Caio Mantovani/pexels.de

 

Wohin mit der Angst in der Partnerschaft?

Meine Erfahrungen über den Umgang des Partners mit meiner Angst – und warum dies ein so schwieriges Thema ist. 

25.08.2022 – Autorin: Ursula

Angst als Angst erkennen

Ich bin vor kurzem 63 Jahre alt geworden und Angstpatientin. Ich glaube, ich war schon immer Angstpatientin, bewusst geworden ist mir das jedoch erst im Alter von 30 Jahren. Die Angstsituationen hatte ich damals immer als Stress einer Mutter mit drei kleinen Kindern abgetan. Es hat lange gedauert, bis ich erkannte, dass es krankhafte Ängste sind. Damals war Angst noch ein Tabu. Man schämte sich dafür, dass einem sowas widerfuhr. Ich habe damals täglich meinen Hausarzt nach Hause kommen lassen, weil ich dachte, ich falle gleich um, und ich war mir sicher, dass mir bestimmt ganz etwas schlimmes fehlen würde. Der Arzt damals sprach zum ersten Mal von Ängsten, die ich hätte. Er fragte mich, ob ich denn bereit wäre, zu einem Psychologen zu gehen. Auch dies war damals ein Tabuthema und man sah die Leute, welche zu einem Psychologen gingen, als “nicht normal” an.

Mein damaliger Mann konnte das alles nicht nachvollziehen, aber respektierte, dass ich mir von einem Psychologen helfen lassen wollte. Das hat mir damals sehr gut getan und ich habe gelernt, dass ich all das, wovor ich Angst habe, vermehrt machen muss. Zum Beispiel hatte ich immer Angst, beim Einkaufen an der Kasse lange anstehen zu müssen, da ich befürchtete umzufallen. Der Psychologe erklärte mir, zur Überwindung der Angst solle ich mir immer die längere Schlange aussuchen, um mir so selbst zu beweisen, dass ich es schaffe ohne umzufallen. Durch die psychologische Hilfe kam ich innerhalb kurzer Zeit (drei Monate) aus dieser akuten Angst heraus und konnte wieder zur Arbeit gehen.

Dennoch ist seit damals die Angst ein ständiger Begleiter auf meinem Weg geblieben. Mir wurde damals ein Medikament aus der Kawakawa-Pflanze verschrieben, welches mir half, ruhiger zu werden. Doch war ich sehr froh, als ich dieses wieder absetzen konnte, denn eine meiner Ängste ist die Angst vor den Nebenwirkungen von Medikamenten. Ich befürchte, dass das Medikament mich manipuliert, mir die Kontrolle über mich nimmt. Und vor allem sehe ich ja erst ohne Medikamente, wie es mir wirklich geht.

Teona Swift/pexels.de

 

Mein Mann meinte immer, dass es jetzt doch wieder gut sein müsste, dass die Angst doch jetzt verschwinden müsste. Er hat nicht verstanden, dass die Angst mein ständiger Begleiter ist.

Mein Partner, die Angst und ich

Ich glaube nicht, dass mein Partner nachvollziehen konnte, wie sich meine Angst anfühlte. Mein damaliger Mann war alkoholkrank, was meine Angst in gewissen Situationen verstärkte und erst zum Vorschein brachte. Ich hatte so unglaubliche Angst davor, wenn er unterwegs war, wie er wohl heimkommen würde, wie sehr er mich wieder beschimpfen würde, wieviel Geld er wieder ausgegeben hatte. Ich konnte diesen Ängsten damals nur Herr werden, indem ich meine Gefühle in ein Büchlein schrieb. Vielleicht ist Alkohol trinken eine andere Art, mit Angst umzugehen. Er konnte jedenfalls alle Situationen, die nicht normal waren, also Freude und Traurigkeit, nur mit Alkohol ertragen und war immer mit sich selbst genug beschäftigt. Mir zu helfen, versuchte er kaum. Ich erinnere mich noch daran, dass er mir ein Buch über Angst geschenkt hat.

Mein Mann meinte immer, dass es jetzt doch wieder gut sein müsste, dass die Angst doch jetzt wieder beruhigt sein und verschwinden müsste. Er hat nicht verstanden, dass die Angst mein ständiger Begleiter ist und mir viele Situationen sehr schwer macht.

