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Angst vor Krieg 

Was hilft gegen das neue Bedrohungsgefühl?

Es ist Krieg in der Ukraine. Obwohl seit dem Zweiten Weltkrieg immer irgendwo auf der Welt Kriege geführt wurden, fühlt es sich jetzt anders an. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ist nicht mehr nur ein fernes Ereignis, wie die Kriege in Syrien, Afghanistan oder dem Kongo. Nein, der Krieg ist näher gerückt.  Und wir? Mittendrin – dank Live-Berichterstattung in den Medien und den sozialen Netzwerken erleben wir den Krieg in Echtzeit mit. So fern und doch so nah. Die Tragödie in der Ukraine ist omnipräsent, das Entziehen fällt schwer. Die Folge: Verunsicherung, Angst und Ohnmacht. Wie gehen wir mit diesen Gefühlen um? Was hilft, um sie nicht übermächtig werden zu lassen?

14.03.22  –  Autor: Bernhard Beller

Warum setzt uns der Krieg in der Ukraine so zu?

Uns allen ist klar: Wir sind Teil des Krieges. Wir – das ist der Westen, die NATO. Wir stehen klar auf einer Seite, beliefern die Ukraine mit Waffen und belegen den Angreifer mit Sanktionen. Und der Gegner ist, im Unterschied zu anderen Kriegen in der Welt, bei denen wir beteiligt waren, z.B. in Afghanistan, im Kosovo, diesmal ein mächtiges Land. Der Einzelne schaut zu, verfolgt die Entwicklungen und sorgt sich über die Reaktionen Russlands. Denn Putin stößt immer mehr Drohungen gegen den Westen aus, droht sogar mit einem möglichen Atomkrieg. Worte, die ängstigen, verunsichern und hilflos machen. Laut der Deutschen-Presse-Agentur (dpa) befürchten über die Hälfte der Deutschen, dass der Ukraine-Krieg sich auf weitere Staaten ausdehnen könnte. 69 Prozent gehen davon aus, dass Putin nicht davor zurückschrecken würde, auch ein NATO-Mitgliedsstaat anzugreifen und damit den Verteidigungsfall der NATO auszulösen. Damit könnte Deutschland direkt in den Krieg verwickelt werden. Seit Ende des Kalten Kriegs war die Gefahr, in eine militärische Auseinandersetzung mit einer Atommacht hineingezogen zu werden, noch nie so hoch wie derzeit. Die Konsequenz: Eine diffuse Angst vor der Gefahr eines Krieges. Eine Angst, die sich nur schwer kontrollieren und beeinflussen lässt.

Wie reagieren die Menschen auf den Ukraine-Krieg?

Fakt ist: Kaum jemanden lassen die Nachrichten und Bilder aus der Ukraine unberührt. Bilder von Menschen, die flüchten, zerstörte Häuser oder Militär-Konvois auf europäischem Boden sind für uns ungewohnt. Viele können die unbekannte Situation nur schwer einordnen, spüren eine diffuse Anspannung. Auf die zunehmende Gefahr einer Ausweitung des Krieges reagieren manche Menschen mit Angst und Panik, fühlen sich gar unmittelbar bedroht, wenn sie beispielsweise das Geräusch einer Sirene hören. Andere sind wie gelähmt von den ständig neuen Meldungen aus dem Kriegsgebiet, empfinden Ohnmacht oder verzweifeln über den Zustand der Welt. Besonders stark reagieren dabei vorbelastete (vulnerable) Personen: etwa Menschen mit einer Angsterkrankung, insbesondere solche, die sowieso eine starke Sensibilität gegenüber potenziellen Gefahren entwickelt haben, oder Menschen, die bereits ein Trauma wie Krieg, Flucht, Vertreibung selbst erlebt haben (wie die bei uns lebenden Flüchtlinge früherer Kriege). Gefährdet sind aber auch Kinder und Jugendliche, die aus ihrer wohlbehüteten Lebensweise plötzlich herausgerissen werden und akute Unsicherheit erleben. Wichtig ist: All diese Gefühle sind normal und legitim. Sie sind Reaktionen auf eine Ausnahmesituation, die unsere alltäglichen Verarbeitungsmechanismen weit übersteigt.

