“Mama, wann darf ich endlich wieder in die Schule?”

Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass diese Frage heute unter zunehmend mehr Schülerinnen und Schülern hoch im Kurs steht? Wohl eher niemand. Mehr Ferien und Zeit zum Chillen hätten die Hitliste an Forderungen wohl eher angeführt. Heute ist das anders. In manchen Bundesländern herrscht inzwischen Wechselunterricht, in den meisten sind die Schulen für bestimmte Klassen wieder geöffnet, in ein paar Landkreisen sind die Schulen noch oder wieder geschlossen.

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Egal an welchem Ort, Eltern und deren Kinder und Jugendliche sind Lockdown-müde. Neuste Studien zeigen, dass gerade unsere jüngeren Generationen psychisch von den Corona-Maßnahmen beeinträchtigt werden. Damit möchten wir uns an dieser Stelle näher auseinandersetzen.

Insbesondere im zweiten Lockdown haben sich die Zahlen diagnostizierter psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen signifikant erhöht und dies stärker als unter den Erwachsenen. Ergebnisse einer Untersuchung des DPtVs (Deutscher Psychotherapeutenverband) zeigen, dass die wöchentlichen Patienten-Neuanfragen bei Erwachsenen im Januar 2020 im Schnitt bei 5,2 lagen. Im Januar diesen Jahres waren diese unter der Personengruppe der Erwachsenen mit 7,2 Neuanfragen schon deutlich erhöht. Unter der Gruppe der Kinder und Jugendlichen zeichnet sich der Trend in Richtung Psychotherapie-Bedarf noch deutlicher ab: Während im Januar des Vorjahres 3,7 Patienten-Neuanfragen pro Woche pro Therapeut gestellt wurden, hat sich die Zahl im Januar 2021 auf 5,9 Neuanfragen wöchentlich erhöht. Das entspricht einer Zunahme von rund 60%. Die Auslastung der Kinder- und Jugendpsychotherapeuten ist dementsprechend hoch, eine kurze Wartezeit auf einen Therapieplatz ist vielerorts utopisch.

Vor allem Angststörungen, Depressionen, Zwänge und Essstörungen haben unter den Einflüssen der Schutzmaßnahmen im Zuge der Covid-19-Pandemie zugenommen. Doch woran genau liegt die Zunahme des Bedarfs an Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen im Zuge der Corona-Pandemie und wie können Eltern gezielt unterstützen?

Von vornherein haben Kinder und Jugendliche in herausfordernden Lebenssituationen (z.B. wenn die Eltern sich gerade scheiden lassen, zu Hause viel Streit herrscht, das Zuhause keinen Schutzraum darstellt, die finanziellen Ressourcen knapp sind …) eine erhöhte Vulnerabilität für psychische Erkrankungen. Sie sind besonders gefährdet, unter den Corona-Maßnahmen psychisch zu erkranken, da sie ohnehin schon belastet sind. Bei dieser Gruppe ist die Wahrscheinlichkeit unter den Lockdown-Bedingungen auf Unterstützung in Form von Psychotherapie angewiesen zu sein, besonders erhöht.

Sofern Kinder und Jugendliche in einem stabilen, ressourcen- und gesundheitsfördernden Umfeld aufwachsen und generell gute Lebensbedingungen haben, sind sie im Grunde gut für Herausforderungen des Lebens gerüstet. Bricht nun durch die Corona-Maßnahmen die ein oder andere Ressource weg, kann aber auch ihre Resilienz ins Bröckeln kommen. Dr. Brigitte Contin-Waldvogel, Chefärztin und Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Psychiatrie Baselland merkt dazu an “Nur ein Belastungsfaktor reicht in der Regel nicht, um die psychologische Stabilität zu schwächen”. Nun, bringen die Corona-Maßnahmen jedoch mehr als nur einen Lebensbereich ins Schwanken:

Corona und die Auswirkungen der Pandemie werden nicht nur unter Erwachsenen als Bedrohung, die mit Ungewissheit einhergeht, erlebt. Besonders jüngere Kinder, die die Thematik kognitiv noch nicht erfassen können, werden durch die Maßnahmen verunsichert. Die mit dem Virus einhergehende Sorge, dass Familienmitglieder oder man selbst erkranken könnte, trägt maßgeblich zur Verstärkung bereits bestehender Ängste bei. Eine psychische Belastung der Kinder und Jugendlichen wird außerdem durch den Mangel an Tagesstruktur befördert. Der Stundenplan in der Schule, Hobbies und andere Freizeitmöglichkeiten, die Halt geben, sind pausiert und damit auch die alltägliche Routine der Schüler/-innen. Das Wegbrechen von sicherheitsvermittelnden Strukturen kann die kindliche Emotionsebene negativ beeinträchtigen und zu Verhaltensauffälligkeiten führen.

