„Authentische Gespräche auf Augenhöhe – die Online-Selbsthilfegruppe war ein echter Gamechanger für mich“

Wenn man Jule begegnet, würde man es vielleicht nicht sofort erahnen: 53 Jahre alt, sportlich, lebensfroh, Mutter zweier erwachsener Kinder, wohnhaft in München, mit einem abwechslungsreichen Alltag zwischen Familienleben, Tennis, Lesen, Sprachenlernen, Kochen und viel Zeit in der Natur. Doch hinter dieser kraftvollen Fassade verbirgt sich eine Geschichte, die viele Menschen teilen – aber nur wenige laut aussprechen: die Geschichte einer Angststörung.
„Ich habe viele Jahre gebraucht, um überhaupt zu verstehen, dass meine Ängste einen Namen haben. Dass sie nicht nur gelegentliche Tiefs waren, sondern ein lautes Alarmsignal meines Körpers“, erzählt Jule.

Wenn der Körper stoppt, weil die Seele nicht mehr kann

Während ihres Studiums in Berlin erlebte Jule ihre erste Panikattacke. Damals schob sie es auf Stress, überging die Warnzeichen – wie so viele. Die Angst kam dann in Stresssituationen immer wieder – in Wellen, leise und heimlich. Sie wurde schließlich zum Schatten, der überall mitging – auch zur Arbeit, wo sie sie einfach überspielte. Erst Jahre später, nach vielen negativen Erlebnissen im Schulsystem und einem schweren Burn-out, begriff sie langsam: Da ist etwas, das mehr ist als Stress.
Dann kam ein Tag im Februar letzten Jahres, der alles veränderte. „Von einem Tag auf den anderen ging nichts mehr. Ich konnte nicht mehr funktionieren, nicht mehr leisten. Es war, als hätte mein Körper einfach den Stecker gezogen.“ Heute weiß sie: Es war höchste Zeit, hinzusehen. „Ich wünschte, ich hätte das früher besser einordnen können. Die Angst war ein deutliches Signal, das mir etwas sagen wollte.“

Verstecken, schweigen, funktionieren

Die Angsterkrankung brachte Jule dazu, sich zurückzuziehen – von Freund*innenKolleg*innen, von ihrer eigenen Lebensfreude. „Ich habe Verabredungen abgesagt, Ausreden erfunden, mich abgeschottet. Selbst engen Freund*innen habe ich nicht gesagt, was los ist. Ich wusste es ja selbst kaum.“ Ihr Mann war eine große Stütze in dieser Zeit, aber die Unsicherheit war trotzdem fast immer mit an Bord. Auch gegenüber ihren Kindern war sie lange zurückhaltend. Sie erzählte von ihrem Burn-out, jedoch kaum Details. „Ich wollte nicht, dass sie sich Gedanken machen. Heute spreche ich mit ihnen sehr viel offener über das letzte Jahr.“ Einige ihrer Freundschaften zerbrachen in dieser Zeit, andere wurden stärker. Drei gute Freundinnen stehen bis heute fest an ihrer Seite.

Ein Zufall, der ihr Leben positiv veränderte

Dass Jule zur Online-Selbsthilfegruppe der Deutschen Angst-Hilfe e. V. fand, war ein glücklicher Zufall. „Ich war beim Arzt, und im Wartezimmer lag genau eine Zeitschrift – die von der DASH. Ich habe darin geblättert, mir einige Seiten abfotografiert. Und dann stieß ich auf der Webseite auf die Ankündigung zu den neuen Online-Selbsthilfegruppen. Es fühlte sich wie ein kleiner Wink an.“
Sie meldete sich an – und war direkt bei den ersten Gruppengründungen dabei. „Vor dem ersten Treffen war ich aufgeregt, aber auch skeptisch. Brauche ich das überhaupt? Bin ich nicht schon zu weit? Oder zu wenig betroffen? Aber ich habe mich dann sehr darauf gefreut.“

