Flugangst

Jede:r dritte Deutsche fühlt sich beim Fliegen nicht wohl. Die Anzeichen einer Flugangst reichen von Unbehagen, über panische Angst bis hin zur totalen Vermeidung. Doch wer an Flugangst leidet, muss sich diesem Handicap keineswegs ergeben. Du kannst lernen mit der Phobie umzugehen.

Wer hat Flugangst?

Angenommen, man würde dich fragen, warum du nie fliegst, antwortest du dann „Weil es am Flughafen keine Parkplätze gibt“ oder „Weil ich es hasse, schnell am Ziel zu sein“? Dann gehörst du vielleicht auch zu den Ausrede-Künstler:innen unter den Flugängstlichen. Und dazu gehören einige. Denn die Angst vorm Fliegen (Aviophobie) dürfte neben der Höhenangst die am weitesten verbreitete aller spezifischen Ängste sein. Etwa 15% der Deutschen geben an, Angst vor dem Fliegen zu haben und nochmal 20% spüren ein deutliches Unbehagen im Flugzeug. Wer sind all diese Menschen, die Flugangst haben? Sie kommen aus allen Schichten und Altersgruppen, Männer und Frauen. Es sind genauso Privatreisende, die den Urlaub in fernen Ländern oder den Besuch bei ihren Verwandten mit fürchterlichen Qualen bezahlen, wie Geschäftsreisende, Wissenschaftler:innen, Manager:innen, die häufig unter besonderem Stress stehen, weil sie um ihre Stellung fürchten, wenn ihre Angst bekannt würde.

Wie bei Sabine, Managerin, die seit zwei Jahren ein bis zwei Mal pro Woche fliegen muss.

„Früher bin ich einmal pro Jahr in den Urlaub geflogen und hatte keine Probleme. Doch nach einigen unruhigen Flügen wegen Schlechtwetter entwickelte sich langsam eine Angst vor dem Fliegen und wurde immer stärker. Schon am Tag vor dem Flug konnte ich nicht mehr schlafen. Meine Angst stieg auf dem Weg zum Flughafen immer mehr an, mir wurde übel, ich bekam Durchfall und hatte nur noch Katastrophengedanken. Ich war schon kurz davor, den Job zu wechseln. Dann kam zum Glück für mich Corona und alle Meetings fanden nur noch online statt. Aber ob das so bleibt, ich nicht sicher und allein der Gedanke, wieder fliegen zu müssen, macht mich ganz unruhig.“

Sabine (Managerin)

Wie zeigt sich Flugangst?

Menschen sind erdgebundene Wesen und Abheben gen Himmel – schon immer ein Traum der Menschheit – empfinden manche als gar nicht so traumhaft. Schließlich ist die Luft nicht unser Lebensraum und den Boden unter den Füßen zu verlieren, im wahrsten Sinne in der Luft zu hängen, weckt Urängste. Ein Quäntchen mulmiges Gefühl ist daher beim Fliegen ganz normal. Aber wenn die Angst und die negativen Gedanken unangemessen hoch werden, wenn man vor Panik gar nicht mehr in den Flieger steigt, dann liegt eine Angststörung vor.

Viele Sinneseindrücke rund ums Fliegen verstärken noch die Ängste. Das Flugzeuginnere erleben die Betroffenen als eng und bedrohlich, das Anschnallen und Schließen der Türen als Ausgeliefertsein. Der Blick aus dem Fenster auf die Erde ist ihnen zu viel, Steig- und Kurvenflug oder gar Turbulenzen ertragen sie besonders schlecht. Die ungewollte Passivität und die fehlenden Kontrollmöglichkeiten geben ihnen ein Gefühl von Ohnmacht.

Viele reagieren auf die starke Angst mit der angeborenen Vermeidungs-, Flucht- oder Kampfreaktion. Man traut sich entweder gar nicht an Bord oder versucht, die Belastung mit Medikamenten oder Alkohol zu verringern. Andere werden aggressiv, legen sich mit dem Personal an oder haben ständig am Service etwas auszusetzen.

Wie entsteht Flugangst?

