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Das Problem mit der Kontrolle

Kontrolle – ein zweischneidiges Schwert

Wenn Menschen von sich und ihrem Leben erzählen, taucht immer wieder ein Thema auf: Kontrolle. Kontrolle über Aufgaben, über Gefühle, über das eigene Leben. Wie realistisch ist dieser Wunsch?

Autor: Johannes Selbach

wir alle wollen kontrolle …

Meistens funktioniert es nicht so recht mit der Kontrolle. Man hatte sich etwas vorgenommen und dann kam es doch anders als man wollte. Diese Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit führt dann zu schlechten Gefühlen: Man empfindet sich als Versager, der es einfach nicht kann, man verzweifelt an der Welt und sich selbst, man ist unglücklich über die Situation.

Der Wunsch, die Sachen unter Kontrolle zu haben, ist ein normales menschliches Bedürfnis. Das äußert sich auf verschiedenste Art und Weise. Manche Menschen versuchen zum Beispiel penibel, kleinste Bereiche ihres Lebens durchzuplanen. Andere begegnen den Unsicherheiten des Lebens damit, sich auf eine extreme Art zu ernähren, denn dann haben sie immerhin darüber die Kontrolle. Wieder andere begegnen den Unsicherheiten der Corona-Krise damit, Verschwörungstheorien zu glauben. Wenn jemand schuld ist und ich die Dinge einfach begründen und bekämpfen kann, dann habe ich scheinbar die Kontrolle. Wieder andere treiben exzessiv Sport, um wenigstens ihren Körper unter Kontrolle zu haben. Irgendwie versucht jeder, sein Leben unter Kontrolle zu bringen, um ein Gefühl der Sicherheit zu haben.

Persönlich bin ich der Ansicht, dass ich gar nichts unter Kontrolle habe. Ich glaube auch, dass das nicht weiter schlimm ist. Es spielt nämlich keine Rolle, was ich von der Welt glaube und welches Etikett ich ihr verpasse. Die Welt ist, wie sie ist, unabhängig davon, wofür ich sie halte. Das heißt natürlich nicht, dass ich nicht auch versuche, die Kontrolle über mein Leben zu erlangen, um beispielsweise die Zukunft von mir selbst und meiner Familie zu sichern. Im Gegenteil: Ich versuche natürlich alles, was ich kann, um das zu erreichen, was ich erreichen möchte. Allerdings gibt es niemals eine Garantie, dass ich es erreiche. Ich kann nur die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ein bestimmtes Ereignis eintritt.

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Kontrolle kann ein Gefühl der Sicherheit geben,
schafft aber auch Angst.

… aber zuviel Kontrolle zerstört das Leben

Zu viel Kontrolle führt automatisch zu Angst und Anspannung. Ich könnte mit meinem Kontrollversuch ja scheitern – und was passiert dann? Dann habe ich versagt, dann passiert etwas, das ich nicht will, und das empfinde ich als schlimm. Natürlich findet das alles nur in meinem Kopf statt.

Kontrolle und Sicherheit sind das Gegenteil von Freiheit. Wenn ich alles kontrollieren möchte, dann bin ich weniger frei. Letzten Endes bin ich sogar weniger lebendig, denn Leben zeichnet sich dadurch aus, dass sich Dinge verändern. Man kann viel Lebensqualität gewinnen, wenn man einen Teil der Kontrolle aufgibt und vertraut. Manchmal kann man sich einfach treiben lassen und schauen, was passiert. In der Regel passiert dann nur Gutes. Wirklich Neues kann man sowieso nur dann erleben, wenn man nicht die Kontrolle hat.

Die großen Weltreligionen sagen im Kern nichts anderes. Bei den einen heißt es Gottvertrauen, bei den anderen Loslassen. Die Aussage ist aber die gleiche: Habe Vertrauen und du findest deinen Frieden

Kontrolle kann ein Gefühl der Sicherheit geben, schafft aber immer auch Angst. Vertrauen kann zu Frieden führen, ist aber immer auch mit Unsicherheit verbunden. Beides hat seine Berechtigung und für beides gibt es den richtigen Augenblick. Wenn das Pendel eher in Richtung Vertrauen ausschlägt, dann lebt man besser – glaube ich. Aber das muss jeder für sich selbst herausfinden und entscheiden.