Waldbaden – Gesundheitsförderung und psychisches Gleichgewicht inmitten der Natur

Der Duft nach Tanne und Moos, pure frische Luft, sattes Grün, das Knacksen eines Astes, weicher Boden, Vogelgezwitscher, Ruhe von der Hektik des Alltags. Allein der Gedanke an einen Spaziergang im Wald verschafft uns schon Momente der Entspannung, lässt uns tief durchatmen. Doch woran liegt das und kann der Gesundheitstrend aus Asien tatsächlich zur Gesundheitsförderung und psychischen Ausgeglichenheit beitragen?

Waldbaden – was ist das eigentlich?

Das “Waldbaden” leitet sich vom japanischen “Shirin-yoku” ab und ist seit ein paar Jahren Komponente des koreanischen und japanischen Gesundheitssystems. Auch in Deutschland stößt der Trend auf Resonanz. Gezielt verbirgt sich hinter dem Begriff eine Art Erweiterung des klassischen Waldspaziergangs um die Komponente der Achtsamkeit. So kann ein Waldbad mit langsamem Laufen, mit Konzentration auf die Geräusche und Düfte des Walds einhergehen, mit einer Meditation im Wald verbunden werden oder mit verschlossenen Augen stattfinden. Es geht darum, sich voll und ganz auf die Natur einzulassen, seiner Intuition zu vertrauen, keinen Regeln und keinem Ziel zu folgen. Zur Ruhe zu kommen, die Hektik der heutigen Zeit für ein bis zwei Stunden hinter sich zu lassen.

Wissenschaftliche Belege zur Wirkung des Waldbadens

Evolutionsbiologisch ist der menschliche Körper auf die Natur ausgerichtet und eingestellt. Auf ein Leben in der Stadt, die vorwiegend sitzende Arbeit (gerade zu Corona-Zeiten im Home-Office) und die Tendenz zum dauerhaften Multitasking hingegen nicht. Da sich das Leben vieler Menschen heutzutage vorwiegend drinnen und mit wenig Bewegung gestaltet, ist es umso wichtiger als Ausgleich die Geschenke der Natur für sich zu nutzen. Mit der gesundheitsförderlichen Wirkkraft des Waldes setzt sich auch die Wissenschaft mit zunehmenden Interesse auseinander – mit für uns interessanten Ergebnissen.

Evidenzbasierte Wissenschaftsergebnisse zur protektiven Wirkung des Waldes auf den Menschen existieren seit 1984. Das Wissenschaftsmagazin Science konnte schon zu diesem Zeitpunkt einen Zusammenhang zwischen einer schnelleren Gesundung von Patient/-innen und dem Anblick von Bäumen aus dem Krankenhauszimmer heraus belegen.

Aktuellere Ergebnisse bringt beispielsweise der Wissenschaftler Dr. Yoshifumi Miyazaki der Chiba-Universität Japan im Rahmen seines Vortrags “Shirin-yoku and Home-Office” am 08.12.2020 (siehe Youtubevideo) auf dem Punkt. Hier ein paar Quintessenzen:

  • Hirnstrommessungen zeigen, dass Rosenduft die Hirnaktivität beruhigt.
  • Auch das Anschauen von Rosen und Pflanzen trägt zur Aktivierung des parasympathischen Nervensystems (zuständig für die Entspannung) bei.
  • Eine Stresslinderung ist bei der Berührung von unlackiertem, naturbelassenen Holz zu verzeichnen.
  • Der Aufenthalt in der Natur verringert depressive Symptome.
  • Dieselben Personen gingen einmal im Wald und einmal in der Stadt spazieren. Das Ergebnis: Der Waldspaziergang brachte im Vergleich zum Stadtspaziergang 1,5 Mal so viel Entspannung. Der Stresshormonspiegel (Messung durch Cortisol-Speichelproben) sank im Lauf des Spaziergangs ab. Bei Probanden mit einer Tendenz zu hohem Blutdruck kam es beim Waldspaziergang zu einer deutlichen Blutdrucksenkung, bei Probanden mit einer Tendenz zu einem niedrigen Blutdruck zur Erhöhung.
  • Bei Menschen, die unter intensivem Stress stehen, verdoppelt sich die entspannende Wirkung der Natur sogar.

