Digitale Gesundheitsanwendungen (DIGA)

Wenn Angst das Leben bestimmt, fühlen sich viele Menschen machtlos. Neben Psychotherapie und medikamentöser Behandlung gibt es inzwischen eine weitere, wissenschaftlich fundierte Möglichkeit der Unterstützung: Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs). Als Apps auf Rezept werden die Kosten vollständig von der Krankenkasse übernommen.

Was ist eine DiGA und wie hilft sie bei Angst?

Digitale Gesundheitsanwendungen sind vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassene medizinische Apps oder Online-Programme, die von Ärzt:innen und Therapeut:innen auf Rezept verschrieben und von allen deutschen Krankenkassen erstattet werden. Sie unterstützen Menschen dabei, psychische oder körperliche Beschwerden aktiv zu bewältigen.
Sie werden von verschiedenen Herstellern entwickelt, die eng mit medizinischem und psychologischem Fachpersonal zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass sie den wissenschaftlichen Standards entsprechen und wirksam behandeln. DiGAs werden darüber hinaus in klinischen Studien auf ihre Wirksamkeit überprüft.
Im Bereich Angststörungen gibt es aktuell 7 verhaltenstherapeutische Anwendungen (siehe Tabelle unten), die bei der Bewältigung einer Panikstörung, Agoraphobie, Sozialen Phobie oder Generalisierte Angststörung helfen.

Sie beinhalten z. B.:

  • Psychoedukation durch verständliche Informationen über Angststörungen und ihre Mechanismen
  • Interaktive Übungen zur Angstkonfrontation- und Angstbewältigung
  • Alltagsbegleitung durch gezielte Aufgaben und Reflexionen

DiGAs sind jederzeit verfügbar und können eigenständig, zur Überbrückung von Wartezeiten, begleitend zur Therapie oder nach der Therapie als Nachsorge genutzt werden.

Welche DiGAs gibt es für Angst- und Panikstörungen?

Alle Anwendungen sind verhaltenstherapeutisch und ab 18 Jahren zugelassen. Nur invirto ist bis 65 Jahre eingeschränkt. Die Daten sind zusammengestellt aus dem offiziellen BfARM Verzeichnis.

Name der DIGAAnwendungsbereichBeschreibungWirksamkeit
HelloBetter Panik
(Webanwendung + Mobile App)
Agoraphobie mit Paniksstörung
Panikstörung
Funktionen:
Psychoedukation durch Texte, Videos und interaktiven Übungen
Anweisungen zu Konfrontationsübungen
Übungen zur kognitive Umstrukturierung
Entspannungsübungen
Tagebuch

Besonderheiten:
Kostenerstattung nur für Personen mit psychotherapeutischer Vorerfahrung
breites Angebot an zu behandelnden Störungen
Primär Web-Version, Mobile App enthält ausgewählte Aspekte der Web-Version

Sprachen: DE
Reduktion der Angstsymptome

(kleiner Effekt, d*=0.49)
InvirtoAgoraphobie mit Panikstörung
Agoraphobie ohne Panikstörung
Soziale Phobien
Panikstörung
Funktionen
Psychoedukation durch Texte und Videos
Virtual-Reality-gestütztes Konfrontationsübungen

Besonderheiten
nicht für Personen >65 Jahre erstattungsfähig
VR-Handy-Aufsatz

Sprachen: DE, EN
Reduktion der Angstsymptome

(mittlerer Effekt, d*=0.50 & 0.52)
MindableSoziale PhobieFunktionen:
Psychoedukation durch Texte, interaktive Übungen und personalisiertes Feedback
Aufmerksamkeitsübungen
Videofeedback
Übungen und Verhaltensexperimente im realen Leben – unterstützt durch die App
Wöchentliche Checkups

Besonderheiten:
Mit Autoren der führenden Behandlungsleitfäden entwickelt

Sprachen: DE, EN, FR
Reduktion der Angstsymptome
(großer Effekt, d*=1.04)

Steigerung Lebensqualität (kleiner Effekt, d*=0.35)
MindablePanik & AgoraphobieFunktionen:
Psychoedukation durch Videos, Texte und interaktive Übungen
In-App Übungen zur Reduktion von Paniksymptomen
Über 350 Konfrontationsübungen zur Durchführung im realen Leben – unterstützt durch Live-Angstaufzeichnungen in der App
Angsttagebuch
Wöchentliche Checkups