Mittlerweile sind über 30 Jahre vergangen, in dieser Zeit war die Angst gefühlt manchmal verschwunden, doch in Wirklichkeit war sie das nie. Ich war nur zu beschäftigt, mich durch das Leben zu kämpfen, mit arbeiten und der Sorge, dass es den Kindern gut geht, besonders seit ich mich von meinem Mann getrennt hatte. Ich habe meine zwei Söhnen mitgenommen und aus Angst, es finanziell nicht zu schaffen, habe mir auch noch einen Nebenjob fürs Wochenende gesucht. Sie war ständig da, die Angst.

Vielleicht ist meine Angst auch daran schuld, dass ich mich erst so spät von meinem Mann getrennt habe, weil ich Angst vor dem alleine sein hatte. Angst davor, alleine nicht existieren zu können. Obwohl ich mir immer wieder bewiesen habe, dass ich durchaus den Dingen gewachsen bin, eine taffe selbstbewusste Frau bin, die mit beiden Beinen am Boden steht. Trotzdem blieb die Angst und die Unsicherheit.

Tirachard Kumtanom/pexels.de

 

Ich kann nicht erwarten, dass mein Partner meine Angst versteht, aber ich erwarte, dass er dieses Gefühl in mir respektiert und Rücksicht auf meine Ängste nimmt. Deshalb ist es wichtig, seinem Partner immer wieder mitzuteilen, wo die eigenen Ängste liegen, damit er lernt, dort einfühlsamer zu werden.

Neuer Partner – gleiche Angst

Mein jetziger Partner und Ehemann ist gelassener und ruhiger, was in Paniksituationen sehr hilfreich sein kann. Verstehen tut er die Angst aber auch nicht. Ich glaube, Angst kann nur der verstehen, der sie auch selbst hat. Er kann zum Beispiel nicht nachvollziehen, dass bei Schmerzen oder einer Krankheit eine panische Angst in mir hoch kommt, ich könnte etwas schlimmes, etwas unheilbares haben. Das ist eine der wenigen Situationen, in welchen er mich ab und an erden kann, denn tatsächlich ist diese Angst ja übertrieben. Aber wirklich helfen mit der Angst kann er nicht, da ist sie leider zu stark.

Dann gibt es Situationen, wo er absolut kein Verständnis aufbringt. Beim Autofahren zum Beispiel. Ich kann es kaum ertragen, wenn er dem Vordermann so nah auffährt. Da kommt mir ein Gefühl vom Bauch her hoch, und es bedarf viel Beherrschung, eine Panikattacke zu verhindern. Und leider vergisst er es immer wieder und hat dann, wenn ich panisch werde, wenig Verständnis. Er meint dann meist, dass er ja einen Überblick als Fahrer hätte, was mich beruhigen sollte. Er kann leider nicht verstehen, dass meinem Gefühl, das da immer wieder hochkommt, sein Überblick völlig egal ist.

Ich würde mir wünschen, dass er sensibler mit meinen Ängsten umgeht, dass er achtsamer wäre, dass er im Vorfeld schon weiß, das könnte ihr jetzt Angst machen. Aber letztlich muss ich mit meiner Angst alleine umgehen, wobei mir Yoga ein hilfreicher Begleiter geworden ist. Es erdet mich und macht mich ruhiger.

Fazit

Ich denke, ein Mensch, der kein Angstpatient ist, wird das Gefühl mit der Angst nie wirklich nachvollziehen und verstehen können. Ich bin nun zum zweiten Mal verheiratet und meine beiden Partner sind zwar jeweils anders mit meiner Angst umgegangen, aber verstanden haben sie sie beide nicht. Mein erster Mann meinte immer, jetzt ist es aber langsam an der Zeit, dass es besser wird. Meine Angst nervte ihn nur noch. Mein jetziger Mann ist da viel geduldiger, was aber nicht bedeutet, dass er versteht, was in mir vorgeht, und wie es sich anfühlt, Ängste zu haben.

Ich kann nicht erwarten, dass mein Partner meine Angst versteht, aber ich erwarte, dass er dieses Gefühl in mir respektiert und Rücksicht auf meine Ängste nimmt. Und das ist schon schwer genug. Deshalb ist es wichtig, seinem Partner immer wieder mitzuteilen, wo die eigenen Ängste liegen, damit er lernt, dort einfühlsamer zu werden.

Abschließend wünsche ich allen Angst-Menschen, mit ihren Partnern Geduld zu haben, mehr Geduld als ich es oft habe.