Viele Betroffene hatten zunächst keine Schwierigkeiten mit dem Fliegen, wurden dann aber mit Ereignissen konfrontiert, die ein Trauma bewirkten: Schlechtwetterflug, unvorhergesehene Zwischenlandung wegen eines technischen Problems, langes Kreisen in der Warteschlange oder auch zu hohe Temperatur in der Kabine. Ist die Angst erst einmal da, ist das Zutrauen in die Fliegerei dahin und die Angst tritt auch bei ruhigen Flügen auf.

Neben unangenehmen Erlebnissen können aber auch andere Gründe hinter einer Flugphobie stecken. Einer davon ist das Beifahrersyndrom: die Schwierigkeit, sich einem anderen, dessen Können und Handeln auf Gedeih und Verderb auszuliefern. Dies ist eines der zentralen Merkmale der Flugangst: Selbst keine Kontrolle ausüben zu können! Verschlimmert wird dieser Aspekt noch durch technische Unkenntnis. Denn wer weiß schon, wie so ein Flugzeug sich in der Luft hält oder welche Sicherheitssysteme es gibt, falls wirklich mal ein Triebwerk ausfällt oder der Pilot einen Herzinfarkt bekommt.

Ein weiterer Grund können auch negative Pressemeldungen sein, die das Vertrauen in die Fliegerei zerstören. Da hilft auch die Statistik nichts, nach der das Flugzeug das sicherste aller Verkehrsmittel ist. Denn sollte mal wirklich etwas passieren, dann hat man – zumindest gefühlt – im Flugzeug weniger Überlebenschancen als im Auto oder Zug.

Flugangst – meist Teil einer anderen Angststörung

Bei vielen Betroffenen ist die Flugangst nur ein Teil des Problems, denn sie leiden auch an anderen Angststörungen. Besonders oft vertreten sind Agoraphobie und Höhenangst. Was nicht verwunderlich ist: Wer nicht in einen Fahrstuhl oder auf einen Berg steigen kann, ohne Herzrasen und Atemnot zu bekommen, für den ist das Flugzeug natürlich ebenfalls der Horror. Auch soziale Ängste können sich zur Flugangst ausdehnen, wenn die Betroffenen es unerträglich finden, eingequetscht im Mittelplatz zwischen zwei wildfremdem Personen zu sitzen und vielleicht eine Unterhaltung führen zu müssen.

Was mache ich gegen Flugangst?

Ziel muss es sein, die übertriebene Angst wieder unter Kontrolle zu bringen und zu verhindern, in den sich aufschaukelnden Teufelskreis der Angst zu geraten. Wenn du also unter Flugangst leidest, musst du dich wohl oder übel mit deiner Angst auseinandersetzen. Dann erkennst du auch, dass du keineswegs so ohnmächtig bist, wie du glaubst.  

Eine Therapie mit Exposition (d.h. mit Übungsflug) wollen sich wohl die wenigsten leisten. Aber du kannst auch auf Selbsthilfe zurückgreifen. Ein ganz wichtiger Punkt dabei ist Wissen, vor allem Aufklärung über Technik und Sicherheit an Bord. Bei der Sitzplatzwahl ist es von Vorteil, einen Platz am Gang zu nehmen, um das Gefühl des Eingesperrtseins zu reduzieren. Plätze über den Tragflächen sind die ruhigsten, Plätze im hinteren Teil des Flugzeugs die sichersten.

Zur Minimierung der Angst an Bord ist es gut zu wissen, was bei Angst im eigenen Körper vor sich geht und welche Wege es aus der Angst gibt, nämlich Entspannungsmethoden, Atemkontrolle, Unterbrechung des Teufelskreises durch positive Gedanken usw. Diese Techniken solltest du dir vorher aneignen. Während des Flugs kannst du dich mit deinem Problem ruhig an das Begleitpersonal wenden. Diese sind geschult in der Problematik und helfen weiter.

Menschen mit Flugangst müssen sich dieser Störung ihrer Lebensqualität nicht unterwerfen. Der Streit mit dem Partner über das Urlaubsziel, die Vertröstung der Freundin, die zu weit weg wohnt – das alles muss nicht sein.