Besonderheiten:
Entwickelt mit Autor:innen des führenden Behandlungsleitfadens

Sprachen: DE, EN, FR
Reduktion der Angstsymptome
(mittlerer Effekt, d*=0.64- 0.7)

Steigerung Lebensqualität (großer Effekt, d*=1.03)

Reduktion der Einschränkungen im Alltag (mittlerer Effekt, d*=0.53)

nachgewiesen in 2 klinischen Studien
NovegoSoziale Phobien
Panikstörung
Agoraphobie mit Panikstörung
Agoraphobie ohne Panikstörung
Soziale Phobie
Spezifische (isolierte) Phobien
Funktionen:
Psychoedukation durch Texte und Videos
Übungsanleitungen, interaktive Übungen
Protokolle und Stimmungsbarometer

Besonderheiten:
Inhalte sind nach Abschluss des Programms für ein ganzes Jahr verfügbar

Sprachen: DE
Reduktion der Angstsymptome in ersten Studie (kleiner Effekt),
DiGA-Studie noch nicht abgeschlossen
Selfapys Online-Kurs bei Generalisierter Angststörung

(Webanwendung+ Mobile App)
Generalisierte AngststörungFunktionen:
Psychoedukation durch Videos und Texte
Anweisungen zu Übungen im Alltag
Transferaufgaben zur Übertragung der Strategien in den Alltag
Tagesprotokolle

Besonderheiten:
als App oder Web-Version verfügbar

Sprachen: DE
Reduktion der Angstsymptome (großer Effekt, d*=0.85)

Steigerung der Lebensqualität (mittlerer Effekt, d*=0.60)
VelibraPanikstörung
Agoraphobie ohne Panikstörung
Agoraphobie mit Panikstörung
Soziale Phobie
Generalisierte Angststörungen

Funktionen:
Psychoedukation als dynamischer Textdialog
Wöchentliche Checkups
situationsspezifische Übungen, Audios und Fallbeispiele

Besonderheiten:
transdiagnostischer Ansatz für alle Angststörungen statt diagnosespezifische Programme
aufeinander aufbauender Textdialog

Sprachen: DE, EN
Reduktion der Angstsymptome (kleiner Effekt, d*=0.47)


Reduzierung der therapiebedingten Aufwände und Belastungen (kleiner Effekt, d*=0.42)
DIGAs bei Angst lt. DIGA Verzeichnis des BFARM. Stand 25.4.2025

* Cohen’s d ist ein Standardmaß zur Vergleichbarkeit von Studienergebnisse. Je höher der Wert, desto größer der Effekt. Die Effektstärken werden wie folgt eingeteilt: kleiner Effekt: d < 0.5, mittlerer Effekt: d = 0.5 – 0.8, großer Effekt: d > 0.8.

Die DiGAs und ihre Unterschiede im Detail

Alle derzeit gelisteten DiGAs zur Behandlung von Angststörungen basieren auf wissenschaftlich anerkannten Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. Zentrale Bestandteile bei allen Apps sind Psychoedukation, Expositionstechniken sowie Methoden zur Selbstbeobachtung. Trotz dieser gemeinsamen Grundstruktur unterscheiden sich die DiGAs deutlich in Inhalt, Format und Anwendungstiefe.

Therapeutische Schwerpunkte

Bei Mindable: Panik & Agoraphobie sowie Mindable: Soziale Phobie steht die Exposition im Vordergrund – also das gezielte Aufsuchen angstbesetzter Situationen im Alltag. Invirto verfolgt einen ähnlichen expositionszentrierten Ansatz, nutzt dafür jedoch Virtual Reality: Die Konfrontation erfolgt mithilfe einer VR-Brille für das Smartphone in den eigenen vier Wänden.

HelloBetter Panik richtet sich gezielt an Menschen mit Panikstörung. Das Online-Programm wird von fiktiven Beispielpersonen begleitet und enthält ebenfalls Expositionsübungen. Selfapy legt in seinem Kurs für generalisierte Angst den Schwerpunkt auf Lernerfolge und Symptomverständnis und bietet zusätzlich ein Warnsystem bei Verschlechterung der Beschwerden.