Eine weitere Kernthematik bringt Meike Hickmann in ihrem ZDF-Artikel vom 16.01.2021 in Anlehnung an Nachrichten der dpa auf den Punkt: “Ohne den Kontakt mit Gleichaltrigen entstehen häufiger Ängste und andere psychische Krankheiten bei Kinder und Jugendlichen”. Insbesondere der Verzicht auf Sozialkontakte sei für die Heranwachsenden besonders herausfordernd. Daher raten Fachleute, diesen -so gut es gehe- weiter aufrecht zu erhalten. Je nach Alter unterschiedlich intensiv einerseits in Form von einer Intensivierung des Kontaktes zu den Eltern. Eltern können unterstützen, indem Sie ihre Heranwachsenden altersangemessen aufklären und Hoffnung und Zuversicht vermitteln. Andererseits ist der Austausch zwischen den Freund/-innen via Sozialmedien unter den Lockdown-Bedingungen eine große Ressource der heutigen Zeit. Es sei wichtig, in Kontakt zu bleiben und -insofern es der Vernetzung dient- auch Mal ein Auge zuzudrücken, wenn das eigene Kind bzw. der oder die Jugendliche mehr Zeit in den sozialen Medien verbringt.

Wenn Eltern bei ihren Kindern und Jugendlichen Auffälligkeiten erkennen, ist es ratsam, sich frühzeitig Rat und Unterstützung zu suchen. Dies muss nicht direkt mit einer Psychotherapie einhergehen, sondern kann zunächst auch schon bedeuten, sich im Verwandten-/ oder Freundeskreis über die Thematik auszutauschen oder sich selbst zu Unterstützungsformen zu informieren.

Neben den Eltern kann auch die Schule die Resilienz der Kinder und Jugendlichen stützen und stärken: Während des Lockdowns durch regelmäßige Kontaktaufnahme zu den Schüler/-innen, der Ermutigung sich im erlaubten Rahmen zu treffen und genereller Aufklärung. Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der DPtV plädiert dafür nach einer Öffnung der Schulen nicht ausschließlich auf die Vermittlung weiterer Lerninhalte zu setzen: “Nach Corona darf der Fokus nicht nur auf dem versäumten Schulstoff liegen. Kinder müssen psychisch gestärkt werden und ausgiebig Zeit für Spiel, Sport, Kultur und soziale Interaktion erhalten, um die Monate eingeschränkter Kontakte auszugleichen”. So die Forderung des Bundesvorsitzenden.

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Zusammenfassend und auch in Bezug auf die unten genannten Quellen lässt sich insbesondere für Eltern festhalten:

  • Blieben Sie mit Ihrem Kind in Kontakt. Reden Sie offen über Sorgen und Ängste und klären Sie Ihre Kinder auf.
  • Motivieren Sie Ihr Kind, in Kontakt zu Schulkamerad/-innen zu bleiben.
  • Helfen oder motivieren Sie Ihre Kindern dabei einen Plan zu erstellen. Dieser soll neben schulischen Tätigkeiten auch Pausen und einen Ausgleich enthalten.
  • Gehen Sie an die frische Luft und betätigen sich (evtl. gemeinsam) sportlich.
  • Selbstfürsorge ist auch für Eltern gerade in solchen Zeiten das A und O. Bauen Sie auch für sich wohltuende Aktivitäten ein.

Gezielte Infos zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen unter den Corona-Maßnahmen finden Sie auf diesen Seiten:

Nützliche Informationen zu Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen im Allgemeinen gibt es hier:

Studien zum Thema mit vertiefenden Infos:

Weitere Quellen: