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Meine Erfahrung mit der Salutogenese

Jeder kann aktiv an seiner Gesundheit mitwirken. Wie entlastend dieser Gedanke ist, berichtet Sebastian.

Was ist Gesundheit? Gesundheit ist die Herstellung eines inneren Gleichgewichts auf körperlicher, emotionaler und sozialer Ebene. Sie ist kein statischer Zustand, der irgendwann erreicht ist, sondern vielmehr ein ständiger Prozess, der auch mal entgleiten kann. 

Autor: Sebastian Wendel

Negative gefühle, obwohl alles ok ist?

Vor kurzem war mal wieder einer dieser Tage. Es fing morgens schon damit an, dass ich den Kakao auf der Arbeitsplatte verteilt habe. Und wirklich besser wurde es im Verlauf des Tages dann auch nicht. Die Einzelheiten möchte ich euch ersparen. Es war letztlich wohl ein Konglomerat aus Müdigkeit, Stress, Unsicherheit und unnötigen Grabenkämpfen an der neuen Arbeitsstelle, gepaart mit der sich schleichend aufdrängenden Frage, ob das denn gerade alles so seine Richtigkeit hat hier. Es ging mir nicht gut und ich habe gezweifelt. An mir und an der Welt. Wenn ich ehrlich bin, tat ich mir an diesem Tag einfach furchtbar leid. Und genau das hat mich im Laufe des Tages immer mehr geärgert.

Denn eigentlich geht es mir doch gut! Ich habe einen vernünftigen Job, bin körperlich gesund, habe eine tolle Familie und in meinem kleinen Patchwork-Kosmos fällt langsam aber sicher alles an seinen Platz. Warum fühle ich mich dann also so? Wo kommen diese Zweifel und diese Unsicherheit her? Warum geht mir das alles und gehe ich mir selbst so auf den Sender? Und ist das überhaupt erlaubt? Und wie gehe ich damit um?

Jetzt ist das Ganze schon wieder ein paar Tage her. Und ein paar Mützen Schlaf und eine Handvoll positiver Erlebnisse und Gespräche mit den neuen Kolleg*innen später ist auch alles wieder gut irgendwie. Und trotzdem ließ mich in den letzten Tagen die Frage nicht so recht los, wie das denn zusammenpasst: Diese negativen Gefühle und meine eigentlich ja doch ganz positive Lebenssituation. Und dann fiel mir beim Ausmisten meiner virtuellen Ordner auf dem Arbeits-PC eine Präsentation in die Hände, die ich vor einiger Zeit mal im Unterricht verwendet habe. Thema: Das Salutogenese-Konzept.

Salutogenese – was ist das eigentlich?

An dieser Stelle muss ich vielleicht ein wenig ausholen. Das Salutogenese-Konzept ist ein grundlegendes Konstrukt zum Verständnis von Gesundheit und Krankheit. Vorläufer dieses Konzeptes war das Konzept der Pathogenese. Einfach ausgedrückt hat sich die Pathogenese beschäftigt mit der Frage: Wie und warum wird jemand krank? Und hat zwischen beiden Zuständen eine klare Grenze gezogen. Liegt Parameter x im Bereich y, bin ich gesund. Liegt er außerhalb, bin ich krank. Habe ich eine Diagnose, bin ich krank, habe ich keine, bin ich gesund. So weit, so einfach. Dummerweise passt das nicht so recht zu unser aller Lebenswelt. Weder ist es möglich, die Zustände „gesund“ und „krank“ immer und für alle so genau zu definieren, noch macht es Sinn, immer nur danach zu schauen, was einen krank macht.

So entstand das Modell der Salutogenese. Fortan war die entscheidende Frage nicht, „Was macht mich krank?“, sondern „Was macht oder hält mich gesund?“ Plötzlich war nicht mehr von Barrieren die Rede, die es abzubauen gelte, sondern von Ressourcen, die gefördert werden müssten. Ganz eingängig fand ich in diesem Zusammenhang immer die Metapher einer Ski-Piste. Die Pathogenese beschäftigt die Frage, warum ich mir bei der Abfahrt das Bein gebrochen habe und welche Faktoren und Hindernisse meinen Sturz verursachten. Die Salutogenese fragt, welche Faktoren denn verhindern können, dass ich überhaupt stürze und welche Ressourcen gestärkt werden können, damit ich alle Hindernisse meistere.

Unterscheidung Pathogenese - Salutogenese

Pathogenese

  • Frage: Was macht mich krank?
  • Im Mittelpunkt stehen Symptome und ihre Ursachen
  • Ziel: Krankheit behandeln, Schwächen abbauen

Salutogenese

  • Frage: Was macht und hält mich gesund?
  • Im Mittelpunkt stehen Ressourcen und Fähigkeiten
  • Ziel: Stärken fördern, Lebensqualität erhöhen

Quelle: Pexels.com / Angela Roma

Und noch ein wichtiger Aspekt steckt für mich in diesem “neuen” Konzept. Die Salutogenese unterscheidet nicht streng zwischen „gesund“ und „krank“. Sie spricht vielmehr von einem Kontinuum zwischen beiden Polen, auf dem sich jeder Mensch zeitlebens bewegt. Mal befindet er sich näher am Pol „Gesundheit“, mal am Pol „Krankheit“. Aber nie ganz am einen oder am anderen Ende des Kontinuums.

Und genau dieser Gedanke hat für mich etwas Tröstendes. Ja, ich kann körperlich fit sein, einen Job haben, der mich ernährt und der mir vielleicht sogar Spaß macht, ich kann in einem funktionierenden Umfeld leben – und trotzdem kann es mir mal schlecht gehen, kann mir alles zu viel sein, kann ich mich dem Leben mal nicht gewachsen fühlen. Denn letztlich heißt das nur, dass ich mich in genau diesem Moment eben mal eher ein bisschen weiter links auf dem Kontinuum befinde. Und dass ich nur die richtige Ressource finden muss, die mich wieder weiter nach rechts schiebt – anstatt mich nur damit zu beschäftigen, was mich denn da nach links gerückt hat.

Funktioniert das immer? Sicherlich nicht. Aber der Gedanke daran ist für mich schon einmal ein Anfang.