Panikstörung – die Angst aus dem Nichts
Eine Panikattacke ist Angst in ihrer wohl stärksten Ausprägung. Wie das Wort „Attacke“ ausdrückt, ist es ein „Überfall“ plötzlich hereinbrechender exzessiver Angst. Diese scheint wie aus dem Nichts heraus aufzutreten. Du kannst eine solche Attacke auf keine reale Gefahr zurückführen und hast daher das Gefühl, vom eigenen Körper verraten worden zu sein. Was es mit der panischen Angst auf sich hat und was man dagegen tun kannst, liest du hier.
Wie erkenne ich eine Panikattacke?
Von einer Panikattacke spricht man, wenn vier oder mehr der folgenden Symptome unerwartet (also nicht nach einem Marathon in der Wüste) auftreten und innerhalb von Minuten ihren Höhepunkt erreichen:
- Herzklopfen oder beschleunigter Herzschlag
- Schwitzen
- Zittern
- Mundtrockenheit
- Gefühl von Atemnot
- Erstickungsgefühle
- Beklemmungsgefühle
- Schmerzen in der Brust
- Übelkeit oder Magen-Darm-Beschwerden
- Schwindel, Gefühl von Unsicherheit, Benommenheit, Schwäche
- Depersonalisation oder Derealisation (Gefühl der Unwirklichkeit, Gefühl von Losgelöstsein)
- Angst, die Kontrolle zu verlieren oder verrückt zu werden
- Angst zu sterben (Todesangst)
- Taubheit oder Kribbelgefühle
- Hitzewallungen oder Kälteschauer
Dies sind nach der medizinischen Klassifikationsliste (ICD-10) die Kriterien für eine Panikattacke.
Wenn auf eine oder mehrere solcher Attacken für mindestens einen Monat lang die beständige Sorge vor weiteren Attacken besteht oder wenn du ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten entwickelst (z.B. das konsequente Meiden der Situation in der die erste Panikattacke aufgetreten ist), dann ist von einer Panikstörung auszugehen.
Panikattacken
Eine Panikattacke ist eine intensivse, anfallsartige Angst, die innerhalb von wenigen Minuten ihren Höhepunkt erreicht. Die durchschnittliche Dauer beträgt 15 Minuten. Selbst wenn sie in seltenen Fällen länger anhalten sollte, klingt jede Panikattacke von selbst wieder ab und ist – wenn auch sehr unangenehm – an sich kein gefährlicher Gesundheitszustand. Jeder siebte bis zehnte Mensch erlebt einmal im Leben eine Panikattacke. Eine einzelne Panikattacke ist damit nichts Krankhaftes. Erst wenn sie gehäuft auftreten, deutet dies auf eine Erkrankung hin.
Panikattacken können ein Symptom von psychischen Störungen (z.B. bei spezifischen Phobien, bei Posttraumatischer Belastungsstörung) sein. Sie können aber auch bei körperlichen Erkrankungen auftreten (wie Schilddrüsenerkrankungen, Herz-Kreislauf- oder Gehirnerkrankungen). Deshalb ist eine ärztliche Abklärung auf jeden Fall nötig.
Panikstörung
In den meisten Fällen sind wiederkehrende Panikattacken ein typisches Zeichen für eine Panikstörung. Panikattacken bei einer Panikstörung beginnen ganz plötzlich. Von den Betroffenen werden sie als „wie aus heiterem Himmel“, „wie aus dem Nichts“ beschrieben. Das unterscheidet sie von Panikattacken bei anderen Angsterkrankungen, die einen konkreten Auslöser (ein Tier, der Anblick von Blut, unheimliche Geräusche im Dunklen) haben. Panikattacken einer Panikstörung dagegen beginnen spontan, der Betroffene kann keinen äußeren Auslöser festmachen. Der eigene Körper scheint plötzlich verrückt zu spielen, seine normale Arbeit zu versagen. Nicht nur für Außenstehende, auch für die Betroffenen selbst erscheint die exzessive Angst wegen ihrer Unvermitteltheit und Unkontrollierbarkeit als irrational und nicht verständlich.
Vor zweieinhalb Jahren hatte ich den ersten Panikanfall. Er überraschte mich beim Autofahren auf der Landstraße: ein Beklemmungsgefühl, Herzschmerzen, Schwindel, eine irre Angst kam in mir auf. Ich war so erschrocken, dass ich hyperventilierte. Mein Gott, dachte ich, was ist bloß los? Sofort ging ich zum Arzt, aber der fand nichts.
Einige Tage später war es wieder da, wieder im Auto. Dann kamen diese Zustände immer häufiger: auf Reisen, auf der tägliche Fahrt zur Arbeit, im Büro. Es folgten Wochen furchtbarer Angst. Ich dachte, dass ich schwer krank bin, vor einem Herzinfarkt stehe oder einen Tumor im Kopf habe wegen des häufigen Schwindels. Ich klapperte alle Spezialisten ab: Nichts! Die Symptome verschwanden für einige Zeit, um danach noch heftiger zuzuschlagen: Wochenlang fast täglich Schwindelzustände, Benommenheit, Sehstörungen in mehr Lebenssituationen – in der U-Bahn, im Kino oder Restaurant, auf der Straße.
Tobias
Angst vor der Angst
Die körperlichen Symptome sind trotz ihrer kurzen Dauer so extrem, dass sie als tödliche Bedrohung erlebt werden. Bei der Panikstörung stehen wie bei keiner anderen Angststörung die körperlichen Symptome im Vordergrund und viele Betroffene vermuten zunächst, an einer körperlichen Krankheit zu leiden. Da die unerwartet ausbrechenden Angstsymptome auf keine reale Gefahr bezogen werden können, wird der Grund in einer Fehlfunktion des Körpers gesucht. Selbst dann, wenn ärztliche Untersuchungen diese Vermutung ausschließen, glauben viele Patienten den Ergebnissen nicht und möchten lieber weitere Untersuchungen bei anderen Ärzten, auch Doctor-Shopping genannt.
