Tropfen vom Meer

Fotoprojekt und Text von Lilli Weinstein

Angst in Form von Sozialer Phobie ist, so lang ich mich erinnern kann, mein ständiger Begleiter. Mal macht sie mir mehr zu schaffen und mal weniger. Manchmal ist sie nur ein Gedanke, den ich mir wie einen Regentropfen von der Stirn wischen kann, manchmal überrollt sie mich und bricht mit atemberaubender Kraft über mir zusammen. Das erste Mal habe ich mir erst 2017 professionelle Hilfe gesucht, kurz nachdem ich mein Fotografie-Studium an einer bekannten Kunstakademie in Den Haag angetreten bin.

In ein fremdes Land zu ziehen war damals eine große Herausforderung. Ebenso das Zurechtkommen in der Kunstwelt, wo es nur so von exzentrischen, expressiven, schrillen Charakteren zu wimmeln scheint. Die Idee, mich als Fotografin einfach hinter der Kamera zu verstecken und zu beobachten, ist auch gar nicht so zutreffend: ich fühle mich beim Fotografieren oft sehr sichtbar und es kostet mich viel Mut, auf Menschen zuzugehen und sie um ein Portrait zu bitten. Die oft intimen und unerwarteten Momente, die ich als Geschenk zurückbekomme, sind dafür umso wertvoller.

Inzwischen studiere ich in meinem letzten Jahr und für eines meiner Abschlussprojekte habe ich mich in Zusammenarbeit mit der DASH mit der visuellen Repräsentation von Angststörungen auseinandergesetzt. Oft werden Betroffene, wenn sie in Dokumentationen oder Artikeln über ihre Angst sprechen, oft nur von hinten gezeigt oder mit anderen Tricks unkenntlich gemacht werden. Das ist natürlich verständlich, da es viel Mut und Überwindung braucht, um sich im Kontext seiner Angst zu zeigen. Aber das Bild, das dadurch entsteht, ist problematisch und erinnert schon fast an Kriminelle.

Darum habe ich beschlossen, durch offene Portraits der Angst ein neues, empathisches Gesicht zu geben, ohne Betroffene bloßzustellen. Man muss sich nicht schämen und kann oft sogar eine inspirierende Kraft hinter all dem Grausamen erkennen. Im vergangenen Monat habe ich einige Menschen, die von Angststörungen betroffen sind, treffen und fotografieren dürfen. Ich hatte schöne und berührende Begegnungen und bin so dankbar für das Gefühl von Offenheit und Verbundenheit, das ich erfahren durfte. Ich hoffe damit dazu beizutragen, ein neues Portrait der Angst zu malen.

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