Was kann ich bei Angst und Panik tun?

Angst ist eine Reaktion auf Gefahr. Angst entsteht immer dann, wenn ich ein Geschehen als Bedrohung einschätze und wenn ich keine Möglichkeiten sehe, die Bedrohung mit eigenen Mitteln zu neutralisieren. Dann entsteht ein Gefühl von Kontrollverlust und von Angst. Ziel ist es daher, das Gefühl des Überwältigtseins durch die Angst zu reduzieren. Wie kann das gelingen?

Die wichtigsten Mittel gegen die Angst vor Krieg

  • Sich richtig informieren: Nicht die Angst durch immer neue Meldungen anheizen (Doomscrolling), sondern gezielt seriöse Nachrichten hören
  • Über die Angst reden statt allein vor sich hin zu grübeln
  • Den normalen Tagesablauf weiterführen, das schafft Distanz zum Geschehen
  • Wenn die Angst zu belastend wird, professionelle Hilfe holen. Der Hausarzt oder die Hausärztin sind hier Ansprechpartner:innen.

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Sich richtig informieren

Wichtig ist es, die Gefahr richtig einzuschätzen: Wie real ist die Gefahr eines Kriegs auf deutschem Boden wirklich? Dazu empfiehlt es sich, seriöse Medien zu konsumieren, sich die Einschätzung ausgewiesener Experten anzuhören und deren Urteil zu vertrauen. Informationen zu sammeln, ist sicher ein guter Weg, die Angst zu reduzieren. Aber aufgepasst: Das kann auch ins Gegenteil umschlagen. Immer dann, wenn man sich stundenlang im Internet verliert und immer neue Schreckensmeldungen und -bilder entdeckt. Schnell sind die Ängste größer als zuvor, da die Anspannung nicht zurückgeht und der Alarmzustand bestehen bleibt. In diesem Fall ist es hilfreich, den Konsum von Nachrichten auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren. Diese Konzentration des Nachrichtenkonsums ist ein Akt der Selbstfürsorge. Es ist niemandem geholfen, wenn ich in Verzweiflung versinke und vor lauter Sorgen nachts nicht schlafen kann.

Über die Angst reden

Ein Weg zur Reduzierung der eigenen Angst ist auch, sich über das Gesehene und Gehörte mit anderen auszutauschen. Gemeinsam im persönlichen Gespräch über die eigenen Befürchtungen zu reden, hilft. Im Gespräch merke ich, dass es anderen genauso geht wie mir oder sie zumindest meine Befürchtungen nachvollziehen können, meine Angst also ganz normal ist. Zum anderen verliert jede Angst, die ausgesprochen und geteilt wird, ein wenig von ihrer Macht, sie wird im Gespräch greifbarer, plastischer, wird relativiert und ist nicht mehr das überwältigende Monster, das ich mir in meiner Phantasie ausgemalt habe.

Das eigene Leben weiterführen

Das eigene Leben muss weitergehen, der geregelte Tagesablauf strukturiert und gibt Halt. Negative Gedanken heizen negative Gefühle wie Angst und Ohnmacht an. Wer abschaltet und seinen normalen Tageplan vollzieht, lenkt sich ab vom Krieg und vom Grübeln über mögliche Gefahren und richtet seine Gedanken wieder auf das Hier und Jetzt. Es geht nicht darum, das Leid anderer Menschen auszublenden, sondern das eigene psychische Gleichgewicht zu stabilisieren. Ferner kann es helfen, sich zu engagieren, etwa für Menschen, die geflüchtet sind, Sachen zu spenden, an Antikriegsdemos teilzunehmen. Oder auch im persönlichen Umfeld für mehr Frieden zu sorgen, wie das Johannes mit seinem Text sehr schön beschrieben hat.