Die medikamentöse Therapie

Bei der medikamentösen bzw. pharmakologische Behandlung von Angststörungen werden kurzfristig Beruhigungsmittel eingesetzt. Dabei sollte bei der Dosierung darauf geachtet werden, daß die Dosis nur langsam gesteigert und ebenso stufenweise abgesetzt wird. Bei Langzeitbehandlung besteht das Risiko einer Abhängigkeit. Wegen ihrer beruhigenden Wirkung werden bei der Behandlung von Angststörungen auch Antidepressiva verschrieben. Insbesondere Patienten, die unter phobischen Störungen leiden, werden manchmal mit Betablockern behandelt, die dazu führen, daß psychische und körperliche Symptome nicht mehr so eng miteinander verbunden sind. Es können allerdings Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen, Hautallergien und depressive Verstimmungen auftreten.

Für welche Patienten mit welchen Angststörungen die Einnahme von Medikamenten über eine Psychotherapie hinaus sinnvoll ist, erklärt Experte Prof. Dr. Michael Kellner, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Leiter der Hochschul- und Institutsambulanz im Klinikum Rechts der Isar, in München, sowie renommierter Angst- und Stressforscher.

Unter welchen Voraussetzungen macht eine medikamentöse Behandlung von Angststörungen Sinn?

Grundsätzlich sollte zunächst eine psychotherapeutische (vorzugsweise verhaltenstherapeutische) Behandlung angestrebt werden. Wenn diese keine hinreichenden Erfolge zeigt, oder nicht, bzw. erst nach langen Wartezeiten möglich ist, sollte eine medikamentöse Behandlung erfolgen. Dies gilt auch, wenn z. B. durch eine begleitende schwere Depression oder durch schwere Schlafstörungen eine Psychotherapie, welche Anforderungen an Konzentration, Denken und Lernen stellt, in ihren Erfolgsaussichten vermindert ist. Eine alleinige medikamentöse Behandlung ist zwar akut ähnlich gut wirksam wie eine Psychotherapie, zeigt sogar oft die schnelleren Erfolge, allerdings haben im längeren Verlauf kombiniert behandelte Patienten eine größere Chance, die Medikamentem,ohne Wiederkehr der Symptome wieder absetzen zu können.

Was sind die nächsten sinnvollen Schritte?

Psychiater sind die Experten für eine medikamentöse Behandlung von Angststörungen. Suchen Sie einen Kollegen mit dieser Facharztbezeichnung auf und schildern ihm Ihre Symptomatik. Er wird Ihnen geeignete Präparate nennen und Sie über Chancen und Risiken ausführlich aufklären. Auch manche erfahrenen Allgemeinmediziner kennen sich gut mit Psychopharmaka aus. 

Gibt es auch Gründe, die gegen eine medikamentöse Behandlung von Angststörungen sprechen? Wenn ja, welche?

Wenn zeitnah eine geeignete Psychotherapie begonnen werden kann und diese wirkt, braucht es in der Regel keine Medikamente. Bei der Behandlung von Angststörungen sind grundsätzlich zwei Gruppen von Psychopharmaka zu unterscheiden: Antidepressiva, die langfristig wirken, und Benzodiazepine (auch Tranquilizer genannt), die ihre Wirkung sofort entfalten. Normalerweise werden Angststörungen mit geeigneten Antidepressiva behandelt, die nicht abhängig machen. Zu beachten ist aber, dass die Wirkung bei Antidepressiva meist mehrere Wochen Zeit braucht.
Sollten Nebenwirkungen auftreten, besprechen Sie diese mit Ihrem Arzt und setzen nicht selbständig die Medikation ab. Oft lassen die Nebenwirkungen im weiteren Verlauf nach und sind zwar lästig, aber meistens nicht gefährlich. Eine Behandlung mit Benzodiazepinen hingegen sollte nur nach reiflicher Überlegung in Ausnahmefällen längerfristig erfolgen, da eine Abhängigkeitsgefährdung besteht.

Können Medikamente eine Psychotherapie ersetzen und umgekehrt?

Dies gilt durchaus bei einem Teil der Patienten. Allerdings haben psychotherapeutisch behandelte Patienten eine größere Chance, im weiteren Verlauf beim und nach dem Absetzen der Medikation symptomfrei oder –arm zu bleiben.

Ist die Kombination von medikamentöser Behandlung und
Psychotherapie ratsam?

Nicht generell im Sinne von „viel hilft viel“. Eine Kombination ist zumindest nach aktueller Studienlage nicht schlechter als die Einzelverfahren. Nur bei begleitenden schweren Depressionen muss auch medikamentös behandelt werden, hier wirkt Psychotherapie nicht alleine.

Wie lange sollte eine medikamentöse Behandlung i.d.R. erfolgen?

Zunächst muss festgestellt werden, ob die Medikation überhaupt wirkt. Bei Angstpatienten brauchen Antidepressiva dafür meist etwas länger als bei Depressiven, d. h. etwa 4-10 Wochen (je nach Störungsbild). Bei Wirksamkeit folgt dann eine Erhaltungsphase, die nicht zu kurz bemessen werden sollte, etwa ein Jahr. Danach kann über Monate ein vorsichtiges und langsames (!) Ausschleichen erfolgen, bei dem ausprobiert wird, ob der Erfolg auch mit weniger, bzw. ohne Medikament stabil bleibt. Einzelne Patienten benötigen jahrelange medikamentöse Dauertherapiezeiten, was aus medizinischer Sicht kein Problem darstellt.

Wie kann ich erkennen, dass die weitere Einnahme von Medikamenten nicht mehr erforderlich ist?

Wenn nach dem langsamen Absetzen die Besserung langfristig stabil bleibt, braucht es keine weitere Medikation. Sollten wieder Symptome auftreten, besprechen Sie bitte mit Ihrem Arzt, ob ein Wiederansetzen sinnvoll ist.