Meditation & Angststörungen
Neurowissenschaftliche Befunde zu funktionellen und strukturellen Veränderungen des Gehirns
von Antonia Koschnick
Beginne damit, einen ruhigen und bequemen Platz zu finden, an dem du für die folgende Meditation ungestört bist. Setze dich aufrecht hin, schließe deine Augen und atme tief ein, dann langsam wieder aus. Fühle, wie sich dein Körper bei jedem Einatmen mit frischer Energie füllt und bei jedem Ausatmen Anspannung und Stress loslässt. Entspanne deine Stirn, deine Augen, deine Wangen und deinen Kiefer. Lasse deine Schultern locker fallen, spüre, wie sich dein Nacken entspannt, und lasse diese Welle der Entspannung weiter durch deinen gesamten Körper fließen. Falls Gedanken, Gefühle oder Geräusche deine Aufmerksamkeit erregen, nimm sie einfach wahr und lasse sie dann sanft los, indem du deine
Aufmerksamkeit wieder auf deinen Atem zurücklenkst.

Mit diesen Sätzen beginnen die meisten geführten Meditationen. Es findet ein kurzes Grounding im Hier und Jetzt statt – das bedeutet, du kommst gedanklich in der Gegenwart an. Der Aufmerksamkeitsfokus wird auf die Atmung und Körperwahrnehmung gelenkt, und es wird dazu angeleitet, die Gedanken für den Moment loszulassen.
Doch was sind die neurowissenschaftlichen Effekte von Meditation, und stimmt es wirklich, dass Meditieren die Gehirnstruktur und -funktion verändern kann?
Beispiele für funktionelle Veränderungen durch Meditation
Laut aktuellen Studienergebnissen hat Meditation auf bestimmte Funktionen unseres Gehirns positive Auswirkungen. Funktionen sind dabei zum Beispiel Prozesse wie Aufmerksamkeit und Wahrnehmung. Durch regelmäßige Meditation kann die Fähigkeit zur fokussierten Aufmerksamkeit trainiert und verbessert werden. Dies wurde zum Beispiel bei Teilnehmenden eines mehrtägigen Meditations-Workshops im Vergleich zu einer Kontrollgruppe beobachtet: Teilnehmende hatten nach dem Retreat eine verbesserte überdauernde Aufmerksamkeit (Vigilanz) und visuelle Aufmerksamkeit, das heißt, sie konnten ihre Umgebung besser im Blick behalten und auf Details achten. Auch die Leistung in Wahrnehmungsaufgaben, welche die Verarbeitung von Gesehenem und Gehörtem betreffen, verbesserte sich. Dieser Unterschied zwischen den Teilnehmenden und der Kontrollgruppe war auch in einer Nachuntersuchung drei Monate später noch vorhanden.
Meditation kann zudem die Vorhersageleistung des Gehirns beeinflussen. Unser Gehirn trifft ständig Vorhersagen über zukünftige Situationen, basierend auf Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit gemacht haben. Diese Vorhersagen helfen uns im Alltag, können aber auch hinderlich sein, besonders bei Angststörungen. Meditation unterstützt uns dabei, uns stärker auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, wodurch wir antizipatorische Prozesse (also das Vorwegnehmen von Situationen) reduzieren können. So kann die Aktivität in bestimmten Hirnregionen, die für diese vorausschauende Verarbeitung zuständig sind, verringert werden. Das bedeutet, dass wir vergangene, möglicherweise negative Erfahrungen besser von der aktuellen Realität trennen können.

