Naturheilmittel und Nahrungsergänzungsmittel
Leider gibt es noch kein Wundermittel gegen schwere Angsterkrankungen. Dennoch bietet die Naturheilkunde einige Wirkstoffe, die akute Angstsituationen lindern und positiv auf die Stressreaktion wirken können. Besonders bei leichten, vorübergehenden Störungen kann es sinnvoll sein, auf Naturheilmittel zurückzugreifen und diese mit anderen Maßnahmen zu ergänzen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch Naturheilmittel Neben- und Wechselwirkungen haben können. Die Kombination von frei verkäuflichen Mitteln ohne Rücksprache ist nicht empfohlen, denn hier gilt keinesfalls: Viel hilft viel. Besonders bei zentral wirksamen Medikamenten sind Wechselwirkungen möglich, und auch die gleichzeitige Einnahme von Alkohol ist zu vermeiden. Daher sollten Naturheilmittel immer in Absprache mit Ärzt:innen oder Heilpraktiker:innen eingenommen oder vorab mit Apotheker:innen besprochen werden. Sollten sich deine Symptome nicht bessern oder gar verschlimmern, ist ein erneuter Besuch bei einem Arzt oder einer Ärztin unvermeidbar.
Welche Pflanzen werden als wirkungsvoll eingestuft?
Lavendel
Der Echte oder Schmalblättrige Lavendel ist eine sehr alte Arzneipflanze und für seine entspannende Wirkung seit langem bekannt. Heute kommen vor allem Kapseln mit ätherischem Lavendelöl zur Anwendung. Die tägliche Einnahme von 80mg Lavendelöl wirkt angstlösend, antidepressiv, sedierend und krampflösend. In einer Studie war die angstlösende Wirkung der Lavendelölkapsel der von Benzodiazepin nicht unterlegen.
Hopfen
Hopfen wirkt beruhigend und kann den Schlaf verbessern. Das zeigen zumindest Experimente im Labor. Die Inhaltsstoffe der Hopfenzapfen greifen dabei an verschiedenen Andockstellen im Körper an, die den Schlaf-Wach-Rhythmus steuern. Es ist möglich, dass Hopfen einen ähnlichen Effekt wie das körpereigene Schlafhormon Melatonin hat. Es gibt bislang keine Studien, die ausschließlich mit Hopfen durchgeführt wurden. In den meisten Fällen wurden den Studienteilnehmer:innen eine Kombination aus Hopfen und Baldrian verabreicht. Die beiden Pflanzen haben unterschiedliche Angriffspunkte im Körper und ergänzen sich in ihrer schlaffördernden Wirkung. Eine Kombination dieser beiden Wirkstoffe ist daher sinnvoll.
Baldrian
Baldrian wirkt schlaffördernd. Es kommt unter der Einnahme von Zubereitungen aus der Baldrianwurzel weder zu Abhängigkeit noch zu Entzugserscheinungen. Die Einnahmedauer ist nicht limitiert. Der genaue Wirksamkeitsmechanismus ist noch nicht bekannt, man weiß aber, dass der Wirkstoff mit den GABA-, Benzodiazepin-, Barbituriat und Adenosinrezeptoren interagiert. Baldrian eignet sich sehr gut als Einschlaftee (2-3g) eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen.
Melisse
In der traditionellen Medizin werden Melissenblätter zur mentalen Stressreduktion und zur Linderung von Reizdarmsymptomen als Tee angewendet. Der Wirkstoff bindet u.a. an die GABA Rezeptoren im Gehirn. Melisse findet sich häufig in Kombipräparaten mit Hopfen, Baldrian, Lavendel und/oder Passionsblume.