Doch auch, wenn sie eine psychische Diagnose anerkennen, bleiben Panikbetroffene äußerst sensibel für körperliche Veränderung aller Art. Jede scheinbare Abweichung vom Normalzustand wird als gefährlich (miss)interpretiert. So entwickelt sich eine beständige Angespanntheit, eine ängstliche Erwartung vor der nächsten Attacke. Dies nennt man Angst vor der Angst.
Folge dieser Angst vor der Angst ist Vermeidungsverhalten. Um ja keine Panikattacke zu provozieren, wird alles vermieden, was eine solche hervorrufen könnte, etwa körperliche Anstrengung oder Sport. Da die Betroffenen keine Ursache ihrer Panikattacken ausmachen können, wird oft die Situation, in der eine Panikattacke auftrat, als Auslöser fehlinterpretiert. Ist eine Attacke z.B. auf einem bestimmten Platz aufgetreten, wird dieser in Zukunft gemieden. Später werden auch die Straßen dorthin vermieden, dann alle ähnlich aussehenden Plätze, zuletzt alle Plätze und Orte, an denen eine mögliche Panikattacke besonders gefährlich wäre, weil z.B. keine Bänke zum Hinsetzen vorhanden sind. So schränken Panikbetroffene ihren Radius immer mehr ein und nicht wenige entwickeln zusätzlich eine Agoraphobie (ca. 60%) oder eine Depression.
Meine Todesängste und Phantasien wurden stärker. Wochenlang schlief ich nur bei Licht, hatte Angst vor Feuer im Haus, Einbrechern, konnte nichts lesen oder im Fernsehen anschauen, was mit Tod zu tun hatte. In allen fremden Gebäuden prüfte ich zuerst einmal den Fluchtweg. Ich mied Situationen, in denen mir schwindelig wurde: Keine Einkäufe mehr – Schlangestehen war ein Horror. Nur noch mit dem Taxi zur Arbeit – da war wenigstens jemand bei mir. Lange Spaziergänge, Bergtouren, Reisen – tabu, Flieger, Tunnel, Waldwege – alles machte mir Angst.
Ich zog mich vor Freunden zurück, verließ meine Wohnung kaum noch, denn nur dort ging der Schwindel weg. Ich verlor meine Selbstsicherheit, traute mir nichts mehr zu, war seelisch zermürbt, isoliert. Nur mit Mühe konnte ich meinem Job nachgehen.
Tobias
Ursachen der Panikstörung
Was genau bei einer Panikstörung im Körper abläuft, ist noch nicht völlig geklärt. Befunde weisen darauf hin, dass bei einer Panikattacke der Hirnstamm eine Alarmreaktion auslöst, obwohl kein hinreichender Grund dafür besteht. Eine Panikattacke ist also ein falscher Alarm.
Teufelskreis der Angst
Doch was löst einen solchen falschen Alarm auf körperlicher Ebene aus? Psychologische Erklärungen betonen vor allem den Teufelskreis der Angst. Dabei wird aufgrund einer falschen Gefahreneinschätzung die Panikattacke durch den Betroffenen erst selbst ausgelöst.
Das geschieht so: Unerwarteten körperlichen Empfindungen wird zunächst jeder Mensch seine Aufmerksamkeit zuwenden. Entweder finde ich selbst eine plausible Antwort oder ich erhalte spätestens mit dem Gang zum Arzt eine überzeugende Erklärung. Nicht jedoch Menschen mit einer Panikstörung. Diese leben seit ihrer ersten Attacke (und mit jeder weiteren immer stärker) in einem Zustand der ständigen ängstlichen Selbstbeobachtung. Registrieren sie eine körperliche Veränderung, selbst wenn sie harmlos ist (z.B. schnellerer Herzschlag, Schwindelgefühl), wird diese sofort mit erhöhter Intensität beobachtet. Einfache Erklärungen beruhigen sie nicht mehr, vielmehr steigern sie sich in die Idee hinein, dass dies Anzeichen einer ernsthaften Erkrankung sein könnten. Es werden also fälschlicherweise bestimmte Empfindungen als gefährlich, ja sogar als lebensgefährlich bewertet, die es nicht sind. Diese Gedanken und Befürchtungen führen zu Angst und damit zu körperlichen Angstsymptomen, die wiederum als gefährlich bewertet werden. So schaukelt sich die Angstspirale sehr schnell hoch und führt zu einer Panikattacke.
Unsicherheit gegenüber dem eigenen Körper
Doch was ist der Grund für das erstmalige Auftreten einer Panikattacke? Letztlich steht dahinter die Befürchtung, sich nicht auf den eigenen Körper verlassen zu können, der plötzlich „verrückt“ spielt. Die Gründe für diese Unsicherheit sind wohl weit in der Vergangenheit des Betroffenen zu suchen.
Falsche Lernerfahrungen: Wer als Kind Panikattacken bei anderen Menschen miterlebt hat und erfahren hat, wie „gefährlich“ diese sein können, lernt, dass es wichtig ist, auf Körpersymptome unbedingt zu achten.
Fehlende Sicherheit: Die Angst, dass der Körper nicht richtig funktioniert, kann eine Folge unzuverlässiger Versorgung in der Kindheit sein, mit der Folge, dass sich kein Sicherheitsgefühl und kein Vertrauen in den Körper aufbauen konnte.
Selbsthilfe
Was dir helfen kann, wenn du dich in einer Panikattacke befindest, erfährst du hier.