Velibra verfolgt als einzige DiGA einen transdiagnostischen Ansatz und richtet sich damit diagnoseübergreifend an mehrere Angstformen gleichzeitig. Novego: Ängste überwinden deckt ebenfalls ein breites Spektrum ab, ist in der Nutzung jedoch etwas freier und weniger klar strukturiert als andere Programme.

Alle DiGAs sind in deutscher Sprache verfügbar. invirto, Mindable und velibra bieten auch eine englische Version an. Die Mindable-DiGAs können darüber hinaus auch in Französisch genutzt werden.

Art der Nutzung und Nutzerführung

Die DiGAs unterscheiden sich deutlich in ihrer technischen Umsetzung und Nutzerführung.

Die Mindable-DiGAs und invirto sind als Smartphone-Apps konzipiert und lassen sich gut in den Alltag integrieren. Invirto ist die einzige Anwendung, die mit Virtual-Reality-Technologie arbeitet. Für die Nutzung wird ein spezieller VR-Aufsatz für das Smartphone benötigt.

Velibra und Novego sind primär browserbasiert und werden über das Internet genutzt, während HelloBetter Panik und Selfapy sowohl als Webversion als auch teilweise über eine App verfügbar sind. Bei HelloBetter Panik ist jedoch zu beachten, dass die Kostenübernahme nur bei psychotherapeutischer Vorerfahrung erfolgt.

Auch die Nutzerführung unterscheidet sich: HelloBetter und Selfapy bieten eine psychologische Begleitung mit personalisiertem Feedback, jedoch ohne therapeutische oder diagnostische Maßnahmen. Die Mindable-Apps funktionieren vollständig selbstgeführt. Velibra arbeitet mit einem dynamischen Textdialog, der sich an die Antworten der Nutzer:innen anpasst. Novego setzt auf multimediale Inhalte und flexible Anwendungsmöglichkeiten.

Studienlage

Alle derzeit zugelassenen DiGAs zur Behandlung von Angststörungen wurden wissenschaftlich geprüft. Die Wirksamkeit wird dabei anhand sogenannter Effektstärken (Cohen’sd) gemessen:

Je höher der Wert, desto größer der Effekt. Die Effektstärken werden wie folgt eingeteilt: kleiner Effekt: d < 0.5, mittlerer Effekt: d = 0.5 – 0.8, großer Effekt: d > 0.8.

Vergleicht man die verschiedenen DiGA-Studien, sticht bei Panikstörung und Agoraphobie die DiGA Mindable: Panik & Agoraphobie klarhervor. In zwei klinischen Studien zeigten sich mittlere Effekte bei der Reduktion der Angstsymptome (d=0.64–0.70), eine starke Verbesserung der Lebensqualität (d=1.03) sowie spürbare Verbesserungen im Alltag (d=0.53). invirto erzielte mittlere Effekte bei der Angstreduktion (d=0.50–0.52). HelloBetter Panik wirkte mit kleinen bis mittleren Effekten auf die Symptomatik (d=0.49) und zeigte einen kleinen Effekt auf die Lebensqualität (d=0.35). velibra schnitt mit kleinen Effekten (d=0.47) am schlechtesten ab.

Bei Sozialer Phobie überzeugt Mindable: Soziale Phobie und erzielte Ergebnisse mit einer großen Effektstärke (d=1.04). Bei Novego und velibra zeigten sich in Studien eher kleinere-mittlere Effekte (d=0.47).

Im Bereich der Generalisierten Angststörung überzeugt Selfapy mit einer großen Effektstärke bei der Symptomreduktion (d=0.85), einer mittleren Verbesserung der Lebensqualität (d=0.60) und einer leichten Reduktion therapiebedingter Belastungen (d=0.42). Auch velibra kann bei Generalisierter Angst unterstützend wirken.

Spezifische Phobien, etwa vor Tieren oder Spritzen, werden vorrangig im Novego-Programm abgedeckt. Die App punktet mit breiten Inhalten und multimedialer Aufbereitung und zeigte bislang moderate Effekte in einer ersten Studie. Die DiGA-Studie ist hier allerdings noch nicht abgeschlossen.

Insgesamt erfüllen alle im DiGA-Verzeichnis gelisteten Anwendungen die gesetzlichen Anforderungen an Wirksamkeit und Sicherheit. Besonders starke Effekte wurden bislang für spezialisierte Programme wie Mindable und Selfapy nachgewiesen. Dennoch können auch andere Angebote – je nach persönlicher Situation, Vorlieben und Anwendungsbereitschaft – wertvolle Unterstützung bieten. Entscheidend für den Therapieerfolg ist vor allem, dass die App regelmäßig und aktiv genutzt wird.