Beispiele für strukturelle Veränderungen durch Meditation
Das Gehirn ist in graue und weiße Substanz gegliedert, wobei die graue Substanz aus Nervenzellkörpern besteht. In Gruppenvergleichen konnte mittels Magnetresonanztomographie (einem Verfahren zur Darstellung von Strukturen und Prozessen im Körper) gezeigt werden, dass die Dichte der grauen Substanz des Gehirns durch regelmäßiges Meditieren zunimmt. Diese Befunde zeigten sich insbesondere in der Insula, einer Hirnregion, die mit Achtsamkeit für das eigene Körperempfinden und innere Prozesse sowie mit subjektiver Schmerzwahrnehmung im Zusammenhang steht. Der Befund könnte darauf hinweisen, dass sich sowohl die Körperwahrnehmung als auch der Umgang mit Emotionen und Schmerzen verbessern.
Außerdem nahm die Stärke der Großhirnrinde, die das gesamte Gehirn umgibt, im anterioren Cingulum zu. Das anteriore Cingulum ist ein Bereich, der mit adaptiver Verhaltenskontrolle im Zusammenhang steht, also unserer Fähigkeit, unser Verhalten flexibel anzupassen. Ein ähnlicher Befund zeigte sich auch für den somatosensorischen Cortex, einen Bereich, der für die Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen und deren Weiterleitung in andere Gehirnareale zuständig ist.
Ein weiterer interessanter Zusammenhang, der mehrfach publiziert wurde, ist die Abnahme der Aktivität des sogenannten Default-Mode-Netzwerks (DMN). Unser Gehirn ist in verschiedenen Netzwerken organisiert, die jeweils aus der Zusammenarbeit mehrerer, teilweise weit auseinander liegender Hirnareale bestehen und bestimmte Funktionen erfüllen. Das DMN, zu dem unter anderem der posteriore cinguläre Cortex und der mediale präfrontale Cortex gehören, steht im Zusammenhang mit der Verarbeitung und Bewertung selbstbezogener Informationen, sozialen Kompetenzen und dem Umherschweifen von Gedanken, wie zum Beispiel Grübeln. Bei Angststörungen und Depressionen ist dieses Netzwerk oft überaktiv, was bedeutet, dass es mehr arbeitet als notwendig. Studien haben gezeigt, dass die Aktivität des DMN während des Meditierens signifikant verringert werden kann und dass bei einer regelmäßigen Achtsamkeitspraxis somit auch im Alltag weniger Grübelgedanken auftreten.
Vorteile von Meditation bei Angststörungen
Meditation kann nachweislich die Kernsymptome von Angstzuständen, Depressionen, Sucht und Aufmerksamkeitsstörungen lindern. Durch die in der Meditation geübte Achtsamkeit – also das bewusste Wahrnehmen des gegenwärtigen Moments – wird ein besserer Umgang mit negativen Gedanken ermöglicht. Dies führt zu einer verbesserten emotionalen Selbstregulation, also der Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu steuern, und einer Reduzierung automatisierter Verhaltensweisen wie Flucht oder Vermeidung. Meditation fördert auch die Metakognition – die Fähigkeit, über die eigenen Gedanken nachzudenken –, was ebenfalls den Umgang mit Angstgedanken verbessern kann. Eine regelmäßige Praxis verringert Grübeln und hinderliche Denkweisen, während sie die Selbstakzeptanz und ein stabiles Selbstbild stärkt. Darüber hinaus kann regelmäßiges Meditieren den physiologischen Erregungszustand senken, indem die Herz- und Atemfrequenz verringert und die Atmung vertieft wird, was Panikattacken präventiv entgegenwirken kann.
Fazit
Meditation ist eine effektive Methode zur Selbsthilfe bei Angst, die sich leicht zu Hause anwenden lässt und positive Effekte auf die geistige und körperliche Gesundheit haben kann. Allerdings ist es, wie bei vielen Methoden der Selbsthilfe so, dass Meditieren nicht für jeden geeignet ist und nicht bei jedem im gleichen Maße funktioniert. Insbesondere bei schwerer psychischer Erkrankung sollte Vorsicht geboten sein, welche Empfindungen das Meditieren auslöst und Versuche der Selbsthilfe sollten dann zusätzlich von einem professionellen, therapeutischen Prozess begleitet sein. Es gibt auch die Möglichkeit in einem Meditationskurs die ersten Erfahrungen mit der Methode unter professioneller Anleitung zu machen.
Die Neurowissenschaft zeigt in ersten, vielversprechenden Studien, dass achtsamkeitsbasierte Interventionen, wie das Meditieren, sowohl funktionelle als auch strukturelle Veränderungen im Gehirn bewirken können. Dennoch sind viele neurophysiologische Prozesse und die langfristigen Auswirkungen auf das Gehirn noch nicht vollständig verstanden und werden weiterhin erforscht.
Quellenverzeichnis:
- https://www.frontiersin.org/journals/humanneuroscience/articles/10.3389/fnhum.2011.00017/full
- https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S014976342100261X
- https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0361923023001910
- https://www.annualreviews.org/content/journals/10.1146/annurev-psych-042716-051139#right-ref-B66
- https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0361923010000614?via%3Dihub
- https://www.esanum.de/feeds/work-life/posts/meditation-klinische-studie

Antonia Koschnick
Psychologin (M. Sc.)Schwerpunkte: Neuropsychologie, Erste Hilfe bei psychischen Erkrankungen (MHFA), Autismus-Therapie, Coaching zur Selbsthilfe und Prävention psychischer Erkrankungen