Foto: Malte Zierden

 

Wie ein kleiner Prank zu einer außergewöhnlichen Spendenaktion führte

Der Net-Video-Produzent Malte Zierden unterstützt die Deutsche Angst-Hilfe mit einer beträchtlichen Summe

Vor einiger Zeit erhielt die Deutsche Angst-Hilfe einen großen Betrag auf ihr Konto überwiesen – so groß, wie ihn der Verein bisher kaum jemals bekommen hatte. Malte Zierden war als Spender angegeben, doch keinem aus dem Team sagte der Name etwas. Nur unsere Social-Media-Expertin wusste Bescheid: „Das ist doch der mit den coolen Videos.“ Und tatsächlich: Der Musiker und Content Creator Malte Zierden hatte bei einer unkonventionellen Aktion über 2000€ gesammelt und der Angst-Hilfe gespendet. Wie es dazu kam, erzählt er im Interview.

10.03.2023 – Deutsche Angst-Hilfe e.V.

daz: Malte, alles begann mit einem Prank von dir gegen deinen Bruder Wilke. Wie ist es dazu gekommen?

Der Hintergrund ist: Mein Bruder und ich necken uns schon, seit wir uns kennen. Irgendwann hat er angefangen, mich über die sozialen Medien zu pranken, mit kleinen Späßen, die er gemacht hat. Bei einer Aktion hat er mich richtig vorgeführt, auf lustiger Ebene, aber es war schon unangenehm. Und im Gegenzug habe ich mir etwas ausgedacht. Es gibt ein Kinderbild von ihm, da ist er gerade 16 geworden, das gefällt ihm überhaupt nicht. Und dieses Bild habe ich auf einem Festival als kleine Sticker an die Leute verteilt. Daraufhin hat er wieder etwas gegen mich gemacht und so hat sich die Sache immer weiter hochgeschaukelt.

Schließlich habe ich ein 7×7-Meter Plakat von seinem Kinderbild drucken und zur documenta in Kassel an einer Hauswand aufhängen lassen. Da bei der documenta eine Million Besucher aus der ganzen Welt anwesend waren, haben das Plakat mit dem Bild von meinem Bruder ziemlich viele Menschen gesehen. Gekostet hat mich diese Aktion übrigens nichts, denn die Firma, die das Plakat gedruckt hat, hat auch die Kosten übernommen und durften dafür einen kleinen Werbebeitrag unterbringen.

Das Plakat hat solche Wellen geschlagen, dass sogar die Hessenschau und andere Nachrichtenportale darüber berichteten. Nach einem Monat wurde es wieder abgehängt und ich habe es mir zuschicken lassen. Doch jetzt hatte ich es bei mir in der Wohnung und wusste nicht, was ich damit anfangen sollte. Zuerst stand es nur an der Wand, aber meine Freundin fand das nicht so toll. Es wegzuschmeißen wäre eine ziemlich sinnlose Verschwendung gewesen, soviel Abfall zu produzieren, nur wegen eines doofen Spaßes, das ist nicht nachhaltig. Also irgendetwas musste mit diesem Plakat passieren. Ich habe recherchiert und bin schließlich auf die Idee gekommen, dass man aus der Folie Taschen schneidern kann. Also habe ich die Folie gereinigt, in Stücke geschnitten und bin damit zu einer Freundin gegangen, die eine süße kleine Manufaktur hat und dort wurden die Stücke zu individualisierten Taschen genäht.

Als alle Taschen fertig waren, wurden sie von der Manufaktur an meine Community verkauft. Und der Erlös wurde zu 100% gespendet. So hat der Prank gegen meinen Bruder am Ende wenigstens noch einen schönen Mehrwert erbracht.

Foto: Malte Zierden

 

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Malte mit dem Plakat in seiner Wohnung

daz: Von dem wir profitiert haben. Da stellt sich für uns die Frage, warum du gerade die Angst-Hilfe ausgesucht hast?

Weil ich eure Arbeit sehr schätze und weil ich ja auch mit dem Thema Angst zu tun habe. Angst kenne ich schon seit jeher. Ich kann mich erinnern, dass ich früher meine Mutter alles für mich habe regeln lassen habe. Wenn ich krank war, musste sie bei der Schule anrufen und mich abmelden. Auch später, als ich gearbeitet habe, also schon erwachsen war, musste sie bei der Firma anrufen. Das sind so Erinnerungen, bei denen mir schon immer klar war, dass ich mich nicht gern mit unangenehmen Situationen konfrontiere. Aber ich habe das nicht weiter beachtet. Erst als ich mich intensiver mit dem Thema soziale Phobien auseinandergesetzt habe, bemerkte ich so richtig, wie sehr ich eigentlich davon betroffen bin.

So habe ich z.B. Ängste bei Veranstaltungen, Menschen treffen fällt mir schwer. Wenn ich eingeladen werde zu einem Geburtstag, einer Party, einer Veranstaltung, dann sag ich total oft zu, aber am Ende des Tages tauche ich dann einfach nicht auf, weil ich mich nicht traue abzusagen, aber auch nicht hinzugehen. Manchmal überzeugt mich meine Freundin, mit ihr zusammen zu einer Veranstaltung zu gehen, das tue ich dann auch, aber vor Ort fühle ich mich sehr klein und unangenehm. Ein anderes Beispiel ist, dass ich mich nicht ins Treppenhaus traue, wenn ich dort Stimmen höre. Ich warte dann, bis alle weg sind und gehe erst dann raus. Wegen der Ängste bin ich aktuell auch in Therapie.

Foto: Malte Zierden

 

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Das Plakat in Teile zerschnitten

daz: In deinen Videos gehst du ja ganz offen mit solchen psychischen Problemen oder auch mit körperlichen Krankheiten um. Was treibt dich an, das so öffentlich zu präsentieren?

Ich finde es wichtig, nicht immer nach außen hin diese Scheinwelten zu zeigen wie es in den sozialen Medien, v.a. in der Jugendkultur, der Fall ist. Man präsentiert nur das schöne Leben, in dem alles gut und glänzend ist, alles happy life, man zeigt nur die Meilensteine, das Besondere, das man erlebt. Das hat mich schon immer an den sozialen Medien gestört und deshalb sagte ich mir, ich möchte das wahre Leben zeigen, die Realität. Wir alle haben unser Päckchen zu tragen.

daz: Mit deinen Videos hast du ja großen Erfolg. Meinst du, dass sich da etwas in unserer Gesellschaft verändert hat? Vor 20 Jahren wäre das alles noch nicht so möglich gewesen.

Glaube ich auch. Die Generation meiner Eltern ist ein Paradebeispiel. Bei ihnen gilt es als Schwäche, sich Probleme einzugestehen und zu kommunizieren, erst recht zum Psychologen zu gehen. Mit dieser nicht offenen Kommunikation stehen sie sich selber im Wege. Aber wir kennen es doch alle: Wenn wir Probleme haben, diese hinten anstellen und wegdrücken, dann holen sie einen irgendwann wieder ein.

Foto: Malte Zierden

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Die Tasche ist fertig

daz: Aber wie passt das zusammen: Einerseits hast du eine soziale Phobie, andererseits präsentierst du dich so öffentlich. Für dich ist das offensichtlich kein Widerspruch.

Im ersten Moment mag das so aussehen. Aber es ist eine Sache, sich allein daheim vor ein Handy zu setzen und 20mal in die Kamera zu sprechen, weil man es nicht richtig hinbekommt, und immer wieder den Versuch neu starten zu können, und eine andere, live mit Menschen zu sprechen und dabei die Angst zu spüren. Zuhause kann ich unendlich oft probieren, bis es klappt, oder ich lege das Handy ganz weg. In der Realität geht das nicht. Das ist der Unterschied.

daz: Zum Schluss möchte ich dir im Namen der Deutschen Angst-Hilfe nochmals vielen Dank für deine tolle Spendenaktion sagen.

Kein Ding! Mir hat es Spaß gemacht und es ist etwas Gutes dabei herausgekommen.

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