Auch ein Beitrag vom Spiegel Wissenschaft aus dem Jahr 2019 verweist auf die gesundheitsförderlichen Aspekte des Waldbadens. Hierin spricht sich Hr. Michalsen (Chefarzt des Immanuel Krankenhauses in Berlin) für die positive Wirkung des Waldbadens auf das Immunsystem, das kardiovaskuläre System und den Parasympathikus aus.

Im NDR-Video “Ist der Wald Medizin?” vom 01.04.2020 wird dies bestätigt und ergänzt:

  • Im Grünen zu leben erhöht nach Forschungen die Lebenserwartung eines Menschen um durchschnittlich 7 Jahre.
  • Die bioaktiven Substanzen in der Waldluft wirken mit einer 90%ig geringeren Staubbelastung als in der Stadt positiv auf Körper und Psyche.
  • Der Körper bildet im Wald beispielsweise mehr Killerzellen gegen Krebserkrankungen, der Wald kann außerdem zum Schutz vor chronischen Krankheiten beitragen.

Wie kann ich Waldbaden im Alltag praktizieren?

Waldbaden kann individuell je nach Typ ausgelegt werden. Der eine kombiniert ein Waldbad bevorzugt mit spirituellen/ esoterischen Praktiken, wie dem Umarmen von Bäumen zum Krafttanken oder einer Meditation. Der andere profitiert eher von einem Achtsamkeitsspaziergang oder Joggen im Wald. Mal wieder barfuß zu laufen und zu balancieren ist auch einen Versuch wert. Fakt ist: Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Auch mit Kindern lohnt sich ein Ausflug in den Wald. Wenn kein Wald in der Nähe ist oder doch einmal die Zeit zu knapp sein sollte, können kleine Tricks im Alltag helfen, die Ruhe des Waldes in unsere eignen vier Wände zu holen, indem wir unsere Sinne anregen. Da die Farbe Grün im Gehirn zur Entspannung beiträgt, empfiehlt es sich beispielsweise, eine Pflanze an den Arbeitsplatz zu stellen oder sich einen Displayhintergrund mit Naturbildern einzurichten. Ätherische Öle unterstützen ebenso dabei, unseren Parasympathikus zu stimulieren und tragen zu guter Laune bei. Sich ein paar Minuten auf den Duft zu fokussieren, tief einzuatmen und dabei vielleicht noch Naturgeräusche im Hintergrund laufen zu haben hilft, Stress zu lindern und kostet uns nicht viel Zeit. Und wer die Möglichkeit hat, auch einmal ein richtiges Bad zu nehmen, kann im Wald Tannenzweige sammeln und sich nach Anleitung ein Bad mit natürlicher Tannenessenz zubereiten.

Die Angst im Wald zurücklassen

Es wird sich zeigen, inwieweit Waldbaden oder Naturtherapie in Zukunft auch in Deutschland Teil des Gesundheitssystems werden. Fest steht jedenfalls, dass eine positive Wirkung auf die Psyche bereits wissenschaftlich erwiesen ist. Als kleine Inspiration zum Abschluss des Artikels: Eine Methode des Waldbadens kann auch sein, Sorgen und Ängste symbolisch (zum Beispiel in Form eines Steines) im Wald zu lassen. Weitere Inspirationen finden Sie in den Quellen und Videotipps. Viel Spaß beim Stöbern und vor allem beim tief Durchatmen im Wald!

Videotipps: https://www.youtube.com/embed/MwYlFetE188?feature=oembed

https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Wissenswertes-rund-um-die-Heilkraft-des-Waldes,wald806.html (Video: “Ist der Wald Medizin?”)

https://www.spiegel.de/video/waldbaden-gesundheit-durch-shinrin-yoku-video-99027886.html

Weitere Quellen:

https://www.ndr.de/ratgeber/reise/Waldbaden-Den-Wald-mit-allen-Sinnen-erfahren,waldbaden116.html; https://www.rnd.de/familie/waldbaden-warum-wir-den-familienspaziergang-neu-erfinden-sollten-RHNRB4HXHRGYTMKCB7GBTVFSCY.html