Ein Raum, der nicht bewertet, sondern auffängt

Was sie dann erlebte, war anders als alle Gespräche zuvor. „Schon beim ersten Treffen hatte ich das Gefühl: Hier verstehen mich Menschen. Nicht nur mit dem Kopf, sondern voll und ganz.“ Sie beschreibt die Atmosphäre als warm, wertschätzend, ehrlich und tief verbunden. „Obwohl wir alle unterschiedlich sind, sitzen wir im selben Boot. Es war das erste Mal, dass ich wirklich verstanden wurde – ohne erklären zu müssen, warum ich wie fühle.“
Ein besonders berührender Moment war für sie, als sie in einer der ersten Sitzungen darüber sprach, was sie aus Angst vermieden und dadurch auch verpasst hatte. „Das war traurig. Ich war sehr emotional. Aber die Gruppe hat super verständnisvoll reagiert. Es tat sehr gut, das alles Menschen zu erzählen, die meine Situation wirklich nachvollziehen können und denen es sehr ähnlich geht.“

„Wenn sie das kann, dann kann ich das vielleicht auch“

Mit jedem Treffen wuchs etwas in Jule, das sie lange vermisst hatte: Mut. Leichtigkeit. Zugehörigkeit. „Ich freue mich jede Woche darauf, die anderen zu sehen. Ich weiß: Wenn ich etwas Unschönes erlebt habe, dann kann ich es dort erzählen. Ich bin mit meinen – für nicht Betroffene oft nicht nachvollziehbaren – Themen nicht mehr allein.“ Der Austausch in der Gruppe motiviert sie, mutige Schritte zu gehen. „Wenn ich höre, dass jemand von den anderen etwas geschafft hat, dann denke ich: Das schaffe ich auch. Wir stärken uns gegenseitig.“ Jule merkt, dass sie sich wieder mehr zutraut, ihre Erfolge mit den anderen feiert – und liebevoller mit sich selbst umgeht.

Verständnis und Akzeptanz – online

Das Online-Format war für Jule ein echter Türöffner. „Wäre das eine Präsenzgruppe gewesen, hätte ich das Angebot zum damaligen Zeitpunkt gar nicht annehmen können: Der Weg dorthin, das Aushaltenmüssen vor Ort – das hätte meine Vorfreude auf null gesetzt.“ Online hingegen fühlt sie sich entspannt, unabhängig – und frei. „Auch wenn es mir mal nicht so gut geht, kann ich teilnehmen und bin trotzdem dabei.“

Für alle, die noch zögern: Macht den ersten Schritt!

Jule möchte alle Menschen ermutigen, die noch mit sich ringen, ob eine Selbsthilfegruppe das Richtige für sie sein könnte. Ihre Botschaft ist klar: „Geht hin. Wartet nicht. Macht die Erfahrung. Es tut gut, und ihr werdet sehen: Ihr seid nicht allein.“ Besonders geholfen haben ihr das ausführliche Infomaterial, der Infoabend und das behutsame Erstgespräch. „Ich habe mich jederzeit gut aufgehoben gefühlt. Dafür bin ich allen sehr dankbar, die dieses Format ermöglichen.“

Was sie heute anders sieht

Wenn sie heute zurückblickt, hätte sie sich eines früher gewünscht: „Zu wissen, dass ich nicht die Einzige bin. Dass es so viele gibt, denen es genauso geht. Und dass Selbsthilfe nicht nur ein Wort ist, sondern ein echter Weg, die eigene Selbstwirksamkeit zu stärken und wieder gesund zu werden.“

Und was möchte sie anderen mitgeben, die diesen Weg gerade erst beginnen?

Kein Gefühl bleibt für immer, und Heilung verläuft nie linear.
Jeder kleine Schritt ist ein Schritt in Richtung Freiheit.
Vergleiche dich nicht mit anderen – und auch nicht mit deinem früheren Ich.

„Ich wünsche mir, dass wir mutiger werden“

Zum Schluss hat Jule noch einen großen Wunsch:

„Ich wünsche mir, dass mehr Menschen den Mut finden, offen über Ängste zu sprechen. Dass sie sich aus der Anonymität wagen und dadurch erleben, dass es vielen Menschen ähnlich geht – und man gemeinsam viel mehr bewirken kann.“

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