Die Ängste der Deutschen unter der Lupe

Was die Deutschen im aktuellen Zeitgeschehen am meisten umtreibt untersucht die R+V Versicherung in ihrer Langzeitstudie “Die Ängste der Deutschen” seit nunmehr 29 Jahren. Im Zeitraum von Juni bis Juli 2020 wurden hierfür insgesamt 2.396 Personen ab 14 Jahren mittels Skalierungsfragen zu ihrer Angstintensität zu vorher ausgewählten gesellschaftsrelevanten Bereichen (Wirtschaft, Politik, Umwelt, Gesundheit u.a.) befragt. Der Fragenkatalog wurde 2020 durch Fragen zum Angstempfinden unter den Einflüssen von Corona ergänzt.

Die Corona-Pandemie ist nach wie vor omnipräsent und hat das Jahr 2020 auf allen gesellschaftlichen Ebenen massiv geprägt. Daher liegt es nahe, sich diesem Bereich der Ängste-Studie an erster Stelle zu widmen. In welchem Umfang die Angst vor schwerer Erkrankung (in diesem Jahr ergänzt durch Corona) die Befragten betrifft, geht aus nachstehender Grafik der R+V Versicherung hervor:

Das Diagramm zeigt auf, dass die Angst vor einer schwerwiegenden Infektion/ Corona mit zunehmenden Alter steigt. Während nur 21% der Befragten 14 – 19 – Jährigen Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus haben sind es im Personenkreis ab 60 Jahren mit 40% fast doppelt so viele. Auffallend ist zudem, dass ausschließlich im Alter ab 60 Jahren die Angst vor einer allgemein schweren Erkrankung mit 52% höher ist, als die vor einer Corona Infektion. In den Altersgruppen der Befragten unter 60 Jahren, steht die Angst vor Corona verglichen mit der Angst vor einer allgemein schweren Erkrankung.

Doch zählt die Angst vor Corona auch zu den primären Ängsten der Deutschen 2020? Welche Angst ist nach der Befragung unter den Deutschen am größten? Und wie haben sich Ängste über die letzten Jahre entwickelt? Antworten auf diese Fragen liefern die nachstehenden Grafiken der R+V Versicherung:

© R+V Versicherung

Die R+V Versicherung resümiert auf ihrer Homepage: “Donald Trumps Politik und wirtschaftliche Sorgen sind 2020 die Top-Themen der Deutschen. Die meisten Befragten befürchten, dass die Politik des US-Präsidenten die Welt gefährlicher macht”. Somit liegt die Angst der Deutschen vor einer Gefahr durch politische und ökonomische Entwicklungen deutlich vor der Angst vor Corona. Außerdem scheint die generelle Angst vor einer künftigen Zunahme an Pandemien die Deutschen mehr zu beschäftigen als die Sorge vor der eigenen Erkrankung innerhalb der spezifischen Corona-Pandemie.

Auffallend an den Ergebnissen der Befragung im Jahr 2020 ist, dass die Angst vor einer schwerwiegenden Erkrankung im Ranking der größten Ängste der Deutschen gerade einmal Platz 17 belegt. Verglichen mit dem Vorjahr liegt die Prozentzahl der Befragten, die bei den Gedanken an eine schwerwiegende Erkrankung/ Corona Angst empfinden, 2020 mit 32% sogar 3 Punkte weiter unten. Gestiegen sind unter den deutschen Bundesbürgern hingegen die Ängste vor Arbeitslosigkeit (von 28% im Vorjahr auf 40%), eine schlechtere Wirtschaftslage (von 35% auf 48%) und steigende Lebenskosten (von 43% auf 51%). Dies kann als Indiz gedeutet werden, dass die Hauptängste der Deutschen im Zusammenhang mit der Pandemie insbesondere wirtschaftlicher Natur sind.

Im Langzeitvergleich scheint die Angstintensität unter den Deutschen einen neuen Tiefstwert erreicht zu haben:

© R+V Versicherung

Dies könnte eine Folgeerscheinung der überdurchschnittlich hohen Lebenszufriedenheit der Deutschen in den Vorjahren sein. Forschungen für den “Glücksatlas 2020” der Deutschen Post (CATI Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach mit 4660 repräsentativ Befragten ab 16 Jahren, sowie die computergestützte Online-Befragung des Berliner
Meinungsforschungsinstitut Ipsos mit insgesamt 2000 Deutschen zwischen 18 und 65 Jahren, Zeitraum März bis Juni 2020) ergaben , dass das Glücksempfinden zwar unter den Einflüssen von Corona gesunken sei. Die Deutschen seien aber dennoch zuversichtlich in puncto Zukunft eingestellt. 80% der Befragten gaben außerdem an, erleichtert zu sein, während der Corona-Pandemie in Deutschland zu leben.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass sich beide Studien nicht mit pathologischen Ängsten auseinandersetzen. Die Ängste-Studie der R+V Versicherung zeigt vielmehr auf, dass Ängste generell ein Thema in Deutschland sind. Da sie eine Langzeitstudie ist, eignet sie sich gut, um in Zukunft eventuell Rückschlüsse zwischen dem generellen Angstempfinden der Deutschen und der Entwicklung pathologischer Angststörungen zu ziehen. Um dies umsetzen zu können, wäre es sinnvoll, die Forschung in den Bereich Angststörungen auszuweiten.

Quellen:

https://www.ruv.de/presse/aengste-der-deutschen; https://www.dpdhl.com/de/presse/specials/gluecksatlas.html