Passionsblume
Die Passionsblume ist ebenfalls ein traditionell angewendetes Heilmittel bei nervösen Unruhezuständen. Sie wirkt milder als Baldrian und kann auch gut tagsüber eingenommen werden. Grundsätzlich gilt natürlich: Wenn du beruhigende Mittel einnimmst, sollst du nicht Auto fahren oder andere Tätigkeiten verrichten, bei denen eine erhöhte Aufmerksamkeit notwendig ist. Die Studienlage über die Wirksamkeit der Passionsblume ist nicht eindeutig. Da es Hinweise auf eine gute Wirksamkeit in verschiedenen Situationen gibt und die Pflanze nebenwirkungsarm ist, lohnt sich ein Versuch. Du kannst einen Tee versuchen oder auf eine Darreichungsform als Tropfen oder Tabletten zurückgreifen. Diese haben den Vorteil, dass die Wirkstoffdosierung genauer ist.
Adaptogene
Es klingt fast zu gut um wahr zu sein: Unter den Heilpflanzen existieren tatsächlich einige, die die Anpassungsfähigkeit des Körpers an bestimmte (Stress-)Situationen steigern, dabei auch bei langsfristiger Einnahme unschädlich sind, die Aufmerksamkeitsspanne, die geistige Leistungsfähigkeit und die Belastbarkeit erhöhen und Schäden durch belastende Faktoren zu vermeiden helfen. [5] Ihren Namen haben diese Adaptogene von dem lateinischen Wort adapto, also anpassen. Nicolai Lazarev prägte den Begriff Adaptogen bereits im Jahr 1958.
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA definierte 2008 vier Kriterien, die adaptogene Pflanzen erfüllen müssen:
- Sie müssen weitestgehend ungiftig für den Einnehmenden sein.
- Sie steigern die Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit gegen unerwünschte chemische, physikalische und biologische Einflüsse, zum Beispiel gegen Stress
- Sie sind in der Lage, die körperlichen Reaktionen (bspw. auf Stress) zu normalisieren, und zwar unabhängig von den Ursachen.
- Die Wirkungen eines Adaptogens sind umso größer, je ausgeprägter die Veränderungen im Organismus durch die (Stress-)reaktion sind.
Die EMA hat bisher 4 Heilpflanzen als adaptogen bezeichnet: Ginseng, Borstige Taigawurzel, Chinesisches Spaltkörbchen und Rosenwurz.
Ginseng (Panax Ginseng)
Ginseng wird schon seit Jahrtausenden sowohl in der traditionellen chinesischen als auch in der koreanischen Medizin als Heilmittel verwendet. Klinisch zeigen standardisierte Ginseng-Extrakte Wirkung zur Verbesserung des körperlichen Leistungsvermögens bei Müdigkeit, Schwäche- und Erschöpfungszuständen. Dabei wird das Immunsystem gestärkt und die geistige Leistungsfähigkeit unterstützt.
Borstige Taigawurzel (Eleutherococcus senticosus)
Die Taigawurzel gilt als belebend und den Blutzucker senkend.
Chinesisches Spaltkörbchen (Schisandra chinensis)
Die Früchte werden wegen ihrer heilenden Wirkung in der chinesischen Kräuterkunde schon seit langem eingesetzt. Ihr wird eine regenerierende und leistungsstärkende Wirkung zugeschrieben.
Rosenwurz
In Sibirien wird der Rosenwurz „Goldene Wurzel“ genannt, denn der Wurzelextrakt soll Erinnerungsvermögen, Konzentration und Aufnahmevermögen steigern. Zudem wird er bei Problemen mit Potenzstörungen angewandt. Rosenwurz findet seit langem medizinische Verwendung in russischen, baltischen und skandinavischen Ländern findet. Auch in anderen Ländern verbreitet sich die traditionell begründete oder volksheilkundliche Anwendung zur Steigerung der Leistungsfähigkeit und zum Stressabbau.
Mikronährstoffe
Wir nehmen im Idealfall die meisten Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente mit der Nahrung zu uns. Eine gesunde Ernährung besteht aus vielen pflanzlichen und wenig verarbeiteten Lebensmitteln.