 Wie bekomme ich eine DIGA?

Um eine zugelassene digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) zur Unterstützung bei Angst- und Panikstörungen zu erhalten, stehen mehrere Wege zur Verfügung:

  1. Verschreibung durch Ärzt:innen und Therapeut:innen:
    1. Ärzt:innen und psychologische Psychotherapeut:innen können ihren Patient:innen eine beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistete DiGA verschreiben. Das Rezept muss anschließend bei der Krankenkasse eingereicht werden, die anschließend einen Freischaltcode zur jeweiligen DiGA ausstellt.
  2. Direkter Zugang über die Krankenkasse:
    1. Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung haben Anspruch auf Erstattung für bestimmte DiGA, sofern sie eine medizinische Indikation nachweisen können. In diesem Fall kannst du dich direkt an deine Krankenkasse wenden und nach dem Freischaltcode für die gewünschte DiGA fragen.
  3. Videosprechstunde:
    1. Ein weiterer Weg ist die Nutzung von Videosprechstunden-Anbietern. Betroffene können eine entsprechende DiGA-Verordnung erhalten, ohne das Haus verlassen zu müssen. Bekannte Anbieter sind beispielsweise: TeleClinic, AVI-Medical oder Meliva.[SV1] 

Bevor du eine DiGA nutzt, ist es ratsam, dich von einer Psychotherapeut:in oder Ärzt:in beraten zu lassen, um sicherzustellen, dass die gewählte App für deine individuellen Bedürfnisse geeignet ist.

Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, dass nicht alle verfügbaren Apps als DiGA zugelassen sind. Es ist daher ratsam, die Ratschläge deiner Ärzt:in oder Therapeut:in zu befolgen und eine geprüfte DiGA zu wählen, um sicherzustellen, dass du die bestmögliche Unterstützung erhältst.

Qualitätskriterien für DIGAs

Digitale Gesundheitsanwendungen (DIGAs) müssen strenge Qualitätskriterien erfüllen, bevor sie von Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen verschrieben und von den Krankenkassen erstattet werden können. Der Genehmigungsprozess für DiGAs wird in Deutschland vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) überwacht. Das BfArM prüft, ob DiGAs die Qualitätskriterien erfüllen und sicher und wirksam sind. Wenn eine DiGA diesen Anforderungen entspricht, wird sie in das Verzeichnis erstattungsfähiger digitaler Gesundheitsanwendungen aufgenommen.
Folgende Kriterien müssen DIGAs im Allgemeinen erfüllen:

  1. Medizinischer Nutzen:
    DuGAs müssen einen nachgewiesenen medizinischen Nutzen haben und zur Behandlung, Linderung oder Prävention bestimmter Gesundheitsprobleme beitragen.
  2. Datenschutz und -sicherheit:
    Die Sicherheit und der Schutz persönlicher Gesundheitsdaten sind von höchster Bedeutung. DiGAs müssen strenge Datenschutz- und Sicherheitsstandards einhalten.
  3. Benutzerfreundlichkeit:
    DiGAs sollten leicht verständlich und benutzerfreundlich sein, damit Menschen sie ohne Schwierigkeiten nutzen können.
  4. Evidenzbasierte Inhalte:
    Die in DiGAs bereitgestellten Informationen und Interventionen sollten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und medizinischen Leitlinien basieren.
  5. Kontinuierliche Aktualisierung:
    Entwickler müssen sicherstellen, dass DiGAs regelmäßig aktualisiert werden, um den aktuellen medizinischen Erkenntnissen und Best Practices zu entsprechen.

ACHTUNG: Es ist wichtig zu beachten, dass DiGAs als Ergänzung zur herkömmlichen Gesundheitsversorgung dienen und keinesfalls die Konsultation einer Arzt:in oder Psychotherapeut:in ersetzen. Die DiGAs bieten wertvolle Unterstützung und Ressourcen, um bei der Bewältigung deiner Angststörung zu helfen, aber eine professionelle medizinische Betreuung bleibt entscheidend.

Alle aktuellen Informationen zu den verschiedenen zugelassenen DiGAs findest du hier: https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis