. Kontrollverlust – das ist auch das große Thema meiner Angst vor dem Ungewissen.

In Therapie

Im Sommer 2015 passierte etwas, was maßgeblich Einfluss auf mein Leben nahm und dieses nachhaltig beeinflusste. Durch ein Erlebnis, welches sehr erschreckend für mich war und Gefühle der Hilflosigkeit und Verzweiflung in mir ausgelöst hat, begann die Hochphase meiner Angstgeschichte. Ich hatte anhaltende Flashbacks und Panikattacken. Durch eine EMDR-Behandlung (ein spezielles Verfahren, welches durch gezielte Augenbewegungen die Verarbeitung eines traumatischen Erlebnisses anregt) während der Therapie bekam ich diese in den Griff. In der Therapie wurden auch viele andere Themen behandelt wie z.B. die Trennung meiner Eltern und damit einhergehende Streitigkeiten, aber auch Beziehungsproblematiken, da ich zu diesem Zeitpunkt in meiner ersten richtigen Beziehung war und durch Vertrauensprobleme meinerseits an verschiedene Thematiken stieß, welche mein bisheriges Leben beeinflusst haben. Letztendlich wurde bei mir eine Depressionen und eine Angststörung diagnostiziert.

Adnan Bayot/pexels.de

 

„Es wird schon alles gut gehen, vertrau darauf“, ist ein Satz, den ich schon häufig gehört habe. Ich kann mich leider absolut nicht mit diesen Worten identifizieren. Egal in welcher Situation, schwebt in meinem Kopf immer ein großes „Aber“.

Fehlendes Grundvertrauen

„Es wird schon alles gut gehen, vertrau darauf“, ist ein Satz, den ich schon häufig gehört habe. Ich kann mich leider absolut nicht mit diesen Worten identifizieren. Egal in welcher Situation, schwebt in meinem Kopf immer ein großes „Aber“. Ich komme in Gedankenspiralen und denke immer wieder an Situationen, in denen sich meine Ängste bestätigt haben. Das auch mal etwas gut gegangen ist, sehe ich dann leider nicht.

Sobald etwas passiert oder ich mit etwas Schlimmen rechne, male ich mir die furchtbarsten Szenarien aus und plane bereits, wie ich damit umgehen könnte und was ggf. Lösungen wären, wenn es dann überhaupt welche gibt. Ein Beispiel hierfür ist meine Gesundheit. Habe ich Zahnschmerzen, plane ich bereits, an welchen drei Tagen ich Zeit für eine Behandlung hätte, da es mit Sicherheit direkt eine Wurzelentzündung ist und ich demnach mehrere Sitzungen beim Zahnarzt benötige. Noch bevor ich überhaupt untersucht wurde, informiere ich mich über Risiken einer Behandlung, die noch nicht einmal angeordnet wurde. Dies spiegelt wider, unter welch einem großen Druck ich stehe, den ich mir vor allem selbst mache. Noch bevor Situationen aktuell sind, versuche ich mich darauf vorzubereiten und mit diesen umzugehen. Das kostet mich enorm viel Kraft. Oft fehlt mir leider ein grundlegendes Vertrauen in andere Menschen und auch in mich selbst. Darauf zu vertrauen, dass beispielsweise Ärzte wissen, was sie tun, und dass ich selbst weitestgehend gesund bin oder sich kleinere gesundheitliche Probleme auch zum Guten wenden können, fällt mir schwer. 

Sorge, keine Kinder bekommen zu können

Grundsätzlich habe ich inzwischen gelernt mit vielem umzugehen. Vor allem, dass es für das meiste eine Lösung gibt. Dennoch plagen mich auch heute noch viele Ängste, insbesondere hinsichtlich nicht beeinflussbarer Situationen wie z.B. der Sorge, keine Kinder bekommen zu können. Dazu muss ich erwähnen, dass ich die letzten drei Jahre verschiedenste gesundheitliche Problematiken und damit einhergehende Untersuchungen, aber auch kleinere Eingriffe hatte, die im Nachhinein betrachtet meine Ängste vor dem Ungewissen enorm verstärkt haben, da diese Situationen bzw. Eingriffe immer unerwartet und plötzlich kamen. Beispielsweise habe ich aufgrund einer gynäkologischen Problematik mit immer wiederkehrenden Zysten zu kämpfen, so dass ich vor anderthalb Jahren operiert wurde und auch aktuell kurz vor einer Operation stand. Vor dem Hintergrund meines Kinderwunsches, der für mich eine große Rolle spielt, haben diese Ereignisse die Angst vor Komplikationen stark verschärft und meine Angst vor dem Ungewissen weiter angefacht. 

Die Angst vor einem erneuten Krankenhausaufenthalt und/oder einer Operation ist enorm groß und schränkt mich im Alltag sehr ein. Es kostet mich viel Überwindung, meinen normalen alltäglichen Dingen nachzugehen, da ich immer diese starke Angst vor dem Ungewissen, also vor dem was passieren könnte, im Hinterkopf habe. Allgemein gesehen ist mir bewusst, dass es sich bei Gesundheit und Krankheit um nicht beinflussbare Zustände handelt. Dennoch  ist das für mich mitunter schwer zu ertragen. Ein Versuch, dies zu beeinflussen und Kontrolle über die nicht kontrollierbare Gesundheit zu erlangen, ist das ständige Desinfizieren meiner Hände. Mir ist bewusst, dass ich mich nicht vor allem schützen kann, dennoch ist es äußerst schwer dies abzulegen.

Alena Shekhovtcova/pexels.de

 

Ich habe mit meiner Therapeutin ein Verfahren entwickelt, bei welchem ich in der „Wach-Welt“ negative Träume positiv weiterdenke, sozusagen wie ein kleines Drehbuch. Ich versuche, die negativen Träume so weiterzuentwickeln, dass ich sie mit einem positiven Ende abschließen kann.

Albträume mit gutem Ende

Ich habe eine große Angst vor den Dingen, die ich nicht beeinflussen kann und welche Folgen durch bestimmte Situationen oder Geschehnisse entstehen könnten. Diese Angst schränkt mich sehr ein. Wenn ich z.B. Termine oder Verabredungen plane, überlege ich genau, ob an diesem Tag etwas dazwischenkommen könnte und falls ja, welche Folgen eine kurzfristige Absage für mich haben könnte. So lege ich einen wichtigen Termin nie kurz nach einer größeren Veranstaltung, da ich denke, bei einer Veranstaltung mit vielen Menschen krank werden und somit den Termin nicht wahrnehmen zu können.

Auch Albträume sind aktuell leider nach wie vor existent. Inzwischen kann ich allerdings viele Träume meinen Ängsten zuordnen, sodass sie etwas weniger beunruhigend auf mich wirken. Außerdem habe ich mit meiner Therapeutin ein Verfahren entwickelt, bei welchem ich in der „Wach-Welt“ negative Träume positiv weiterdenke, sozusagen wie ein kleines Drehbuch. Ich versuche, die negativen Träume so weiterzuentwickeln, dass ich sie mit einem positiven Ende abschließen kann. So belasten diese mich oftmals weniger und ich kann manchmal mit einem Lächeln auf die Träume blicken.