BLLV über „Grau ist keine Farbe“
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband BLLV will
„Ernsthaft und tabufrei über Leistungsdruck und psychische Gefährdung nachdenken“
von Simone Fleischmann, Präsidentin des BLLV
Es gibt deutlich mehr junge Menschen mit Depressionen und Angststörungen als man gemeinhin glaubt. In der Schule fallen sie meistens lange nicht auf, weil sie ruhig und in-sich-gekehrt sind und nicht durch Stören und Regelverstöße auffallen. Sie gehen im hektischen Schulalltag buchstäblich unter. Erst bei langen Fehlzeiten oder emotionalen Zusammenbrüchen in der Schule werden Ausmaß der Störung und die oft lebensbedrohliche Dramatik einer Depression oder einer schweren Angststörung bewusst.
Als Lehrerin und Schulleiterin, die selbst immer wieder mit solchen Fällen konfrontiert war, weiß ich, dass neben einer möglichen genetischen Disposition zahlreiche Umwelteinflüsse eine Rolle spielen, die oft in der Familie liegen, aber auch in der Schule auftreten wie Mobbing oder zu hoher Leistungsdruck, oder durch die Schule verstärkt werden. Als Lehrerinnen und Lehrer müssen wir sensibel sein und immer wieder die persönliche Begegnung mit unseren Schülern suchen, um Anzeichen von Depression auch früh erkennen zu können. Wohlwollende, achtsame und wertschätzende Beziehungen sind eigentlich Grundlage des pädagogischen Arbeitens. Das ist an Grund- und Mittelschulen oft leichter als im Fächerunterricht des Gymnasiums und der Realschulen. Dennoch ist der Aufbau solcher positiver Beziehungen für alle Lehrerinnen und Lehrer aller Schularten wichtig. Er ist Teil der pädagogischen Profession.
Allerdings müssen wir auch gezielt und kritisch danach fragen, ob unsere Schule solche Beziehungen strukturell fördert oder doch eher behindert, ob Lehrerinnen und Lehrer von der Schulverwaltung für die Übernahme pädagogischer Aufgaben motiviert oder eher gebremst werden, wie Eltern zum Partner der Lehrerinnen und Lehrer werden und sich nicht als Oberaufsicht gerieren und wie Lehrerbildung stärker auf diese Problematik vorbereiten kann als bisher.
Lehrerinnen und Lehrer sind keine Psychotherapeuten, aber sie müssen empathisch und sensibel sein und ihr Verhalten auch in dieser Hinsicht reflektieren. Darüber hinaus aber brauchen wir in den Schulen multiprofessionelle Teams mit Kinder- und Jugendtherapeuten und Sozialpädagogen, die unterstützend helfen können.
Vor allem aber müssen wir uns auch fragen, ob das in der Schule vorherrschende Leistungssystem mit seinen Messinstrumenten solche psychischen Gefährdungen nicht letztlich auch verstärkt. Ich denke, es ist höchste Zeit, darüber ernsthaft und tabufrei nachzudenken.
Der Film „Grau ist keine Farbe“ ist ein großartiges Beispiel, wie junge Menschen äußerst sensibel und eindringlich die Dimensionen von Depression und Angststörungen junger Menschen darstellen. Er ist absolut sehenswert und wir als BLLV werden dafür werben, dass er in den Schulen eingesetzt wird.