Dennoch können bei der Nährstoffversorgung aus verschiedenen Gründen Lücken entstehen, in deren Folge es zu Mangelerscheinungen kommen kann. Diese können sich nicht nur körperlich, sondern auch psychisch bemerkbar machen. Wenn man grundsätzlich gesund ist, aber mit psychischen Unannehmlichkeiten wie nervöser Unruhe, Gereiztheit, übersteigerter Angst, Niedergeschlagenheit etc. zu kämpfen hat, lohnt sich ein Blick auf die Vitamin- und Mineralstoffversorgung. Bei einem Mangel, kann man diesen mit Nahrungsergänzungsmitteln ausgleichen. Bitte beachte, dass diese als Lebensmittel gelten und lediglich der Ergänzung von Versorgungslücken in der Ernährung dienen. Es sind keine Medikamente und sie werden nicht zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt. Bei guter Nährstoffversorgung durch die Nahrung ist eine zusätzliche Einnahme von entsprechenden Präparaten nur eine Geldverschwendung, im schlimmsten Fall kann es zu einer gefährlichen Überversorgung kommen.
Daher sollte vor der Einnahme stets eine Blutuntersuchung stehen.
Ein Mangel u.a. der folgenden Mikronährstoffe wurde mit Angststörungen in Verbindung gebracht.
Vitamin B
Es ist vor allem in tierischen Produkten (Vitamin B12 sogar ausschließlich in tierischen Produkten), Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten enthalten und kann somit auch geziehlt durch geeignete Lebensmittel aufgenommen werden.
Vitamin D
Größtenteils in der Haut gebildet, gilt bei Vitamin D die Voraussetzung, dass Sonnenlicht auf die Haut trifft. In den Wintermonaten ist in unseren Breiten die ausreichende Versorgung mit Sonnenlicht schwierig. Über die Nahrung kann Vitamin D schlecht zugeführt werden, Lieferanten sind fette Fische wie Lachs oder Hering. Für die Vitamin-D-Versorgung stehen Tropfen, Tabletten oder Kapseln zur Verfügung. Es gehört zu jenen Vitaminen, die keinesfalls überdosiert werden dürfen.
Magnesium
Es hilft bei der Energiegewinnung und bei der Proteinbildung und wird in jeder einzelnen unserer Zellen benötigt. Magnesium ist z.B. in Vollkornprodukten, Nüssen, Ölsaaten, Bananen und grünem Gemüse enthalten.
Zink
Dieses Spurenelement ist für den gesamten Stoffwechsel von großer Bedeutung. Es stärkt das Immunsystem, ist am Zellwachstum beteiligt und unterstützt Kinder und Jugendliche in der Wachstumsphase. Darüber hinaus trägt Zink entscheidend dazu bei, Nervensignale an den Synapsen zu regulieren. Dies sorgt dafür, dass der Körper Reflexe oder Befehle des Gehirns richtig verarbeitet. Nach den Erkenntnissen der Max-Planck-Forscher aus Frankfurt helfen Zink-Ionen, die Erregung von Neuronen zu hemmen, indem sie Glyzin-Rezeptoren an den Synapsen, den Verknüpfungsstellen der Nervenzellen, regulieren.
Zu den verhältnismäßig zinkreichen Lebensmitteln zählen Rind- und Schweinefleisch, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte. Obst, Kartoffeln und Kartoffelprodukte sowie Spargel haben dagegen geringere Gehalte.
Die Aminosäuren
Aminosäuren sind die Bausteine der Eiweiße (Proteine) im Körper. Proteine wiederum übernehmen eine Vielzahl von Körperfunktionen.
Und weil das noch nicht kompliziert genug ist, gibt es auch noch Aminosäuren, die nicht am Proteinaufbau beteiligt sind, wie z.B. GABA, L-Theanin und L-Thyroxin. Das L im Namen hat übrigens etwas mit der räumlichen Anordnung der Moleküle zu tun, es wird uns noch bei weiteren Aminosäuren begegnen.
Betrachten wir nun einige der Aminosäuren, die mit Angst und Stressreaktionen in Verbindung gebracht werden:
Tryptophan
Hierbei handelt es sich um eine essenzielle Aminosäure und die physiologische Vorstufe von Serotonin.
Sojabohnen, Cashewkerne, Käse (Parmesan, Emmentaler), Hühnchen, Eier, Bananen sind gute Lieferanten.
Bevor Tryptophan zu Serotonin umgewandelt wird, entsteht in unserem Körper der Eiweißbaustsein 5-HTP (Hydroxytryptophan). Dieser kann durch die Gabe eines Pflanzenextrakts aus der afrikanischen Schwarzbohne zugeführt werden.
L-Lysin und L-Arginin
Studien legen nahe, dass diese essentiellen Aminosäuren das Stresshormon Cortisol hemmen sollen und deshalb stressreduzierend wirken soll.
L-Lysin ist in z.B. in Thunfisch, Lachs, Schweine- und Hühnerfleisch, sowie in Sojabohnen, Linsen und Erbsen enthalten. L-Arginin kannst du über Kürbiskerne, Hülsenfrüchte, Nüsse und Fleisch aufnehmen.
L-Tyrosin
Eine nichtessentielle Aminosäure, die als natürliches Aufputschmittel beschrieben wird. Sie soll die Denkleistung und auch die Dopaminbildung fördern und Stress reduzieren. Dopamin zählt wie Serotonin zu unseren Glückshormonen.
Tyrosin ist unter anderem in Sojabohnen, weißen Bohnen, Fleisch, Käse (Gauda) enthalten.
GABA (Gamma-Aminobuttersäure)
Auf die große Rolle dieses Neurotransmitters, bei der Kontrolle von Angst und Stressreaktionen weist unter anderem der Artikel Pflanzenstoffe gegen die Angst -Naturheilkunde bei somatoformen Störungen hin. Es handelt sich um einen Botenstoff, der dafür sorgt, dass die Reize, die im Nervensystem ankommen, verlangsamt oder teilweise gar nicht weitertransportiert werden. GABA wirkt also gegen eine Überreizung, entspannt dadurch die Gedanken und sorgt für eine innere Ausgeglichenheit. GABA wird in der Bauchspeicheldrüse und im Gehirn aus Glutamat produziert wird.
Natürliche Quellen von GABA sind fermentierte Nahrungsmittel wie Kefir, Joghurt, Sauerkraut oder Miso. Nahrungsmittel, die bei der Produktion von GABA helfen sind u.a. Nüsse (z.B. Walnüsse), Käse (z.B. Parmesan), Eier und Tomaten.
L-Theanin
Vor allem in grünem und schwarzem Tee vorkommend, soll sie Stress und Angst reduzierend wirken, ohne dabei schläfrig zu machen.
Eine Anregung zum Schluss
Anstelle dem Körper stärkende oder ausgleichende Wirkstoffe zuzuführen, kann man versuchen, Stimulanzien wegzulassen. Stimulanzien sind Stoffe, die eine zeitlich begrenzte Leistungssteigerung bewirken, gefolgt von einer Zeitspanne mit verringerter Leistungsfähigkeit. Zu den verbreitetsten Stimulanzien gehört das Koffein. Koffein wirkt, indem es die Produktion von Adenosin hemmt, also dem Stoff, der für die natürliche Entspannung und Beruhigung in unserem Gehirn sorgt. Koffein ist in Kaffee, Tee, Energydrinks, Kakao und damit auch in Schokolade enthalten.
Wer seine Gehirnchemie positiv verändern will, ohne die Ernährung zu verändern, ohne Mittel einzunehmen oder Koffein wegzulassen, kann ein anderes wirksames Mittel nutzen: Bewegung und Sport!